10Im BrennpunktDarfs ein bisschenmehr sein?Aber gewiss doch, man ist dochnicht kleinlich. Eine Scheibe Wurstmehr – was solls – die bringen wirdoch locker unter und bedauern dieseEntscheidung spätestens dann, wenn dieHose auf den Hüften kneift. Oder vielleichtdoch lieber etwas weniger? Etwasweniger – das ist das Stichwort. Eine Bekanntevon mir – Telebusbenutzerin – hattekürzlich ein Erlebnis, welches bei allenZuhörern in unserer Runde ungläubigesStaunen hervorrief.Neue TelebusverordnungDie Berliner Sozialverwaltung berät im Augenblick eine neueVerordnung zum Telebus im Lande Berlin. Der Entwurf, deruns freundlicherweise von der LAGH mit dem Stand9.11.2000 überlassen wurde, regelt in 16 Paragraphen die Nutzungdes Telebus durch die Berechtigten.Z.B. regelt der § 7 die Art des Beförderungsfahrzeugs undden Zeitraum des Beförderungsangebots (5:00 Uhr morgens –1:00 Uhr nachts). Hier möchte der SpontanzusammenschlussMobilität für Behinderte gerne eine Ergänzung aus der täglichenPraxis einfügen, wie uns Michael Eggert mitteilte. „DerTelebus gibt auf Wunsch Hilfestellungen, die für das Verlassenoder Betreten der Wohnung unerlässlich sind (in den Mantelhelfen, das Auf- bzw.Abschließen der Wohnungstür u.ä.).“Interessant ist sicher auch der Abschnitt III, der die „Eigenbeteiligungder Nutzer“ festlegen soll. Klar ist die Eigenbeteiligungder Nutzer für Telebus- und Taxifahrten festgeschrieben,Taschengeldbezieher in Heimen sind freigestellt. „Alle übrigenSozialhilfeempfänger und Benutzer des Fahrdienstes, die durchihre Krankenkassen von der Entrichtung der Rezeptgebührbefreit sind, bezahlen pro Einzelfahrt einen Beitrag von 3,-DM.Ab der 9. Fahrt wird der Monatsbeitrag in Höhe von 40,-DM fällig.“ Alle anderen Benutzer des Telebus sollen 4,- DMpro Fahrt oder ab der 9. Fahrt 85,- DM pro Monat zahlen.Auch hier gibt es alternative Vorschläge seitens des Spontanzusammenschlusses,die auf eine Staffelung der Zuzahlungen hinauslaufen.Der komplette Entwurfstext der Verordnung sowie die Anmerkungendes Spontanzusammenschlusses liegen der Redaktion vorund können auf Anfrage zugesandt werden.Die wahre Geschichte:Die Telebusberechtigte reicht beim BZAihre Taxiquittungen ein, zwecks Rückerstattungabzüglich der Eigenbeteiligung.Im vergangenen Monat war sie nur wenigmit dem Telebus gefahren, und auch Taxigesellschaftenhatten durch sie nicht geradeeine finanzielle Bereicherung erfahren:lediglich zwei Touren. Ohne die Summeausgerechnet zu haben, schickt sie die beidenBelege in die Telebuszentrale.Wenigspäter wird sie schriftlich aufgefordert, denfehlenden Betrag zu überweisen, da dievon ihr verauslagten Taxikosten für die Eigenbeteiligungnicht ausreichen.Kostenpunkt: 1,10 DM Porto plus Bearbeitungsaufwand!Wegen des geringen Fehlbetrages versuchtdie Betroffene sich mit der Telebuszentraletelefonisch in Verbindung zu setzen.Aber, wer kennt das nicht, es ist malwieder kein Durchkommen. Sie ist berufstätigund ihre freie Zeit ist etwas knappbemessen. Da kann es schon mal passieren,dass etwas in Vergessenheit gerät, in diesemFall die Zahlungsaufforderung. Ein zweitesSchreiben flattert ihr ins Haus. Eine Mahnung,verbunden mit der Androhung ihrdie Telebusberechtigung zu entziehen!Kostenpunkt: 1,10 DM Porto plus Bearbeitungsaufwand!Es muss unverzüglich gehandelt werden.Ein Überweisungsauftrag ist auszufüllenund zur Bank zu schicken.Kostenpunkt: 1,10 DM Porto plus Kontoführungsgebühr.Damit ist glücklicherweise die Kostenlawineaufgehalten.Nun will ich Ihnen aber endlich verraten,um welche Mordssumme es sich handelte:Um sage und schreibe 20 Pfennige.Fazit: Etwas weniger oder mehr istwurscht bei der Wurst. Beim BZA jedochist man gnadenlos genau – auf der einenSeite etwas zu wenig, dafür auf der anderenSeite etwas mehr. Klar, die Buchführungmuss stimmen.Aber ließe sich beiso kleinen Summen nicht eine vernünftigeLösung finden?Vera BrandesWIR1/2001
Im Brennpunkt11Von Tag zu Tagmehr freie FahrtFür uns alle sichtbar, wurden in denletzten Jahren erhebliche Anstrengungenunternommen, die öffentlichenVerkehrsmittel Berlins für Rollstuhlfahrerzugänglicher zu machen.Von diesenVerbesserungen profitieren natürlich nichtnur sie, sondern auch viele andere Bürgermit Kinderwagen, Fahrrädern etc., Ältere,Geh- und sonstige Behinderte. Und somuss es auch sein.Insbesondere bei der S-Bahn sowie beiBussen und Straßenbahnen kann man sichals Rollstuhlfahrer schon ganz gut in derStadt bewegen. Speziell erwähnen möchteich hier die S-Bahnhöfe der Stadtbahnvon Ostbahnhof bis Westkreuz. Diese sindfast alle mit Aufzügen versehen. Bei denwichtigen Bahnhöfen Alexanderplatz undFriedrichstraße gibt es hingegen noch keineAufzüge für das Umsteigen zur U-Bahn. Auch der Vollring vonSchönhauser Allee über Neukölln,Westkreuzbis derzeit Westhafenist gut bestückt. Im südlichenTeil der Ringbahn sind dieBahnhöfe der fünf kreuzendenU-Bahnlinien per Lift mit den jeweiligenS-Bahnhöfen verbunden,wie auch die Stationen derwieder eröffneten S-Bahnliniennach Spandau, Lichterfelde-Ostund Hennigsdorf. Letztes Jahr erhieltendie S-Bahnhöfe Oranienburg,Babelsberg, Friedrichstraße(Nord-Südbahn), Pankow einschließlichdes Übergangs zum neuen U-BahnhofKarlshorst einen Aufzug.Auch der RegionalbahnhofPotsdam-Park Sanssouci wurderollstuhlzugänglich gestaltet (Den weiterenPlanungsverlauf können Sie demnachfolgenden Kasten entnehmen).Im Busverkehr sind im vorigem Jahrüber 100 rollstuhlgerechte Niederflurbussedazugekommen. Neu bei diesen BussenFortsetzung auf Seite 12Demonstrationserfolg bei der Post in TegelNachtrag zur letzten WIR„Macht die Türen auf zum Alltag“ (Demonstrationfür einen rollstuhlgerechten Zugangnach Umbau der Post in Tegel).Ich will allen Mut machen, sich für ihreRechte zu engagieren. Hier nun die Erfolgsmeldung:Unsere lautstarke Demonstrationin Tegel wurde von den Verantwortlichender Post gehört. Der Zugangfür Rollstuhlfahrer zur Filiale wurde nocheinmal überarbeitet. Rollstuhlfahrer könnenzwar nicht den Haupteingang benutzen,sondern müssen über eine Rampe imHof fahren. Nachdem man aber an einerTür geklingelt hat, wird man durch diehinteren Diensträume geführt und gelangtso in den Schalterraum.Thomas Boldin(Freizeitpädagoge FDH)WIR1/2001