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Religiöse Vorstellungen bilden - Comenius-Institut Münster

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42Christoph WulfSubjekts. Für Lacan ist das Imaginäre mit seiner Welt der Bilder dem Symbolischen mitseiner Welt der Sprache vorgeordnet. Cornelius Castoriadis nimmt diese Positionierungauf und bestimmt das Verhältnis zwischen den beiden Welten wie folgt: „Das Imaginäremuss das Symbolische benutzen, nicht nur um sich ‘auszudrücken’ – das versteht sich vonselbst –, sondern um überhaupt zu ‘existieren’, um etwas zu werden, das nicht mehr bloßvirtuell ist. Der elaborierte Wahn ist ebenso wie die geheimste und verschwommensteFantasie aus ‘Bildern’ gemacht, doch diese Bilder stehen für etwas anderes, haben alsosymbolische Funktion. Aber auch umgekehrt setzt der Symbolismus die Einbildungskraft(capacité imaginaire) voraus, denn er beruht auf der Fähigkeit, in einem Ding ein anderes– oder: ein Ding anders als es ist – zu sehen. In dem Maße jedoch, wie das Imaginäreletztlich auf eine ursprüngliche Fähigkeit zurückgeht, sich mit Hilfe der Vorstellung einDing oder eine Beziehung zu vergegenwärtigen, die nicht gegenwärtig sind (die in derWahrnehmung nicht gegeben sind oder es niemals waren), werden wir von einem letztenoder radikalen Imaginären als der gemeinsamen Wurzel des aktualen Imaginären oder desSymbolischen sprechen. Es handelt sich um die elementare und nicht weiter rück führ ba reFähigkeit, ein Bild hervorzurufen“ (Castoriadis 1984, 218).Auch Arnold Gehlens Versuch, die Fantasie zu verorten, weist trotz erheblicher Un ter -schie de in der Argumentation in eine ähnliche Richtung. So schreibt er: „Auf dem Grundeder Geschiebe des Traumes oder der Zeiten verdichteten vegetativen Lebens – in derKindheit oder im Kontakt der Geschlechter, gerade da, wo die Kräfte werdenden Lebenssich anzeigen, gibt es wohl, unter sehr wechselnden Bildern, gewisse Urfantasien einesVorentwurfs des Lebens, das in sich die Tendenz zu einem Mehr an Formhöhe, an „Stromstärke“ spürt: diese aber als Anzeichen einer unmittelbaren vitalen Idealität, d. h. einer inder substantia vegetans liegenden Richtung nach einer höheren Qualität oder Quantität hin– wobei selbst das Recht zu dieser Unterscheidung fraglich bleibt“ (Gehlen 1978, 325).Gehlen deutet Fantasie als Projektion von Antriebsüberschüssen. Doch vielleicht gehtsogar die Fantasie schon den Antriebsüberschüssen voraus, „damit der Lebensdrang sichin ihr Bilder seiner Befriedigung entwerfen“ kann (Flügge 1963, 93). In jedem Fall ist inGehlens Sicht Fantasie an den Status des Menschen als „Mängelwesen“, an seine re si dua leInstinktausstattung und an den Hiatus zwischen Reiz und Reaktion gebunden. Damit istsie in Beziehung mit Bedürfnissen, Triebregungen und Befriedigungswünschen. Docherschöpft sich Fantasietätigkeit nicht in diesen. Menschliche Plastizität und Welt of fen heitverweisen auf die Notwendigkeit ihrer kulturellen Gestaltung. Fantasie spielt hier bei eineso zentrale Rolle, dass der Mensch „als Fantasiewesen so richtig bezeichnet (wäre), wieals Vernunftwesen“ (Gehlen, 1978, 317).Trotz aller Unterschiede im Ansatzpunkt und in der Argumentation gleichen sich diePositionen Gehlens und Castoriadis’ darin, dass nach ihrer Auffassung das Imaginäre einekollektive Kraft ist, die Gesellschaft, Kultur und Individualität hervorbringt. Dass dasImaginäre sogar in die sinnlichen Alltagswahrnehmungen des sozialen Subjekts hin ein -wirkt, hat Lacan unter Bezug auf die späten Arbeiten Merleau-Pontys zum Chiasmus desmenschlichen Körpers und seiner Wahrnehmung gezeigt.

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