Francis A. SchaefferDas Geheimnis der Kraftund der Freude am Herrn– Die Notwendigkeit von Reinheit und Liebe im christlichen LebenWas ist das Geheimnis der Kraft? Wennwir <strong>heute</strong> das Christentum betrachten– und zwar wahres, bibeltreues Christentum– müssen wir von der Tatsachebetroffen sein, dass die beständigeKraft, die in bestimmten Perioden derVergangenheit da war, nicht mehr gegenwärtigist. Dasselbe trifft auch fürdie Freude am Herrn zu. In unsererZeit gestaltet sich das Leben so: WährendChristen zwar viele Dinge tun,um dem Herrn zu dienen, ist dennochan unseren Gesichtern und Unterhaltungenabzulesen, dass nur wenige sichwirklich an ihm freuen.Diese Mängel scheinen sowohl aufuns als einzelne Christen zuzutreffenals auch auf die christlichen Organisationen,zu denen wir gehören. DieDinge, die nötig sind, um diese Mängelzu überwinden, sind für uns als einzelneChristen dieselben wie für unsereOrganisationen.Zu Beginn, lasst uns ein Dreieckzeichnen. Wir schreiben an die Spitzedes Dreiecks die zwei Wörter „Kraft“und „Freude“, und an das linke Eckdes Dreiecks schreiben wir das Wort„Reinheit“ (Abb. 1).Zu allererst stellen wir fest, dass dieBibel in ihrer Forderung nach persönlicherReinheit eindeutig ist. Es kannweder Kraft noch Freude am Herrngeben ohne solche Reinheit. EinigeChristen scheinen zu <strong>denken</strong>, dass,wenn wir von persönlicher Reinheitsprechen, wir nur darüber reden, einpaar Vergnügungen und Gewohnheitenaufzugeben. Was für eine armseligeSicht von Reinheit! Sich umdiese Dinge zu kümmern, ist in derTat wichtig, aber es ist nur das ABC.Wir können frei von bestimmten hinderlichenGewohnheiten und Vergnügungensein und dennoch fern vonwahrer persönlicher Reinheit.Wenn wir betrachten, was die Bibelüber Reinheit lehrt, dann finden wirheraus, dass es überhaupt nicht um äußerlicheAngelegenheiten geht, sondernum innere. Die Zehn Gebote handelnnicht einfach von rein äußerlichen Angelegenheiten,sondern sie beschäftigensich mit der inneren Ausrichtung desHerzens. Wir können jedes der ZehnGebote innerlich brechen, ohne jeglicheäußere Handlung. Dies zeigt sicham klarsten an der Tatsache, dass sichdas letzte Gebot „Du sollst nicht begehren“vollständig auf die innerlicheGesinnung bezieht und überhauptnicht auf äußere Dinge. Handlungenresultieren aus unserer inneren Haltungder Begierde gegenüber, die Begierdeselbst ist aber eine innere Angelegenheit.Dieses zehnte Gebot ist das,welches uns am meisten durchdringt.Es ist die negative Seite des positivenGebots von Christus, alle Menschenzu lieben wie uns selbst. Wir könneneine begehrende Haltung haben, indem wir nach etwas verlangen, waswir nicht haben, und wir können eineebenso begehrende Haltung haben,wenn wir uns entschließen, an Besitzoder Einfluss, den wir haben, festzu-22 7 8 6 @ ü
Das Geheimnis der Kraft und der Freude am Herrnhalten. Gibt es einen einfachen Test,den ich anwenden kann, um herauszufinden,ob ich begehre? Ja, den gibtes. Ich frage mich selbst: Wenn dieseroder jener, der mehr Besitz oder Einflusshat als ich, diesen verlieren würde,hätte ich dann innerlich Gefallen daran?Oder wenn dieser oder jener, derweniger Besitz und Einfluss hat als ich,immer mehr davon bekommt, wäre ichdann innerlich unglücklich? Wenn dasder Fall wäre, hätte ich begehrt. WennBegierde in meinem Leben gegenwärtigist, dann bin ich innerlich nicht imReinen; und in dem Maß, indem esbei mir innerlich nicht stimmt, besitzeich auch keine persönliche Reinheit.Ist persönliche Reinheit nun einfachzu erreichen? Die Antwort ist: Nein!Denn der Kampf richtet sich strikt gegendas Fleisch.Lasst uns aber daran <strong>denken</strong>, dasswahre Reinheit mehr ist als nur ein negativerAspekt unseres innersten Ichs.Wahre persönliche Reinheit ist nichteinfach etwas Negatives. Ich soll meinenNächsten lieben wie mich selbst.Wahre Reinheit basiert auf Liebe undführt zur Liebe. Wahre Reinheit undLiebe gehören zusammen.Dieses Wort „Liebe“ schreiben wirnun auf die rechte Seite des Dreiecks(Abb. 2).Aber die biblische Darstellung vonReinheit beinhaltet mehr als persönlicheReinheit. Wir sehen, dass dasWort Gottes lehrt, dass es nicht nurdie Reinheit einer Person gibt, sondernauch die Reinheit des äußeren Leibesder Gläubigen, der Gemeinde. Mosehat dies geboten, und von dem Buchder Richter ab finden wir die anhaltendeund wiederholte Darstellungdessen, was passiert, wenn der äußereLeib des Gottesvolkes Gottes Gebot,rein zu bleiben, vergessen hat. Wenndas geschah, drangen eine ganze Reihevon Dingen ein, die bald die Kraft desVolkes Gottes zerstörte. Das ist nichtnur eine Lektion aus dem Alten Testament,sondern auch aus dem Neuen.Die Lektion von der notwendigenReinheit des äußeren Leibes der Gläubigenist durch und durch Bestandteiljedes Abschnittes der Schrift. Paulusist sehr deutlich darin, dass die, welchein Lehre und Leben falsch wandeln,vom äußeren Leib der Gläubigen ausgeschlossenwerden müssen. Das meintgemeindliche Reinheit.Was ist nun passiert, wenn die sichtbareGemeinde, der äußere Leib derGläubigen, es versäumt hat, sich reinzu halten? Es gibt viele Beispiele aus derKirchengeschichte, aber lasst uns nurzwei davon betrachten. Das Erste istder Fall der frühen Kirche. Wenn wirKirchengeschichte studieren, stellenwir fest, dass sich die frühe Kirche bisin die Zeit von Konstantin grundsätzlichrein hielt. Dann machte Konstantindas Christentum populär und dieChristenheit vergaß, sich rein zu halten.Sie ließ es in zunehmendem Maßezu, mit falschen Lehren und falschenPraktiken vermischt zu werden. Daherverlor die Gemeinde ihre wahre Kraft,und die römisch-katholische Kirchewar das Ergebnis.Eine weitere klare Veranschaulichungdessen, was mit der sichtbarenGemeinde geschieht, wenn sie ihreReinheit nicht bewahrt, ist die Gemeindeder Nestorianer. Sie war einstein großer Verbund von Gläubigen, dersich von Indien bis ins Herz Chinaserstreckte. Aber als Gemeinde hieltensie sich nicht rein, und <strong>heute</strong> gibt esvon ihnen nur noch einen sehr kleinenÜberrest im Nahen Osten. Wenn sichdie Gemeinde der Nestorianer rein gehaltenhätte, wäre vielleicht <strong>heute</strong> ganzAsien christlich.Persönliche Reinheit und die Reinheitdes äußeren Leibes der Gläubigenmuss Hand in Hand gehen. Es gibtdie Tendenz eine der beiden zu minimieren,während man der anderendie angemessene Betonung gibt. Beidesind jedoch notwendig, wenn es zu einerechten und anhaltenden Kraft undFreude am Herrn kommen soll. Ist esnun einfach, die Reinheit des äußerenLeibes der Gläubigen zu bewahren? Istes einfach, Zucht zu üben und Menschen,die ihr Leben auf falsche Weiseleben oder falsche Lehre verbreiten,auszuschließen, oder auch, wenn dasnicht gelingt, dieses Lager zu verlassenund neu anzufangen? Nein, es ist, wieauch bei der persönlichen Reinheit,nicht einfach. Der Kampf richtet sichstrikt gegen das Fleisch.Wie im Fall der Reinheit des Lebens,so ist es auch mit der Reinheit der Gemeinde:Trennung muss in zwei Richtungenvollzogen werden. Es ist dieTrennung von dem Falschen, aber esist auch die Trennung zu etwas Positivem.Es muss eine Trennung hin zueiner tiefen Liebe zu Gott sein. Wenndiese Dinge nicht auf einer tiefen Liebezu Gott gründen und zu ihr führen,dann ist es nur Zerspaltung und überhauptnicht Trennung im biblischenSinn. Deshalb sind unsere Gedankennun wieder auf die andere Seite desDreiecks gerichtet: „Liebe“ (Abb 3).Schauen wir uns jetzt die andere Seitedes Dreiecks an, die Seite der Liebe.Wir wollen jetzt besonders darübernach<strong>denken</strong>, was Christus über unsereLiebe zu den Menschen gesagt hat.Wir sollen andere so lieben wie unsselbst. Diese Liebe für Menschen teiltsich in zwei Kategorien. Zuerst in Liebezu anderen Christen – wir sollen sielieben wie unsere Brüder in Christus.Aber wir sollen zweitens nicht vergessen,dass obwohl wir nur denen Brüdersind, die Christus als ihren Retterangenommen haben, es dennoch auchdas Gebot von Christus ist, dass wiralle Menschen als unsere Nächsten lieben.Wir sollten die Lektion des barmherzigenSamariters befolgen. Wir dürfendiese Liebe, die wir gegenüber allenMenschen als unseren Nächsten haben7 8 6 @ ü<strong>glauben</strong> & <strong>denken</strong> <strong>heute</strong> 2/2009 23