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Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen - Weltgebetstag der ...

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Ökumenischer <strong>Weltgebetstag</strong><strong>Ich</strong> <strong>war</strong> <strong>fremd</strong>,<strong>und</strong> <strong>ihr</strong> <strong>habt</strong> <strong>mich</strong> <strong>aufgenommen</strong>Freitag, 1. März 2013Frauen aus Frankreich laden ein


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichInhaltsverzeichnisZum Geleit 3LandvorstellungLandkarte 4Frankreich auf einen Blick 5Kolonial- <strong>und</strong> Immigrationsgeschichte 6Roma in Frankreich 13Frauen in Frankreich 14Trennung von Kirche <strong>und</strong> Staat 16Flug o<strong>der</strong> Flucht <strong>der</strong> Störche 18Fremdsein im eigenen Land 20Rezepte 22LiturgieEntstehung 26Gedanken zur Liturgie 27Bibelarbeiten 28Ideen zur Weiterarbeit 30Predigtvorschlag 31ProjektarbeitProjekte WGT 2013 34Zwei mutige Frauen 38Einmischen/Heraushalten – Kampagnen 39WGT in ÖsterreichAus dem Vorstand 4260 Jahre Jubiläum 42Rückblick WGT 2012/Finanzen 44WGT International 45Pressetext 46Kollektenbestätigung 47Der <strong>Weltgebetstag</strong> 2014 kommt aus Ägypten.Thema:„Streams in the Desert“Der deutsche Titel wird im Sommer 2013 bekannt gegeben.Medieninhaberin <strong>und</strong> Herausgeberin: WELTGEBETSTAG DER FRAUEN – Ökumenisches Nationalkomitee Österreich,Währingerstrasse 2-4/2/22, A – 1090 Wien, Tel. + Fax: 01/406 78 70 – Email: wgt@weltgebetstag.at – www.weltgebetstag.atBankverbindung: Raiffeisenlandesbank NÖ – Wien; BLZ 32 000, Kontonr. 7.474.448Redaktion:, Eva Lochmann, Elisabeth Papauschek, Maria SchachamayrLayout: Maria Schachamayr; Druck: Buch- <strong>und</strong> Offsetdruck BuschekDIESES ARBEITSHEFT IST NUR FÜR DEN INTERNEN KIRCHLICHEN GEBRAUCH VORGESEHEN-2-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichZUM GELEITDer <strong>Weltgebetstag</strong> 2013 for<strong>der</strong>t uns wie<strong>der</strong> einmal auf, uns mit einem sehraktuellen Thema auseinan<strong>der</strong>zusetzen: <strong>Ich</strong> <strong>war</strong> <strong>fremd</strong> <strong>und</strong> <strong>ihr</strong> <strong>habt</strong> <strong>mich</strong><strong>aufgenommen</strong>.Frauen aus Frankreich haben dazu eine sehr bewegende Liturgie geschrieben.Sie lassen darin in beeindrucken<strong>der</strong> Weise Frauen aus unterschiedlichenLandesregionen <strong>und</strong> Herkunftslän<strong>der</strong>n zu Wort kommen, die alle auf<strong>ihr</strong>e eigene, ganz persönliche Art erlebt haben, was es bedeutet, als„Fremde“ <strong>aufgenommen</strong> zu werden.Ähnliche Erfahrungen haben aber mit Sicherheit auch viele Kin<strong>der</strong>, Frauen<strong>und</strong> Männer in unserem Land gemacht <strong>und</strong> es gibt wohl keinen Ort inÖsterreich in dem keine „Fremden“ o<strong>der</strong> „Zuagroasten“ leben: Heimatvertriebene<strong>und</strong> Flüchtlinge, die Schutz <strong>und</strong> Sicherheit gesucht haben, <strong>und</strong>Menschen, die aus beruflichen o<strong>der</strong> familiären Gründen Österreich zu <strong>ihr</strong>erWahlheimat gemacht haben. Sie alle leben mitten unter uns.Gehören sie aber auch dazu? Wurden sie (nur) <strong>aufgenommen</strong> o<strong>der</strong> wurdeihnen darüber hinaus auch das Gefühl vermittelt, willkommen zu sein?Haben wir wirklich genug getan, damit diese Menschen nicht nur in denKirchen <strong>und</strong> Pfarrgemeinden, son<strong>der</strong>n auch in unserer Gesellschaft Heimatfinden <strong>und</strong> menschenwürdig leben können?Das Evangelium für den WGT 2013 aus Matthäus 25, 31-40 erinnert uns andie Worte Jesu: „Was <strong>ihr</strong> für einen/eine meiner geringsten Brü<strong>der</strong> <strong>und</strong>Schwestern getan <strong>habt</strong>, das <strong>habt</strong> <strong>ihr</strong> mir getan.“Beim Lesen <strong>der</strong> Liturgie <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem Thema„Fremdsein“ drängen sich mir persönlich eigene Erlebnisse <strong>und</strong> Erfahrungenauf: ich lebe seit r<strong>und</strong> 30 Jahren in Österreich <strong>und</strong> kann heute Gottsei Dank sagen: ich bin hier „dahoam“. <strong>Ich</strong> <strong>war</strong> <strong>fremd</strong> <strong>und</strong> ich wurde zunächstin <strong>der</strong> Evangelischen Frauenarbeit <strong>und</strong> sehr bald auch in <strong>der</strong> WGT-Bewegung sehr herzlich <strong>aufgenommen</strong>. Darüber hinaus konnte ich <strong>mich</strong>auch beruflich integrieren <strong>und</strong> weiterbilden. <strong>Ich</strong> durfte erfahren, dass ichwillkommen bin <strong>und</strong> gebraucht werde, aber mir ist bewusst, dass es mirdamit besser geht als vielen an<strong>der</strong>en mit Migrationshintergr<strong>und</strong>, die auf <strong>der</strong>Suche nach Schutz, Sicherheit <strong>und</strong> einem menschenwürdigen Leben vorübergehendo<strong>der</strong> dauerhaft in Österreich leben. Aus meiner beruflichenTätigkeit als Flüchtlingsbetreuerin kenne ich die Ängste <strong>und</strong> Sorgen dieserMenschen <strong>und</strong> wünsche mir, dass auch unsere Gesellschaft <strong>und</strong> unsereGesetzesgeber mehr dazu beitragen würden, um bei uns ein Klima <strong>und</strong> eineKultur des Willkommens zu schaffen?Stellen wir uns dieser Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> folgen wir dem Gebot ausLeviticus 19,33f: „… Wie ein Einheimischer soll euch <strong>der</strong> Fremde gelten,<strong>der</strong> bei euch lebt “ denn Gott führt uns auf dem Weg zur Gemeinschaft,ungeachtet unserer Herkunft, unserer Sprache, unseres Aussehens o<strong>der</strong>unserer Persönlichkeit.In diesem Sinne wünsche ich Ihnen / Euch auf dem Weg zum WGT 2013viel Freude, Ideenreichtum <strong>und</strong> ein erfolgreiches Zusammenarbeiten in denVorbereitungsteams.Ihre/Eure Marianne DombyEditorialIn diesem Heft er<strong>war</strong>tetSie:Ausgehend von <strong>der</strong>Kolonialgeschichte, demdamit verb<strong>und</strong>enenHandel, den wirtschaftlichnotwendig gewordenenMasseneinwan<strong>der</strong>ungenin <strong>der</strong> Mitte des 19. Jhd,bis zum Umgang mit den„Fremden“ (z.B. Roma),<strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> Frauen,<strong>der</strong> Tatsache <strong>der</strong> Laizitätin Frankreich, fragen wirnach dem Fremdsein imeigenen Land, heute <strong>und</strong>in unserer unmittelbarenUmgebung.Die theologischenBeiträge behandeln anHand <strong>der</strong> Bibelstellen dreiSchwerpunkte: BedrücktFremde nicht, weil <strong>ihr</strong>selber Fremde <strong>war</strong>t –nehmt Fremde auf, weilich <strong>der</strong> Fremde bin – allewerden Heimat haben,…,weil er die Heimat für alleist.Ausführliche Projektinformationen<strong>und</strong> die indessen Zusammenhangstehenden Berichte überKampagnen gebenEinblick in das „BetendeHandeln“ des WGT.Allgemeine Berichte vomKomitee <strong>und</strong> WGT-Büro,sowie Ideen zur Bereitungkulinarischer Köstlichkeitenkomplettierendieses Arbeitsheft.Die RedaktionEin herzliches Danke analle Autorinnen <strong>und</strong>Autoren für Ihre Beiträge-3-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichLANDVORSTELLUNGLandkarte:-4-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichFRANKREICH AUF EINEN BLICKWahlspruch:„Liberté, Egalité, Fraternité“ („Freiheit, Gleichheit, Brü<strong>der</strong>lichkeit“)Lage:Frankreich gehört zu den größten Län<strong>der</strong>n Europas. Es grenzt imNordosten an Belgien <strong>und</strong> Luxemburg, Im Osten an Deutschland <strong>und</strong>die Schweiz, im Südosten an Monaco <strong>und</strong> Italien <strong>und</strong> im Südwesten anSpanien <strong>und</strong> Andorra.Klima:Am Atlantik findet man gemäßigtes Meeresklima, im Landesinnerengibt es ausgeprägte Temperaturunterschiede, in den Gebirgskettenherrscht raues Bergklima <strong>und</strong> im Mittelmeerraum ist es gemäßigt<strong>war</strong>m.Größe:543.965 km 2 (ohne Überseedepartements)Überseedepartements: gehören zum französischen Staatsgebiet (ca.88,9 km 2 ) <strong>und</strong> sindgrößtenteils frühere franz. Kolonien: Französisch-Guyana inSüdamerika, Guadeloupe <strong>und</strong> Martinique in <strong>der</strong> Karibik, sowie Réunion<strong>und</strong> Mayotte im Indischen Ozean.Hauptstadt:Paris; 2,2 Mio Einwohner; Unité urbaine (städt. Umland) 10,3 MioStaatsform:Seit 1958 fünfte RepublikStaatsoberhaupt: Staatspräsident Francois Hollande, Amtsantritt 15.Mai 2012Premierminister:Jean-Marc AyraultLandessprache:FranzösischBevölkerung:r<strong>und</strong> 62,8 Mio; (65,6 Mio Einwohner mit Übersee-Departements)Bevölkerungswachstum: ca 0,5%; innerhalb <strong>der</strong> EU hat Frankreich einen Anteil von 13%.Migration:Bis 1974 sehr liberale Einwan<strong>der</strong>ungspolitik; ab 1880 lebten bereits1 Mio Auslän<strong>der</strong>; zuerst aus Europa (Italien, Polen), später aus demnordafrikanischen Raum (Algerien, Marokko, Tunesien). In den letztenJahren kommt <strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>er aus den ehemaligenfranzösischen Kolonien in Subsahara-Afrika <strong>und</strong> Bangladesch.Religionen:Frankreich ist offiziell ein laizistischer Staat (seit 1905), das heißt, Staat<strong>und</strong> Religionsgemeinschaften sind vollkommen voneinan<strong>der</strong> getrennt.Es gibt keine offizielle Zählung. Laut Umfragen glauben 58% allerFranzosen an einen Gott <strong>und</strong> 27% halten sich für religiös. Ebenfallslaut Umfragen geben an: 51% katholisch, 9% muslimisch, 3%protestantisch, 1% jüdisch zu sein. 31% haben keine Religion <strong>und</strong> 5%machen keine Angaben.Nationalfeiertag:14. Juli, in Erinnerung an das Fö<strong>der</strong>ationsfest am 14. Juli 1790, dasanlässlich des ersten Jahrestages des Sturms auf die Bastille imRahmen <strong>der</strong> Französischen Revolution stattfand. Der Nationalfeiertagwird im ganzen Land mit Militärparaden, Festen <strong>und</strong> Feuerwerkenbegangen.Nationalhymne:MarseillaiseWirtschaft:Mo<strong>der</strong>ne Wirtschaft (Fahrzeugbau, Luft-u. Raumfahrt, Elektronik,pharmazeutische Erzeugnisse, Mode) <strong>und</strong> bedeuten<strong>der</strong> AgrarsektorFrauenpolitik:Antidiskriminierungsgesetz v. März 2012: bis 2018 sukzessiveEinführung <strong>der</strong> Quote von 40% Frauenanteil im höheren öffentlichenDienst. Die Hälfte <strong>der</strong> Minister (19) sind Frauen.Frauenbeschäftigungsrate liegt bei 85%, bei einer Geburtenrate von 2Kin<strong>der</strong>n pro Frau (nach Irland geburtenreichstes Land <strong>der</strong> EU).Trotz <strong>der</strong> langen Tradition <strong>der</strong> Frau am Arbeitsplatz ist die absoluteGleichheit <strong>der</strong> Männer <strong>und</strong> Frauen am franz. Arbeitsmarkt noch nichtgegeben. Statistisch gesehen bekleiden Frauen noch nicht so vieleleitende Stellen, wie es <strong>ihr</strong>em prozentuellen Beschäftigungsanteilentspricht.Quellen: Auswärtiges Amt/Deutschland/franz. Botschaft WienWGT-Komitee Frankreich; Wikipedia-5-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichKolonial- <strong>und</strong> Immigrationsgeschichte Frankreichs1. Koloniale Geschichte FrankreichsFür europäische Län<strong>der</strong> kann man zwischen zwei großen Kolonialisierungsperiodenunterscheiden, die auch für Frankreich gelten.1.1. Erste Kolonialisierung: 15. bis 18. Jahrh<strong>und</strong>ertIm 15. Jhdt. versuchten europäische Mächte, einen Zugang nach Asien zu finden, um dieVorherrschaft des osmanischen Reiches über den Gewürzhandel zu umgehen. WeitereGründe <strong>war</strong>en <strong>der</strong> Wettbewerb zwischen Monarchien, die religiösen Missionierungen <strong>und</strong> diewissenschaftlichen Entdeckungsreisen.Der Weg führte nach Amerika <strong>und</strong> Asien. Portugal <strong>und</strong> Spanien <strong>war</strong>en Vorreiter. An<strong>der</strong>eeuropäische Mächte folgten nach <strong>und</strong> nach; sogar Österreich kontrollierte im 18. Jhdt.einzelne Stützpunkte in Südasien <strong>und</strong> Ostafrika, die es wie<strong>der</strong> verlor.Frankreich besaß große Teile Nordamerikas, Inseln in <strong>der</strong> Karibik, Stützpunkte in Indien,Senegal, Guinea sowie Inseln im indischen Ozean. 1754 erreichte das erste französischeKolonialreich seine größte Ausdehnung mit 10 Millionen Quadratkilometer <strong>und</strong> 30 MillionenEinwohnerInnen. Frankreich verlor bald wie<strong>der</strong> den Großteil seiner Kolonien zugunstenEnglands o<strong>der</strong> Spaniens. Aus dieser ersten Kolonialisierung blieben Ende des 19.Jahrh<strong>und</strong>erts lediglich die Senegalküste <strong>und</strong> ein paar Inseln.1. Karte: Das Französisch Kolonialreich bis 1830 (Quelle Fuchs/Henseke)-6-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichAfrika wird Teil <strong>der</strong> WeltwirtschaftAfrika wurde ab dem 15. Jahrh<strong>und</strong>ert langsam in ein Weltsystem integriert, das seinZentrum in Westeuropa hatte. Der Kontinent wurde schon im 15. Jhdt. von europäischenMächten besiedelt, zuerst von Portugal (Kap <strong>der</strong> Guten Hoffnung an <strong>der</strong> Südspitze sowiedas heutige Mozambique <strong>und</strong> Angola). Zu dieser Zeit wurde in Afrika keine Besiedlung desLandesinneren angestrebt, die Handelsstützpunkte reichten.Frankreich errichtete Handelsstützpunkte an <strong>der</strong> Küste Senegals <strong>und</strong> Guineas, v.a. umSklavInnenhandel zu betreiben. Die territoriale Ausdehnung <strong>war</strong> z<strong>war</strong> gering, aber dieNachfrage nach Luxusgütern <strong>und</strong> später Rohstoffen stieg massiv. Dies hatte z<strong>war</strong> eineIntensivierung des innerafrikanischen Handels zur Folge, schwächte aber gleichzeitig durcheuropäische Importe die afrikanischen Wirtschaftsgebiete. Somit wurde das Terrain für diepolitische Machtübernahme europäischer Staaten im 19. Jhdt. aufbereitet.Der Transatlantische DreieckshandelIm 17. Jhdt. lief <strong>der</strong> transatlantische Dreieckshandel schon auf vollen Touren; zuerst nahmEngland teil, Frankreich stieg später ein. Ausgangspunkt <strong>war</strong>en die westeuropäischen Häfen.Europäische Produkte (Kleidung, Waffen, Pferde, Alkohol) wurden nach Afrika gebracht,dort gegen SklavInnen (aber auch Elfenbein <strong>und</strong> Nahrungsmittel) getauscht. Diese wurdennach Amerika gebracht (viele SklavInnen überlebten die Schiffsreise nicht). Dort wurden dieTropenprodukte (Zucker, Rum, Kaffee, Baumwolle) geladen <strong>und</strong> nach Europa gebracht.Diese Produkte wurden im Zuge <strong>der</strong> industriellen Entwicklung Europas immer wichtiger.2. Schema/Karte: Transatlantischer Dreieckshandel (Quelle: sommaire_atlas_historique)1.2. Zweite Kolonialisierung - <strong>der</strong> französische Imperialismus: 19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>ertDer französische Imperialismus des 19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts ist für uns von beson<strong>der</strong>emInteresse. Spätestens Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts wurde Frankreich zur zweitgrößtenKolonialmacht nach England.-7-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichIndustrielle RevolutionSeit Mitte des 18. Jahrh<strong>und</strong>ert erfolgte die industrielle Revolution, zuerst in England, dannin ganz Westeuropa. Die Überseegebiete <strong>war</strong>en dabei von großer Bedeutung: vor allem alsRohstofflieferanten aber auch als Absatzmärkte für die Fertigprodukte. Der Import vonKaffee <strong>und</strong> Zucker <strong>war</strong> für die Entwicklung des Kapitalismus in Europa unabdingbar, dennsie trugen dazu bei, dass ArbeiterInnen die schwierigen Arbeitsbedingungen aushielten.Der Zugang zuRohstoffen <strong>und</strong> <strong>der</strong>Abbau vonEdelmetallen wurdenfür die angehendenIndustrielän<strong>der</strong> immerwichtiger. Durchformale Herrschaft gabes die Möglichkeit, dielokale Bevölkerung indie Lohnarbeit zuzwingen. Dies erfolgteeinerseits mit <strong>der</strong> Einführung einer Kopfsteuer – die Blick auf den Hafen von Bordeaux (1758)Einführung von Geld zwang LandarbeiterInnen <strong>ihr</strong> Landaufzugeben, um eine bezahlte Tätigkeit einzugehen – an<strong>der</strong>erseits durch Zwangsarbeit.Die französische imperialistische Expansion wurde 1830 mit einem Feldzug in Algerieneingeleitet. Dann wurden weitere Handelsstützpunkte an <strong>der</strong> westafrikanischen Küsteeingerichtet, von denen aus ins Landesinnere fortgeschritten werden konnte. Nach <strong>und</strong> nachwurden Territorien in Afrika, aber auch auf an<strong>der</strong>en Kontinenten besetzt. Ab den 1880erkämpften alle europäischen Großmächte um Afrika (Scramble for Africa).Die Berliner Konferenz wurde 1884 einberufen, um die territorialen Konflikte zwischen deneuropäischen Mächten zu lösen. Diese teilten sich Afrika regelrecht untereinan<strong>der</strong> auf.Grenzen wurden willkürlich mit dem Lineal gezogen. Die meisten bestehen bis heute fort.Die Ära des HochimperialismusNach dem formellen Aufteilen mussten die Territorien tatsächlich besetzt werden. Dieserfolgte durch Gewalt <strong>und</strong> Betrug. Bis in die 1920er Jahre <strong>war</strong> die Ära desHochimperialismus: Sicherstellung <strong>der</strong> Herrschaft <strong>und</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Wirtschaft,Enteignungen <strong>und</strong> Zwangsarbeit. Die lokale Wirtschaft wurde auf dem Export von Rohstoffennach Frankreich ausgebaut. Es wurden tendenziell Monokulturen errichtet. Die lokaleVerarbeitung von Rohstoffen (z.B. Textilverarbeitung im Senegal) wurde verhin<strong>der</strong>t, um dieKonkurrenz mit europäischen Produkten zu verhin<strong>der</strong>n - schließlich musste Afrika auch alsAbsatzmarkt für europäische Produkte fungieren.Auf Plantagen, Fel<strong>der</strong>n <strong>und</strong> in Minen wurden AfrikanerInnen als LohnarbeiterInneneingesetzt. Aus rohstoffarmen Län<strong>der</strong>n wie Obervolta (heutiges Burkina Faso) wurden vorallem Arbeitskräfte in Küstenlän<strong>der</strong> wie die Elfenbeinküste exportiert. Insofern <strong>war</strong>enMigrationsbewegungen, unter direktem o<strong>der</strong> indirektem Zwang, dem Kolonialsysteminnewohnend. Auch für die Kolonial- <strong>und</strong> Weltkriege wurden AfrikanerInnen herangezogen.Nach dem 1. Weltkrieg erreichte das zweite französische Kolonialreich seine größteAusdehnung mit 12,5 Millionen Quadratkilometern <strong>und</strong> 65 Millionen EinwohnerInnen.-8-


WGT-Arbeitsheft 2013 Frankreich3. Karte: französische Kolonien von 1830 bis 1945 (Quelle Fuchs/Henseke)MissionarInnen <strong>und</strong> EntdeckungsreisendeKatholische MissionarInnen begleiteten die Franzosen in <strong>ihr</strong>er Expansion. Mitte des 19. Jhdt.entstand <strong>der</strong> Orden <strong>der</strong> Weißen Väter (Pères Blancs), <strong>der</strong> zum Ziel die Bekehrung Afrikashatte. Dessen Aufgabe <strong>war</strong> auch die Sicherung von Einflussgebieten gegenüber Briten <strong>und</strong>Protestanten. MissionarInnen hatten z<strong>war</strong> geistliche Ziele <strong>und</strong> handelten aus Interesse fürdie Menschen. Nichtsdestotrotz <strong>war</strong>en sie von <strong>ihr</strong>er Überlegenheit überzeugt. Dies gilt auchfür die wissenschaftlichen Entdeckungsreisenden. Alles in allem fungierten dieseEuropäerInnen als PionierInnen des Imperialismus. Später spielten progressive Geistlicheeine wichtige Rolle in Unabhängigkeitsbestrebungen.Frauen <strong>und</strong> KolonialisierungMit <strong>der</strong> Kolonialisierung wurde das Leben afrikanischer Frauen tendenziell schwieriger. Diemeisten afrikanischen Gesellschaften wiesen eine differenzierte Arbeitsaufteilung nachGeschlechtern auf, wobei Frauen meistens – mit Ausnahmen weniger Gesellschaften – einemin<strong>der</strong>wertige Rolle zugesprochen wurde. Der Kapitalismus brachte neue Hierarchien, indem z.B. die Kolonialherren nur Männer als Ansprechpartner akzeptierten <strong>und</strong> somit auchdie von Frauen dominierten Bereiche zerstörten.Der Weg in die UnabhängigkeitEnde <strong>der</strong> 1950er Jahre wurde den Kolonialmächten klar, dass die formelle Herrschaft überdie Überseegebiete nicht mehr notwendig <strong>war</strong>. Die formelle politische Unabhängigkeit <strong>der</strong>meisten afrikanischen Län<strong>der</strong> <strong>war</strong> somit kein Dorn mehr im Auge des europäischen-9-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichKapitalismus. Das Land <strong>war</strong> weitgehend im europäischen Besitz, die Infrastruktur <strong>war</strong>ausgebaut <strong>und</strong> nicht zuletzt <strong>war</strong>en die billigen LohnarbeiterInnen gesichert.In den 1960er Jahren wurde <strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> afrikanischen Kolonien Frankreichs formalunabhängig. Algerien (die einzige Siedlerkolonie in Afrika) <strong>und</strong> Indochina errangen <strong>ihr</strong>eUnabhängigkeit erst nach langen <strong>und</strong> blutigen Kriegen.Der Algerienkrieg (1954-1962) stellte für Frankreich eine Traumatisierung dar <strong>und</strong> istgleichzeitig die Gr<strong>und</strong>lage für die Weiterentwicklung von rechtsextremen Bewegungen.1.3. Unabhängigkeiten <strong>und</strong> postkoloniale KontinuitätenDie Unabhängigkeit galt zunächst in formal-politischer Hinsicht. In Wirklichkeit bestanden<strong>und</strong> bestehen immer noch asymmetrische politische <strong>und</strong> wirtschaftliche Verflechtungenzwischen Frankreich <strong>und</strong> seinen ehemaligen Kolonien. Die jahrelang nach außen gerichteteWirtschaft <strong>der</strong> kolonialisierten Län<strong>der</strong> konnte nicht geän<strong>der</strong>t werden (die Folge: hoheAuslandsverschuldung, Abhängigkeit von Entwicklungshilfe <strong>und</strong> europäischer Wirtschaft).Für das Netzwerk aus politischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Interessen <strong>der</strong> französischen <strong>und</strong>afrikanischen Eliten gibt es einen Begriff, die Françafrique. Das ist ein Wortspiel mit„Afrique“ (Afrika) <strong>und</strong> „à fric“ (umgangssprachlich „des Geldes“). Dieser Begriff ist heute nochsehr wichtig. Manche Netzwerke sind offene Beziehungen, wirtschaftlich wie politisch. Vieleswird insgeheim betrieben <strong>und</strong> wurde in den letzten 30 Jahren mehr <strong>und</strong> mehr aufgedeckt.Um seine Interessen zu sichern scheut Frankreich nicht, Diktatoren zu unterstützen. Diesführte sogar zur Mitverantwortung am Genozid <strong>der</strong> Tutsis in Rwanda Anfang <strong>der</strong> 1990erJahre.Der sprachliche <strong>und</strong> kulturelle Einfluss Frankreichs besteht heutzutage nicht zuletzt durch dieinternationale Organisation <strong>der</strong> „Francophonie“, welche 75 Staaten umfasst. Die Eliten <strong>der</strong>ehemaligen Koloniallän<strong>der</strong> studieren nach wie vor im Ausland, viele davon in Frankreich.Doch Frankreich muss seinen Einfluss in Afrika nun mit an<strong>der</strong>en Mächten teilen, wie denUSA o<strong>der</strong> China. Manche behaupten, dass die Françafrique zerfallen ist. Dies ist eher als einVersuch, aktuelle Interessen Frankreichs in Afrika zu verschleiern, zu werten.Heute besitzt Frankreich noch ein paar Überseegebiete. Guadeloupe, Martinique, Réunion,Mayotte, französisch Guyana sind sogar Departements. Ein paar Inseln in Nordamerika <strong>und</strong>im Südpazifik (z.B. Neukaledonien <strong>und</strong> franz. Polynesien) stehen auch noch mehr o<strong>der</strong>weniger unter formellem französischen Einfluss.2. Immigration <strong>und</strong> Integration in FrankreichEin wichtiger Teil <strong>der</strong> französischen Bevölkerung, wahrscheinlich mehr als ein Drittel, wennman bis zur dritten Generation zurückgeht, stammt aus <strong>der</strong> Immigration. Ein erheblicher Teilkommt aus ehemaligen Kolonien.2.1. ImmigrationsgeschichteDie Immigration nach Frankreich <strong>war</strong> immer den Bedürfnissen <strong>der</strong> industriellenEntwicklung untergeordnet. Frankreich ermöglichte seit Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts inPerioden <strong>der</strong> wirtschaftlichen Prosperität Masseneinwan<strong>der</strong>ung. In Krisenzeiten wurde dielegale Immigration gestoppt. Zusätzlich wurden während den zwei Weltkriegen vieleBewohnerInnen <strong>der</strong> Kolonien entwe<strong>der</strong> als Soldaten o<strong>der</strong> als Ersatzarbeitskräfte für denfranzösischen Kriegsdienst mobilisiert.-10-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichDie Gastarbeiterperiode ab 1945 bzw. systematisch ab 1963Im Zuge des Wie<strong>der</strong>aufbaus <strong>der</strong> westeuropäischen Län<strong>der</strong> nach dem zweiten Weltkriegsetzte die Hauptphase <strong>der</strong> nordafrikanischen Arbeitsmigration ein. Es <strong>war</strong> eine staatlichorganisierte, auf bilateralen Abkommen basierende Süd-Nord-Wan<strong>der</strong>ung.In dieser Periode <strong>der</strong> organisierten <strong>und</strong> assistierten Einwan<strong>der</strong>ung wurden dieArbeitsmigranten meist in schlecht ausgestatteten o<strong>der</strong> unges<strong>und</strong>en, dazu überbelegtenWohnungen untergebracht.Die restriktive Periode (ab 1974): neue Formen <strong>der</strong> ImmigrationAb ca. 1974 gab es im Wesentlichen nur mehr drei Möglichkeiten <strong>der</strong> Immigration nachFrankreich: Familienzusammenführung, Asylantrag <strong>und</strong> illegale Immigration.Nach <strong>der</strong> "Ölkrise" (1973) <strong>und</strong> <strong>der</strong> daraus resultierenden Massenarbeitslosigkeit trafFrankreich Maßnahmen zur Reduzierung <strong>der</strong> Gastarbeiterzahl: die Rekrutierung vonArbeitsmigranten wurde gestoppt <strong>und</strong> eine restriktive Einwan<strong>der</strong>ungspolitik beschlossen.Darüber hinaus wurden Rückkehrprogramme <strong>und</strong> Abschiebungen in die Herkunftslän<strong>der</strong>organisiert.Wegen <strong>der</strong> Familienzusammenführungen stieg trotzdem tendenziell die Zahl <strong>der</strong>MigrantInnen. Diese <strong>war</strong>en in den 1970er Jahren begonnen worden <strong>und</strong> wurden immerstärker von Frankreich geför<strong>der</strong>t. Sie führte einerseits zu einer weiteren relevantenSteigerung <strong>der</strong> Anzahl an ImmigrantInnen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>seits zu einer Feminisierung <strong>und</strong> einerVerjüngung <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung. Die Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> ImmigrantInnen bildeten diesogenannte zweite Generation.Während <strong>der</strong> 1980er verfolgte Frankreich zum ersten Mal eine entschiedene Politik <strong>der</strong>Integration, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> zweiten Generation. Ab den 1990er Jahren konnten die inFrankreich geborenen Kin<strong>der</strong> mit 18 Jahren die französische Staatsbürgerschaft erwerben,bzw. erhielten die meisten die doppelte Staatsbürgerschaft.Ab den 1990er Jahren wurden die Zuwan<strong>der</strong>ungskontrolle <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kampf gegen illegaleEinwan<strong>der</strong>ung zum Hauptziel <strong>der</strong> Migrationspolitik westeuropäischer Län<strong>der</strong>. Mit <strong>der</strong>Schengen-Konvention im Jahre 1990 fiel die Zahl <strong>der</strong> bewilligten Visa drastisch.Migration hat sich seit den 1960er Jahren von einer organisierten <strong>und</strong> legalen Migration zueiner eher illegalen Migration entwickelt. Die soziale <strong>und</strong> geographische Herkunft <strong>der</strong>MigrantInnen ist heterogener geworden.2.2. Integration von ImmigrantInnenDas republikanische IntegrationskonzeptDas republikanische Integrationskonzept hat seine Wurzeln in den Werten <strong>der</strong> französischenRevolution. Gemäß den republikanischen Werten <strong>der</strong> Freiheit, Gleichheit <strong>und</strong>Brü<strong>der</strong>lichkeit sind alle StaatsbürgerInnen gleichgestellt, ohne Unterschied hinsichtlich <strong>der</strong>ethnischen Herkunft, <strong>der</strong> Religion usw. Darüber hinaus herrscht seit Ende des 19. Jhdts. <strong>der</strong>Jus Soli, <strong>der</strong> die Staatsbürgerschaft mit dem Aufenthalt verbindet, was die rascheEinbürgerung von ImmigrantInnen för<strong>der</strong>t.Das Modell wird als „Schmelztiegel“ beschrieben, in dem die eigene Kultur <strong>und</strong> Geschichtejedes Staatsbürgers <strong>und</strong> je<strong>der</strong> Staatsbürgerin zur gemeinsamen Kultur verschmilzt. Wichtigdabei ist die Laizität, die strenge Trennung von Kirche <strong>und</strong> Staat, die Anfang des 20. Jhdts.eingeführt wurde <strong>und</strong> heute beson<strong>der</strong>s aktuell ist. Das republikanische Modell wurde als-11-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichZwangsassimilation kritisiert, zunehmend hat man sich ein wenig davon distanziert.Dennoch prägt es die Diskussion um Integration noch immer stark.Ausländische Arbeitskräfte ersetzten inländisches ProletariatBis in das 19. Jhdt. <strong>war</strong> die größte Kluft in <strong>der</strong> Gesellschaft zwischen den oberen Schichten,die alle Rechte hatten, <strong>und</strong> den arbeitenden Schichten, die keine hatten. Ab 1870 galt es,eine neue Schicht zu organisieren, die keine Rechte hatte: die Auslän<strong>der</strong>Innen.Infolgedessen verlief die neue Trennlinie zwischen StaatsbürgerInnen <strong>und</strong> Auslän<strong>der</strong>Innen<strong>und</strong> dieser Sachverhalt besteht bis heute.Diskriminierungen wurden im Laufe des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts zunehmend weniger, aber sieverschwanden nicht.Heutige ProblematikHeutzutage betrifft diese Diskriminierung verstärkt die Jugendlichen <strong>der</strong> zweiten <strong>und</strong> drittenGeneration: sie sind die Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Enkelkin<strong>der</strong> des Proletariats, das zwischen 1950 <strong>und</strong>1970 im Ausland rekrutiert wurde. Daher erleben sie dieselben sozialen Probleme wie diegesamten unteren Bevölkerungsschichten: hohe Arbeitslosigkeit, Armut, unsichereArbeitsbedingungen, städtische Gewalt, usw.Die Sprachproblematik ist in Frankreich eine ganz an<strong>der</strong>e als in Österreich. Frankreich weisteine jahrh<strong>und</strong>ertelange Tradition einer dominanten einheitlichen Sprachpolitik auf. DerGroßteil <strong>der</strong> Gastarbeiter kam aus ehem. Koloniallän<strong>der</strong>n, <strong>der</strong>en Verwaltungssprache bereitsFranzösisch <strong>war</strong>. In Frankreich redeten diese dann – auch in <strong>der</strong> Familie – vorwiegendFranzösisch. Daher beherrschen die wenigsten MigrantInnen <strong>der</strong> zweiten Generation dieHerkunftssprache <strong>ihr</strong>er Eltern. Dies führt auch zu Identitätskonflikten.Kritik/VorschlägeEs gibt einen Wi<strong>der</strong>spruch zwischen <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach Anpassung <strong>der</strong> ImmigrantInnen<strong>und</strong> <strong>der</strong> tatsächlichen Diskriminierung <strong>der</strong>selben. Im Gegensatz dazu wird von einigenAutorInnen auf die Wichtigkeit <strong>der</strong> Herkunftskultur im Integrationsprozess hingewiesen.Die Bezugnahme auf den Islam wäre demgemäß ein Mittel zur Integration.Der öffentliche, meist populistisch geführte <strong>und</strong> ressentimentgeladene Diskurs vermischt dieunterschiedlichen Zielgruppen. Zugewan<strong>der</strong>te haben an<strong>der</strong>e Bedürfnisse als Nachfahren vonGastarbeitern.Die sogenannte Integrationsproblematik dient vielmehr <strong>der</strong> Verschleierung tieferliegen<strong>der</strong>gesellschaftlicher Missstände. Die Ermöglichung <strong>der</strong> Teilhabe am gesellschaftlichenWohlstand <strong>und</strong> Leben kann also nicht alleine auf dem Feld <strong>der</strong> Integrationspolitik erreichtwerden, sie muss auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene gelingen. Dazu müsste aber dieBereitschaft bestehen, Ungleichheiten <strong>und</strong> Ungerechtigkeiten überhaupt anzuerkennen <strong>und</strong>entschieden zu bekämpfen.Zum WeiterlesenEine Langversion dieses Artikels finden Sie auf unsere Homepage unter „Service“Die Literaturverweise sind nach dem Pressetext zu finden. Zwei deutschsprachige Publikationenempfehlen wir zum Vertiefen in die Themen:- Schicho, Walther (2010): Geschichte Afrikas. Theiss Wissen Kompakt.- Schmid, Bernhard (2011): Frankreich in Afrika. Eine (Neo)Kolonialmacht in <strong>der</strong>Europäischen Union zu Anfang des 21. Jahrh<strong>und</strong>ert. Münster: Unrast Verlag.Mag. a Cécile UndreinerAssistentin Department Volkswirtschaft, WU Wien-12-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichRoma in FrankreichDie Zahl <strong>der</strong> Roma in Europa wird auf 10 bis 12 Millionen geschätzt. Roma (<strong>und</strong> Sinti) sindsomit die größte transnationale europäische Min<strong>der</strong>heit. Roma/Romnija <strong>und</strong> Sinti/Sintizzeleben in allen europäischen Län<strong>der</strong>n, <strong>ihr</strong> Anteil an <strong>der</strong> jeweiligen Bevölkerung ist dabei sehrunterschiedlich <strong>und</strong> wird von weit unter 1 % bis knapp über 10 % geschätzt. In denwenigsten Län<strong>der</strong>n wird nach Ethnizität gezählt, auch „gezählte“ Ergebnisse sind gerade fürdie Roma-Min<strong>der</strong>heit oft nicht verlässlich. Für Frankreich liegen die Schätzungen bei300.000 bis 500.000 Roma/Romnija <strong>und</strong> Sinti/Sintizze, <strong>ihr</strong> Anteil an <strong>der</strong> Gesamtbevölkerungist damit ähnlich gering wie in Österreich.Die Geschichte <strong>der</strong> Roma in Europa ist auch eine Geschichte <strong>der</strong> Verfolgung, <strong>der</strong>en traurigerHöhepunkt <strong>der</strong> Nazi-Genozid darstellt, dem im deutschen Reich <strong>und</strong> in den besetztenGebieten ungefähr 500.000 Roma <strong>und</strong> Sinti zum Opfer fielen.Unter <strong>der</strong> Bezeichnung Roma <strong>und</strong> Sinti werden verschiedene Gruppen zusammengefasst,die sich in <strong>ihr</strong>en kulturellen Traditionen, <strong>ihr</strong>en Sprachvarianten bzw. <strong>ihr</strong>er Sprachverwendung(Mehrsprachigkeit) <strong>und</strong> dem Grad <strong>ihr</strong>er Integration in die Mehrheitsgesellschaften <strong>und</strong> –staaten unterscheiden.Für Frankreich sind hier zunächst die Manouches zu nennen, eine Sinti-Gruppe, die seit demMittelalter im deutschsprachigen Raum <strong>und</strong> in den Nie<strong>der</strong>landen lebt. Sie sprechen eineVariante des Romanes. Hauptsächlich im Süden Frankreichs leben die Kalé, eine Gruppevon Roma, die auch in Spanien seit langem beheimatet ist. Ihre Sprache ist das Caló, dasauf Spanisch <strong>und</strong> Katalan basiert <strong>und</strong> viele Ausdrücke aus dem Romanes einschließt.Weitere Gruppen, wie Kal<strong>der</strong>asch <strong>und</strong> Lovara leben seit <strong>der</strong> Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts inFrankreich, sie sprechen Vlax-Varianten des Romanes <strong>und</strong> kamen nach <strong>der</strong> Beendigung <strong>der</strong>Sklaverei <strong>der</strong> Roma in <strong>der</strong> Wallachei <strong>und</strong> Moldawien nach Mittel- <strong>und</strong> Westeuropa.Ab den 1960er Jahren kamen Roma aus Jugoslawien (<strong>und</strong> den Nachfolgestaaten) alsArbeitsmigrantInnen in viele Län<strong>der</strong> Westeuropas, u.a. nach Frankreich. Während die Roma,die vor dem Krieg in Bosnien <strong>und</strong> im Kosovo flohen, eher in an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>nAsyl suchten, spielt Frankreich neben Deutschland für die Fluchtbewegung <strong>der</strong> Roma ausRumänien ab 1990 eine beson<strong>der</strong>e Rolle. Die Roma folgten dabei einerseits einerallgemeinen rumänischen Auswan<strong>der</strong>ungsbewegung, an<strong>der</strong>erseits litten sie beson<strong>der</strong>s unter<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> Diskriminierung. Bereits Anfang <strong>der</strong> 90er-Jahre kam es in Rumänienzu antiziganistischen Progromen mit mehreren Todesopfern. Die mediale Aufmerksamkeit,die <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>ung osteuropäischer Roma im Westen zu Teil wurde, griff auf alte Mythenvom „staatenlosen, nicht-sesshaften Zigeuner“ zurück <strong>und</strong> bezeichnete die Flüchtlinge als„Armuts- bzw. Scheinasylanten“. Es wurden Visapflichten eingeführt <strong>und</strong>Rücknahmeabkommen abgeschlossen, um die Migration/Flucht rumänischerStaatsbürgerInnen zu erschweren. Politik <strong>und</strong> Medien haben eine verhältnismäßig kleine,aber stigmatisierte Gruppe für <strong>ihr</strong>e Zwecke missbraucht, ein Muster, das schon sehr alt ist,aber offensichtlich noch immer nicht ausgedient hat.Im Sommer <strong>und</strong> Herbst 2010 <strong>war</strong> dieses Muster in Frankreich stärker als europäischesRecht. Nicolas Sarkozy missbrauchte einen Vorfall (ein französischer Rom <strong>war</strong> in einerAuseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Polizei erschossen worden, lokale Ausschreitungen mitSachschäden folgten) zu einem Angriff auf die in Frankreich lebenden rumänischen Roma,wobei er sich altbekannter Stereotypen (Illegalität, Bettelei, Kriminalität) bediente. TausendeRoma/Romnija wurden gegen <strong>ihr</strong>en Willen nach Rumänien <strong>und</strong> Bulgarien ausgeflogen,obwohl ihnen als EU-BürgerInnen das Recht <strong>der</strong> Freizügigkeit zusteht. Dieses Vorgehen <strong>der</strong>französischen Regierung hat zu heftigen Protesten <strong>und</strong> zur Androhung eines EU-Strafverfahrens geführt. Zum Verfahren ist es nicht gekommen, aber <strong>der</strong> Rat <strong>der</strong> EU hat in-13-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichFolge <strong>der</strong> Ereignisse 2011 einen „Rahmenplan für nationale Strategien zur Integration <strong>der</strong>Roma bis 2020“ beschlossen, um alle EU-Mitgliedstaaten zur Verbesserung <strong>der</strong>Lebenssituation <strong>der</strong> Roma (auch jener von zugewan<strong>der</strong>ten, auch aus Drittstaaten) zuverpflichten.Mag. a Andrea HärleRomano Centro – Verein für Roma www.romano-centro.orgInformationen zur Roma-Kultur <strong>und</strong> -Geschichte finden Sie hier:http://romani.uni-graz.at/rombase/ <strong>und</strong> hier:http://romafacts.uni-graz.at/, zwei Beiträge zu den Abschiebungen <strong>der</strong> Roma aus Frankreich im Heft Nr. 69 <strong>der</strong>Zeitschrift Romano Centro, Download unter http://www.romano-centro.org "Zeitschriften"Stellung <strong>der</strong> Frauen in FrankreichDer Frauenanteil in <strong>der</strong> französischen Bevölkerung beträgt 52 % <strong>und</strong> es ist bemerkenswert,dass seit den 1970er Jahren die Stellung <strong>der</strong> französischen Frauen in <strong>der</strong> Gesellschaftimmer bedeuten<strong>der</strong> wird. Nichts hin<strong>der</strong>t sie daran die Rolleeinzunehmen, die sie möchten: Mutter <strong>und</strong> Berufstätige,Femme Fatale <strong>und</strong> Geschäftsfrau, feminin <strong>und</strong> feministisch.Das Spektrum ist weit <strong>und</strong> viele Europäerinnen aus an<strong>der</strong>enLän<strong>der</strong>n blicken neidvoll nach Frankreich - zu den Frauen, diescheinbar selbstverständlich <strong>und</strong> problemlos Familie <strong>und</strong> Berufin Einklang bringen. „Französische Frauen sind unabhängig,arbeiten <strong>und</strong> bekommen trotzdem viele Kin<strong>der</strong>.“ Tatsächlichgehört Frankreich mit durchschnittlich 2 Kin<strong>der</strong>n pro Familie zuden europäischen Län<strong>der</strong>n mit <strong>der</strong> höchsten Geburtenrate.Aber auch im Bildungssektor <strong>und</strong> auf dem Arbeitsmarkt spielen die Französinnen einewichtige Rolle: in Frankreich haben verhältnismäßig mehr Frauen als Männer einenHochschulabschluss <strong>und</strong> die durchschnittliche Frauenerwerbsquote liegt bei 64,1 %, beiFrauen im Alter von 30 – 50 Jahren sogar bei 85 %.Berufstätigen Müttern steht ein umfassendes Netz von Kin<strong>der</strong>betreuungseinrichtungen zurVerfügung. Sie können <strong>ihr</strong>e Säuglinge schon ab 8 Wochen in einerKin<strong>der</strong>krippe abgeben <strong>und</strong> ab 3-4 Jahren gehen alle Kin<strong>der</strong> in einekostenlose Vorschule. Schulkin<strong>der</strong> werden in Ganztagsschulen bis 17Uhr betreut.Diese positive Bilanz <strong>der</strong> heutigen Frauensituation ist unbestritten dasErgebnis eines jahrzehntelangen Kampfes, <strong>der</strong> bereits im 19.Jh. miteinzelnen Emanzipationsbestrebungen einsetzte <strong>und</strong> Mitte des 20. Jh.sehr stark von <strong>der</strong> Schriftstellerin, Philosophin <strong>und</strong> Feministin Simonede Beauvoir <strong>und</strong> <strong>ihr</strong>em Buch „Das an<strong>der</strong>e Geschlecht“ geprägt wurde.Die neue Frauenbewegung in den 1970er Jahren bewirkte letztendlichradikale Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Bewusstseinsstrukturen <strong>und</strong> zeichnetefe<strong>der</strong>führend für die Entwicklung einer feministischen Studie.„French Feminism“ spielt heute an allen Universitäten, an denenFrauenforschung betrieben, wird eine wichtige Rolle.Eckdaten aus <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Frauenbewegung in Frankreich: Bereits im 18. Jh. for<strong>der</strong>n Französinnen, als erste Frauen in Europa, <strong>ihr</strong>e politischenRechte in Petitionen, auf Versammlungen <strong>und</strong> auf den Barrikaden ein.-14-


WGT-Arbeitsheft 2013 Frankreich1789 formuliert die Schriftstellerin <strong>und</strong> Frauenrechtlerin Olympe de Gouges eine"Erklärung <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong> Frau <strong>und</strong> Bürgerin".In <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> 1848er Revolution entsteht eine starke proletarische Frauenbewegung.Erfolge konnten sie jedoch nur allmählich erreichen.1944 erhalten Frauen in Frankreich das Wahlrecht.1949 erscheint „Das an<strong>der</strong>e Geschlecht“ <strong>der</strong> Simone de Beauvoir“ <strong>und</strong> löst ebensoheftige wie kontroverse Diskussionen aus.Ab etwa 1969 etabliert sich eine „neue Frauenbewegung“ <strong>und</strong> setzt sich intensiv mit<strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong> Frau auseinan<strong>der</strong>.1969 erhalten Frauen das Recht auf Ausübung eines Berufes ohne offizielleGenehmigung des Ehemannes.1982 werden entscheidende Gesetze über die berufliche Gleichstellungverabschiedet.1999 wird ein Gleichstellungsgesetz verabschiedet <strong>und</strong> 2007 verstärkt.Angesichts dieser Entwicklung <strong>und</strong> <strong>der</strong> aktuellen Stellung <strong>der</strong> Frau wird Frankreich oft alsMusterbeispiel für die Vereinbarkeit von Familie <strong>und</strong> Beruf angeführt.Dennoch leben Französinnen in einer wi<strong>der</strong>sprüchlichen Realität: die Frauen sind z<strong>war</strong>selbstbewusster geworden, das politische Leben hat sich verän<strong>der</strong>t…, aber die Männer sindgleich geblieben. Es ist eben auch in Frankreich „nicht so einfach, eine emanzipierte Frau zusein“.Auf dem Papier, in den Gesetzestexten <strong>und</strong> auch in den Köpfen giltauch für die französischen Frauen <strong>der</strong> Wahlspruch „Freiheit,Gleichheit, Brü<strong>der</strong>lichkeit“, aber im realen Leben sehen sie sich ineiner sozialen Mehrfachbelastung gefangen <strong>und</strong> müssen vieleHin<strong>der</strong>nisse <strong>und</strong> Hürden überwinden. Um die hohen Ansprüche zuerfüllen, berufstätige Mutter, perfekte Hausfrau <strong>und</strong> gepflegte,verführerische Gattin o<strong>der</strong> Geliebte zu sein, muss die Französineinen regelrechten Marathon zwischen Karriere, Küche,Kin<strong>der</strong>krippe, Friseurin <strong>und</strong> Kosmetikerin durchlaufen.Weiteres verdienen Frauen trotz Gleichstellungsgesetz etwa 18%weniger als <strong>ihr</strong>e männlichen Kollegen <strong>und</strong> das obwohl sie imDurchschnitt durch höhere Ausbildungsabschlüsse besserqualifiziert sind. Darüber hinaus bleiben den FrauenFührungsposten in wirtschaftlichen Unternehmen oft verwehrt.Das Gleiche gilt auch im Bereich <strong>der</strong> Politik: selbst wenn Frauen inden politischen Parteien Platz gewinnen können, haben sie geringere Chancen in leitendeFunktionen gewählt zu werden, denn „eine Frau mehr ist ein Mann weniger“.So ist es nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass insbeson<strong>der</strong>e die jungen Französinnen trotz allerFreiheiten, Rechte <strong>und</strong> scheinbarer Gleichstellung unzufrieden sind. Sie wollen sich nichtdamit zufrieden geben, dass sie das Recht erlangt haben, in alle Bereiche <strong>der</strong> Männer gehenzu können, während die Männer selbst nur zögerlich in die Bereiche <strong>der</strong> Frauen gehen. Siestoßen sich an dem Faktum „Eine Frau ist gleich einem Mann. Aber ein Mann ist noch nichtgleich einer Frau“ <strong>und</strong> sind sich einig: Wahre Gleichstellung ist erst dann erreicht, wenn dieGesellschaft aufhört „in Geschlechtern zu denken“.Marianne DombyQuellen:Foto: www.google.at - Bil<strong>der</strong> zu frau in frankreichwww.fotosearch.de Fotos Frankreichwww.ambafrance-de.org/Frauenwww.eurotopics.netwgt deutschland: Materialmappe-15-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichTrennung von Kirche <strong>und</strong> Staat<strong>und</strong> <strong>ihr</strong>e Konsequenzen bis heute.1905 wurde das Gesetz über die Trennung von Staat <strong>und</strong> Kirche verabschiedet. Esentstanden sofort große Ängste von <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> katholischen Kirche. Es <strong>war</strong> aber dieFolgerung einer kulturellen <strong>und</strong> sozial-politischen Geschichte, auf die ich in diesem kurzenBericht nicht eingehen kann.Der erste Artikel lautet:„Die Republik garantiert die Gewissensfreiheit. Sie garantiert die freie Ausübung <strong>der</strong> Kulte,außer mit den unten angeführten Einschränkungen gemäß <strong>der</strong> öffentlichen Ordnung.“Der zweite Artikel„Die Republik anerkennt keinen Kult, belohnt <strong>und</strong> subventioniert keinen…Jedoch können Staat, Departements <strong>und</strong> Gemeinden für Dienste aufkommen, damitSeelsorge in öffentlichen Einrichtungen wie Gymnasien, Mittelschulen, Schulen,Krankenhäuser <strong>und</strong> Gefängnisse gewährleistet werden können.“Es wird im Artikel 39 bestimmt, dass Religionsunterricht für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schülervon sechs bis dreizehn (damals Pflichtschule) nur außerhalb <strong>der</strong> Unterrichtsst<strong>und</strong>engegeben werden kann. Dafür wurde <strong>der</strong> Donnerstag als freier Schultag erklärt, damit dieKin<strong>der</strong> Religionsunterricht o<strong>der</strong> „Katechismus“ in <strong>der</strong> jeweiligen Religionsgemeindeempfangen können.In meiner Kindheit kannte ich diese Regelung. Jetzt ist nur <strong>der</strong> Tag geän<strong>der</strong>t, auf Mittwoch,da <strong>der</strong> Samstag inzwischen generell auch frei gegeben wurde.Wichtig ist vielleicht noch, ab Artikel 12, die Regelung für die Gebäude: Kirchengebäudeverschiedener Konfessionen <strong>und</strong> Synagogen wie Bischofpaläste, Pfarrhöfe,Priesterseminare usw. bleiben im Besitz des Staates, aber werden unentgeltlich denKultgemeinden zur Verfügung gestellt. Damit wurden sie auch von den öffentlichenBehörden in Stand gehalten.<strong>Ich</strong> möchte nicht in allen Einzelheiten das Gesetz anführen. Es ist nur gut diese dreiGr<strong>und</strong>elemente zu kennen. Im Laufe <strong>der</strong> Zeit wurden auch zahlreiche Novellierungen, bis inden neunziger Jahren hinein hinzugefügt.Festzustellen ist, dass Frankreich das einzige europäische Land bleibt, in dem die „Laizität“in <strong>der</strong> Verfassung verankert ist <strong>und</strong> als demokratischerWert zu verstehen ist. Die Trennung von Kirche <strong>und</strong>Staat ist nur ein Aspekt. .Dieses Gesetz <strong>war</strong> nie wirklich gegen Religion son<strong>der</strong>ngegen die Macht <strong>der</strong> Katholischen Kirche gerichtet, diemit politischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Machtstrukturenarbeitete. Deswegen hat sich im Volk ein starker„Antiklerikalismus“ entwickelt.Diese Trennung wird heutzutage kaum ernsthaft in Fragegestellt. Der einzige Punkt, <strong>der</strong> immer wie<strong>der</strong> zuStreitgespräche führt, ist die Frage <strong>der</strong> konfessionellenSchulen. Erst 1984 wurde diese Frage gr<strong>und</strong>sätzlichgeregelt, indem jede Privatschule in einem Vertrag mitdem Staat steht, <strong>der</strong> sie auch finanziell unterstützt.„Die Idee <strong>der</strong> „Laizität“ ist, wie schon gesagt, kein Dogma, son<strong>der</strong>n Laizität ist ein Wert. Siegarantiert die Gleichheit aller Religionsangehörigen vor dem Gesetz <strong>und</strong> <strong>ihr</strong>e Freiheit. Sieschafft einen freien Raum des Dialogs. Sie ist eine Schule <strong>der</strong> Toleranz <strong>und</strong> ermöglichtweitgehend auch die Integration des Islams, auch wenn die Frage des Islams komplex bleibt,da manche Richtungen einen theokratischen Staat anstreben.-16-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichIn Frankreich lebt durch die Kolonialgeschichte in Nordafrika – Marokko, Tunesien <strong>und</strong>Algerien - schon lange eine große islamische Religionsgemeinschaft. Derzeit leben 4Millionen Menschen islamischer Kultur in Frankreich. Die Hälfte davon sind französischeStaatsbürgerinnen <strong>und</strong> Staatsbürger. Damit ist <strong>der</strong> Islam die zweite Religion des Landes. <strong>Ich</strong>wohnte lange Zeit ganz in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Moschee, die ein erstes Kulturzentrum des Islamsmitten in Paris darstellte, bevor ein großes “Institut <strong>der</strong> arabischen Welt“ gebaut wurde. Für<strong>mich</strong> <strong>war</strong> es selbstverständlich im Kaffeehaus dieser Moschee den besten grünen Tee vonParis zu trinken. Am Freitag strömten die Menschen zu den Gebeten. Mit Fre<strong>und</strong>en, aufBesuch in Paris gingen wir immer in die w<strong>und</strong>erschöne Moschee, wo die Besucherwillkommen <strong>war</strong>en. Allerdings haben die Radikalisierung <strong>und</strong> <strong>der</strong> F<strong>und</strong>amentalismus in denletzten zwanzig Jahren einiges geän<strong>der</strong>t. Trotzdem haben viele Gemeinschaften noch keineMoschee, auch wenn <strong>der</strong> damalige Innenminister J. Pierre Chevènement, vor fast zwanzigJahren dieses Übel beheben wollte.Im Juni 2012 wurde in <strong>der</strong> Nähe von Paris das größte Buddhistische Zentrum von Europaeröffnet. Aber es gibt schon lange in großen Städten solche Zentren.Interessant ist, dass die Beziehungen zwischen Religionsgemeinschaften <strong>und</strong> Staat inEuropa immer ähnlicher werden, auch wenn die gesetzlichen Verbindungen sehrunterschiedlich bleiben. Gemeinsam sind: die Freiheit für jede Staatsbürgerin, sich dieReligion auszusuchen (o<strong>der</strong> gar keine), die Gewissensfreiheit zu respektieren <strong>und</strong> somit dieGlaubensfreiheit, das Verbot, Menschen aus Glaubensgründen zu diskriminieren, dieFreiheit <strong>der</strong> Wissenschaft den Religionen gegenüber, u. a.Pierre Joxe, ebenfalls ehemaliger Innenminister, erklärte 1990: “Religionsgemeinschaftennicht anerkennen heißt nicht, sie zu ignorieren o<strong>der</strong> abzulehnen, son<strong>der</strong>n es geht darum, dieBereiche zwischen religiösen <strong>und</strong> öffentlichen Institutionen genau abzugrenzen. Dabei sollauch nicht die Religion in die Privatsphäre geschickt werden, denn auch religiöse Autoritätensollen <strong>ihr</strong>e Stimme über die Probleme <strong>der</strong> Zeit erheben.“ Vertreter <strong>der</strong> Religionen sindübrigens auch Mitglied des Nationalen Komitee für Ethik.Wenn auch <strong>der</strong> Papst Pius XI gegen das Gesetz <strong>der</strong> Trennung zwischen Staat <strong>und</strong> Kirchevehement Stellung nahm, wurden schon 1924 die diplomatischen Beziehungen zwischenFrankreich <strong>und</strong> dem Vatikan wie<strong>der</strong> hergestellt. Papst Johannes-Paul II schreibt 2005 an diefranzösischen Bischöfe, das Prinzip <strong>der</strong> Laizität wohl verstanden, gehöre auch zurSoziallehre <strong>der</strong> Kirche. Er stellte auch mit Freude fest, wie <strong>der</strong> Dialog <strong>und</strong> die Mitarbeitzwischen den Verantwortlichen <strong>der</strong> Zivilgesellschaft <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kirche sehr gut funktionieren.Diese Zusammenarbeit wurde 2002 sogar institutionalisiert. Die Laizität sei keineswegs <strong>der</strong>Ort des Streites, son<strong>der</strong>n im Gegenteil <strong>der</strong> Raum für einen fruchtbaren Dialog, im Geist <strong>der</strong>Werte: Freiheit, Gleichheit <strong>und</strong> Geschwisterlichkeit; erklärte Johannes Paul II.Die Kirche hat sicher an Autonomie <strong>und</strong> Unabhängigkeit gewonnen <strong>und</strong> denkt gar nichtdaran, das Gesetz von 1905 rückgängig zu machen. Meiner Meinung nach hat sie auchdadurch gewonnen, arm zu sein. Arm an Geld <strong>und</strong> arm an Anerkennung. So konnten sichvielleicht Bewegungen entwickeln wie die Arbeiterpriester <strong>und</strong> die „JOC“- KatholischeArbeiterjugend, u. a… In meiner Kindheit fuhr <strong>der</strong> Erzbischof von Paris auf seinem Motorrad<strong>und</strong> in seiner „Ente“, ohne Chauffeur. Die Nähe zum Volk scheint mir größer, selbstverständlicherzu sein als zum Beispiel in Österreich o<strong>der</strong> Deutschland.In meinem Gymnasium durfte kein Priester einen Raum haben. Das <strong>war</strong> die Entscheidungdes Direktors. Dafür bekam <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Pfarre beauftragte Seelsorger ein großes Haus mitGarten, gegenüber <strong>der</strong> Schule. Und da er die St<strong>und</strong>en frei von jedem Programm <strong>und</strong> je<strong>der</strong>Schülerbeurteilung attraktiv gestaltete, kam bald die Hälfte <strong>der</strong> Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zuihm, egal ob katholisch, evangelisch o<strong>der</strong> konfessionslos.Bei all den positiven Konsequenzen dieser Trennung ist jedoch ein Aspekt sehrproblematisch geworden. Allmählich haben die Menschen jeden Zugang zur christlichenKultur des Westens verloren. Damit wurden nicht nur die Religion, son<strong>der</strong>n auch die Kunst<strong>und</strong> die Literatur, die ganze eigene Kultur fern <strong>und</strong> unverständlich. Dies ging so weit, dass1996 die religiöse Kultur in die Programme <strong>der</strong> Mittelschulen <strong>und</strong> Gymnasien eingeführtwurden: es ging darum, einerseits die vorrangig christlich geprägte Kultur Europas wie<strong>der</strong> zu-17-


WGT-Arbeitsheft 2013 Frankreichvergegenwärtigen, aber auch die Verschiedenheit <strong>der</strong> religiösen Kulturen innerhalb desjetzigen Frankreich bewusst zu machen. 2002 wurde ein Bericht über „Den Unterricht desReligiösen in <strong>der</strong> Schule“ vom Philosoph Regis Debray, im Auftrag des Bildungsministers,verfasst. Im gleichen Jahr wurde ein Institut <strong>der</strong> Religionswissenschaft ins Leben gerufen(IESR).Ab 1995 schon konnten Lehrerinnen aller Schulen Seminare über die fünf großen Religionenbesuchen: Judentum, Christentum, Islam, Buddhismus <strong>und</strong> Hinduismus.Diese Maßnahmen sind gute Ansätze, denn ich sehe auch das Aufblühen allerleif<strong>und</strong>amentalistischer <strong>und</strong> irrationeller Bewegungen <strong>und</strong> Gemeinschaften, beson<strong>der</strong>sinnerhalb <strong>der</strong> katholischen Kirche, als mögliche Konsequenz eines mangelhaften seriösenReligionsunterrichts. Frankreich bleibt auch in religiösen Fragen ein Land <strong>der</strong> Extreme, vonden damaligen Arbeiterpriestern <strong>und</strong> <strong>der</strong> Nähe zur Befreiungstheologie über gutbürgerlicheGemeinden bis zu den Lefebvre Anhänger (Piusbrü<strong>der</strong>), alles ist anzutreffen.Selbstverständlich bin ich vom Wert <strong>der</strong> „Laizität“, von dieser klaren Trennung zwischenStaat <strong>und</strong> Kirche sehr geprägt.<strong>Ich</strong> denke immer noch, dass dadurch <strong>der</strong> Respekt vor je<strong>der</strong> Religion sowie die individuelleFreiheit, auch sich zu keiner Religion zu bekennen, stärker zum Ausdruck kommen. Nachmeinem Erleben sind die Kirchen dadurch freier, wenn auch sicher meistens ärmer. Darinsehe ich allerdings einen Vorteil, wie oben schon erwähnt.<strong>Ich</strong> würde nie diese in <strong>der</strong> Verfassung festgelegte Laizität <strong>der</strong> Gesellschaft in Frage stellen<strong>und</strong> sehe darin die Richtung in die sich de facto die europäischen Staaten bewegen, zumWohl aller Betroffenen.Mag. a Colette BrunDipl. Lebens- <strong>und</strong> SozialberaterinFoto: wikipedia.orgFlug o<strong>der</strong> Flucht <strong>der</strong> Störche„Der Flug <strong>der</strong> Störche zeigt die globalenDimensionen des Miteinan<strong>der</strong>lebens auf dieserErde.“Teclaire Ngo Tam verglich beim Gustav Adolf Festin Mörbisch/Burgenland im Juni 2008 den jährlichenFlug <strong>der</strong> Störche zwischen Europa <strong>und</strong> Afrika mitdem Leben vieler AfrikanerInnen zwischen beidenKontinenten.<strong>Ich</strong> bedanke <strong>mich</strong> für diese Gelegenheit, einige tiefe Überlegungen durchzuführen. <strong>Ich</strong> hatteschon vom Flug <strong>der</strong> Störche gehört, nie hatte ich eine Parallele zur Migration von Menschengemacht. Auch bei mir in Kamerun fliegen die Westzieher vorbei. Dieser Durchflug wirdkaum bemerkt, jedenfalls wird dem nicht so Beobachtung geschenkt wie hier. Schade!Was wohl auffällt, ist <strong>der</strong> Abschied von Leuten, von jungen Leuten, die wie dieStörche sich auf die Suche nach einer besseren Temperatur für sie machen. Meistens auchnach Europa. Nicht immer haben sie das Glück, zurückzukehren. Nicht immer haben sie dasGlück, wie die Störche – barrierefrei – durchzuziehen. Nicht immer haben sie das Glück, wiedie Störche gefeiert zu werden, wenn sie ankommen o<strong>der</strong> zwischenlanden.„Abschied nehmen, das bedeutet immer auch ein wenig sterben“, sagte EdmondHaraucourt. Für viele MigrantInnen aus Afrika haben diese Worte eine erschreckendewortwörtliche Bedeutung. Nach Angaben <strong>der</strong> Internationalen Organisation für Migrationstarben 2006 zwischen 2000 <strong>und</strong> 3000 Menschen, das sind ca. 10% <strong>der</strong> Flüchtlinge, auf-18-


WGT-Arbeitsheft 2013 Frankreich<strong>ihr</strong>er Überseereise. Viele Einwan<strong>der</strong>Innen, <strong>der</strong>en Nationalität festgestellt werden konnte,wurden wie<strong>der</strong> in <strong>ihr</strong>e Heimatlän<strong>der</strong> zurückgeführt. Doch die meisten machten sich wie<strong>der</strong>auf den Weg nach Europa. Warum?Eine wachsende Zahl AfrikanerInnen flieht vor kriegerischer Gewalt <strong>und</strong>wirtschaftlicher Not. Die EU verbarrikadiert <strong>ihr</strong>e Außengrenzen. Die Fluchtrouten werdendadurch gefährlicher. Tausende finden den Tod – ähnlich wie bei den Störchen, wo dieFlugroute durch Kollisionen, Stromschläge, Jäger, Dürrezeiten <strong>und</strong> Vergiftungen gefährlichwird.Wie die Flüchtlinge, so die Störche: beide müssen Abschied nehmen, um Hoffnungauf Überleben zu haben. Die Abreise wird zum Ziel <strong>der</strong> Handlung. Das Motto lautet:„Hauptsache Europa, Hauptsache weg“. Weg von <strong>der</strong> geografischen, kulturellen <strong>und</strong>familiären Heimat. Wir als ChristInnen können uns vorstellen, was für eine Belastung das ist.Man muss fliehen, nicht nur aus Konfliktgebieten, son<strong>der</strong>n auch aus einer perspektivlosenLage. In letzterem Fall gilt man nach offizieller Lesart nicht einmal als Flüchtling, höchstensals „Wirtschaftsflüchtling“. Wir wissen, was die europäischen Län<strong>der</strong> über diese denken.Jawohl, auch viele StudentInnen sind auf dem Flug <strong>und</strong> lassen sich„Wirtschaftsflüchtlinge“ nennen. Das ist auch bei mir <strong>der</strong> Fall! Wobei sich dieseFlüchtlingskategorien sehr leicht vermischen <strong>und</strong> kumulieren lassen.Mir sagte meine Mutter vor meiner Abreise: „Kind, denk nicht an <strong>mich</strong>, son<strong>der</strong>n andeine Zukunft. Sollte ich in deiner Abwesenheit sterben, Gott begleitet dich, pfleg´ die Liebezu deinen Geschwistern, finde den Weg zur Christengemeinde in deiner Nähe. Die wirddeine Familie sein.“Sie hatte Recht. <strong>Ich</strong> habe eine Heimat in <strong>der</strong> Evangelischen Kirche in Österreichgef<strong>und</strong>en. Die Liebe zu meiner Mutter hat <strong>mich</strong> dazu geführt, dass ich wie die Störchewan<strong>der</strong>e. Mir ist es fast überlebenswichtig, dass ich jedes Jahr zu <strong>ihr</strong> zurückkehre. Undimmer, wenn ich wie<strong>der</strong> in Österreich bin, fühle ich <strong>mich</strong> in meiner evangelischen Gemeindewillkommen. Das sind Momente, wo ich <strong>mich</strong> angekommen fühle. Aber auch nur Momente.Denn weg von meiner Gemeinde, muss ich <strong>mich</strong> durch den Migranten-Gesetzes-Dschungel schlagen, bin sofort als Migrantin erkennbar, folgen die bekannten Fragen „woherkommst du, <strong>war</strong>um, wann kehrst du zurück, <strong>war</strong>um Österreich? <strong>Ich</strong> habe wenige Momente,wo ich ausblenden kann, von woan<strong>der</strong>s zu sein. Da fühle ich <strong>mich</strong> angekommen. Und immerwie<strong>der</strong>: einmal nicht, einmal doch. Mein Trost ist es, dass ich als Christin weiß, dass ich aufdieser Erde nicht durchgehend das Gefühl haben muss, angekommen zu sein.Doch ich weiß, dass ich eine privilegierte Migrantin bin. Dies hält <strong>mich</strong>, Gott sei Dank,nicht davon ab, an die vielen an<strong>der</strong>en AfrikanerInnen in Europa zu denken, die keineMomente des Angekommenseins erleben dürfen, die heimatlos geworden sind.Störche zeigen die globale Dimension des Miteinan<strong>der</strong>lebens auf dieser Erde <strong>und</strong> dieBedrohungen, die damit verb<strong>und</strong>en sind, die Verbreitung von Seuchen zum Beispiel, aberauch die viele Freude, die damit verb<strong>und</strong>en sein kann, wenn wir es zulassen. <strong>Ich</strong> wünschemir, dass eines Tages so eine Feierlichkeit wie heute für MigrantInnen organisiert wird, damitsie sich willkommen fühlen. Willkommen-zu-sein ist die Voraussetzung für das Ankommen,geht mit ihm. Hand in Hand.Wenn wir es für Störche schaffen, <strong>war</strong>um nicht fürMenschen? Das ist meine erste Prüfungsfrage an Sie,bis zum nächsten Frühling, wenn die Störche wie<strong>der</strong>kommen.Störche zeigen, wie gesagt, die globaleDimension des Miteinan<strong>der</strong>lebens auf dieser Erde.Meine zweite <strong>und</strong> letzte Prüfungsfrage: „Wann soll von<strong>der</strong> Rückkehr <strong>der</strong> Störche die Rede sein? Wenn sie inEuropa o<strong>der</strong> wenn sie in Afrika ankommen? Wer dasweiß, bitte nicht verraten bis zum nächsten Frühling.-19-Mag. a Teclaire NgoTamBildungsreferentin <strong>der</strong> Südwind AgenturFotos: wikipedia.org


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichFremdsein im eigenen Land/Heimat Österreich als erste o<strong>der</strong> zweite Heimat?„Was ist meine Heimat?“ Im Kontext einer globalisierten Welt wird es zunehmend schwerer,diese Frage eindeutig zu beantworten. Eine beson<strong>der</strong>e Färbung erhält die Mehrdeutigkeitdes Wortes „Heimat“ für Menschen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>. Aber auch sie beantworten fürsich diese Frage, ganz unterschiedlich. Manche wollen sich möglichst rasch in einer neuenHeimat assimilieren, an<strong>der</strong>e bleiben <strong>ihr</strong> Leben lang mit dem Herkunftsland <strong>ihr</strong>er Familienemotional verb<strong>und</strong>en; für wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e bleiben diese beiden emotionalen Strebungen für <strong>ihr</strong>Leben bestimmend.Darüber hinaus leben MigrantInnen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen <strong>und</strong> mitvöllig verschiedenen Migrationserfahrungen in <strong>ihr</strong>er Lebensgeschichte. Zweifellos macht eseinen wesentlichen Unterschied, ob ich selber als Erwachsene/r aus meiner ersten Heimatnach Österreich migriert bin, ob ich als Kleinkind mit meinen Eltern aus meinem Geburtslandwegziehen musste o<strong>der</strong> ob ich als Kind von Einwan<strong>der</strong>ern hier in Österreich geboren bin. Fürdie erwachsen werdenden Jugendlichen <strong>der</strong> sog. „zweiten Generation“ von Einwan<strong>der</strong>ern, istjenes Land, das für <strong>ihr</strong>e Eltern „Fremde“ <strong>war</strong> <strong>und</strong> vielleicht noch ist, in ganzselbstverständlicher Weise „Heimat“. Sie sind hier geboren <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> aufgewachsen <strong>und</strong>kennen die „Heimat“ <strong>ihr</strong>er Eltern gar nicht o<strong>der</strong> höchstens von Erzählungen <strong>und</strong>Urlaubsaufenthalten.Diese existentiellen Erfahrungsunterschiede sind Stoff für Generationskonflikte, z.B. für denbanalen Interessenkonflikt in Bezug auf Urlaubsziele: Viele Kin<strong>der</strong> von MigrantInnenverstehen nicht, <strong>war</strong>um die Familie in jedem Sommerurlaub dasselbe Dorf in Ostanatolienansteuern muss. Für die Kin<strong>der</strong> von Asylsuchenden <strong>und</strong> Flüchtlingen stellt sich dieseDiskrepanz nochmals schärfer dar: Sie haben das Trauma <strong>der</strong> Flucht an<strong>der</strong>s als <strong>ihr</strong>e Elterno<strong>der</strong> gar nicht erlebt. Hasnija Husic flüchtete 1992 mit <strong>ihr</strong>en Eltern vor dem Krieg in Bosniennach Österreich. Sie formuliert im Gespräch diesen Generationsunterschied prägnant:„Wenn man bedenkt, dass ich erst 19 Jahre bin, habe ich dennoch ein Viertel meines Lebensin Bosnien verbracht <strong>und</strong> drei Viertel in Salzburg. Salzburg ist meine Heimatstadt (…) Fürmeine Eltern hingegen ist Salzburg ein Zwischenstopp in <strong>ihr</strong>em Leben.“ (Mautner/Prandstätter:Mein Österreich, S. 54)Ein weiterer Konflikt, <strong>der</strong> von „außen“, von <strong>der</strong> Gesellschaft an sie herangetragen wird,erschwert das Leben für Jugendliche <strong>der</strong> zweiten Generation zusätzlich <strong>und</strong> erzeugt oftmassive Irritationen für sie. Denn von <strong>der</strong> österreichischen Gesellschaft werden sie in <strong>der</strong>Regel aufgr<strong>und</strong> <strong>ihr</strong>es Namens <strong>und</strong> evtl. auch aufgr<strong>und</strong> <strong>ihr</strong>es Aussehens o<strong>der</strong> <strong>ihr</strong>erSprachkenntnisse als „MigrantInnen“ identifiziert, obwohl sie sich selber alsÖsterreicherInnen fühlen. Diese irritierende Erfahrung machen viele bereits im Kin<strong>der</strong>garteno<strong>der</strong> spätestens in <strong>der</strong> Volksschule. Beson<strong>der</strong>s frustrierend wird diese Erfahrung, die geradediese jungen ÖsterreicherInnen als schwere Diskriminierung erleben, dann, wenn sie nachdem Hauptschulabschluss eine Lehrstelle suchen. Sie müssen feststellen, dass sie sichdabei wesentlich schwerer tun als <strong>ihr</strong>e KlassenkameradInnen, die offenbar die „besseren“ÖsterreicherInnen sind, <strong>und</strong> verstehen nicht <strong>war</strong>um.Für die schwierige Lebenssituation von Jugendlichen <strong>der</strong> „zweiten Generation“ gibt es jedochauch eine Reihe von unterstützenden Projekten <strong>und</strong> För<strong>der</strong>programmen, die auf <strong>ihr</strong>espezifische Situation abgestimmt sind. Als ein Beispiel nenne ich das „Rucksackprojekt“ inden Kin<strong>der</strong>gärten <strong>der</strong> Stadt Salzburg: Es ist ein Programm, das bei <strong>der</strong> Begleitung <strong>der</strong> Elternansetzt. Die Eltern <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> werden als ExpertInnen für den Erstspracherwerb <strong>ihr</strong>er Kin<strong>der</strong>-20-


WGT-Arbeitsheft 2013 Frankreichangesprochen. Durch Anleitung <strong>und</strong> mit Hilfe von Materialien werden sie unterstützt. Sietreffen sich einmal in <strong>der</strong> Woche <strong>und</strong> bekommen Informationen über die Aktivitäten, die zuHause mit den Kin<strong>der</strong>n in <strong>der</strong>en Muttersprache durchgeführt werden sollen. In <strong>der</strong>Kin<strong>der</strong>betreuungseinrichtung werden die aktuellen Themen des „Rucksackprojektes“zeitgleich auf Deutsch angeboten. So haben die Kin<strong>der</strong> die Möglichkeit, die Themen inbeiden Sprachen zu erfassen, was sich positiv auf den Erwerb bei<strong>der</strong> Sprachen auswirkt.Der Erfolg des „Rucksackprojektes“ zeigt, dass Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche <strong>der</strong> „zweitenGeneration“ ein großes positives Potential entfalten, sobald die Gesellschaft bereit ist, ihnendie nötigen Rahmenbedingungen dafür zur Verfügung zu stellen. Denn die Frage, die einjunger Österreicher <strong>der</strong> zweiten Generation in einem Gespräch gestellt hat, braucht eineAntwort:„Wann muss ich bei Euch nicht mehr <strong>der</strong> ‚Migrant‘ sein? Wann kann ich endlich das sein,was ich bin: Österreicher?“Dr. Josef MautnerGeschäftsführer Kirche&Arbeitswelt, KA Salzburg Integration in kleinen Schritten<strong>Ich</strong> bin als eine Fremde auf die Welt gekommen <strong>und</strong> fühle <strong>mich</strong> immer noch <strong>fremd</strong> hier inÖsterreich. Wir sind die dritte Generation <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>er <strong>und</strong> haben uns schon in vielerHinsicht weiterentwickelt. Wir beherrschen die Deutsche Sprache, kennen alle zwei Kulturen<strong>und</strong> sind in <strong>der</strong> Lage diese zu vergleichen. Wir bekommen eine bessere Ausbildung. Dochlei<strong>der</strong> sitzen wir immer noch in <strong>der</strong> Opferrolle fest.In meiner Kindheit existierte für <strong>mich</strong> nur die türkische Kultur. <strong>Ich</strong> fühlte <strong>mich</strong> wie in eineran<strong>der</strong>en Welt, wenn ich in die Schule ging. <strong>Ich</strong> <strong>war</strong> verschlossen <strong>und</strong> empfand an<strong>der</strong>eMitschülerInnen als an<strong>der</strong>s. Daheim fühlte ich <strong>mich</strong> sicher.In den folgenden Jahren musste ich <strong>mich</strong> immer wie<strong>der</strong> mit diesen Problemen konfrontieren.Die Verspottungen musste ich mir anhören <strong>und</strong> später auch verletzende <strong>und</strong>diskriminierende Aussagen, sogar von einigen Professoren während meiner GymnasiumZeit.Mein Bru<strong>der</strong> wurde von seinen Mitschülern mit E-Mails mit rassistischem Inhalt terrorisiert.Nach zwei Jahren wechselte er aus diesem Gr<strong>und</strong> die Schule.In <strong>der</strong> Universität, die ich gerade besuche, kann ich beobachten, wie sich Gruppierungenbilden. Die Studenten <strong>und</strong> Studentinnen mit nicht-österreichischem Hintergr<strong>und</strong> findenzueinan<strong>der</strong> <strong>und</strong> trennen sich von Einheimischen ab.Doch trotz allem sehe ich es als ein Vorteil mit zwei verschiedenen Kulturen, Religionen <strong>und</strong>Sprachen aufzuwachsen. Natürlich ist es nicht immer einfach den Mittelpunkt zu finden.Meine Lösung damit umzugehen <strong>war</strong> es, ein eigenes Ethik-System aufzubauen <strong>und</strong> allesErlebte <strong>und</strong> Gelernte durchzufiltern. Damit kann ich das Positive aus beiden Kulturen in meinLeben integrieren.Für die Zukunft wünsche ich mir, dass sich die fehlerhafte Integrationspolitik in Österreichverbessert <strong>und</strong> die Medien, die einen großen Einfluss auf das Verhalten <strong>der</strong> Menschenhaben, sich mehr für die Integration einsetzen.Dilek ZenginMedizinstudentin in Tirol-21-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichRezepteGeschichte eines KuchensIhre große Bekanntheit in <strong>der</strong>ganzen Welt verdankenQuiches <strong>und</strong> Gemüsekuchenhauptsächlich <strong>der</strong> QuicheLorraine, dem lothringischenSpeckkuchen. Bereits Anfangdes 17. Jahrh<strong>und</strong>ertsfertigten französische Bäckermit Resten des Brotteigessowie etwas Speck <strong>und</strong>Eiern, flache Kuchen, die sienach dem Brotbacken in denOfen schoben, um dieRestwärme zu nutzen. Jenach Region hatte <strong>der</strong>Kuchen einen an<strong>der</strong>enNamen. Eines hatten jedochalle gemeinsam: sie <strong>war</strong>enaus Brotteig, flach gedrückt <strong>und</strong> nie gedeckt. Im Laufe <strong>der</strong> Zeit wurde dieser Kuchen weiterverfeinert. Der Brotteig wurde durch einen Mürbteig o<strong>der</strong> Blätterteig ersetzt, <strong>der</strong> Belag mitSahne <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Zutaten verfeinert.Das Wort Quiche hat sich aus dem deutschen Wort Kuchen entwickelt. Zur traditionellenQuiche Lorraine gehören immer geräucherter Speck, Schlagobers <strong>und</strong> Eier, in Parishingegen wurde auch Greyerzer Käse dazu verwendet. Erst einmal geboren, <strong>war</strong> <strong>der</strong>herzhafte Kuchen bald in den Küchen <strong>der</strong> ganzen Welt zu Hause. Beim Belegen <strong>war</strong>en <strong>der</strong>Fantasie keine Grenzen gesetzt <strong>und</strong> bald wurden die deftigen Kuchen auch ganz o<strong>der</strong> nurteilweise mit einem Gitter abgedeckt. Einer <strong>der</strong> bekanntesten Kuchen ist die Lauchtorte aus<strong>der</strong> Picardie. Später kamen unzählige Varianten hinzu, vor allem aus Nordfrankreich <strong>und</strong>Belgien. Deftige Quiches <strong>und</strong> herzhafte Gemüsekuchen werden heutzutage immer beliebter<strong>und</strong> <strong>ihr</strong> Erfolg ist nicht verw<strong>und</strong>erlich. Man kann sie gut vorbereiten <strong>und</strong> mit einem kleinenSalat als Beilage sind sie ein vollständiges Hauptgericht. Und weil es so vieleKombinationsmöglichkeiten gibt, ist auch für jeden Geschmack etwas dabei.Quiches mit GemüseErgibt eine Form (28 cm ø), Backzeit: 45 Minuten, Backtemperatur: 180 o CZutaten:300g Blätterteig, Mehl für dieArbeitsflächeFür den Belag: 500g. Spargel, grün1 Prise Zucker150g Lachs geräuchert4 Eier, 200ml Créme fraȋcheJe 1 ½ B<strong>und</strong> Dill u. Petersilie,1 Eßl Zitronensaft, Semmelbrösel1 Spargel schälen. 1 Minute in Salzwasser mit einerPrise Zucker blanchieren. Den Spargel mit kaltemWasser abspülen <strong>und</strong> gut abtropfen lassen.2. Lachs in Streifen schneiden. Dill <strong>und</strong> Petersilie feinhacken <strong>und</strong> zum Lachs geben. Mit Zitronensaft <strong>und</strong>gemahlenem Pfeffer abschmecken.3. Eier mit Créme fraȋche aufschlagen, salzen <strong>und</strong>pfeffern. Den Ofen vorheizen.4. Den Teig ausrollen, in die Form legen, leicht-22-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichPfeffer –gemahlen, Salzandrücken, überstehenden Teig abschneiden5. Den Boden mit Semmelbrösel bestreuen <strong>und</strong> dieHälfte des Spargels hineinlegen. Darauf den Lachsverteilen, dann die Kräuter <strong>und</strong> schließlich den Restdes Spargels.6. Eier-Mischung darüber gießen <strong>und</strong> goldbraunbacken.Quiches mit FleischErgibt einen Kuchen (28 cm ø), Backzeit 30-35 Minuten, Backtemperatur 200 o CZutaten:Mürbteig:200 g Mehl, 140g Margarine,1 Ei, Salz, PfefferFür den Belag: 250g Speck, geräuchert,in Scheiben3 Eier, 400 ml Créme fraȋche,100g Greyerzer KäseSalz, Pfeffer, Muskatnuss1 Eßl Butter1. Einen Mürbteig herstellen, den Teig 15 Min. rastenlassen, dann r<strong>und</strong> ausrollen <strong>und</strong> in die Form legen, leichtandrücken <strong>und</strong> überstehenden Teig abschneiden.2. Speck in einer Pfanne glasig braten <strong>und</strong> aufKüchenpapier abtropfen lassen.3. Eier mit Créme fraȋche <strong>und</strong> geriebenem Käseaufschlagen, mit Salz <strong>und</strong> Pfeffer <strong>und</strong> etwas Muskatnusswürzen.4. Die Speckscheiben auf dem Boden verteilen <strong>und</strong> dasEiergemisch darüber gießen. Kleine Butterflöckchendraufsetzen <strong>und</strong> backen.Quiche LorraineBackzeit 1 St<strong>und</strong>e, Teig 10 Min. bei 200 o C vorbacken; dann bei Backtemperatur 250 o C fertigbackenZutaten:Teig:200g Mehl, 125 g Margarine,3 Eßl kaltes Wasser, Salz, Pfeffer1 Eßl geriebener Emmentaler,1 Zehe KnoblauchFür den Belag: 350g gekochterSchinken, etwa ½ cm dick,100g roher Schinken,3 - 4 Zwiebeln, frische Kräuter nachJahreszeit, 3 Zehen Knoblauch,6 Eier, 200g Créme fraȋche,200g geriebenen Emmentaler,Salz, Pfeffer1. Mehl in eine Schüssel geben <strong>und</strong> mit Margarineverkneten. Alle an<strong>der</strong>en Zutaten untermischen <strong>und</strong> denTeig eine St<strong>und</strong>e kühl rasten lassen.2. Beide Schinkenarten würfelig schneiden. GehackteZwiebel <strong>und</strong> Kräuter, sowie gepresste Knoblauchzehenin eine Schüssel geben <strong>und</strong> mit dem Schinken vermengen,beiseite stellen.3. Eier aufschlagen, salzen, pfeffern. Käse dazugeben<strong>und</strong> Créme fraȋche unterziehen.4. Den Teig ausrollen in die Form geben <strong>und</strong> den Randhochziehen. 10 Min vorbacken.5. Die Schinken-Kräuter-Mischung auf dem Teig verteilen,Eiergemisch darüber gießen <strong>und</strong> backen.Tipp: Es gibt verschiedene Rezepte für die weltbekannte, französische Quiche Lorraine. ImOriginalrezept wird kein Käse verwendet, aber die Variante mit Käse entspricht mehr unseremheutigen Geschmack.Sie können beliebige Käsesorten verwenden. In einigen Rezepten finden Sie auch dünngeschnittene Lauch- o<strong>der</strong> Schalottenringe. Sie werden zuerst in Fett gedünstet, bevor sie auf demKuchen verteilt werden.-23-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichCrȇpesCrȇpes können sowohl süß, als auch pikant serviert werden.Gr<strong>und</strong>rezept: 2 Eier, 250ml Milch, 8Eßl.Mineralwasser, 100g Mehl, Salz,Mehl, Salz in eine Schüssel geben, Eierunterrühren <strong>und</strong> nach <strong>und</strong> nach auch Milch <strong>und</strong>Mineralwasser mit dem Schneebesen einrühren,sodass keine Klümpchen entstehen. Der Teig sollsehr dünnflüssig sein. 20 – 30 Min rasten lassen.Etwas Fett in eine Pfanne geben <strong>und</strong> je nachGröße so viel Teig in das heiße Fett geben, dassdie Crȇpe hauchdünn wird <strong>und</strong> auf beiden Seiten hellbraun backen. Crȇpe mit Topfenfruchtfüllung:Füllung:1 Packerl (250g) Topfen, 50 ml Buttermilch, 2 Eßl.Ahornsirup, 1 Teel. Zitronensaft;300g Früchte <strong>der</strong> SaisonAlle Zutaten außer den Früchten gut vermischen, auf dieCrȇpe streichen <strong>und</strong> mit den Früchten belegen. Die Crȇpezweimal zusammenschlagen o<strong>der</strong> rollen, eventuell mit Zuckerbestreuen <strong>und</strong> servieren. Crȇpe mit Nougatfüllung:Crȇpe mit Nougatcreme (Nutella) bestreichen, zusammenschlagen, mit Zucker bestreuen <strong>und</strong>servieren. Crȇpe pikantFüllung: 25g Margarine, 25g Mehl, 300 ml Milch, 200ggeriebenen Käse, Kräuter, Gemüse nach Saison bzw.Geschmack.Aus den Zutaten einen Bechamelsoße bereiten, Kräuter<strong>und</strong> die Hälfte des Käses einrühren.Die Crȇpe damit bestreichen, Gemüse darauf verteilen,einrollen <strong>und</strong> in eine Form legen. Den restlichen Käseüber die gerollten Crȇpes verteilen <strong>und</strong> im Backrohr 15Min. überbacken.Auch bei den Crȇpes ist <strong>der</strong> Variantenreichtum groß <strong>und</strong> Ihrer Fantasie bei <strong>der</strong> Füllung sind keineGrenzen gesetzt.Quelle Fotos: en.wikipedia.orgFamilie-<strong>und</strong>-ges<strong>und</strong>heit-online.deCulinary.net-24-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichGȃteau vin rouge(Französischer Rotweinkuchen)Zutaten:200g Butter (Margarine)200g Zucker1 P. Vanillezucker5 Eier100g Schokolade, gerieben50g Stärkemehl80g Mehl160g Haselnüsse, gerieben5 Eßl. Rum, 6 Eßl Rotwein1 P. BackpulverGlasur: Staubzucker, RotweinZubereitung:Butter (Margarine), Zucker Vanillezucker <strong>und</strong> Eierschaumig rühren. Die geriebene Schokolade, dieHaselnüsse, Stärkemehl <strong>und</strong> den Rum leichtunterrühren. Mehl mit Backpulver mischen <strong>und</strong>ebenfalls leicht mit dem Schneebesen einrühren.Zum Schluss den Rotwein dazugeben.Im vorgeheizten Rohr (170 o C) backen.Nach dem Auskühlen mit <strong>der</strong> Staubzucker-Rotwein-Glasur überziehen.Chaussons aux pommes(französische Apfeltascherl)Zutaten:1 P. Blätterteig3-4 Äpfel, 30g Butter, 50g Staub-Zucker, 1 P. VanillezuckerWasser nach BedarfMarillenmarmeladeZum Bestreichen: DotterApfelfülle: Butter in einem Topf schmelzen <strong>und</strong>Äpfelstücke (geraspelt), Zucker, Vanillezucker <strong>und</strong>etwas Wasser (nach Saftgehalt <strong>der</strong> Äpfel) dazugeben.Die Masse zum Kochen bringen. Danach imvorgeheizten Backrohr (250 o C) ca. 8 Min garenlassen (ein bis zweimal umrühren). Danach den Topfherausnehmen, die Marmelade einrühren <strong>und</strong> abkühlenlassen.Den Teig ausrollen, r<strong>und</strong>e Scheiben ausstechen<strong>und</strong> in die Mitte die Apfelfülle draufsetzen. DieScheibe zuklappen <strong>und</strong> andrücken. Mit Dotterbestreichen <strong>und</strong> aufs Backblech legen.Blech nicht bestreichen, son<strong>der</strong>n anfeuchten.Bei 220 o C, 15 bis 18 Min. backen.EclairsZutaten:Brandteig: 250ml Wasser, 50g Butter1 Prise Salz, 200g Mehl, 5 Eier,Fülle: Puddingpulver(Schokolade/Vanille)Nach Packungsangabe vorgehenZubereitung:Wasser, Butter <strong>und</strong> Salz in einem breiten Topfaufkochen. Das Mehl in die heiße Flüssigkeit lehren<strong>und</strong> schnell glatt rühren, damit keine Klumpenentstehen. Solange auf kleiner Flamme rühren, bissich ein großer Klumpen gebildet hat.Abkühlen lassen <strong>und</strong> 1 Ei nach dem an<strong>der</strong>en mitdem Mixer einrühren.Den Teig in einen Spritzbeutel füllen <strong>und</strong> Streifeno<strong>der</strong> Tupfer auf das Backblech spritzen. Das Blechmit etwas Wasser bespritzen <strong>und</strong> bei 250 o Cbacken.Nach dem Erkalten auseinan<strong>der</strong>schneiden <strong>und</strong>füllen. Mit Zucker bestreuen o<strong>der</strong> glasieren.-25-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichLITURGIEEntstehungIm Rahmen <strong>der</strong> internationalen Tagung in New Yorkbat ich die Delegierten Odile Leleu, Anne-MarieTerreau <strong>und</strong> Laurence Gangloff aus Frankreichüber die Entstehung <strong>der</strong> Liturgie für 2013 zuerzählen.Im Jahr 2007, bei <strong>der</strong> internationalen Tagung inToronto, wurde Frankreich ausgewählt, die Liturgiefür das Jahr 2013 zum Thema „I was a Strangerand You Welcomed Me“ zu gestalten.Laurence Gangloff berichtete: „Im Frühjahr 2010fand ein erstes Treffen mit 40 Frauen aus allenRegionen <strong>und</strong> Religionen Frankreichs statt. EileenKing aus New York begleitete unsere Gruppe, die drei Tage lang intensiv arbeitete. Für dieeinzelnen Themenbereiche – Gottesdienst, Information zum Land, Musik, Bild, Bibelarbeit<strong>und</strong> Liturgie für Kin<strong>der</strong> – wurden kleine Gruppen gebildet <strong>und</strong> ein Gr<strong>und</strong>gerüst erarbeitet. ImAnschluss daran beschäftigen sich die einzelnen Gruppen noch ein Jahr lang intensiver zu<strong>ihr</strong>er jeweiligen Aufgabenstellung. Im März 2011 präsentierte jede Gruppe <strong>ihr</strong>e Ergebnisse.In kleinen Gruppen jeweils zu zweit, dann in einer zweiten R<strong>und</strong>e jeweils zu viert wurden dieVorschläge diskutiert <strong>und</strong> eine Auswahl getroffen. Mit dem Ergebnis dieses Treffensarbeiteten die zwölf Frauen des nationalen Komitees weiter. Sie mussten sich nach langemRingen <strong>und</strong> intensiver Auseinan<strong>der</strong>setzung (zwei Treffen im Ausmaß von zwei Tagen <strong>war</strong>endazu notwendig), für die endgültige Fassung entscheiden. Anschließend wurden die Texte inEnglischer Sprache übersetzt <strong>und</strong> dem internationalen Büro in New York zu gesandt. DasLeitungsteam des Komitees musste noch die vom internationalen Team angemerktenKorrekturen vornehmen.“Anne-Marie Terreau stellte fest: „ Da wurde uns zum ersten Mal bewusst, dass wir dieLiturgie nicht nur für Frankreich, son<strong>der</strong>n für die ganze Welt schreiben. Manch typischFranzösisches wurde international. Es <strong>war</strong> ein langer Prozess, bis die Liturgie entstanden ist<strong>und</strong> nun müssen wir unser „Kind“ loslassen. Wir mussten es freigeben, damit es <strong>der</strong> ganzenWelt zur Verfügung steht“Auf meine Anfrage, welche Auswirkungen das gemeinsame intensive miteinan<strong>der</strong> Arbeitenfür die Frauen des nationalen Komitees hatte, erzählte Odile Leleu: „ Durch die intensiveAuseinan<strong>der</strong>setzung mit dem Thema <strong>und</strong> das gemeinsame Ringen ist unser nationalesTeam sehr zusammengewachsen. Die Lebensgeschichten <strong>der</strong> sechs Frauen, von denen in<strong>der</strong> Liturgie berichtet wird, sind real. Wir alle kennen die Frauen <strong>und</strong> <strong>ihr</strong>e Geschichte hat unsalle sehr berührt. Unser aller Einstellung gegenüber „Fremden“ hat sich verän<strong>der</strong>t. Wir sindsensibler geworden gegenüber den Aussagen von Politikern zur Auslän<strong>der</strong>problematik. <strong>Ich</strong>höre bewusst als Christin im Lichte des Evangeliums auf die medialen Meldungen <strong>und</strong>versuche Gesagtes kritisch zu durchleuchten. Unser Komitee hat sich folgendesvorgenommen: sollte es bis zum 1. März 2013 auslän<strong>der</strong>feindliche Meldungen o<strong>der</strong>Handlungen in Frankreich geben, werden wir das internationale Büro in New York davoninformieren. So wird unsere Botschaft dann r<strong>und</strong> um die Welt gehen.“Danke Odile, Anne-Marie <strong>und</strong> Laurence für die Offenheit <strong>und</strong> das interessante Gespräch.Eva-Maria Schaffer-26-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichGedanken zum GottesdienstDie Frauen aus Frankreich, die den <strong>Weltgebetstag</strong> vorbereitet haben, vermitteln uns ein Bilddes Landes, das uns in dieser Form vielleicht nicht so geläufig ist: Frankreich ist seitJahrh<strong>und</strong>erten ein Einwan<strong>der</strong>ungsland <strong>und</strong> es haben dort Menschen aus verschiedenstenLän<strong>der</strong>n <strong>und</strong> mit verschiedenen Religionen eine Heimat gesucht <strong>und</strong> die französische Kulturentscheidend mitgeprägt.Heute vermitteln Politik <strong>und</strong> Medien ein negatives Bild von Einwan<strong>der</strong>nden <strong>und</strong>Asylsuchenden. Dagegen erheben auch die Kirchen <strong>ihr</strong>e Stimme. Als Christinnen <strong>und</strong>Christen sind wir aufgerufen, uns an <strong>der</strong> biblischen Tradition zu orientieren, Fremdeaufzunehmen.Fremd-Sein <strong>und</strong> Angenommen-Werden ist auch das Thema des Titelbildes von Anne-LiseHamann Jeannot, das sie für den WGT gemalt hat: Fremde können nur einen neuen Platz imLeben finden, wenn sie willkommen sind <strong>und</strong> angenommen werden. Das möchte dieKünstlerin ausdrücken, indem sie die anonyme, graue Figur in das Licht <strong>und</strong> in eine <strong>war</strong>me,farbige Atmosphäre treten lässt.Die Verfasserinnen <strong>der</strong> Gebetsordnung sind selbst Beispiele für die vielfältige französischeGesellschaft. Sie sind es auch, die uns begrüßen; <strong>ihr</strong>e Schals nehmen die lebendigenFarben des Bildes auf. Aber es ist die graue Fremde, die von außen kommt, die uns daranerinnert, dass wir alle Gottes Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> alle nur Gäste <strong>und</strong> Fremde auf Erden sind.Das Wort Jesu: „<strong>Ich</strong> <strong>war</strong> <strong>fremd</strong> <strong>und</strong> <strong>ihr</strong> <strong>habt</strong> <strong>mich</strong> <strong>aufgenommen</strong>“ macht uns deutlich, dassuns Gott gerade auch in den Fremden begegnen will. Die Frauen beginnen nicht mit denProblemen, die sich aus dem Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen <strong>und</strong> Religionenergeben. Sie beginnen damit, Gott gerade für die Einzigartigkeit jedes Menschen <strong>und</strong> <strong>der</strong>sich daraus ergebenden Vielfalt zu loben. In all unserer Verschiedenheit sind wir Töchter<strong>und</strong> Söhne Gottes.Die 1. Schriftlesung aus <strong>der</strong> Thora erinnert die Kin<strong>der</strong> Israels, dass auch sie Fremde inÄgypten gewesen sind. Sie for<strong>der</strong>t auf, Fremde nicht zu unterdrücken, son<strong>der</strong>n ihnenGerechtigkeit wi<strong>der</strong>fahren zu lassen <strong>und</strong> sie zu lieben. Zwei Migrantinnen zeigen auf, wieunmenschlich es ist, wenn gegen diese Weisung Gottes verstoßen wird. Darum ist hier <strong>der</strong>Platz für die Bitte um Vergebung. Den Zuspruch <strong>der</strong> Vergebung sehen sie in <strong>der</strong>Verheißung, dass Gott unter uns wohnen wird. Damit wird uns immer neu zugetraut, unsjetzt schon um eine gastfre<strong>und</strong>liche Gesellschaft zu bemühen.Im Text <strong>der</strong> 2. Lesung aus dem Matthäus Evangelium identifiziert sich Jesus selbst mit denFremden. Fremde aufzunehmen ist nicht Mildtätigkeit von oben herab, auch nicht dieGelegenheit, <strong>mich</strong> als wohltätiger Mensch hervorzutun. Es ist vielmehr meine Chance, Jesus<strong>und</strong> damit Gott zu begegnen <strong>und</strong> beschenkt zu werden, Segen zu erfahren.Was so ein gelungenes Miteinan<strong>der</strong> für Fremde bedeutet, davon erzählen dieErfahrungsberichte dreier Frauen.An dieser Stelle können die Bibeltexte durch eine Predigt ausgelegt, durch Gedanken o<strong>der</strong>an<strong>der</strong>e Formen, auf die jetzige Situation unserer Gesellschaft bezogen werden.Nach <strong>der</strong> Kollekte sind wir zu den Fürbitten eingeladen. Hier sprechen die Frauen ausFrankreich noch einmal die Chancen <strong>und</strong> Gefahren an, die im Umgang mit den Menschenliegen, welche an<strong>der</strong>s sind als die Mehrheit. Das letzte Wort hat die Frau in Grau: Es ist <strong>der</strong>Wunsch, dass wir denen, die von draußen kommen, Lebensraum geben mit allem, was wirsind <strong>und</strong> tun.Der Gottesdienst endet mit dem Segenswunsch <strong>und</strong> <strong>der</strong> Verheißung auf Frieden, den wirjetzt schon schaffen können.Pfr. in Mag. a Ilse BeyerMag. a Waltraut Kovacic-27-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichBibelarbeit Lev 19,1.2.33 (37) Bedrückt Fremde nicht,weil <strong>ihr</strong> selber Fremde <strong>war</strong>tIm Dritten Buch des Pentateuch (bzw. <strong>der</strong> fünf BücherMose), das jüngste dieser Bücher, werden Aufgaben despriesterlichen Dienstes geregelt. Viele bislang mündlichüberlieferte Vorschriften werden gebündelt <strong>und</strong> schriftlich festgehalten.Ziel ist: es soll eine lebendige, aber geordnete Kulttradition innerhalb des B<strong>und</strong>es Gottesmit seinem Volk gefestigt werden.Diese „Festschreibung“ wird erst nach <strong>der</strong> Wüstenwan<strong>der</strong>ung (im Nomadendasein brauchtees an<strong>der</strong>e Gesetze!) im Zuge <strong>der</strong> Sesshaft-Werdung (z.B. Städtegründung) notwendig <strong>und</strong>erst dafür auch sinnvoll.Inhalte des Buches Levitikus:Opfervorschriften, Reinheitsgesetze, das HeiligkeitsgesetzIm Heiligkeitsgesetz (17-26) befindet sich unser Text.So beginnt er auch mit den so ansprechenden <strong>und</strong> anspruchsvollen Worten: Ihr seid heilig!Also sind wir in <strong>der</strong> Qualität Gottes!Heiligkeit wurde nicht gesehen als eine vom Volk erworbene Eigenschaft, son<strong>der</strong>n Heiligkeitist Tat Gottes indem ER das Volk erwählt <strong>und</strong> errettet.Im Wechsel <strong>der</strong> Ansprache <strong>der</strong> Adressaten: Ihr (Volk; v.1.2.) <strong>und</strong> Du (v.33) wird verdeutlicht,dass sowohl das Volk als Gemeinschaft, aber genauso jede/r Einzelne heilig ist <strong>und</strong> darauspolitisches <strong>und</strong> individuelles ethisches Handeln erwächst.Wer wie Gott, als erwähltes <strong>und</strong> errettetes Volk <strong>und</strong> als Einzelne/r in <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong>Heiligkeit lebt, die/<strong>der</strong> bedrückt Fremde nicht! Eben, weil Sie/er heilig ist!Begründung: Ihr selber kennt diese Erfahrung, <strong>ihr</strong> <strong>war</strong>d selber <strong>fremd</strong> <strong>und</strong> unterdrücktin Ägypten! Und ich, euer Gott habe euch befreit, ich bin <strong>der</strong> Gott für euch (v.37)Quelle. Die neue Echter Bibel: Kommentar zum Alten Testament; W. Kornfeld: Levitikus, EchterVerlag Mt 25, 31 – 40 Nehmt Fremde auf, weil ich in dieser Fremde binDas Matthäus – Evangelium ist eines <strong>der</strong> drei synoptischen Evangelien. Dazu gehören nochdas Markus <strong>und</strong> Lukas – Evangelium. Synoptisch (zusammenschauen) heißen sie deshalb,weil diese drei Erzähler vieles gemeinsam berichten. Trotzdem hat je<strong>der</strong> einzelne Erzählerseine eigene Schwerpunktsetzung <strong>und</strong> Son<strong>der</strong>berichte. Dem Erzähler Matthäus liegt dasEvangelium nach Markus schon vor, ebenso eine gemeinsame (vermutete) Redequelle mitdem Evangelisten Lukas.Ziel <strong>der</strong> synoptischen Evangelien: Verschriftlichung <strong>der</strong> mündlichen Verkündigung <strong>der</strong>ApostolInnen.-28-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichDas Matthäus Evangelium ist vermutlich zwischen 80 - 90 nach Christus entstanden <strong>und</strong> imJudenchristentum verwurzelt, denn es setzt die Kenntnis <strong>der</strong> Schrift (Erfüllungszitate) <strong>und</strong>religiös praktizierter jüdischer Gesetze <strong>und</strong> Gebräuche voraus.Matthäus betont ganz beson<strong>der</strong>s die Hoheit Gottes in all seiner göttlichen Macht.Unser Text ist am Ende des Berichtes über das Leben Jesu angesiedelt. Nach diesem„Vermächtnis Jesu“, in dem zusammengefasst wird, wie die Nachfolge Jesu, die Liebe zu‚Gott <strong>und</strong> den Menschen‘ aussieht, beginnt dann die Erzählung über die Leiden <strong>und</strong> den Tod.So steht dieser Text da wie ein Testament.Wir nennen diese die Rede vom Völkergericht.Auffällig dabei ist <strong>der</strong> Wechsel des Subjektes: zunächst ist die Rede vom Menschensohn(‚Selbstbezeichnung Jesu‘), <strong>der</strong> kommen wird, dann hin zum König (Bild für Gott Vater), <strong>der</strong>Gericht hält <strong>und</strong> die Liebestaten <strong>der</strong> Menschen be- <strong>und</strong> verurteilt.Auffällig ist auch die Spannung vom Völkergericht zum Einzelgericht (in <strong>der</strong> Versammlung<strong>der</strong> Völker wird doch auch jede/r einzelne gerichtet)Die Aufzählung <strong>der</strong> sogenannten “Werke <strong>der</strong> Barmherzigkeit“ ist nicht erschöpfend, son<strong>der</strong>nbeispielhaft, illustrierend <strong>und</strong> inspirierend (was könnte es noch – heute – sein…) gedacht.Der Höhepunkt <strong>der</strong> Erzählung ist die Identifizierung Jesu (Menschensohn <strong>und</strong> König?) mitden geringsten <strong>der</strong> Schwestern <strong>und</strong> Brü<strong>der</strong>.Er kann sich mit ihnen identifizieren, weil er selber mit ihnen gelebt hat, sie geheilt, gespeist,getröstet <strong>und</strong> gestärkt hat.Und wer ihm nachfolgt, wird genau in diesem zur Rechenschaft gezogen.Die Begründung für das Aufnehmen <strong>der</strong> Fremden:<strong>Ich</strong> selbst, ich Christus, bin dieser Fremde/ bin in diesem Fremden, da begegnest du mir, dabegegnest du Gott.Quelle: Die neue Echte Bibel: Kommentar zum neuen Testament;R. Schnackenburg: Mattäusevangelium 16,21-28,20;Bd 1/2 Echter Verlag Offb 21, 3b – 4 Gott schafft neu: Heimat für alleDie Offenbarung o<strong>der</strong> auch Apokalypse genannt (daher <strong>der</strong> Sprachgebrauch: apokalyptischfür Unheilsszenarien) ist wie kein an<strong>der</strong>es Buch <strong>der</strong> Bibel ge- vor allem aber auchmissbraucht worden.Entstanden gegen Ende des 1.Jhdt nach Christus; geschrieben von einer angesehenPersönlichkeit auf <strong>der</strong> Insel Patmos in einer direkten Beauftragung von Gott her.Der Schreiber ist nicht identisch mit dem Apostel Johannes.Ausgangspunkt: die Weltgeschichte steht kurz vor <strong>der</strong> Katastrophe; alle Anzeichen stehenauf baldigen gewaltsamen Untergang, totalem Zusammenbruch. Das Vertrauen <strong>der</strong>Gläubigen richtet sich nicht mehr, wie bisher in <strong>der</strong> Geschichte, auf die ständig erinnerteTreue Gottes in <strong>der</strong> Vergangenheit, son<strong>der</strong>n kommt von einem vertrauensvollen Blick in einevon Gott neu geschaffene Zukunft. Und selbst, wenn die Sterne vom Himmel fallen werden,dann werden die Getreuen nicht weiter fallen als in die Hand Gottes.So gesehen wird dieses so umstrittene <strong>und</strong> vieldeutige Buch in „apokalyptischen Zeiten“immer auch als Trostbuch gesehen.-29-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichStarke Bil<strong>der</strong> bezeugen die Hoffnung auf eine Neuschaffung: Die alte Unheilswelt istvernichtet; die Ent<strong>fremd</strong>ung zwischen Gott, den Menschen, <strong>der</strong> Welt ist dann aufgehoben.Alle werden Heimat haben, weil Gott in <strong>der</strong> Mitte aller Völker wohnen wird <strong>und</strong> er dieHeimat für alle ist.Mag. a Gabriele TreschnitzerVorsitzende <strong>der</strong> KFB SalzburgOuelle: Die neue echter Bibel: Kommentar zum neuen Testament;H. Ritt: Offenbarung des Johannes, Bd.21; Echter VerlagIdeen zur WGT-Weiterarbeit Levitikus:Immer wie<strong>der</strong> verweist vor allem das Alte Testament auf die eigene Erfahrung <strong>der</strong>Unterdrückung, als das Volk <strong>fremd</strong> <strong>war</strong> in Ägypten <strong>und</strong> Gottes befreiende Tat, <strong>der</strong> Führung indie Freiheit.Die Erfahrung von Fremdsein gibt es auch in unserem Leben.Eine Phantasiereise in meine „Fremd-sein-Erfahrung“ kann mir Gefühle, Ängste,Verletzungen, aber auch Hilfestellungen <strong>und</strong> rettende Begegnungen vor Augen führen <strong>und</strong><strong>mich</strong> sensibilisieren, für die Bedürftigkeit <strong>der</strong> Fremden unter uns.<strong>Ich</strong> lasse Bil<strong>der</strong> kommen von Fremdheitsgeschichten in meinem Leben: Neue Schule,Umzüge, Arbeitsstellen, Einheiraten in eine <strong>fremd</strong>e Familie, Reisen usw…<strong>Ich</strong> zeichne, male diese als Stationen auf meinem Lebensweg. Wir tauschen uns in <strong>der</strong>Gruppe dann vor allem darüber aus: Worin bestand das Fremd - sein? Was /wer <strong>war</strong> da?Was/Wer hat mir geholfen?Welche Rolle spielte mein Glaube/Kirche? Matthäus:Wir lesen die Stelle <strong>der</strong> Werke <strong>der</strong> Barmherzigkeit. Welche Bil<strong>der</strong> von Hunger, Durst,Nacktheit usw.. kommen auch im übertragenen Sinn hoch? Was kann das im Umgang mitFremden heute heißen?Wir legen die Übertragung ins Heute, von Bischof Wanke dazu (Joachim Wanke (Hrsg): Diesieben Werke <strong>der</strong> Barmherzigkeit; St. Benno Buch – Zeitschriftenverlagsges.mbH Leibzig):Du gehörst dazu!<strong>Ich</strong> höre dir zu!<strong>Ich</strong> rede gut über dich!<strong>Ich</strong> gehe ein Stück mit dir!<strong>Ich</strong> teile mit dir!<strong>Ich</strong> besuche dich!<strong>Ich</strong> bete für dich!In <strong>der</strong> Mitte liegen Christusbil<strong>der</strong> unterschiedlichster Darstellung. Jede Frau wählt eine aus,die <strong>ihr</strong> am Fremdesten ist. Sie betrachtet unter den Fragen: was heißt das für meinGottesbild, dass Gott mir im Fremden begegnet, ja, dass sich Christus sogar mit demGeringsten, dem Fremden identifiziert hat?-30-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichNach einer Stille kommen wir ins Gespräch darüber; eventuell sogar über die Erfahrung, woGott mir <strong>fremd</strong> ist.Mit Ps 63,2-9 o<strong>der</strong> Ps 42,2-6 abschließen. O<strong>der</strong> selber ein Gebet an den „<strong>fremd</strong>en“ Gottverfassen. Offenbarung:In <strong>der</strong> Mitte liegen ganz viele unterschiedliche Tücher (Farbe, Form, Material…). DieTeilnehmerinnen werden eingeladen, mit den Tüchern eine Wohnung/Zelt Gottes in <strong>ihr</strong>erMitte zu gestalten. Dieses Zelt soll so groß sein, dass alle Anwesenden darin Platz finden.Für Gott in <strong>der</strong> Mitte des Volkes kann ein Symbol gef<strong>und</strong>en werden.Sie bauen im Schweigen miteinan<strong>der</strong> (Musik im Hintergr<strong>und</strong> möglich) ca. 20 Min. <strong>und</strong>nehmen dann im Zelt gemeinsam Platz. Im Zelt wird die Schriftstelle noch einmal gelesen;dann können die Frauen tönen (also einfach <strong>ihr</strong>en Ton suchen <strong>und</strong> zum Ausdruck bringen)nach einer Weile des Tönens werden Gefühle <strong>und</strong> Gedanken ausgetauscht.Als Abschluss erzählen die Frauen einan<strong>der</strong> <strong>ihr</strong>e Bil<strong>der</strong> <strong>und</strong> Vorstellungen von: Heimat füralle. Es können aber auch die biblischen Bil<strong>der</strong> angeboten werden: Hochzeitsmahl,Festmahl, Baum, in dessen Zweige die Vögel des Himmels nisten…, (also alle Reich GottesBil<strong>der</strong>).Mag. a . Gabriele TreschnitzerPredigtvorschlagLiebe <strong>Weltgebetstag</strong>sgemeinde,es braucht oft nicht viel, um sich <strong>fremd</strong> zu fühlen. Wenn Sie nicht ein ausgesprochenselbstbewusster Mensch sind, dann haben Sie das sicher schon selbst erfahren. Manchmalreicht es schon, auf eine Gruppe von Menschen zu treffen, die sich untereinan<strong>der</strong> kennt, Sieselbst aber kennen dort niemanden – etwa auf einem Fest o<strong>der</strong> an einem neuenArbeitsplatz. O<strong>der</strong> Sie kommen aus <strong>der</strong> Großstadt in ein sehr ländliches Gebiet – o<strong>der</strong>umgekehrt. Manchmal reicht es schon aus, einen Gottesdienst in einer an<strong>der</strong>skonfessionellenKirche zu besuchen… Wir fühlen uns <strong>fremd</strong> <strong>und</strong> erst einmal unbehaglich.Wie froh sind wir dann, wenn jemand fre<strong>und</strong>lich auf uns zukommt, uns „an <strong>der</strong> Hand nimmt“<strong>und</strong> willkommen heißt <strong>und</strong> anbietet, uns mit den an<strong>der</strong>en Menschen, mit denen wir es zu tunbekommen, bekannt zu machen <strong>und</strong> für unsere Fragen <strong>und</strong> Einstiegs- o<strong>der</strong> Anpassungs-Probleme ein offenes Ohr hat.Wenn sich so ein Mensch nicht findet, <strong>und</strong> man uns in einer für uns neuen <strong>und</strong> unbekanntenSituation einfach ignoriert, o<strong>der</strong> vielleicht sogar ablehnend begegnet, dann ist das sehrenttäuschend <strong>und</strong> macht uns – je nach eigenem Temperament - unsicher traurig o<strong>der</strong>wütend. Dabei sind die von mir genannten Beispiele wirklich Kleinigkeiten im Vergleich dazu,wenn man – aus welchen Gründen auch immer – sein Heimatland verlassen muss, um aneinem ganz an<strong>der</strong>en Ort ein neues Leben aufbauen zu müssen. <strong>Ich</strong> habe sehr bewusstgesagt, wenn man sein Heimatland verlassen muss, denn heute soll bestimmt nicht die-31-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichRede sein von denen, die die Welt bereisen zu Bildungszwecken o<strong>der</strong> weil sie ein an<strong>der</strong>esLand, einen an<strong>der</strong>en Erdteil gemütlicher <strong>und</strong> schöner finden. Nein, unser Gottesdienst, daranbesteht kein Zweifel, hat sein Augenmerk auf die gerichtet, die in die Fremde gehen, weil dieNot sie dazu zwingt. Sie dürfen meist nicht auf ein allzu herzliches „Willkommen“ rechnen. -Auch nicht im trotz aller Finanz- <strong>und</strong> sonstigen Krisen immer noch reichen <strong>und</strong> sicherenEuropa.Darum ist <strong>der</strong> Bibeltext, den die <strong>Weltgebetstag</strong>sfrauen aus Frankreich für diesenGottesdienst ausgesucht haben, so wichtig. Es ist einer, in dem DAS WORT (Gottes) ausden Wörtern hervorleuchtet, einen förmlich anspringt, mitten ins Herz trifft <strong>und</strong> dortsteckenbleibt. Das ist gut so, auch wenn es vielleicht weh tut. Aber bei dieser GleichnisredeJesu, da geht es um Sie <strong>und</strong> Sie <strong>und</strong> Sie <strong>und</strong> um <strong>mich</strong> <strong>und</strong> darum, uns alle unsanft o<strong>der</strong>jedenfalls kräftig wachzurütteln.Dem Evangelienbericht nach Matthäus zufolge, handelt es sich bei dieser Textstelle umeinen Teil aus <strong>der</strong> letzten großen Lehr-Rede Jesu. Noch ein letztes Mal bevor er seinenVerfolgern überantwortet wird, versucht er den Menschen deutlich zu machen, worum es ihmgeht, wenn er vom „Reich Gottes“ spricht <strong>und</strong> von den notwendigen Vorrausetzungen, um esbei uns Wirklichkeit werden zu lassen. Der Dreh- <strong>und</strong> Angelpunkt seines Programms, das erin seiner ersten wichtigen Rede zu Anfang seines Wirkens den Menschen auf einem Bergo<strong>der</strong> Hügel irgendwo in Galiläa entfaltet hat, beginnend mit den Worten „Selig sind dieBarmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen“ (Mt.5,7) <strong>und</strong> das er uns vorgelebthat, wird hier noch einmal als unabdingbar hervorgehoben. Ja mehr noch: In Jesu Rede vomWeltgericht, da ist das Urteil über uns gesprochen. Es gibt kein Verhandeln mehr, keineAnhörung, keine Plädoyers. Wir werden entwe<strong>der</strong> bei den Schafen o<strong>der</strong> bei den Böckenstehen. Je nachdem, wie „bockig“ wir uns angestellt haben. Und das wird nichts damit zu tunhaben, ob wir tüchtig sind <strong>und</strong> reich <strong>und</strong> viel aus unserem Leben gemacht haben. AuchGutes! Es wird lediglich darauf ankommen, dass wir verstanden haben, dass Gott stetsparteiisch ist: er steht immer auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong>er, die es schwer haben, die viel tragenmüssen <strong>und</strong> wenig Achtung erfahren. Ihnen gilt sein Augenmerk, ja mehr noch, sie sind sein„Augenstern“. Nur wenn wir unsere Mitmenschen durch Gottes Augen anschauen, mitseinem liebenden Blick, können wir vor ihm bestehen. Denn Gott, so möchte ich einmal einwenig provokant formulieren, wurde nicht nur einmal Mensch, son<strong>der</strong>n indem er sich durchJesus mit den Armen <strong>und</strong> Leidenden dieser Welt identifiziert, wird er millionenfach neugeboren <strong>und</strong> kommt uns immer wie<strong>der</strong> entgegen. „Was <strong>ihr</strong> dem geringsten meiner Brü<strong>der</strong>getan <strong>habt</strong>…“, da geht es nicht um die Armen <strong>und</strong> Hungernden im Allgemeinen, von denenes zu viele gibt in unserer Welt, die für uns aber ohne Namen <strong>und</strong> Gesicht bleiben. Aberauch nicht um die bedeutsamen Menschen, denen wir vielleicht einmal begegnet sind, nichtum die, denen wir Ehre <strong>und</strong> Achtung <strong>und</strong> Respekt erweisen, son<strong>der</strong>n unsere Messlattewerden die sein, die uns gleichgültig, vielleicht ein bisschen unangenehm o<strong>der</strong> sogar lästig<strong>und</strong> peinlich sind; <strong>der</strong>en Arbeitskraft wir ausbeuten, aber die wir eigentlich nicht unter unshaben wollen <strong>und</strong> denen wir <strong>ihr</strong>en gerechten Lohn <strong>und</strong> ein menschenwürdiges Daseinvorenthalten; die uns auf <strong>der</strong> Straße anbetteln <strong>und</strong> an denen wir schnell vorbei gehen o<strong>der</strong>denen wir ein paar kleine Münzen zustecken, um sie rasch loszuwerden o<strong>der</strong> unserGewissen zu beruhigen. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> uns um Hilfe gebeten hat <strong>und</strong> dem wir gleichgültig <strong>und</strong>schulterzuckend die Tür gewiesen haben, durch den wir hindurchgesehen haben – egal obunsere Hände sich geöffnet haben o<strong>der</strong> geschlossen blieben – sie alle werden uns wie<strong>der</strong>-32-


WGT-Arbeitsheft 2013 Frankreichins Gedächtnis gerufen werden im Gericht, <strong>und</strong> wir werden an unserem Umgang mit ihnengemessen <strong>und</strong> unser Urteil erhalten von dem, <strong>der</strong> selbst arm <strong>und</strong> krank <strong>und</strong> nackt <strong>und</strong>unbehaust <strong>war</strong> <strong>und</strong> vom Gericht unserer Welt verurteilt wurde.Liebe Gottesdienstgemeinde, die Frauen aus Frankreich haben uns heuer ein Bibelwortmitgegeben, das uns an unsere wichtigste <strong>und</strong> oberste Aufgabe erinnert, wenn es uns ernstist mit unserem Bekenntnis zu Christus. Es ist eine Aufgabe, die uns vielleicht nicht leichtfällt, aber Gott hätte sie uns nicht gestellt, wenn er uns nicht auch die Fähigkeit <strong>und</strong> die Kraft<strong>und</strong> den Mut dazu gegeben hätte, nach seinem Willen zu handeln. Es geht nicht darum, dassjede <strong>und</strong> je<strong>der</strong> von uns, die ganze Welt auf seine Schultern lädt <strong>und</strong> zu retten <strong>und</strong> zu heilenversucht. Son<strong>der</strong>n es geht um viele kleine alltägliche Schritte <strong>und</strong> Gesten; welche das für Siesind <strong>und</strong> wie Sie „den Geringsten unter den Brü<strong>der</strong>n“ Gutes tun wollen <strong>und</strong> können, möchteich bewusst Ihnen überlassen. Aber je<strong>der</strong> noch so kleine Schritt, den sie tun, ist wichtig fürSie, für <strong>ihr</strong>en Nächsten <strong>und</strong> für die Zukunft des Reiches Gottes. - Denn wie heißt es soschön in einem afrikanischen Sprichwort: Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Ortenviele kleine Dinge tun, wird sich das Angesicht <strong>der</strong> Welt verän<strong>der</strong>n.Und die kann ein fre<strong>und</strong>licheres Angesicht gut brauchen.AMEN.Gertrude RohrmoserDieser Predigtvorschlag ist wirklich als „Vorschlag“ gedacht<strong>und</strong> kann ganz o<strong>der</strong> in Teilen übernommen werden.Die Autorin„Nennt <strong>mich</strong> nicht Fremde:<strong>Ich</strong> brauche Kontakte, ganz beson<strong>der</strong>s,wenn wir nicht die gleiche Sprache sprechen.Nennt <strong>mich</strong> nicht Fremde:<strong>Ich</strong> brauche das Gefühl ein Zuhause zu haben,ganz beson<strong>der</strong>s, wenn mein eigenes so weit weg ist.Nennt <strong>mich</strong> nicht Fremde:<strong>Ich</strong> brauche eine Familie,denn meine habe ich verlassen, um für euch zu arbeiten.Nennt <strong>mich</strong> nicht Fremde:Wir leben auf <strong>der</strong>selben Erde,doch meine Heimat ist nicht ‚das verheißene Land‘.Nennt <strong>mich</strong> nicht Fremde:Meine Sprache klingt an<strong>der</strong>s als eure,doch die Gefühle, die ich damit ausdrücke,sind dieselben.Nennt <strong>mich</strong> nicht Fremde:Es stimmt, ich bin eine Arbeitsmigrantin,aber unser Gott ist <strong>der</strong>selbe.“(Auszug aus <strong>der</strong> Klage einer Arbeitsmigrantin)Quelle: Werkmappe WGT-Deutschland-33-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichPROJEKTE WELTGEBETSTAG 2013. . . a u s d e m S c h w e r p u n k t l a n d F r a n k r e i c h :Frankreich, Massy: Unterbringung von MigrantInnen mit GewalterfahrungenLa CimadeDas Projekt „Unterbringung von MigrantInnen mitGewalterfahrungen“ will speziell Flüchtlingsfrauen helfen, diegerade nach Frankreich gekommen sind <strong>und</strong> in <strong>der</strong> noch<strong>fremd</strong>en Gesellschaft Fuß fassen möchten.Die Erfahrungen in dem seit 1964 bestehenden InternationalenZentrum für Flüchtlinge haben gezeigt, dass Flüchtlingsfrauen,die von <strong>ihr</strong>en Männern physisch o<strong>der</strong> psychisch bedroht worden<strong>war</strong>en, aufgr<strong>und</strong> <strong>ihr</strong>er legal <strong>und</strong> finanziell prekären Situationgezwungen <strong>war</strong>en, wie<strong>der</strong> in eine gemeinsame Wohnung mitdem Täter zu ziehen.Foto: La CimadeUm dieser Problematik entgegenzuwirken, werden seit 2011zwanzig <strong>der</strong> insgesamt 100 Räume des Zentrums speziell für Frauen mit Gewalterfahrungenbereitgestellt.Betroffene Frauen <strong>und</strong> <strong>ihr</strong>e Kin<strong>der</strong> können mindestens 6 Monate hier leben <strong>und</strong> werdendabei unterstützt, eine eigene Bleibe zu finden. Psychologische <strong>und</strong> medizinischeVersorgung kann bei Bedarf auch in Anspruch genommen werden.Das sehr erfahrene Team des Zentrums begleitet die Frauen durch individuelle Gespräche<strong>und</strong> bietet Französischunterricht <strong>und</strong> ein abwechslungsreiches Freizeitprogramm an, umihnen wie<strong>der</strong> ein Stück weit <strong>ihr</strong> Selbstvertrauen zurückzugeben. La Cimade versteht sich alsgroßes Netzwerk <strong>und</strong> arbeitet als einzige NRO zum gesamten Spektrum Migration, bereitsseit 1939.För<strong>der</strong>summe: 15.000,- Euro, För<strong>der</strong>dauer: 2013 - 2014Frankreich, Straßburg: Unterstützung <strong>und</strong> Beratung für AsylsuchendeCASASAsylwerberInnen in Frankreich sind aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong>fehlenden staatlichen Ressourcen oftmals gezwungen,monatelang auf <strong>der</strong> Straße, ohne einen fixenSchlafplatz, zu verbringen.CASAS, eine kleine, lokal tätige NRO, betreutAsylwerberInnen, die nicht in staatlichen Einrichtungenuntergebracht sind. 120 ehrenamtliche <strong>und</strong> 6TeilzeitmitarbeiterInnen unterstützen AsylwerberInnenauf zwei Ebenen: in den Anfor<strong>der</strong>ungen des täglichenLebens <strong>und</strong> bei <strong>der</strong> Einreichung <strong>ihr</strong>es Asylantrages. DaFoto: CASAS90% <strong>der</strong> AsylwerberInnen we<strong>der</strong> Französisch nochEnglisch sprechen, wird ein Schwerpunkt darauf gelegt, den Menschen dabei zu helfen, <strong>ihr</strong>eLebensgschichte detailgetreu nie<strong>der</strong>zuschreiben. Ein Asylantrag wird nur akzeptiert, wenndieser innerhalb 21 Tagen nach <strong>der</strong> Einreise <strong>und</strong> mit allen notwendigen Dokumenten <strong>und</strong> <strong>der</strong>Lebensgeschichte eingereicht wird. Ein negativer Bescheid kann mit <strong>der</strong> notwendigenUnterstützung angefochten werden.Weiters hilft CASAS mit Nahrungsmitteln, Französischkursen, Geld für öffentlicheVerkehrsmittel.-34-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichIn akuten Notsituationen vermittelt CASAS private Wohnunterkünfte bei Familien, in Pfarren,o<strong>der</strong> auch in Hotels.Ehrenamtliche MitarbeiterInnen möchten Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Familien mit einem fröhlichenFreizeitprogramm den schwierigen Alltag schöner gestalten.För<strong>der</strong>summe: 15.000,- Euro, För<strong>der</strong>dauer: 2013 – 2014Libanon, Rayfoun: FrauenhausCaritas Libanon / Caritas SalzburgDas in den Bergen, 45 km nördlich von Beirut gelegeneFrauenhaus des Flüchtlingsbüros <strong>der</strong> Caritas Libanon bietetmit seinen großen Gärten einen idealen Zufluchts- <strong>und</strong>Erholungsort für bis zu 100 Frauen. Es besteht aus 3Gebäuden mit insgesamt 24 Zimmern, zwei großen Küchensowie zahlreichen Räumen, die sich über drei Etagen imHauptgebäude verteilen.Die Frauen, die im Frauenhaus Schutz suchen, sindArbeitsmigrantInnen <strong>und</strong> Asylwerberinnen:Im Libanon leben fast 200.000 ArbeitsmigrantInnen, dieFoto: Caritas LibanonMehrzahl von ihnen sind Frauen aus Afrika (Äthiopien,Madagaskar) <strong>und</strong> aus Asien (Philippinen, Bangladesch, Sri Lanka), die in den Libanonkamen, um als Hausangestellte zu arbeiten. Viele von ihnen sind Opfer von Ausbeutungvonseiten <strong>ihr</strong>es Arbeitgebers, <strong>der</strong> sie nicht bezahlt, ihnen Arbeit aufzwingt, ihnen kein Essengibt o<strong>der</strong> sie physisch, verbal <strong>und</strong> in den schlimmsten Fällen auch sexuell missbraucht. Diesführt bei den Frauen zu Problemen wie posttraumatischem Stress, einige sind inangstlösen<strong>der</strong> Behandlung, an<strong>der</strong>e leiden an chronischen Erkrankungen (Diabetes,Bluthochdruck...). Zudem gibt es schwangere Frauen, alleinstehende Frauen mit Kin<strong>der</strong>n,Opfer von Missbrauch sowie Frauen, die Konflikte mit <strong>ihr</strong>em Arbeitgeber haben. In manchenFällen werden auch gefährdete, unbegleitete Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche <strong>aufgenommen</strong>.Seit 2007 erhalten IrakerInnen aus dem Zentralirak <strong>und</strong> aus dem Süden des Landesautomatisch den Flüchtlingsstatus des UNHCR (Flüchtlingshochkommissariat <strong>der</strong> VereintenNationen). Da die libanesische Regierung die Genfer Flüchtlingskonvention nichtunterzeichnet hat, werden selbst anerkannte Flüchtlinge wie illegale MigrantInnen behandelt<strong>und</strong> verhaftet.Die vom Flüchtlingsbüro angebotenen Dienstleistungen sind ganzheitlich angelegt <strong>und</strong>umfassen die humanitäre Unterstützung, psychologische Hilfe <strong>und</strong> Therapie, medizinischeUnterstützung, legale Unterstützung, Schulbesuch <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> bei längerem Aufenthalt,Freizeitgestaltung (Einbindung in tägliche Abläufe, verschiedene Gruppenaktivitäten).För<strong>der</strong>summe: 20.000,- Euro, För<strong>der</strong>dauer: 2013 - 2014Guatemala, Guatemala City <strong>und</strong> QuetzaltenangoMIRIAMDer Verein MIRIAM hat sich zum Ziel gesetzt, indigenen Frauen aus den ländlichenGebieten durch ein ganzheitlich ausgerichtetes Stipendienprogramm zu einer f<strong>und</strong>iertenBildung <strong>und</strong> damit zu einem selbstbestimmten Leben <strong>und</strong> gesellschaftspolitischerMitgestaltung zu verhelfen.För<strong>der</strong>summe: 31.700,90 Euro, För<strong>der</strong>dauer: 2013 - 2015-35-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichBulgarien, Sofia: Gottes GeschenkChristliche Vereinigung für Bildung <strong>und</strong> Wohltätigkeit (CECA) „Heilige Sofia“2000 wurde CECA als Verein aus <strong>der</strong> bestehenden ökumenische Frauengruppe in Sofiakonstituiert, die vor Ort 130 sozial benachteiligten Menschen (ältere o<strong>der</strong> behin<strong>der</strong>teMenschen, Waisen- <strong>und</strong> Straßenkin<strong>der</strong>, Arbeitslose) mit Lebensmitteln, Medikamenten <strong>und</strong>Beratung weiterhilft.För<strong>der</strong>summe: 26.550,- Euro, För<strong>der</strong>dauer: 2013 - 2015PNG, K<strong>und</strong>iawa: Landwirtschaftskurse für FrauenCatholic Women’s Association <strong>der</strong> Diözese K<strong>und</strong>iawaAb 2012 möchte Sister Angeline den Frauen <strong>der</strong> Diözese K<strong>und</strong>iawa Kurse für Landbau <strong>und</strong>Viehzucht anbieten. In insgesamt 36 Kursen mit jeweils 50 Teilnehmerinnen vermittelt eineTrainerin Wissen über Gemüseanbau <strong>und</strong> die Aufzucht von Schlachthühnern, wobei auchdie dafür notwendigen landwirtschaftlichen Geräte, Samen <strong>und</strong> Düngemittel verteilt werden.För<strong>der</strong>summe: 20.000,- Euro, För<strong>der</strong>dauer: 2013 - 2015Österreich, Innsbruck: Psychodramagruppe für FlüchtlingsfrauenDiakonie–Flüchtlingsdienst / Ankyra– Zentrum für interkulturelle Psychotherapie fürAsylwerberInnen <strong>und</strong> anerkannte FlüchtlingeAufbauend auf den Erfahrungen in <strong>der</strong> psychodramatischen Arbeit mit Flüchtlingsfrauen, die<strong>der</strong> WGT bereits in <strong>der</strong> Vergangenheit unterstützt hat, wird 2013 eine Psychodramagruppezu 12 Gruppentreffen angeboten. Die Gruppe wird je nach Bedarf dolmetschunterstütztangeboten.För<strong>der</strong>summe: 11.010,- Euro, För<strong>der</strong>dauer: 2013Türkei, Dersim/Tunceli: FrauenzentrumLeEZA (Liga für emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit)Das Frauenzentrum wurde 2011 von <strong>der</strong> ersten Bürgermeisterin <strong>der</strong> Türkei gegründet <strong>und</strong>etabliert sich gerade als Anlaufstelle für Frauen <strong>und</strong> Kin<strong>der</strong>, die psychosoziale, rechtlicheo<strong>der</strong> sonstige Unterstützung in <strong>der</strong> von Gewalt geprägten kurdischen Stadt Dersim/Tunceli.brauchen.För<strong>der</strong>summe: 15.000,- Euro, För<strong>der</strong>dauer: 2013Honduras, Halbinsel Zacate Grande: Frauenorganisation <strong>und</strong> MikrokreditADEPZA / Thomas Viehwei<strong>der</strong>Es sollen 4 Frauenkooperativen (Schweinezucht, Bäckerei, Schnei<strong>der</strong>ei, Kleinhandel) voninsgesamt 64 Frauen in 4 Dorfgemeinschaften aufgebaut werden. Die teilnehmenden Frauenerhalten eine gr<strong>und</strong>sätzliche Ausbildung bezüglich Frauenrechte, Emanzipation, sowie eineprofessionelle Ausbildung je nach spezifischer Tätigkeit, den Aufbau <strong>und</strong> Führung <strong>der</strong>Kooperative.För<strong>der</strong>summe: 30.000,- Euro, För<strong>der</strong>dauer: 2013 - 2015-36-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichGuatemala, Chajabal (Westl. Hochland): Las Luces – Frauen schaffen EinkommenAFDIGUA / Brigitte BannertZielgruppe sind 60 Maya-Frauen <strong>der</strong> Frauenvereinigung des Dorfes, die mit Hilfe desMikrokreditfonds kleine Gemüsegärten anlegen <strong>und</strong> bewirtschaften können. Das Gemüsekann von <strong>der</strong> eigenen Familie konsumiert, bzw. weiterverabeitet <strong>und</strong> am Markt verkauftwerden.För<strong>der</strong>summe: 20.000,- Euro, För<strong>der</strong>dauer: 2013 - 2015Pakistan, Baghbanan: Ambulanz Shamshatoo – Ges<strong>und</strong>heit als Existenzgr<strong>und</strong>lageproLokaEine Ambulanz in Baghbanan (vor den Toren des Flüchtlingslagers Shamshatoo) soll dienotwendige gr<strong>und</strong>legende medizinische Versorgung <strong>der</strong> lokalen Bevölkerung (r<strong>und</strong> 250.000Personen) gewährleisten. Neben <strong>der</strong> gr<strong>und</strong>legenden medizinischen Behandlung werdenImpfkampagnen <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsaufklärung in Schulen von dieser Ambulanz ausdurchgeführt. Zielgruppen sind insbeson<strong>der</strong>e (stillende) Mütter <strong>und</strong> Kleinkin<strong>der</strong>.För<strong>der</strong>summe: 15.000,- Euro, För<strong>der</strong>dauer: 2012 - 2013Kamerun, Kumbo: Ernährungs- <strong>und</strong> Hygieneseminare für Menschen mit HIV/AIDSTertiarschwestern des Hl. FranziskusHygiene <strong>und</strong> Ernährung sind wesentliche Punkte, die das Leben von Menschen mit HIV bzw.AIDS erleichtern können. Die Seminare <strong>der</strong> Tertiarschwestern informieren überAnsteckungsrisiken <strong>und</strong> wie man trotz <strong>der</strong> Infektion ein lebenswertes Leben führen kann. In12 Dörfern wurden Unterstützungsgruppen gegründet, die in einem eintägigen Workshopeine Schulung erhalten <strong>und</strong> das erworbene Wissen weitergeben. Insgesamt werden 600Personen erreicht.För<strong>der</strong>summe: 15.000,- Euro, För<strong>der</strong>dauer: 2012 - 2013Chile, Temuco, Region La Araucanía: Ganzheitliche Bildung für Mapuche FrauenEvang.-method. Kirche Chile/ Obra Rural Nueva Imperia95% aller Mapuche-Frauen leben in extremer Armut. Beim täglichen Existenzkampf spielt dieFrau die Schlüsselrolle, in dem sie Gemüse, Kleintieren <strong>und</strong> Webstoffen verkauft. DurchBildungsangebote, Bereitstellung von Saatgut <strong>und</strong> Werkzeug sowie Vermarktungshilfe wirddie Lebenssituation von insgesamt r<strong>und</strong> 750 Personen verbessert.För<strong>der</strong>summe: 30.000,- Euro, För<strong>der</strong>dauer: 2011 - 2013Makedonien, Strumica: Computer <strong>und</strong> Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenEvang.- method. Kirche, Diakonisches ZentrumDiese Ausbildung in den gr<strong>und</strong>legenden EDV-Programmen soll 6 Jugendliche mitbeson<strong>der</strong>en Bedürfnissen ermächtigen, selbstbestimmter zu leben. Unterrichtet wird voneinem diplomierten Pädagogen <strong>und</strong> einem EDV-Fachmann in 2 wöchentlichenUnterrichtseinheiten.För<strong>der</strong>summe: 15.000,- Euro, För<strong>der</strong>dauer: 2011 – 2013-37-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichZwei mutige FrauenBertha Cáceres Flores – „Die Stimme <strong>der</strong> Lencas“„Vor wenigen Tagen habe ich die letzten Drohanrufeerhalten. <strong>Ich</strong> bringe so etwas nicht mehrzur Anzeige, was nützt das schon. Vor einemJahr wurde ich von <strong>der</strong> Polizei zusammengeschlagen.Wir haben nun mal einflussreicheFeinde, die sich <strong>ihr</strong>e Gefolgsleute kaufen können:die größten honduranischen Energiekonzerne<strong>und</strong> <strong>ihr</strong>e internationalen Geschäftspartner.“Am 16. Juni 2012 nahm Bertha Cáceres im Namen <strong>ihr</strong>erOrganisation COPINH (Ziviler Rat <strong>der</strong> Basis- <strong>und</strong>Indigenenorganisationen in Honduras) den Shalompreis desArbeitskreises für Gerechtigkeit <strong>und</strong> Frieden an <strong>der</strong>Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt entgegen.Der Preis gilt als einer <strong>der</strong> ältesten <strong>und</strong> mit jährlich über15.000,- Euro auch als einer <strong>der</strong> höchstdotiertenMenschenrechtspreise Deutschlands.Seit <strong>ihr</strong>er Jugend setzt sich die 41-jährige Honduranerin für dieIndigenen Honduras <strong>und</strong> für Frauenrechte ein <strong>und</strong> gründete gemeinsam mit <strong>ihr</strong>enMitstreiterInnen 1993 den COPINH, den sie seit einigen Jahren auch leitet.Seit dem zivil-militärischen Putsch in Honduras 2009 gegen den demokratisch gewähltenPräsidenten Manuel Zelaya wurden unter <strong>der</strong> aktuellen Regierung von Präsident PorfirioLobo mehrere Gesetze zugunsten nationaler <strong>und</strong> internationaler Unternehmenverabschiedet, die u.a. die Privatisierung natürlicher Ressourcen, Vertreibungen <strong>und</strong> dieEnteignung von Land nach sich zogen- allein in <strong>der</strong> Lenca-Region sollen 15 Staudämmeerrichtet werden. Seit dem Putsch wurden 7 COPINH-AktivistInnen ermordet, es gabVerhaftungen, regelmäßige Drohanrufe <strong>und</strong> körperliche Übergriffe gegen COPINH-MitarbeiterInnen (siehe dazu auch den Bericht <strong>der</strong> COPINH-Eilaktion auf Seite ).Der WGT unterstützte die Frauenarbeit <strong>der</strong> Indigenen-Organisation COPINH 2010 <strong>und</strong> 2011mit 30.000,- Euro <strong>und</strong> dadurch zahlreiche Seminare zu Frauenrechtsthemen für Lenca-Frauen ermöglicht.Quelle: AK ShalomQuelle: Arbeitskreis Shalom für Gerechtigkeit <strong>und</strong> Frieden an <strong>der</strong> Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt,Bearbeitung von Anna Wieselthaler.Vilma Matzir Miculax – „Einfach nicht aufgeben“„Und ich bin dem Täter dann auf <strong>der</strong> Straße wie<strong>der</strong>begegnet.Mein erster Impuls <strong>war</strong>, meinen Blick zu senken <strong>und</strong> schnelldavon zugehen. Doch dann sagte ich mir, dass es eigentlich ersei, <strong>der</strong> sich zu schämen habe, denn er hatte ja <strong>mich</strong>vergewaltigt. So hob ich meinen Kopf <strong>und</strong> sah ihm in die Augen,solange, bis er seinen Blick verunsichert senkte.“Vilma Matzir Miculax ist Maya Kaqchikel in Guatemala,Studentin <strong>der</strong> Literaturwissenschaften an <strong>der</strong> Universität SanCarlos <strong>und</strong> Mitbegrün<strong>der</strong>in des MIRIAM Stipendienprogrammes-38-


WGT-Arbeitsheft 2013 Frankreichfür Überlebende von Gewalt. Sie lebt in San Pedro Yepocapa, einem kleinen Dorf im zentralgelegenen B<strong>und</strong>esstaat Chimaltenango, das Dorf mit einer <strong>der</strong> höchstenVergewaltigungsrate des Landes. Der bis 1996 andauernde Bürgerkrieg, in dem die Armeeüber 200.000 Indigene ermordete, hat seine Spuren in <strong>der</strong> Gesellschaft hinterlassen, <strong>und</strong> esfehlen weiterhin dringend notwendige strukturelle Verän<strong>der</strong>ungen. In einem Klima vonRassismus gegen die Maya-Bevölkerung, starren patriarchalen Strukturen, grassieren<strong>der</strong>Korruption, Straflosigkeit <strong>und</strong> steigen<strong>der</strong> Drogenkriminalität haben es indigene Frauen nichtleicht.Ausgehend von <strong>ihr</strong>er persönlichen Erfahrung <strong>der</strong> Bewältigung eines Gewalttraumas, setztsich Vilma konsequent für Frauen ein, die Gewaltsituationen durchgemacht haben. AlsTutorin gibt sie den Stipendiatinnen Nachhilfeunterricht <strong>und</strong> ist Aktivistin des Kollektives"Gerechtigkeit für meine Schwester".Der Verein MIRIAM hat sich zum Ziel gesetzt, indigenen Frauen aus den ländlichenGebieten Guatemalas durch ein ganzheitlich ausgerichtetes Stipendienprogramm zu einerf<strong>und</strong>ierten Bildung <strong>und</strong> damit zu einem selbstbestimmten Leben <strong>und</strong> gesellschaftspolitischerMitgestaltung zu verhelfen.Der WGT unterstützt 6 StipendiatInnen von MIRIAM dabei, <strong>ihr</strong> Studium erfolgreichabschließen zu können, von 2013 bis 2015 mit einer För<strong>der</strong>summe von 31.700,90 Euro.(Siehe Projekte WGT 2013 S.35).Quelle: MIRIAM, Bearbeitung von Anna Wieselthaler.Einmischen o<strong>der</strong> Heraushalten?So lautete die Frage <strong>der</strong> malaysischen <strong>Weltgebetstag</strong>sfrauen vergangenes Jahr.Eine herausfor<strong>der</strong>nde Frage, an <strong>der</strong> auch <strong>der</strong> WGT nicht vorbei kann -wie die vielfältigen Kampagnen <strong>der</strong> letzten Monate zeigen:Malaysia: Petition HausangestellteDie Kampagne des Deutschen <strong>Weltgebetstag</strong>skomitees e.V. <strong>und</strong> <strong>der</strong> malaysischenMenschenrechtsorganisation Tenaganita („Frauenstärke“) anlässlich des <strong>Weltgebetstag</strong>es2012 aus Malaysia hat die Er<strong>war</strong>tungen aller Beteiligten übertroffen:131.072 Unterschriften kamen zusammen. Die UnterzeichnerInnen <strong>der</strong> Petition for<strong>der</strong>n diemalaysische Regierung auf, die „Konvention über menschenwürdige Arbeit fürHausangestellte Nr. 189“ <strong>der</strong> Internationalen Arbeitsorganisation (engl. Abk.: ILO) inmalaysisches Recht umzusetzen. Damit würden Frauen <strong>und</strong> Mädchen, die in Malaysia unterteils menschenunwürdigen Bedingungen als Hausangestellte arbeiten, offiziell alsArbeitnehmerinnen anerkannt.Die Unterschriftenlisten wurden Anfang Mai 2012 gesammelt an Tenaganita nach Malaysiageschickt. Die Mitarbeiterinnen von Tenaganita übergaben die 20 Kisten vollerUnterschriftenlisten dann im Juni 2012 in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion an diemalaysischen Regierungsverantwortlichen. Auch in Österreich <strong>war</strong>en zuvor in zahlreichenGottesdiensten zum <strong>Weltgebetstag</strong>, bei Veranstaltungen o<strong>der</strong> im Familien- <strong>und</strong>Fre<strong>und</strong>eskreis Unterschriften gesammelt worden.Vielen herzlichen Dank!-39-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichMalaysia: Protestbrief an UN Generalsekretär Ban Ki MoonSeit 30 Jahren lässt Taib Mahmud,Regierungschef des malaysischenB<strong>und</strong>esstaats Sarawak, denRegenwald von Borneo abholzen.Dank Missbrauch seines Amtes <strong>und</strong>extremer Korruption ist Taib indieser Zeit zum Milliardärgeworden. Recherchen von <strong>der</strong>schweizerischen NRO BrunoManser Fonds <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en habengezeigt, dass die Taib-Familie anüber 400 Unternehmen in 25Staaten im Wert von mehrerenMilliarden US-Dollar beteiligt ist.Dazu gehören auch verschiedeneinternational tätige Holzkonzernewie die Samling-Gruppe <strong>und</strong> Ta Ann.Foto: Johannes WalterIn einem Schreiben an die malaysischen Strafverfolgungsbehörden hat bereits im Dezember2011 eine internationale NGO-Koalition unter Fe<strong>der</strong>führung des Bruno Manser Fonds eineVerhaftung wegen Verdunkelungs- <strong>und</strong> Tatwie<strong>der</strong>holungsgefahr <strong>und</strong> strafrechtlicheVerfolgung von Taib Mahmud <strong>und</strong> zwölf involvierten Familienmitglie<strong>der</strong>n verlangt. DasSchreiben blieb jedoch unbeantwortet.Um weiteren Druck auf Malaysia aufzusetzen, <strong>war</strong> es daher notwendig an die UNO zugelangen. Malaysia ist Signatarstaat <strong>der</strong> UNO-Konventionen gegen Korruption <strong>und</strong> gegentransnationales organisiertes Verbrechen, kommt aber seinen internationalenVerpflichtungen absichtlich nicht nach.Am 5. Juni übergab daher eine NRO-Delegation (darunter Bruno Manser Fonds,Gesellschaft für bedrohte Völker) stellvertretend für 21 NROs aus 9 Län<strong>der</strong>n, eingemeinsames Protestschreiben an UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon <strong>und</strong> an UNODC-Direktor Yuri Fedotov. Der WGT beteiligte sich auch mit 3 Vertreterinnen an <strong>der</strong>symbolischen Aktion.Die UNO soll Malaysia ermahnen, geeignete Maßnahmen zu ergreifendasUN Office on Drugs and Crime ist Sekretariat <strong>der</strong> oben genannten Konventionen.Dass die Fotos davon durch zahlreiche malaysische Internet-Zeitungen gingen, lässt dieSchlussfolgerung zu, dass die malaysische Regierung auch von <strong>der</strong> Aktion erfahren hat. DerBruno Manser Fonds plant als nächsten Schritt, dieses wichtige Anliegen im Rahmen <strong>der</strong>Staatenkonferenz über die UN Konvention gegen Korruption (COP6) im April 2013voranzutreiben.Mehr Informationen dazu gibt es auf <strong>der</strong> Homepage des Bruno Manser Fonds: www.bmf.chQuelle: Andreas Burghofer, Bearbeitung von Anna Wieselthaler.Malaysia: Save Malaysia - Stopp LynasEnde Juni folgte <strong>der</strong> WGT einem dringenden Appell von Carol Yong, malaysische Aktivistin<strong>und</strong> Referentin <strong>der</strong> WGT-Herbsttagung 2011, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Save Malaysia Stop Lynas Bewegung(SMSL). Es ging um die Mitunterzeichnung eines Protestbriefes an Siemens Deutschland.Der Gr<strong>und</strong>:Bereits vergangenes Jahr wurde öffentlich, dass Siemens beabsichtigt, mit <strong>der</strong> australischenLynas Corporation ein Joint Venture zu starten.Lynas errichtet in Gebeng (B<strong>und</strong>esstaat Kuantan, Westmalaysia) eine Seltene-Erden--40-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichRaffinerie <strong>und</strong> wird kritisiert, aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> "investorenfre<strong>und</strong>lichen" Umweltauflagen <strong>und</strong> <strong>der</strong>grassierenden Korruption in Malaysia weit umweltschädlicher als in Australien zu arbeiten.Noch konnte die Inbetriebnahme <strong>der</strong> Raffinerie hinausgezögert werden, denn es wirdbefürchtet, dass radioaktiver Abfall, <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Gewinnung <strong>der</strong> seltenen Erden entsteht, dieumliegenden Böden <strong>und</strong> Gewässer verseuchen könnte. Seither steckt das Unternehmen vielGeld in eine Imagekampagne <strong>und</strong> die Bewegung SMSL Zeit <strong>und</strong> Energie in dieAufklärungsarbeit über die Risiken für Menschen <strong>und</strong> Umwelt.Seltene Erden werden u.a. in Röhren- <strong>und</strong> Plasmabildschirmen, Elektromotoren,Generatoren von Windkraftanlagen, Kfz-Hybrid-Motoren, Radargeräten <strong>und</strong> in <strong>der</strong>Radiologie-Medizin verwendet. Daher gibt es auch einen starken Zusammenhang mit <strong>der</strong>Green-Economy <strong>und</strong> dem Ausbau von Alternativenergien.Die MalaysierInnen kennen die Auswirkungen von Seltene-Erden-Raffinerien bereits:Im Umfeld <strong>der</strong> bereits aufgelassenen Anlage von Mitsubishi Chemicals im B<strong>und</strong>esstaatPerak (im Norden Westmalaysias) beispielsweise erkranken die Menschen noch heutedeutlich häufiger an Leukämie als an<strong>der</strong>swo.Der Protestbrief an Siemens appelliert an das saubere, grüne Image von Siemens <strong>und</strong>SMSL hofft auf eine Stärkung seiner Position gegen Lynas, das bereits eineVerleumdungsklage gegen die Bewegung eingebracht hat. Die Rechte <strong>der</strong> Zivilgesellschaftsind nicht sehr weitreichend in Malaysia, die Medien werden politisch beeinflusst, eineAusnahme bilden lediglich einige wenige Online-Zeitungen wie www.malaysiakini.com o<strong>der</strong>www.freemalaysiatoday.com.Mehr Informationen zu <strong>der</strong> Kampagne gibt es unter www.savemalaysia.orgHonduras: Eilaktion COPINHIm Rahmen <strong>der</strong> Verleihung des Eichstätter Shalompreis für Frieden <strong>und</strong> Gerechtigkeit <strong>war</strong>COPINH-Präsidentin Bertha Cáceres am 13.Juni auch nach Wien gekommen um mit eineminteressierten Publikum über den Einsatz <strong>der</strong> indigenen Lencas für <strong>ihr</strong> angestammtes Land<strong>und</strong> <strong>ihr</strong>en Kampf gegen geplante Staudammprojekte in Honduras zu diskutieren. (Siehe S. 36 )Sie berichtete auch über Drohungen <strong>und</strong> Übergriffe auf Mitglie<strong>der</strong> <strong>ihr</strong>er Organisation, <strong>der</strong>enWi<strong>der</strong>stand den transnationalen Unternehmen ein Dorn im Auge ist.Noch am selben Tag <strong>ihr</strong>es Vortrags in Wien kam es zu einem erneuten Mordversuch an zwei<strong>ihr</strong>er Mitarbeiter in Honduras. Bertha richtete sich noch von Wien aus per Internetvideo andie internationale Gemeinschaft mit <strong>der</strong> Bitte um Solidarität.Die Aggressionen staatlicher Sicherheitskräfte <strong>und</strong> bezahlte Mitarbeiter nationaler <strong>und</strong>internationaler Unternehmen gegen COPINH, <strong>der</strong> sich auch 2009 intensiv am Wi<strong>der</strong>standgegen den Putsch an Präsident Manuel Zelaya beteiligte, hatten in jüngster Vergangenheiterneut zugenommen.Daher beteiligten wir uns an einer Eilaktion des Öku-Büro München, in dem den zuständigenBehörden in Honduras gegenüber unsere Besorgnis über diese Situation zum Ausdruckbringen. Obwohl diese Eilaktion sehr kurzfristig angekündigt wurde, zeigen die vielenRückmeldungen, dass sich viele Frauen beteiligt haben.Vielen herzlichen Dank!Der Video-Aufruf Bertha Cáceres (spanisch, mit deutschen Untertiteln):http://www.youtube.com/watch?v=5qs7PDYhOzM&feature=plcp, letzter Aufruf 10.7.2012.Hintergr<strong>und</strong>informationen dazu finden Sie unter:http://amerika21.de/meldung/2012/06/52730/attentat-copinh, letzter Aufruf 10.7.2012.www.copinh.orgwww.hondurasdelegation.blogspot.com-41-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichAus dem VorstandIm Vorstand des WGT- Österreich gab es 2012 einige Verän<strong>der</strong>ungen.Leonore Warnung <strong>und</strong> Barbara Heyse Schaefer haben Ihre langjährige Tätigkeitzurückgelegt. Leonore Warnung, Altkatholikin aus Salzburg <strong>und</strong> im ökumenischenArbeitskreis engagierte <strong>Weltgebetstag</strong>sfrau will sich auch weiterhin für den <strong>Weltgebetstag</strong>einsetzen. Mag. a Barbara Heyse Schaefer hat aus beruflichen Gründen die Vorstandsarbeitzurückgelegt. Ihr Engagement für den <strong>Weltgebetstag</strong> als Theologin <strong>war</strong> <strong>und</strong> ist uns sehrwertvoll.Beiden Frauen danken wir sehr herzlich für die Jahre im Vorstand <strong>und</strong> für <strong>ihr</strong> weiteresWirken für den <strong>Weltgebetstag</strong> in Österreich!Herzlich begrüßen wir: Eva Lochmann, Altkatholikin aus Wien, <strong>und</strong> Brigitte Zinnburg,evang. A.B. aus Salzburg. Beide Frauen sind langjährig für den <strong>Weltgebetstag</strong> tätig <strong>und</strong> wirfreuen uns nun auf die Zusammenarbeit!In <strong>der</strong> Vorstandssitzung vom 29. Mai 2012 wurden die Funktionsträgerinnen imVorstand für die Periode 2012 – 2015 neu gewählt:Vorsitzende: Eva Maria Schaffer, röm. kath.Stellvertretende Vorsitzende:Marianne Domby, evang. A.B. <strong>und</strong> Eva Lochmann, altkath.Finanzreferentin: Elisabeth Papauschek, evang.-methodistischStellvertretende Finanzreferentin: Monika Heitz, altkath.Schriftführerin: Ingrid Härle, röm. kath.Für den Vorstand, Elisabeth Papauschek60 Jahre ökumenischer <strong>Weltgebetstag</strong> in ÖsterreichGefeiert mit einereindrucksvollen Liturgie,dem Festakt (umrahmt mitdemMandolinenensemble)<strong>und</strong> dem Fest <strong>der</strong>Begegnung„Der erste ökumenischeGottesdienst zum <strong>Weltgebetstag</strong><strong>der</strong> Frauen fand 1952 in <strong>der</strong>Lutherischen Stadtkirche in <strong>der</strong> Wiener Dorotheergasse statt. Wesentlich inspiriert in dennächsten Jahren wurde er von den Frauen <strong>der</strong> methodistischen Kirche, den Schweizer„Friedensdiensten“ <strong>und</strong> <strong>der</strong> evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern. Im Verlauf <strong>der</strong>-42-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichEntwicklung sei es dann immer wie<strong>der</strong> darum gegangen, die konfessionellen Unterschiede„wahrzunehmen <strong>und</strong> zu respektieren“. So beschrieb Inge Schintlmeister, ehemaligeDirektorin <strong>der</strong> Evangelischen Frauenarbeit, die Anfänge.Als zweite „Zeitzeugin“ erinnerte sich Oberin Christine Gleixner (ehemalige Vorsitzende desÖsterr. Nationalkomitees), dass es ein „Herzensanliegen“ des damaligen Kardinals FranzKönig <strong>war</strong>, <strong>der</strong> Ökumene Raum zu geben. Die Frauen <strong>der</strong> verschiedenen Konfessionenhätten damals die ersten Schritte gesetzt; den Gedanken <strong>der</strong> Ökumene in die Gemeindenhineingetragen <strong>und</strong> so sei die „Fremdheit“ zur „Vertrautheit“ geworden.Als Repräsentantin <strong>der</strong> vielen Frauen an <strong>der</strong> Basis betonte Annemarie Grohmann (WGT-Team aus dem 23. Wiener Bezirk), dass es bemerkenswert sei, wie sehr sich die Anliegen<strong>der</strong> Frauen aus den alljährlich wechselnden Schwerpunktlän<strong>der</strong>n gleichen: Es gehe immerum Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Gewalt, Umwelt- <strong>und</strong> Lebensraumzerstörung.Marianne Domby (Vorsitzende des WGT bis April 2012) führte durch das Programm <strong>und</strong>holte die internationale Vernetzung des <strong>Weltgebetstag</strong>es ins Blickfeld. Mit großer Freudebegrüßte Sie daher Corinna Harbig, die Vorsitzende des internationalen Exekutivkomitees(sie stammt aus Slowenien), Rosangela Oliveira <strong>und</strong> Marcia Florkey (Geschäftsführerin bzw.Finanzreferentin) aus New York City, sowie die beiden Europabeauftragten EmmanuelleBauer aus Luxemburg <strong>und</strong> Laurence Gangloff aus Frankreich.In <strong>der</strong> eindrucksvolle Liturgie unter dem Motto „Hoffnung in Christus – Quelle des Lebens(vorbereitet <strong>und</strong> gestaltet von Aileen Hackl, Anglikanische Kirche, Barbara Heyse-Schaefer,Evang. Kirche A.B <strong>und</strong> Renate Trauner, Röm. Kath. Kirche), wurde die Kraft <strong>der</strong>Gemeinschaft gespeist durch die Quelle des Lebens, die nie mehr durstig macht, durch einbeson<strong>der</strong>es Ritual spürbar. Sich gegen Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Gewalt <strong>und</strong>Umweltzerstörung einzusetzen ist ein unverzichtbarer Teil des <strong>Weltgebetstag</strong>es. Deshalbgalt die Kollekte dem Frauenzentrum in Dersim in Anatolien. Mary Kreutzer,Politikwissenschafterin, berichtete ausführlich über <strong>ihr</strong>e Arbeit mit den Frauen im workshopam Nachmittag.Die Ausstellung mit den vierSchautafeln zu den Themen: dieAnfänge - WGT gewinnt anStärke - Gemeinsam auf demWeg - <strong>und</strong> - WGT vernetzt sich;weckte bei vielen Frauen freudigeErinnerungen. Aber auch diegeleistete Arbeit, das hoheehrenamtliche Engagement wurdesichtbar <strong>und</strong> ließ die Geschichtedes WGT noch einmal lebendigwerden.Wie wird wohl die 5. Schautafel heißen, beim 75 Jahre Fest des <strong>Weltgebetstag</strong>es?Maria Schachamayr-43-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichRÜCKBLICK WELTGEBETSTAG 2012„Lasst Gerechtigkeit walten“ – unter diesem Thema stand <strong>der</strong> <strong>Weltgebetstag</strong> 2012, <strong>der</strong> inÖsterreich an ca. 394 Gottesdienstorten gefeiert wurde. Die Verfasserinnen <strong>der</strong> Liturgie ausMalaysia stellten uns die Schönheit <strong>und</strong> den Reichtum <strong>ihr</strong>es Landes vor, aber sie zeigtenauch auf, wo Probleme <strong>und</strong> Missstände herrschen <strong>und</strong> <strong>war</strong>um wir als ChristInnen verpflichtetsind, gegen Ungerechtigkeit einzutreten <strong>und</strong> Gerechtigkeit einzufor<strong>der</strong>n!Wir danken allen Spen<strong>der</strong>innen <strong>und</strong> Spen<strong>der</strong>n herzlich für die Kollekte, die im Jahr 2012r<strong>und</strong> 181.300 € beträgt. Mit diesem Betrag werden weiterhin weltweit Projekte geför<strong>der</strong>t <strong>und</strong>die <strong>Weltgebetstag</strong>sbewegung unterstützt.Der Vorstand des WGT- Österreich versichert den sorgfältigen Umgang mit den Spenden.Elisabeth Papauschek, Finanzreferentin<strong>Weltgebetstag</strong> in Zahlen: vorläufiger Stand Oktober 2012EingängeAufwendungenDer <strong>Weltgebetstag</strong> lebt von <strong>der</strong> lebendigen, ökumenischen Zusammenarbeit vielerMitarbeiterinnen, die wesentlich zur Entlastung <strong>der</strong> Aufwendungen beiträgt.Die unentgeltliche umfangreiche Leistung von vielen MitarbeiterInnen ist einwesentlicher Beitrag zur finanziellen Entlastung <strong>der</strong> Aufwendungen zugunsten <strong>der</strong>Projektfinanzierung. Ein herzliches DANKE, auch im Namen <strong>der</strong> Frauen, denen <strong>der</strong>WGT eine neue Lebensperspektive eröffnet hat.Die Steuerberaterin Mag. a Veronika Auer prüft die jährliche Geschäftsgebarung desWGT <strong>und</strong> die ordnungsgemäße Verwendung <strong>der</strong> Spendengel<strong>der</strong> entsprechend denKriterien des österreichischen Spendengütesiegels.-44-


WGT-Arbeitsheft 2013 Frankreich<strong>Weltgebetstag</strong> International225 Frauen aus 104 Län<strong>der</strong>n trafen sich vom 10. bis 17. Juni 2012 in New York City zur 12.Internationalen <strong>Weltgebetstag</strong>skonferenz. Fast alle Teilnehmerinnen sind Vertreterinnen <strong>der</strong>jeweiligen nationalen<strong>Weltgebetstag</strong>skomitees.Sie sind in <strong>ihr</strong>enHeimatlän<strong>der</strong>n für dieDurchführung des<strong>Weltgebetstag</strong>esverantwortlich.Die Konferenz stand unterdem Motto: „Das Rechtströme wie Wasser, dieGerechtigkeit wie ein nieversiegen<strong>der</strong> Strom.“ (Amos5, 24)Das vielfältige Programm<strong>der</strong> Int. WGT-Konferenz reichte von Andachten <strong>und</strong> regionalen Treffen über Bibelarbeiten biszu Besuchen bei Organisationen <strong>und</strong> Projekten in New York, die sich im Bereich „Migration<strong>und</strong> Gerechtigkeit“ engagierenAlle 4 bis 5 Jahre finden internationale WGT – Konferenzen statt. Untern an<strong>der</strong>em werdendie Län<strong>der</strong> <strong>und</strong> Themen <strong>der</strong> zukünftigen <strong>Weltgebetstag</strong>e ausgesucht.Neue Themen, neue Län<strong>der</strong>2021 Vanuatu: Build on a Strong Fo<strong>und</strong>ation2020 Simbabwe: Rise! Take Your Mat and Walk2019 Slowenien: Come - Everything Is Ready2018 Surinam: All God’s Creation Is Very Good!2017 Philippinen: Am I Being Unfair to You?2016 Kuba: Receive Children, Receive Me2015 Bahamas: Jesus Said to Them: Do You Know What I Have Done to You?2014 Ägypten: Streams in the DesertIm Rahmen <strong>der</strong> internationalen Tagungfinden auch Wahlen statt. Es werden je zweiDelegierte <strong>der</strong> sieben Weltregionen für dasExekutivkomitee gewählt .Die neuenEuropavertreterinnen sind EmmanuelleBauer aus Luxemburg <strong>und</strong> LaurenceGangloff aus Frankreich.Corinna Harbig wurde zur neuenVorsitzenden des Exekutivkomitees gewählt.Das weltweit mit einan<strong>der</strong> verb<strong>und</strong>en seinwurde durch die vielen verschiedenenKulturen, Sprachen <strong>und</strong>Religionsgemeinschaften erlebbar. Es liegteine große Kraft in dieser großen WGT -Gemeinschaft <strong>und</strong> wir sind verb<strong>und</strong>en inChristus.Geschäftsführerin des Internationalen WGT-Bürosmit den Europadelegierten im Exekutivkomitee,v.l.n.r. Rosangela Oliveira, Laurence Gangloff <strong>und</strong>Emmanuelle Bauer-45-Eva Maria SchafferosangR


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichPressetextWie<strong>der</strong> einmal feiern Christinnen <strong>und</strong> Christen am ersten Freitag im März weltweit vonSonnenaufgang bis Sonnenuntergang Gottesdienst nach einer Liturgie. Diesmal erstellt vom<strong>Weltgebetstag</strong>skomitee in Frankreich mit dem Thema: „<strong>Ich</strong> <strong>war</strong> <strong>fremd</strong> <strong>und</strong> <strong>ihr</strong> <strong>habt</strong> <strong>mich</strong><strong>aufgenommen</strong>“.In Frieden <strong>und</strong> Freiheit zu leben, egal wo man herkommt, o<strong>der</strong> woran man glaubt, in einerfreien <strong>und</strong> gleichberechtigten Gesellschaft. Diese Hoffnung für alle Menschen will die<strong>Weltgebetstag</strong>sbewegung weitertragen.In <strong>der</strong> Liturgie lernen wir sechs Frauen aus dem französischen Liturgieausschuss kennen,die selbst aus an<strong>der</strong>en Teilen Europas <strong>und</strong> Afrikas kommen. Nicht nur sie, auch an<strong>der</strong>eFrauen kommen zu Wort <strong>und</strong> erzählen wie es ihnen gelungen ist, von einer „Fremden“ zueiner „Willkommenen“ zu werden.Wir hören auch die „Frau in Grau, die Fremde“, mit einer wesentlichen Wahrheit <strong>und</strong> einemWi<strong>der</strong>spruch: Wir sind alle miteinan<strong>der</strong> verwandt als Gottes Kin<strong>der</strong>, <strong>und</strong> wir sind gleichzeitigalle Gäste <strong>und</strong> Fremdlinge auf Erden.Sowohl die Stellen aus dem Buch Levitikus als auch aus Matthäus 25 sind direkt <strong>und</strong>konkret. Wir werden nach unserem Handeln gemessen werden. Wir können überrascht sein,dass Jesus nicht nach dem Glauben fragt, son<strong>der</strong>n nach unseren Taten.Es gibt im Alltag dazu viele konkrete Möglichkeiten, um für ein gutes Miteinan<strong>der</strong> einzutreten<strong>und</strong> die Stimme zu erheben, wenn Menschenrechte von an<strong>der</strong>en verletzt werden. BetendesHandeln von <strong>Weltgebetstag</strong>sbegeisterten hat also viele Gesichter.Lassen Sie sich inspirieren <strong>und</strong> anstecken von <strong>der</strong> lebendigen Geistkraft in denunterschiedlich gestalteten Gottesdiensten.Orte <strong>und</strong> Uhrzeiten sowie weitere Infos finden Sie auf unserer Website www.weltgebetstag.atMaria SchachamayrLiteraturhinweise zu Kolonial- <strong>und</strong> ImmigrationsgeschichteBecker, Joachim / Komlosy, Andrea (2004): Grenzen <strong>und</strong> Räume - Formen <strong>und</strong> Wandel. In: (ebd.) GrenzenWeltweit. Zonen, Linien, Mauern im historischen Vergleich. Wien: Promedia/Südwind, S. 21-54.Bouzar, Mounia (2003) : Un processus d’intégration atypique : le passage par la référence musulmane pour sesentir français. In: Confluences Méditerranée Nr.46-Sommer 2003. Paris: L’HarmattanCoquery-Vidrovitch, Catherine (2009): Enjeux politiques de l'histoire coloniale. Marseille: Agone.Grau, Ingeborg (2003): Arbeit <strong>und</strong> Wandel <strong>der</strong> Geschlechterverhältnisse in <strong>der</strong> Kolonialzeit. In: Mährdel, Christian/ Grau, Ingebort / Schicho, Walter: Geschichte <strong>und</strong> Gesellschaft im 19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>ert. Wien: Promedia,S. 129-148.Lamchichi, Ab<strong>der</strong>rahim (1999) : L’immigration marocaine en France, changements et ruptures. In: ConfluencesMéditerranée Nr.31-Herbst 1999. Paris: L’HarmattanLarousse Enzyklopädie (o.J.): Empire Colonial Français. Online: http://www.larousse.fr/encyclopedie/autreregion/Empire_colonial_français/120109(05.07.2012)Noiriel, Gérard (2002): Petite histoire de l’intégration à la française. In: Le Monde Diplomatique Jänner 2002: S. 4-5 ;Schicho, Walther (2010): Geschichte Afrikas. Theiss WissenKompakt.Schmid, Bernhard (2011): Frankreich in Afrika. Eine (Neo)Kolonialmacht in <strong>der</strong> Europäischen Union zu Anfangdes 21. Jahrh<strong>und</strong>ert. Münster: Unrast Verlag.Son<strong>der</strong>egger, Arno (2011): Nachbetrachtung zur Kolonialgeschichte <strong>und</strong> Historiographie Afrikas: Periodisierung<strong>der</strong> Geschichte Afrikas im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert. In: Son<strong>der</strong>egger, Arno / Grau, Ingeborg / Englert, Birgit (Hg.): Afrikaim 20. Jahrh<strong>und</strong>ert: Geschichte <strong>und</strong> Gesellschaft. Wien: Promedia VerlagStacher, Irene/Demel, Katharina (2000): Migration aus dem Maghreb nach Europa – neue Formen, neueZiellän<strong>der</strong>. In: Husa, K./Parnreiter, Ch./Stacher, I. (Hg.): Internationale Migration. Die globale Herausfor<strong>der</strong>ungdes 21. Jahrh<strong>und</strong>erts? Frankfurt/Wien: Brandes & Apsel/SüdwindLamchichi, Ab<strong>der</strong>rahim. (1999). L’immigration marocaine en France, changements et ruptures. In: ConfluencesMéditerranée Nr.31-Herbst 1999. Paris: L’Harmattan.-46-


WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichK O L L E K T E N B E S T Ä T I G U N G ( K B ) 2 0 1 3(Original für Österreichisches Nationalkomitee)Die Kollektenbestätigungen sind für das Erlangen des Spendegütesiegels dringendnotwendig. Wir danken für die Zusendung <strong>und</strong> ersuchen, die Bestätigungen an dieGeschäftsstelle zu retournieren.Bitte zu beachten: Die Kollektenbestätigung ist nur gültig, wenn sie mit zwei(unterschiedlichen!) Unterschriften gezeichnet wurde. Der hier bestätigte Kollekteneingangmuss mit dem tatsächlich überwiesenen Betrag exakt übereinstimmen!Bitte an WGT Otto-Mauer-Zentrum, Währingerstr. 2-4/2/22, 1090 Wien, senden.Eingegangene Kollekte: EURO ..........................................Adresse <strong>der</strong> Gemeinde:Name:.............................................................Strasse: .........................................................PLZ/Ort: .........................................................Unterschrift 1: ............................................Unterschrift 2: ……………………………Bitte überweisen Sie die Kollekte so bald wie möglich (spätestens bis Ende April) auf dasRaiffeisenlandesbank Wien-NÖ -Konto 7.474.448 BLZ 32000 lautend auf<strong>Weltgebetstag</strong> in Österreich. IBAN: AT63 3200 0000 0747 4448, BIC: RLNWATWWBitte beachten: Auch bei TELEBANKING – ÜBERWEISUNGEN unbedingt den Ort <strong>der</strong>Gemeinde angeben, da sonst keine Zuordnung zu einem B<strong>und</strong>esland möglich ist! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .K O L L E K T E N B E S T Ä T I G U N G (KB) 2 0 1 3(Kopie für Ihre Unterlagen)Die Kollektenbestätigungen sind für das Erlangen des Spendegütesiegels dringendnotwendig. Wir danken für die Zusendung <strong>und</strong> ersuchen, die Bestätigungen an dieGeschäftsstelle zu retournieren.Bitte zu beachten: Die Kollektenbestätigung ist nur gültig, wenn sie mit zwei(unterschiedlichen!) Unterschriften gezeichnet wurde. Der hier bestätigte Kollekteneingangmuss mit dem tatsächlich überwiesenen Betrag exakt übereinstimmen!Bitte an WGT Otto-Mauer Zentrum, Währingerstr. 2-4/2/22, 1090 Wien senden.Eingegangene Kollekte: EURO ..........................................Adresse <strong>der</strong> Gemeinde:Name:….........................................................Strasse: .........................................................PLZ/Ort: .........................................................Unterschrift 1: .........................................Unterschrift 2: ……………………………Bitte überweisen Sie die Kollekte so bald wie möglich (spätestens bis Ende April) auf dasRaiffeisenlandesbank Wien-NÖ -Konto 7.474.448 BLZ 32000 lautend auf<strong>Weltgebetstag</strong> in Österreich. IBAN: AT63 3200 0000 0747 4448, BIC: RLNWATWWBitte beachten: Auch bei TELEBANKING – ÜBERWEISUNGEN unbedingt den Ort <strong>der</strong>Gemeinde angeben, da sonst keine Zuordnung zu einem B<strong>und</strong>esland möglich ist!-47-


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