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Tätigkeitsbericht 2002 - Landesvolksanwaeltin von Vorarlberg

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3.3.5. Jugendwohlfahrt: Trotz Mindestpension zum Kostenersatz verpflichtetVom Schicksal schwer getroffen war die Mutter zweier Töchter. Als die Kinder noch klein waren,verstarb ihr Ehegatte nach schwerer Krankheit. Später kam es zu großen erzieherischen Problemenmit der älteren Tochter und familiären Konflikten, insbesondere zwischen dem neuen Lebenspartnerund dieser Tochter. Trotz Einschaltung <strong>von</strong> Sozialinstitutionen und Jugendwohlfahrt war derKonflikt nicht anders lösbar, als die Tochter in einer Wohngemeinschaft unterzubringen.Als die Jugendwohlfahrtsbehörde nach einiger Zeit die Rückführung der Tochter in die familiäreGemeinschaft vorschlug, fühlte sich die Mutter damit überfordert. Darauf hin verlangte die BH <strong>von</strong>ihr - wenn sie schon nicht bereit war, die Tochter zurück zu nehmen - einen finanziellen Beitrag zuden Kosten der Wohngemeinschaft. Die Mutter bezog nur eine Witwenpension samt Ausgleichszulageund für die jüngere Tochter die Halbwaisenrente und Familienbeihilfe.Der Antrag der BH auf Festsetzung eines Kostenbeitrages der Mutter wurde zunächst vom Pflegschaftsrichterabgewiesen. Nach Rekurs der BH verpflichtete sie jedoch das Landesgericht Feldkirchzu einem monatlichen Beitrag <strong>von</strong> ATS 1.000,-- (02 bMP-002).Die BH stellte sich auf den Standpunkt, die Mutter sei gerichtlich zum Kostenersatz verpflichtet worden,sodass darauf nicht verzichtet werden könne. Bei weiterer Zahlungsverweigerung werde ein Exekutionsverfahreneingeleitet, zumal die BH <strong>von</strong> der Kontrollabteilung des Landes angehalten sei, ausstehendeKostenbeiträge zu betreiben. Auch treffe die Kostenersatzpflicht die Mutter objektiv betrachtet nicht soschwer wie sie es empfinde, da ihr Lebensgefährte zu den Haushaltskosten beitrage.Der umfangreiche Jugendwohlfahrtsakt dokumentierte den großen Aufwand und die Bemühungen derJugendwohlfahrtsbehörde und verschiedener Sozialeinrichtungen um die Tochter. Daraus ging auch dieBelastung hervor, welcher die Mutter durch die Erkrankung und den frühen Tod ihres Gatten ausgesetztwar, sowie die Schwierigkeiten durch die erzieherischen Probleme und familiären Konflikte, welche sievollkommen überforderten. Dies ändert aber nichts an der beengten finanziellen Situation, in die sichder zuerst damit befasste Familienrichter offenbar besser einfühlen konnte, während sich das Rekursgerichtan der gängigen Unterhaltsrechtsprechung orientierte.Das Gericht ging da<strong>von</strong> aus, dass sie mit Ausgleichszulage und Sonderzahlungen über ein durchschnittlichesPensionseinkommen <strong>von</strong> ATS 9.474,-- und nach Abzug des festgelegten Unterhaltes noch überdas Unterhaltsexistenzminimum <strong>von</strong> ATS 8.475,--, das deutlich unter dem normalen Existenzminimumliegt, verfügt. Nicht als unterhaltsmindernd berücksichtigt wurden die freiwilligen Pensionsbeiträge derMutter, welche sie zur langfristigen Existenzsicherung leistete. Dieser Rechtsprechung liegt der Gedankezu Grunde, dass einem Unterhaltspflichtigen auch bei einer finanziell beengten Situation zumutbar ist,einen Teil des sonst nicht pfändbaren Existenzminimums als Unterhalt zu leisten.Im vorliegenden Fall geht es allerdings um den Rückersatz öffentlicher Aufwendungen. Bei Geltendmachungeines Sozialhilfe-Rückersatzes gemäß § 10 SHG werden die meist strengeren Regelungen des zivilrechtlichenUnterhaltsrechtes nicht angewendet. Hingegen stellt § 33 Abs 2 L-JWG auf die Unterhaltspflichtnach bürgerlichem Recht ab mit der Einschränkung „als sie nach ihren Lebensverhältnissendazu imstande sind“. Nach der Berechnungsmethode zur Sozialhilfe wäre die Mutter zu keinem Beitragverpflichtet. Auch dienen die freiwilligen Pensionsbeiträge der längerfristigen Existenzsicherung, wasdie BH, welche ja auch Sozialhilfebehörde ist, bei einer ganzheitlichen Betrachtung berücksichtigensollte. Das ausschließliche Abstellen auf den bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch führt im gegenständlichenFall zu einer besonderen Härte.Trotz der Argumente des LVA und auch nach einer Vorsprache der Mutter beim Landeshauptmann wardie BH nicht bereit, <strong>von</strong> ihrer harten Haltung abzugehen und auf die Geltendmachung des Kostenersatzesgegenüber der Bezieherin einer Mindestpension zu verzichten.42Landesvolksanwalt - Bericht <strong>2002</strong>

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