Vorwort - Fritz Thyssen Stiftung

Aristoteles´
Nikomachische
Ethik
Seite 40
GESCHICHTE, SPRACHE UND KULTUR
angelegt. Das Schwergewicht liegt dabei bisher auf den Büchern I
und III sowie den Büchern VII, VIII und IX, den sogenannten „Substanzbüchern“.
Schließlich ist noch eine systematische Erfassung und Auswertung
der Literatur erfolgt, die sich mit dem Gesamtprojekt der Aristotelischen
„Metaphysik“ befasst. Dabei handelt es sich um eine wichtige
Vorarbeit für die allgemeine Einleitung in dieses Werk. Ebenfalls
wurde mit der inhaltlichen Auswertung der wichtigen antiken Kommentare
zur Metaphysik begonnen.
„Byzantinische Aristoteles-Kommentare im lateinischen Mittelalter:
Robert Grossetestes lateinische Übersetzung der Kommentare zu
Buch V und VI der Nikomachischen Ethik und ihre Rezeption –
kritische Edition und Untersuchung“ lautet der Titel des Projekts, für
das Prof. A. Speer, Thomas-Institut der Universität zu Köln, Fördermittel
der Stiftung erhält.
Ziel des Projektes ist die kritische Edition von Robert Grossetestes lateinischer
Übersetzung der byzantinischen Kommentare zu Buch V
und Buch VI der Nikomachischen Ethik des Aristoteles sowie eine
Untersuchung der rezeptionsgeschichtlichen, doktrinellen und philologischen
Fragen im Zusammenhang der Edition.
Die Nikomachische Ethik des Aristoteles zählt zweifelsohne zu den
einflussreichsten antiken Werken im Mittelalter. Die zehn Bücher
behandeln verschiedene Themen und gehören zudem oftmals verschiedenen
Phasen des aristotelischen Denkens oder verschiedenen
Textrevisionen an. Themen wie der Unterschied zwischen Wissen
und praktischer Weisheit, zwischen den Sphären der wissenschaftlichen
Erkenntnis und des Handelns oder die Beziehung zwischen
der Sorge um sein eigenes Gut und um das Gut für die Gemeinschaft
und schließlich die Natur des menschlichen Glücks sind nicht nur
für viele moderne Forscher von Bedeutung, sondern auch für die
bedeutendsten mittelalterlichen Denker.
Die Nikomachische Ethik ist jedoch nicht nur für das Verständnis
vieler philosophischer und theologischer Debatten des Mittelalters
bedeutsam. Ihre besondere Bedeutung liegt auch darin, dass sie zu
jenen wenigen antiken Werken gehört, die dem westlichen Abendland
nicht durch den Einfluss der arabischen Philosophie übermittelt
wurden. Vielmehr hat der lateinische Westen diese Schrift des Aristoteles
in erster Linie durch die Übersetzung des Robert Grosseteste
(† 1253) kennen gelernt. Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass
die Nikomachische Ethik mit einer Reihe von Kommentaren zu den
zehn Büchern dieser Schrift überliefert wurde.
Diese Kommentare waren das Ergebnis eines philosophischen Projektes,
das von der Prinzessin Anna Komnena im Konstantinopel des
12. Jahrhunderts maßgeblich unterstützt wurde. Die byzantinische
Prinzessin versammelte die einflussreichsten Experten in philosophi-