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Vorwort - Fritz Thyssen Stiftung

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I. Kant<br />

Physische<br />

Geographie<br />

Seite 48<br />

GESCHICHTE, SPRACHE UND KULTUR<br />

In der ersten Projektphase wurden die Fragen nach Rolle und Begriff<br />

der Sprache bearbeitet. Mit Blick auf Lockes frühe Schriften und Entwürfe<br />

für den „Essay Concerning Human Understanding“ (1689)<br />

konnte gezeigt werden, dass seine ersten Ansätze zu einer kritischen<br />

Thematisierung der Sprache v.a. im Kontext der durch den Chemiker<br />

Robert Boyle und den Arzt Thomas Sydenham inspirierten naturphilosophischen<br />

und medizinischen Arbeiten zu situieren sind. Die<br />

in einem frühen Fragment („Smallpox“) aus dem Jahr 1670 erhobene<br />

Kritik an vermeintlichen Wesensbegriffen und Prinzipien wird zu<br />

einem Leitmotiv der erkenntnistheoretischen Grenzziehung, das sich<br />

später als systematische Argumentation durch „Essay“ zieht und in<br />

der bekannten Unterscheidung nominaler und realer Essenzen kulminiert.<br />

Entscheidend für das Verständnis des Sprachbegriffs ist, dass Locke<br />

trotz seiner antispekulativen Position weder an einer Reformation<br />

des (wissenschaftlichen) Sprachgebrauchs noch an den zu seiner Zeit<br />

häufig grassierenden Bemühungen um idealisierte Sprache interessiert<br />

ist. Dies hat im wesentlichen zwei Gründe: Zum einen geht er<br />

davon aus, dass unsere Missverständnisse der Funktionen der Sprache,<br />

wie sie innerhalb der scholastischen Sprachmodelle suggeriert<br />

werden, durch die Art des Spracherwerbs und der Abstraktionsprozesse<br />

gleichsam systembedingt sind; zum anderen sind es gerade<br />

die systembedingten „Schwächen“, die es uns erlauben, durch sprachliche<br />

Rationalität ein „gesellschaftliches Band“ zu knüpfen.<br />

Aus den erzielten Ergebnissen ergibt sich eine klare Perspektive für<br />

die vorgesehene Kontrastierung von Lockes Position mit konkurrierenden<br />

Ansätzen und systematischen Einwänden moderner Kommentatoren.<br />

Im Gegensatz zu dem Bild, das in der auf die Semantik<br />

fokussierten Forschungsliteratur vorherrscht, zeichnet sich hier eine<br />

Konzeption ab, die die Sprache nicht im Baconschen Sinne als kognitives<br />

Hindernis betrachtet, sondern deren Eigengesetzlichkeiten in<br />

ihren epistemologischen Grenzen, aber auch in ihren kulturstiftenden<br />

Möglichkeiten betont.<br />

Prof. R. Brandt, Institut für Philosophie, Universität Marburg, erhält<br />

für das von der <strong>Stiftung</strong> geförderte Projekt „Erneute Untersuchungen<br />

zu Kants physischer Geographie“ weitere Fördermittel.<br />

Gegenstand des Forschungsprojektes ist die systematische Erforschung<br />

von „Kants Physischer Geographie“, eines in der Öffentlichkeit,<br />

aber auch unter Kant-Kennern fast unbekannten Gebiets des<br />

Königsberger Philosophen.<br />

Immanuel Kant (1724-1804) gilt als einer der bedeutendsten Philosophen<br />

der Neuzeit. Grundlegend sind seine Werke zur Metaphysik,<br />

Naturphilosophie, Ethik oder Erkenntnistheorie. Weniger bekannt<br />

ist, dass Kant zwischen der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre und<br />

der Mitte der neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts konstant eine zu<br />

seinen Lebzeiten zentrale Disziplin betrieben hat, die Physische

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