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Vorwort - Fritz Thyssen Stiftung

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Aristoteles-<br />

Rezeption<br />

im 13. Jahrhundert<br />

Seite 42<br />

GESCHICHTE, SPRACHE UND KULTUR<br />

schen Fragen ihrer Zeit um sich, um eine neue Reihe von Kommentaren<br />

zu aristotelischen Schriften zu erarbeiten, insbesondere zu denjenigen<br />

Werken, die von den antiken Kommentatoren nicht oder nur<br />

teilweise kommentiert worden waren. Tatsächlich aber setzen sich<br />

die unter der Ägide Anna Komnenas verfassten Kommentare sowohl<br />

aus Texten zusammen, die vermutlich im zweiten bis dritten Jahrhundert<br />

verfasst worden sind, als auch aus solchen, die Eustratius<br />

von Nikaea (Buch I und VII) und Michael von Ephesus (Buch V, IX<br />

und X) im Byzanz des 12. Jahrhunderts geschrieben haben.<br />

Bemerkenswert ist, dass diese Reihe wertvoller Kommentare in<br />

Byzanz selbst kaum Einfluss ausgeübt hat. Im lateinischen Westen dagegen<br />

waren diese Kommentare sehr bekannt. Für das 13. und 14.<br />

Jahrhundert bildeten sie das Corpus von Anmerkungen zur Nikomachischen<br />

Ethik, welches die größte Autorität genoss. Die Autoren<br />

wurden gar mit dem Titel „commentatores“ ausgezeichnet. Grossetestes<br />

lateinische Übersetzung stellte dem mittelalterlichen lateinischen<br />

Leser somit das bei weitem nützlichste Werkzeug zum Verständnis<br />

des aristotelischen Textes und zur Erörterung der in ihm enthaltenen<br />

Fragestellungen zur Verfügung. Der erste und bedeutendste<br />

Leser von Grossetestes Übersetzung dieser Kommentare und der<br />

Nikomachischen Ethik war Albertus Magnus, der in Köln um die<br />

Mitte des 13. Jahrhunderts Vorlesungen über dieses aristotelische<br />

Werk abhielt.<br />

Zwar ist der griechische Originaltext dieser griechisch-byzantinischen<br />

Kommentarsammlung Ende des 19. Jahrhunderts von Heylbut<br />

in der Serie Commentaria in Aristotelem Graecorum ediert worden,<br />

aber die lateinische Übersetzung ist bisher nicht vollständig herausgegeben;<br />

die vorhandenen Arbeiten von Mercken umfassen lediglich<br />

die Kommentare zu den Büchern I-IV (1973) und VII-X (1990).<br />

Der Kommentar zu Buch VI und die zwei Kommentare zu Buch V –<br />

von denen der eine lediglich in einer Sammlung von Scholien des<br />

Michael von Ephesus besteht – sind noch immer unediert. Das Projekt<br />

besteht in kritischen Editionen dieser unedierten Kommentare,<br />

begleitet durch eine Untersuchung ihrer Rezeptionsgeschichte.<br />

Eine Prüfung der Handschriftentradition hat zur Auswahl von 22<br />

Manuskripten geführt, die das Corpus der Kommentare enthalten –<br />

einige allerdings nur in bruchstückhafter Weise. Eine erste Kollationierung<br />

eines Teils des Textes ist bereits durchgeführt worden<br />

und hat ergeben, dass keine verschiedenen Überlieferungslinien,<br />

sondern nur verschiedene Grade von Textverderbnis vorliegen.<br />

Auf diese Weise war es möglich, vier Handschriften als Grundlage<br />

der Edition auszuwählen.<br />

„Philosophische Deutungen der aristotelischen Theorie der Gerechtigkeit<br />

im 13. Jahrhundert“ sind Gegenstand eines Projekts, für das<br />

Prof. Chr. Schäfer, Lehrstuhl für Christliche Philosophie und Theologische<br />

Propädeutik, Universität München, Fördermittel der <strong>Stiftung</strong><br />

erhält.

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