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Cruiser im April 216

Das grosse Musik-Speical: Alles über den ESC in Stockholm. Zumdem: die schönsten CH ESC Flops. Mit grossem Tipp-Poster in der Heftmittel.

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10<br />

KOLUMNE<br />

Bötschi klatscht<br />

Sex auf Crystal Meth –<br />

Höher, schneller,<br />

geiler<br />

Der deutsche Grünen-Politiker Volker Beck<br />

wurde mit einer Droge erwischt, deren Image<br />

besonders schillernd ist: Crystal Meth.<br />

Die User-Zahlen steigen – vor allem bei Schwulen<br />

in Zürich.<br />

VON BRUNO BÖTSCHI<br />

A<br />

le Welt fragt sich, warum Keith<br />

Richards, Gitarrist der «Rolling Stones»,<br />

so lange überlebt hat. Antwort:<br />

Er hatte das nötige Geld für sauberen Stoff.<br />

Keine Ahnung, ob Volker Beck genug<br />

Geld für sauberen Stoff hat. Was ich weiss: Er<br />

wurde mit Drogen erwischt. Der deutsche<br />

Grünen-Politiker hatte in Berlin die Wohnung<br />

eines von der Polizei überwachten Dealers<br />

betreten und sie mit 0,6 Gramm Rauschgift<br />

wieder verlassen, vermutlich Crystal<br />

Meth.<br />

Crystal Meth? Die Droge ist Symbol<br />

für die US-amerikanische TV-Serie «Breaking<br />

Bad». Um seine Familie ernähren zu<br />

können, stellt der an Krebs erkrankte Chemielehrer<br />

Walter White Meth her. Saubermann<br />

wird Drogenkönig.<br />

Beck ist kein Saubermann, er ist ein<br />

Kämpfer. Nur wenige haben in Deutschland<br />

ähnlich viel für die Gleichstellung von<br />

Schwulen und Lesben getan. Warum pfeift<br />

sich ausgerechnet so ein starker Typ was rein?<br />

Ist der Tod seines Ehemannes (2009) schuld?<br />

Wollte er leistungsfähiger werden, weil ihm<br />

die Aussortierung aus dem Politbetrieb drohte?<br />

Plante er eine Sexparty? Nette Fragen –<br />

aber die Antworten darauf gehen nur Beck<br />

etwas an. Jede Droge hat ihr eigenes Image.<br />

Das von Meth ist besonders schillernd. Es<br />

putscht auf, spiegelt Grösse vor – der Konsument<br />

fühlt sich wie ein Übermensch. Passt zu<br />

Managern, zu Politikern sowieso.<br />

CRUISER APRIL 2016<br />

Crystal Meth wirkt sexuell st<strong>im</strong>ulierend,<br />

weshalb die Droge bei Schwulen beliebt ist.<br />

«Tina» wird Meth genannt und gerne … injiziert.<br />

«Geslammt» – ja, gespritzt! – wird auf<br />

Sex-Partys in London und Berlin schon länger.<br />

Wer in Chat-Foren wie Scruff und Grindr ein<br />

grosses «T» schreibt, sagen Insider, muss heute<br />

aber auch in Zürich nicht lange auf Antwort<br />

warten. Zum Feiern von tagelangen Sexpartys<br />

ist Crystal Meth für eine zahlenmässig starke<br />

«Wir müssen endlich akzeptieren,<br />

dass eine drogenfreie<br />

Welt eine Illusion ist.»<br />

Minderheit zu einem essenziellen Bestandteil<br />

geworden. Berüchtigt ist die Droge, weil sich<br />

viele unter ihrem Einfluss mit HIV oder Hepatitis<br />

C infizieren – die künstlich verstärkte Hypergeilheit<br />

überlagert das Bewusstsein für Safer<br />

Sex. Wer tagelang Sex hat mit wechselnden<br />

Partnern, dem gehen irgendwann die Kondome<br />

aus – die Spritzen auch.<br />

Ewiggestrige werden jetzt schreien:<br />

Wusst ich’s doch, Schwule haben sowieso<br />

nur Sex und Drogen <strong>im</strong> Kopf! Dankeschön<br />

für diese Stigmatisierung, aber sogar<br />

Ex-Uno-Generalsekretär Kofi Annan weiss<br />

längst: «Wir müssen endlich akzeptieren,<br />

dass eine drogenfreie Welt eine Illusion ist.»<br />

Und noch was, ihr Ewiggestrigen:<br />

«Hinter der Drogenprohibition steckt, wie<br />

hinter dem Verbot der Homosexualität einst,<br />

ein zutiefst menschenfeindliches und autoritäres<br />

Weltbild», schreibt Dirk Ludwig <strong>im</strong><br />

Magazin «Siegessäule».<br />

Drogenbenutzung ist kein Verbrechen,<br />

sie ist nicht einmal per se eine Krankheit.<br />

Millionen Menschen nehmen sporadisch<br />

Drogen und leben dabei ein fröhliches, unbeschadetes<br />

Leben. St<strong>im</strong>mt, einige haben ein<br />

Problem damit. Sucht ist aber nicht auf<br />

Meth, Kokain und Co. beschränkt. Verbieten<br />

wir deshalb Alkohol, Schoggi oder Computer?<br />

Und weshalb gelten Drogensüchtige<br />

bis heute als kr<strong>im</strong>inell?<br />

Mit Meth kann man seine Arbeit<br />

schneller machen, man hat mehr Ideen.<br />

Tönt verlockend – und wenn sogar gestandene<br />

Männer wie Volker Beck darauf Lust<br />

bekommen, muss uns das Angst machen.<br />

Kürzlich erzählte mir ein Freund, er<br />

wundere sich nicht über die Beliebtheit von<br />

Meth. «Die Droge verspricht die Erfüllung<br />

all dessen, was gesellschaftlich als erstrebenswert<br />

gilt. Leistungsfähig und erfolgreich<br />

sollen wir sein – und zugleich Spass<br />

haben. Erst dann gilt ein Leben als geil.»<br />

Mein Freund hat recht, leider.<br />

www.brunoboetschi.ch

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