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BLICKWECHSEL 2016

Journal für deutsche Kultur und Geschichte im östlichen Europa. Schwerpunkthema: »Mutterstädte. Von großen und kleinen Metropolen im östlichen Europa«

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50 SZENE <strong>BLICKWECHSEL</strong><br />

KLEINDEUTSCH 1866<br />

Die Schlacht von Königgrätz – ein unterschätzter Wendepunkt<br />

Das vermeintlich glorreiche Jahr der »Reichsgründung« 1871<br />

stellt weite Teile des 19. Jahrhunderts in den Schatten, jedenfalls<br />

aus deutscher Sicht. Im Vorfeld aber spielte sich ein<br />

Drama ab, das eine vielhundertjährige Entwicklung endgültig<br />

abschloss. Das 150. Gedenkjahr dieses Ereignisses soll<br />

Anlass sein, daran zu erinnern.<br />

Schon während des Wiener Kongresses konnten die zwei<br />

deutschen Großmächte Österreich und Preußen keinen rechten<br />

gemeinsamen Nenner finden und boten so den anderen<br />

Großmächten wiederholt Einflussmöglichkeiten.<br />

Der eher provisorischen Charakter<br />

tragende Deutsche Bund bildete<br />

zumal nach 1848/49 keinen<br />

zufriedenstellenden<br />

Rahmen. Kaiser Franz<br />

Joseph von Österreich<br />

lud in seiner<br />

Eigenschaft<br />

als Vorsitzender<br />

1863 zu einem<br />

deutschen Fürstentag<br />

nach<br />

Frankfurt am<br />

Main – ein letzter<br />

Versuch, den Deutschen<br />

Bund zu reformieren<br />

und »Deutschland<br />

zu einigen, um es<br />

der Aufgabe gewachsen zu<br />

machen, die es zum Gleichgewicht<br />

und zum Frieden Europas erfüllen<br />

sollte« – wie der Kaiser selber schrieb. Verbunden<br />

war die Initiative mit dem Vorschlag einer deutschen<br />

Regierung (Direktorium) und einer Art Volksvertretung. 28<br />

Vertreter deutscher Länder und freier Städte kamen in Frankfurt<br />

zusammen, also eine nahezu vollständige Versammlung.<br />

Aber Preußen fehlte. König Wilhelm I. hatte sich von<br />

Bismarck gegen seine eigentliche Absicht von der Teilnahme<br />

abhalten lassen. Der Kanzler wollte das österreichische Vorhaben<br />

scheitern lassen und stellte Wien unannehmbare<br />

Bedingungen. Und die kleineren Staaten wollten ohne ein<br />

Votum Preußens keine Entscheidung fällen. Somit war auch<br />

dieser letzte Vorstoß vergebens, den Deutschen Bund auf<br />

eine neue Grundlage zu stellen.<br />

Ein Nebenkriegsschauplatz führte schließlich zur Kulmination<br />

des Konfliktes zwischen den beiden deutschen Großmächten.<br />

Als der dänische König noch Ende 1863 Schleswig<br />

seinem Königreich einzuverleiben trachtete, ließ sich<br />

Österreich auf einen gefährlichen diplomatischen Handel<br />

mit Preußen ein, sodass dieses Schleswig, jenes Holstein<br />

besetzte. Daraus resultierten vielerlei Konfliktfelder, zumal<br />

die preußische Aspiration auf beide Länder klar war. Alles<br />

deutete auf Krieg als Ausweg aus diesem Dilemma. Berlin<br />

rüstete dafür eifrig auf, Wien hingegen rüstete bereits<br />

seit Jahren massiv ab und setzte auf Diplomatie.<br />

Dabei wollte weder Preußen die politischen<br />

Zwänge des Vielvölkerstaats<br />

Österreich nachvollziehen<br />

noch vermochte sich<br />

letzteres dem Nationalstaatsprinzip<br />

anzunähern<br />

ohne sich<br />

selbst in Frage zu<br />

stellen. Die Wiener<br />

Politik zielte<br />

auf den Erhalt<br />

des Deutschen<br />

Bundes, während<br />

Preußen und die<br />

deutsche Nationalbewegung<br />

ihn als<br />

überlebt ansahen. »In<br />

Wien war man der Überzeugung,<br />

das Recht einer<br />

Nation auf den Nationalstaat sei<br />

nicht höher einzustufen als das Recht<br />

der Staatengemeinschaft auf institutionalisierten<br />

Konsens.« (Helmut Rumpler) Es gab zudem beiderseits<br />

Befindlichkeiten, die eine Verständigung unmöglich machten:<br />

Während Wien schlichtweg seine jahrhundertealte Position<br />

anerkannt und seine Ehre gewahrt wissen wollte, war<br />

Berlin nicht dazu bereit, sich vom hohen Ross der kräftigen,<br />

aufstrebenden, die nationale Führung beanspruchenden<br />

Macht zum Kompromiss herabzulassen.<br />

Die österreichisch-preußische Auseinandersetzung um<br />

Schleswig-Holstein in der Bundesversammlung im Juni 1866<br />

führte zunächst zum Einmarsch Preußens in Holstein, als<br />

Folge zum Ausschluss Preußens aus dem Bund aufgrund

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