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lastauto omnibus bus&coach 01/2016

lastauto omnibus e-Paper bus&coach mit einer großen Doppeldecker-Marktübersicht, einem Fahrbericht des Solaris-Gelenkbus Urbino 18, der Vorstellung des MAN Lion's Intercity und einer Historie der Büssing-Omnibusse.

lastauto omnibus e-Paper bus&coach mit einer großen Doppeldecker-Marktübersicht, einem Fahrbericht des Solaris-Gelenkbus Urbino 18, der Vorstellung des MAN Lion's Intercity und einer Historie der Büssing-Omnibusse.

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E-Paper-Sonderausgabe 2/2<strong>01</strong>6<br />

bus & <strong>coach</strong><br />

Große Marktübersicht<br />

Königsklasse<br />

Doppeldecker<br />

ERSTE FAHRT SOLARIS URBINO 18<br />

Gelenkbus mit herausragender Gestaltung<br />

Große Vorstellung<br />

VDL Futura FDD2–<br />

VDL holt mächtig auf<br />

Exklusiv: Neoplan Skyliner<br />

Königlich: Scania<br />

Astromega<br />

Megaseller:<br />

Setra S 431 DT<br />

Großes Spezial<br />

Jahresband<br />

bus & <strong>coach</strong> 2<strong>01</strong>6<br />

Ikonen: zwei Generationen Cityliner<br />

Ungleiche Brüder: Büssing und MAN<br />

TEST VDL FUTURA FMD2-129<br />

Dieser Mittelhochdecker bricht Rekorde<br />

VORSTELLUNG MAN LION’S INTERCITY<br />

Die erste neue Baureihe seit zehn Jahren<br />

TEST MERCEDES TOURISMO L<br />

Ein echter Fernlinienwagen


Digital<br />

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EDITORIAL | IMPRESSUM [ 3 ]<br />

Liebe Leserinnen,<br />

liebe Leser,<br />

ein Fahrzeugsegment ist wieder da! Auch<br />

wenn es zeitweise so aussah, als würden<br />

Kaufzurückhaltung, Billigflieger und EU-<br />

Gesetzeswut dem Reise-Doppeldecker<br />

den Garaus machen.<br />

Die Freigabe der Fernlinien,<br />

Kunden geradezu auf den Hof getrieben.<br />

Hier empfängt man den Ansturm gerne und<br />

verdient sich mit den ältesten Modellen auf<br />

dem Markt eine goldene Nase. Die würde<br />

sich auch VDL gerne holen, die Chancen<br />

stehen dafür zumindest nicht schlecht. Das<br />

Der Doppeldecker ist das umweltfreundlichste<br />

Verkehrsmittel<br />

Die Redakteure<br />

von <strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong><br />

bei Facebook:<br />

<strong>lastauto</strong>.de/rosenberger<br />

<strong>lastauto</strong>.de/braun<br />

<strong>lastauto</strong>.de/wagner<br />

deutlich gesteigerte Effizienzanforderungen<br />

und der hohe Sicherheitsstandard<br />

haben Hand<br />

in Hand zu einem Revival par<br />

excellence beigetragen. Mithin<br />

ist der Doppeldecker das umweltfreundlichste<br />

Fortbewegungsmittel,<br />

wenn es um den<br />

CO 2 -Ausstoß in der „Well-to-wheel“-Betrachtung<br />

geht, der hier klar unter die Zehn-<br />

Gramm-Marke zu drücken ist. Freilich gibt<br />

es Gewinner und Verlierer in diesem Wettlauf.<br />

War Neoplan mit seinem Flaggschiff<br />

Skyliner 2<strong>01</strong>0 verheißungsvoll und glamourös<br />

gestartet, hat man sich in München mit<br />

seinen vielen Produktionsthemen selbst ein<br />

Bein gestellt und so Setra und Van Hool die<br />

Konzept des FDD2 ist gelungen, mit diesem<br />

Wagen wird man rechnen müssen.<br />

Ein Nachfolger der 500er-Baureihe von<br />

Setra ist dagegen wohl frühestens in<br />

Kortrijk 2<strong>01</strong>7 zu erwarten. Wenn er dann<br />

aber auf die Straße rollt, könnte der Hoffnungsträger<br />

des Jahres 2<strong>01</strong>0 – der Neoplan<br />

Skyliner – schon wieder ganz schön alt<br />

aussehen. So schnell kann es gehen in der<br />

Königsklasse.<br />

Thorsten Wagner, Testredakteur<br />

thorsten.wagner.ext@etm-verlag.de<br />

Impressum<br />

Abonnenten-Service,<br />

Einzelheftbestellung, Redaktionsanschrift:<br />

Gründer: Karl Theodor Vogel, Paul Pietsch<br />

Redaktionsanschrift:<br />

Handwerkstraße 15, 70565 Stuttgart<br />

Tel.: 07 11/7 84 98-31,<br />

Fax.: 07 11/7 84 98-88<br />

E-Mail: <strong>lastauto</strong>@etm-verlag.de,<br />

Internet: www.<strong>lastauto</strong>-<strong>omnibus</strong>.de<br />

Chefredakteur: Thomas Rosenberger<br />

Stellvertretender Chefredakteur: Andreas Wolf<br />

Ressortleiter Test & Technik: Markus Braun<br />

Redaktion: Markus Bauer, Nicole Holzer, Ilona Jüngst<br />

Carsten Nallinger, Johannes Roller, Martin Schou,<br />

Claudia Wild, Knut Zimmer<br />

Redaktionsassistenz: Uta Sickel<br />

Ständige Mitarbeiter: Michael Kern, Thorsten Wagner,<br />

Oliver Willms, Frank Zeitzen<br />

Mitarbeiter dieser Ausgabe: Mathias Heerwagen<br />

Redaktion iPad-Ausgabe: Thomas Rosenberger<br />

Leiter Online: Thorsten Gutmann<br />

Redaktion Online: Susanne Spotz<br />

Grafik/Produktion: Katja Reibold (Ltg.), Oswin Zebrowski,<br />

Jan Grobosch (Online), Hilde Bender, Florence Frieser,<br />

Frank Haug, Monika Haug, Götz Mannchen<br />

Produktion iPad-Ausgabe: Katja Reibold (Ltg.),<br />

Oswin Zebrowski, Jan Grobosch<br />

Text: Birte Labs, Isabel Link, Monika Roller<br />

Fotoabteilung: Thomas Küppers, Ralf Wackes<br />

Ständige Fotografen: Karl-Heinz Augustin, Jacek Bilski<br />

Verlag: EuroTransportMedia Verlags- und Veranstaltungs-<br />

GmbH<br />

Das Gemeinschaftsunternehmen von Dekra, Motor Presse<br />

Stuttgart und VF Verlagsgesellschaft<br />

Handwerkstraße 15, 70565 Stuttgart<br />

Tel.: 07 11/7 84 98-0, Fax: 07 11/7 84 98-24<br />

E-Mail: info@etm-verlag.de,<br />

Internet: www.eurotransport.de<br />

Geschäftsführer: Oliver Trost<br />

Herausgeber/Redaktionelle Gesamtleitung: Werner Bicker<br />

Anzeigenleiter: Werner Faas,<br />

Tel.: 07 11/7 84 98-96<br />

Anzeigenleiter Markt: Norbert Blucke,<br />

Tel.: 07 11/7 84 98-94<br />

Anzeigenverwaltung:<br />

Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG, Anzeigenabteilung<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong>, Carmen Brix, Leuschnerstraße 1,<br />

7<strong>01</strong>74 Stuttgart<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 57 vom <strong>01</strong>.<strong>01</strong>.2<strong>01</strong>6.<br />

Rubrizierte Anzeigen: KombiMarkt-Anzeigen preisliste<br />

Nr. 12<br />

Private Stellengesuche nur € 1,50 inkl. Mehrwertsteuer für<br />

1 mm Höhe bei 43 mm Breite; Chiffregebühr (falls bestellt):<br />

€ 10,00<br />

Erfüllungsort und Gerichtsstand: Stuttgart<br />

Vertrieb: Bernd Steinfeldt (Ltg.), Sylvia Fischer,<br />

Gerlinde Braun<br />

Tel.: 07 11/7 84 98-18/-14, Fax: 07 11/7 84 98-46<br />

E-Mail: vertrieb@etm-verlag.de<br />

Vertrieb Einzelverkauf: DPV - Deutscher Pressevertrieb<br />

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Vertrieb Abonnement und Bestellservice:<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong>, Service, Postfach 81 02 07,<br />

70519 Stuttgart<br />

Herstellung: Thomas Eisele, Motor Presse Stuttgart<br />

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Druck: Dierichs Druck+Media GmbH & Co. KG, Frankfurter<br />

Straße 168, 34121 Kassel<br />

Printed in Germany<br />

Erscheinungsweise: jährlich 11 Ausgaben. Einzelheft:<br />

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Die Zeitschrift <strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> und alle enthaltenen<br />

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ISSN 0023-866X<br />

INTERNATIONAL<br />

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<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> xx/2<strong>01</strong>6


[ 4 ] INHALT | 2<strong>01</strong>6<br />

ÜBERSICHT REISE-RIESEN<br />

ALLES ÜBER DIE KÖNIGSKLASSE DER DOPPELDECKER I SEITE 6<br />

FAHRBERICHT MERCEDES TRAVEGO Safety Coach mit<br />

neuem Notbremsassistent ABA3 | Seite 44<br />

TEST SETRA S 515 MD Mitteldecker als günstiger Einstieg<br />

in das Reisebus-Segment | Seite 138<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> e-Paper bus & <strong>coach</strong> 2<strong>01</strong>6


us & <strong>coach</strong><br />

INHALT Ausgabe 2<strong>01</strong>6<br />

Fotos: Karl-Heiz Augustin, Jacek Bilski, MAN. Rüdiger Schreiber, Thorsten Wagner, VDL<br />

Fotos Titel: Karl-Heinz Augustin, Jacek Bilski, MAN, Thorsten Wagner, VDL<br />

3 Editorial | Impressum<br />

Fernbuslinien tragen zu einem Revivial<br />

des Reisedoppeldeckers bei.<br />

6 Marktübersicht | Doppeldecker<br />

Die einstige Königsklassse der<br />

Busse kommt zurück auf die Straße.<br />

16 Vorstellung | Mercedes Capa-City L<br />

Gelenkbus mit Platz für 191 Fahrgäste.<br />

20 Fahrbericht | Setra LE business<br />

Der Low-Entry-Bus setzt sich bewusst von<br />

seinem Konzernbruder Mercedes Citaro ab.<br />

22 Test | VDL Futura FMD2 129<br />

Der FMD2 der neuen Futura-Reihe ist<br />

vom Reisebaukasten des FHD abgeleitet.<br />

28 Fahrbericht | Temsa LD 13<br />

Probefahrt mit dem flexiblen Überlandbus.<br />

32 Buspraxis I Emissionsfreie Busse<br />

Die Hamburger Hochbahn will ab 2020<br />

nur noch saubere Busse anschaffen.<br />

36 Fahrbericht I Volvo 7900 LAH<br />

Wie sich die neue Gelenk-Variante<br />

des Parallel-Hybrids fährt.<br />

40 Fahrbericht I MAN Lion´s Coach GL CNG<br />

Der blitzsaubere Antrieb wird zu<br />

einem Überraschungserfolg.<br />

44 Fahrbericht | Mercedes Travego<br />

Der Safety Coach mit Notbremsassistent<br />

der dritten Generation ABA3 im Travego.<br />

48 Busmesse | UMA, New Orleans, USA<br />

Neuheiten von der US-Messe.<br />

55 Modelle | Miniatur-Omnibusse<br />

Neue Bus-Nachbildungen für die Vitrine.<br />

56 Vorstellung | MAN Lion´s Intercity<br />

Mit dem neuen Bus will MAN das Segment<br />

der preiswerten Überlandbusse knacken.<br />

60 Test | Setra S 415 UL business<br />

Was der „entfeinerte“ Doppelverdiener<br />

tatsächlich den Kunden bietet.<br />

66 Vorstellung | BRT-System Urevo<br />

Hess und Vossloh Kiepe haben das<br />

neue Urevo-System zusammen realisiert.<br />

70 Fahrbericht | VDL Mid Euro<br />

Der Reisemidi auf Sprinterbasis punktet.<br />

76 Porträt | Neoplan Cityliner N 116<br />

Der Busreisenanbieter Müller nutzt den<br />

Oldtimer immer noch im Tagesgeschäft.<br />

80 Report | Alternative Daimler-Antriebe<br />

Vortrieb mit Diesel, Erdgas und Elektro.<br />

84 Fahrbericht I Scania-Van Hool<br />

Die Hersteller gehen zusammen mit<br />

dem Astromega TDX27 neue Wege.<br />

90 Telematik | Fleetboard<br />

Was bringt das Daimler-Telematiksystem?<br />

94 Test | Neoplan Tourliner<br />

Im elften Produktionsjahr kommt<br />

ein gereifter Bus in die Redaktion.<br />

100 Eletktromobilität | Volvo Electri-City<br />

In Göteborg zeigt der Hersteller, wie ein<br />

komplettes E-Bus-System aussehen kann.<br />

104 Busfertigung | Iveco in Tschechien<br />

Basis des Erfolgs vieler Iveco-Marken<br />

haben tschechische Wurzeln.<br />

108 Messetrends | UITP 2<strong>01</strong>5<br />

E-Antriebe und Gasmotoren standen im<br />

Mittelpunkt auf der Messe in Mailand.<br />

110 Test | Mercedes Sprinter 319 CDI<br />

Der Sprinter mit 190 PS, mittlerem<br />

Radstand und Platz für neun Personen.<br />

112 Test | Mercedes Intouro<br />

Der Überlandbus wildert im Markt-<br />

Segment der preiswerten Busse.<br />

118 Fahrbericht | Solaris Urbino 18<br />

Erstmals unterwegs mit der<br />

neuen Gelenkbus-Version.<br />

120 Hintergrund | Solaris-Fertigung<br />

Der Hersteller will in seine vier<br />

Standorte kräftig investieren.<br />

122 Interview | Solaris-Vorstands-Chef<br />

Dr. Andreas Strecker über das Aftersales-<br />

Geschäft und Kundenzufriedenheit.<br />

124 Test | Mercedes City 65<br />

Der Midi gilt als perfekte Ergänzung<br />

für etliche Stadtbusflotten.<br />

130 Test | VDL Futura FDD 2<br />

Stärken und Schwächen des neuen VDL.<br />

134 Produktion | Daimler Buses in Indien<br />

Zweiter Versuch mit neuen Modellen.<br />

138 Test | Setra S 515 MD<br />

Solide Verarbeitung, günstiger Preis.<br />

144 Historie | Jubiläen bei Neoplan<br />

XXL-Busevent: Vier Jubiläen bei dem<br />

Traditions-Omnibus-Hersteller.<br />

148 Vorschau | Busworld Europe<br />

Die spannendsten Neuheiten<br />

von der Busmesse vorab.<br />

150 Messerückblick | Busworld Europe<br />

Die Highlights vom Branchentreffpunkt<br />

im belgischen Kortrijk.<br />

154 Fahrbericht | Temsa MD 9<br />

Neuer Start auf dem deutschen Markt.<br />

158 Test | Mercedes Tourismo<br />

Der waschechte Fernlinienbus<br />

zeigt erstaunliche Qualitäten.<br />

164 Historie | Büssing<br />

Die Enwicklung vom Büssing 110<br />

bis zum MAN Lion´s City G.<br />

E-MOBILITÄT VOLVO ELECTRI-CITY<br />

Projekt in Göteborg | Seite 100<br />

VORSTELLUNG BRT-SYSTEM UREVO<br />

Hybridgelenkbus von Hess | Seite 66<br />

RÜCKBLICK BUSWORLD EUROPE<br />

Messe-Magnet i8 von Irizar | Seite 150<br />

HISTORIE BÜSSING vom BS 110 bis<br />

zum MAN Lion´s City G | Seite 164<br />

Der Stand der Informationen in den Beiträgen und<br />

den Anzeigen entspricht dem jeweiligen Erstveröffentlichungsdatum.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> e-Paper bus & <strong>coach</strong> 2<strong>01</strong>6


[ 6 ] TITEL | Doppeldecker in der Übersicht<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> e-Paper bus & <strong>coach</strong> 2<strong>01</strong>6


TITEL | Doppeldecker in der Übersicht [ 7 ]<br />

DIE RÜCKKEHR DER<br />

KÖNIGSKLASSE<br />

Marktübersicht: Doppeldecker waren zuletzt eine aussterbende<br />

Gattung. Doch viele Gründe sprechen heute für die Riesen der Straße.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER<br />

FOTOS: THORSTEN WAGNER, BEULAS, MAN<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> e-Paper bus & <strong>coach</strong> 2<strong>01</strong>6


[ 8 ] TITEL | Doppeldecker in der Übersicht<br />

1 Das exklusive Sharp-Cut-Design macht den<br />

Skyliner unverwechselbar.<br />

2 Beste Aussichten in der spannendsten<br />

ersten Reihe der Buswelt.<br />

3 Deutlich erkennbar die angeschnittene<br />

Glas-Dachkante, die für beste Sicht sorgt.<br />

4 Im kathedralenartigen Heck arbeitet der<br />

bärige D26 mit 505 PS – exklusiv im Skyliner.<br />

5 Schwungvoll, aber nicht ganz auf der Höhe<br />

der digitalen Zeit, zeigt sich das Cockpit.<br />

1<br />

2<br />

Wer hätte vor fünf Jahren dem guten<br />

alten Doppeldecker noch große Sprünge<br />

zugetraut? Sinkende Verkaufszahlen,<br />

hohe Sicherheitsauflagen, schrumpfende Reisegruppen<br />

und oft überalterte Modelle. Bis Ende<br />

der Euro-4-Ära machten Setra und Neoplan als<br />

Platzhirsche mit der Formel „100 zu 100“ verkaufter<br />

Busse den europäischen Markt weitgehend<br />

unter sich aus. Im schlechtesten Jahr der<br />

vergangenen Zeit, 2<strong>01</strong>0, kehrte sich das Verhältnis<br />

dann fast in 100 zu Null bei einem Gesamtmarkt<br />

von rund 200 Fahrzeugen um. MAN<br />

hatte das Thema Skyliner einfach unterschätzt<br />

und zu leichtfertig an das neu entstandene und<br />

schnell wieder verschwundene Unternehmen<br />

Viseon ausgelagert. Zudem wurde die Produktion<br />

bei MAN von Pilsting nach Plauen<br />

und schließlich nach Ankara verlagert – sowas<br />

bringt mehr als Unruhe ins Geschäft. De facto<br />

war Neoplan seit 2<strong>01</strong>0 nicht mehr präsent auf<br />

dem Spielfeld der Königsklasse – just zu dem<br />

Zeitpunkt, an dem durch die Freigabe der Fernlinien<br />

in Deutschland und später auch in anderen<br />

Ländern wie Frankreich oder Italien, der Markt<br />

erstmals wieder so richtig ansprang. Schon 2<strong>01</strong>3<br />

kratzten die Zahlen an der 300er Marke, 2<strong>01</strong>5 bereits<br />

an der von 500 verkauften Bussen und ein<br />

Ende des Boom ist nicht abzusehen.<br />

Dafür gibt es drei gute Gründe: Kein anderes<br />

Fahrzeugkonzept kann mit einer besseren<br />

Bilanz aufwarten, was die Beförderungskapazität<br />

und die Transporteffizienz angeht. Teilweise<br />

3<br />

4<br />

5<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> e-Paper bus & <strong>coach</strong> 2<strong>01</strong>6


TITEL | Doppeldecker in der Übersicht [ 9 ]<br />

Neoplan Skyliner – Hoffungsträger mit Starthemmung<br />

Derzeit ist der Skyliner der fünften Generation<br />

wohl der exklusivste Vertreter der Königsklasse,<br />

auch wenn er rund fünf Jahre gebraucht hat,<br />

um stabil in Produktion zu gehen. Verwunderlich<br />

ist die mangelnde Strategie von MAN bei dem<br />

bisher letzten, echten Neoplan-Prestigeprojekt<br />

„Made in Germany“ und dessen Entstehung<br />

aber schon. Zum Glück haben sich die Planer in<br />

München und Wolfsburg besonnen und lassen<br />

den Bus auf Wunsch mit hochwertigen Innenausstattungen<br />

im BMC in Plauen versehen, der<br />

hier abgebildete Messewagen von 2<strong>01</strong>5 ist hierfür<br />

ein Paradebeispiel. Alles aus einer Hand (siehe<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 3/2<strong>01</strong>6) – das kann derzeit<br />

in dieser Form kein Anbieter leisten.<br />

Ebenso einzigartig ist das Design des Busses,<br />

die nach Starliner und Cityliner dritte Emanation<br />

des Neoplan-eigenen Sharp-Cut-Designs aus<br />

der Feder von Michael Streicher. Nicht nur, dass<br />

die massige Erscheinung des 14 Meter langen<br />

Kolosses durch die gekonnt geschliffenen Kanten<br />

und Ecken um einiges graziler daherkommt,<br />

auch die Sichtverhältnisse in der ersten Reihe<br />

oben – immer noch die spannendste überhaupt<br />

im Busmarkt derzeit – sowie die auf den Fensterplätzen<br />

sind dank der oberen „Skylights“<br />

hervorragend und sicher aus Kundensicht ein<br />

echtes Argument für den Premium-Liner aus<br />

Ankara, der bis zu 83 Passagieren Platz bietet.<br />

Freuen werden die sich auch über einen der<br />

größten Kofferräume der Königsklasse, der bis<br />

zu elf Kubikmeter verschluckt. Praktisch auch<br />

der Sondernutzungsraum links hinter der Toilette.<br />

Weniger üppig geht es im Cockpit zu, obwohl<br />

Neoplan den Mittelboden insgesamt nach oben<br />

etwas anschrägt, was der Sicht in die weit herunterragenden<br />

Spiegel zuträglich ist. Aber wegen<br />

der konzeptionell nur links orderbaren Treppe wird es hinter dem Fahrer<br />

schon arg knapp, auch wenn man hier etwas nachgearbeitet hat. Nacharbeiten<br />

sollten die MAN-Mannen auch beim Armaturenträger, der zwar von<br />

einem edlen Multifunktionslenkrad und hochwertigen Materialen gekrönt<br />

wird, aber dem Bauteil selbst und der Elektronik sieht man seine Genese<br />

aus dem Jahr 2004 und dem Zwillingsbruder Starliner schon deutlich an.<br />

Auch der Begleitersitz wirkt eher wie zufällig eingebaut, viel Luxus sollte<br />

der zweite Mann oder die zweite Frau an Bord nicht erwarten. Toll dagegen<br />

die Atmosphäre im Kommandostand,<br />

wenn die<br />

WERTUNG<br />

Exklusives und gleichzeitig<br />

passagierfreundliches Design<br />

Größter Kofferraum seiner Klasse,<br />

gut zugänglich und weitgehend geglättet<br />

Exklusives Fahrwerksystem CDS zur<br />

effizienten Aufbaustabilisierung<br />

Cockpit nicht ganz auf aktuellen Technik-<br />

Stand, Displays zu klein, schwer ablesbar<br />

Platzverhältnisse hinter Fahrer sehr knapp<br />

1<br />

2<br />

1 Hochwertige Sitze, Skylights und bis zu vier Dachfenster verleihen<br />

dem Oberdeck echte Luxusliner-Atmosphäre.<br />

2 Im Unterdeck lässt sich eine separate Welt einrichten, die<br />

Gepäckablagen taugen maximal für Damen-Handtaschen.<br />

3 Träume von Küchen wie diese werden in der MAN-Tischlerei im<br />

Plauener Bus Modification Center (BMC) auf Wunsch gefertigt.<br />

MAN bietet diesen Service als einziger Hersteller aus einer Hand.<br />

Milchglastür zum Passagierbereich<br />

geordert<br />

wird. Die Sitzreihe hinter<br />

dem Begleiter wird in ein<br />

weitgehend abgeschlossenes,<br />

ruhiges Abteil<br />

ähnlich einem Unterflurcockpit<br />

einbezogen. Das<br />

hat vor allem im Fernlinienverkehr<br />

enorme Vorteile (siehe <strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 7/2<strong>01</strong>4). Kaum mäkeln<br />

kann man auch am Antriebstrang, der weitgehend auf Elementen der neuen<br />

Lion’s-Chassis-Generation basiert. Der bärige D26-Motor ist auch mit „nur“<br />

2.300 Newtonmetern über fast jeden Zweifel erhaben. Ebenso geht die AS-<br />

Tronic, auch MAN Tip-Matic genannt, gekonnt ihrem Sortierwerk nach. Neu<br />

im Angebot ist die topografische Steuerung Efficient-Cruise mit Efficient-<br />

Roll, was MAN zuerst nicht anbieten konnte. Kleiner Wermutstropfen beim<br />

Fahrwerk: die Nachlaufachse ist zwar starr, aber trotzdem elektrohydraulisch<br />

gelenkt. Der Wendekreis von etwas über 23 Meter bleibt zudem im Rahmen.<br />

Ein anderes Schmankerl zeichnet den Skyliner aus: das elektronische Dämpfersystem<br />

CDS bewahrt den Aufbau vor allzu heftigen Nicken und Wanken.<br />

3<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> e-Paper bus & <strong>coach</strong> 2<strong>01</strong>6


[ 10 ] TITEL | Doppeldecker in der Übersicht<br />

mehr als 90 Personen können (dann freilich nicht<br />

mehr sehr komfortabel) im Bus unterkommen.<br />

Dazu kommt das weitgehend niederflurige Unterdeck<br />

für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste.<br />

Gerade für die Fernlinien mit der seit Anfang<br />

2<strong>01</strong>6 gesetzlich verpflichtenden Notwendigkeit<br />

von zwei Rollstuhlplätzen ist diese bisher eher<br />

vernachlässigte konzeptbedingte Eigenschaft<br />

heute echtes Geld wert. Denn für einen Hublift<br />

am Hochdecker müssten sonst rund 30.000<br />

Euro berappt werden. Zudem ist das Konzept<br />

der Zwei-Zonen-Nutzung – oben Ruhe zum Genießen,<br />

unten Catering und Skatspiele – immer<br />

noch sehr spannend und wird oft genug noch als<br />

„Loungeliner“ oder ähnliches vermarktet. Und<br />

mit den bärenstarken und hocheffizienten Motoren<br />

heute durchbricht ein Doppeldecker heute<br />

schon spielend die zehn Gramm-CO 2 -Marke<br />

pro Fahrgast nach unten.<br />

Getreu dem Effizienzdiktat haben sich daher<br />

die großen Hersteller Setra, Scania und Neoplan<br />

darauf verlegt, nur noch die größten Baumuster<br />

anzubieten, um die beste Kapazität zu erreichen,<br />

aber auch um die Fertigungsbreite deutlich<br />

zu verringern. Vorbei sind die Zeiten, als<br />

zum Beispiel wendige Dreiachser mit zwölf Me-<br />

1<br />

2<br />

Übersicht und technische Daten Doppeldecker<br />

Neoplan<br />

Skyliner<br />

Scania Van Hool<br />

Astromega<br />

Setra<br />

S 431 DT<br />

Van Hool<br />

Astromega<br />

Konzept<br />

Erhältliche Längen 13,99 m 14,10 m 13,89 m 13,15/14,10 m 13,08/14,14 m<br />

Motorisierung<br />

Getriebe<br />

Topografisches<br />

Schaltprogramm<br />

MAN D26, 12,4 L Hubraum,<br />

371 kW (505 PS); 2.300 Nm<br />

max. Drehmoment;<br />

MAN Tip-Matic, automatisiertes<br />

12-Gang Getriebe<br />

MAN Efficient-Cruise mit<br />

Eco-Roll Freilauffunktion<br />

Scania DC 13; 12,7 L Hubraum;<br />

331/363 kW (450/490<br />

PS); 2.350/2.505 Nm<br />

Scania Opticruise, automatisiertes<br />

12-Gang-Getriebe<br />

Scania Active Prediction mit<br />

Eco-Roll Freilauffunktion<br />

MB OM 471; 12,8 L; 375 kW<br />

(510 PS), 2.500 Nm max.<br />

Drehmoment<br />

MB GO 250-8, automatisiertes<br />

8-Gang-Getriebe<br />

Predictive Powertrain Control<br />

mit Freilauffunktion<br />

DAF/Paccar MX13; 12,9 L;<br />

340/375 kW (460/510 PS);<br />

2.300/2.500 Nm<br />

MB GO 230-6 / ZF AS-Tronic,<br />

automat. 12-Gang Getriebe<br />

nein<br />

VDL<br />

FDD2<br />

DAF/Paccar MX13; 12,9 L<br />

Hubraum; 375 kW (510 PS);<br />

2.500 Nm max. Drehmoment<br />

ZF AS-Tronic, automatisiertes<br />

12-Gang Getriebe<br />

nein (geplant)<br />

Art der Nachlaufachse MAN starr, aktiv gelenkt Scania starr, aktiv gel. MB Einzelrad, aktiv gelenkt MAN Einzelrad; aktiv gelenkt ZF Einzelrad, aktiv gelenkt<br />

Radstand 1/Wendekreis 6.700/23.316 mm 6.900/23.800 mm 6.700/22.978 mm 6.160/6.860/24.000 mm 6.195/7.355/21.450/24.300<br />

Stehhöhen unten/oben 1.810/1.680 mm 1.810/1.685 mm 1.828/1.687 mm 1.685/1.810 mm 1.855/1.724 mm<br />

Kapazitäten<br />

Min./Maximale Sitzplatzzahl 68 bis 91+1+1 78 bis 89+1+1 78 bis 93 +1+1 max. 81+1+1/89+1+1 max. 84+1+1/96+1+1<br />

Kofferraumvolumen 9 bis 11 m3 7,2 m3 8,3 m3 6,5/7,2 m3 9,3 m3<br />

Tankvolumen bis zu 720 L 720 L 510+220 (SA) bis zu 900 L 445+250+250<br />

Sicherheitssysteme<br />

ESP ja ja ja ja ja<br />

Dauerbremslimiter ja nein ja nein ja<br />

Adaptiver Tempomat ja ja ja ja ja<br />

Stop&Go Assistent nein nein ja nein nein<br />

Spurverlassenswarner ja ja ja ja ja<br />

Notbremsassistent ja ja ja ja ja<br />

Aufmerksamkeitsassistent ja (Warnung opt./akustisch) ab Mitte 2<strong>01</strong>6 ja (Warnung optisch) ja (Warnung akustisch) ja (Warn. haptisch/optisch)<br />

Regen-Licht-Sensor ja nein ja nein nein<br />

Gurtwarner Fahrer/Begleiter nein nein ja nein nein<br />

Xenon-Scheinwerfer ja ja ja ja ja<br />

LED-Scheinw./Kurvenlicht nein/ja ja /nein nein/nein ja/nein ja/nein<br />

LED Scheinwerfer nein nein ja ja<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> e-Paper bus & <strong>coach</strong> 2<strong>01</strong>6


TITEL | Doppeldecker in der Übersicht [ 11 ]<br />

3<br />

4<br />

5<br />

Setra S 431 DT – In Würde gereifter Megaseller<br />

Der Setra S 431 DT läuft und läuft und läuft –<br />

und verkauft sich dank beinahe fünfjähriger Abwesenheit<br />

des ehemals gefürchteten Hauptkonkurrenten<br />

wie geschnitten Brot – bisher mehr als<br />

2.500 Mal. Mit beinahe 300 verkauften Bussen<br />

im Jahr 2<strong>01</strong>5 ist der Koloss, den es nur in einer<br />

Länge gibt und der noch auf der 2003 gestarteten<br />

Top Class 400 basiert, eine Cash-Cow im Wortsinne.<br />

Und das, obwohl das Nachfolgerprojekt<br />

vor einigen Jahren hier wie anderswo durchaus<br />

in den Sternen stand. Wieder waren es die Fernlinien,<br />

die für enormen Bedarf gesorgt haben.<br />

Zudem ist der Doppeldecker relativ preiswert<br />

mit Rollstuhlplätzen auszustatten und bietet im<br />

Unterdeck noch mehr Platz für mobilitätseingschränkte<br />

Fahrgäste. Ein Punkt, der lange Zeit<br />

vernachlässigt wurde. Freilich sieht man der<br />

grauen Eminenz des Doppeldeckermarktes das<br />

Alter an – das aber mehr innen als außen.<br />

Das Außendesign kann dank zeitlosen Longlife-Prinzipen<br />

immer noch gefallen, die sanften<br />

Schwünge inklusive glänzender „La Linea“ sind<br />

sowas wie ein „Premiumbeweis“ auf europäischen<br />

Straßen. Anders sieht es da schon im Innenraum<br />

aus, gerade und besonders im direkten<br />

Vergleich zur kongenialen neuen 500er Baureihe,<br />

die bei so manchem Kunden sicher Begehrlichkeiten,<br />

aber kaum Kaufzurückhaltung weckt. Das<br />

2<br />

WERTUNG<br />

Ausgereiftes Konzept mit moderner und<br />

effizienter Motorisierung sowie Top-Fahrwerk<br />

Umfangreichste Sicherheitsausstattung<br />

Bester Wiederverkaufswert<br />

Nur eine Länge verfügbar<br />

Hoher Kabelkanal vor der Toilette<br />

Beengter Raumeindruck im Cockpit<br />

Design mit Longlife-Qualität im Innenraum<br />

etwas antiquiert<br />

namens Duden fließt durch ihr 1.400 en Ort<br />

und versorgt sie mit den nötigen Regelialien.<br />

Es ist ein paradiesmatisches Land, in dem<br />

1.500 arg in einem die Jahr gebratene gekommene Satzteile Cockpit, in der den hohe Mund Kabeltunnel<br />

Nicht vor einmal der Toilette, von der die allmächtigen fast schon barock Inter-<br />

fliegen.<br />

punktion anmutende 1.600 Verkleidung werden die der Blindtexte Brüstung beherrscht vor ersten<br />

ein Reihe geradezu im Oberdeck unorthographisches – alles zusammen Leben.Ei-<br />

wirkt<br />

–<br />

nes schon Tages etwas aber muffig. bes 1.700 chloß eine kleine Zeile<br />

Blindtext, Anders die ihr Technik: Name war die Lorem hat Setra Ipsum, 2<strong>01</strong>3 hinaus mit rund zu<br />

gehen 40 Neuerungen in die weite geschickt Gra 1.800 mmatik. auf den Der aktuellen große<br />

Oxmox Stand gebracht. riet ihr davon Vor allem ab, es der dort neue, wimmele 2.500 Newtonmeter<br />

Kommata, starke wilden Motor Fragez OM 471, 1.900 der eichen jüngst und auf<br />

von<br />

bösen<br />

hinterhältigen gesteigerte Effizienz Semikoli, getrimmt doch das wurde, Blindtextchen überzeugt.<br />

ließ In Verbindung sich nicht beirren. mit dem hauseigenen, optimierten<br />

Powershift 3-Achtganggetriebe ist das Kraftpaket<br />

eines der stärksten Argumente für den Golden<br />

Oldie. Das prädiktive Schaltprogramm PPC tut<br />

mit bis zu zehn Prozent Einsparung (siehe <strong>lastauto</strong><br />

<strong>omnibus</strong> 5/2<strong>01</strong>4) sein Übriges dazu, um<br />

den Pro-Kopf-Ausstoß an CO 2 des für bis zu 93<br />

Passagieren ausgelegten Busses unter die Zehn-<br />

Gramm-Grenze zu drücken. Vorbildlich auch die<br />

Cockpitelektronik mit aktuellem Lenkrad und<br />

farbigem Multifunktionsdisplay. Weniger schön<br />

ist die tiefliegende Decke, die den Fahrer häufig<br />

zum Verneigen zwingt, um die Spiegel einzusehen.<br />

Aber es gibt ja viele andere gute Gründe, um<br />

sich vor diesem Bestseller zu verneigen.<br />

1 Viele Ablagen<br />

in die<br />

Fahrertür integriert,<br />

die<br />

wegen der<br />

niedrigen<br />

Innenhöhe<br />

praktisch ist.<br />

2 Nicht ganz<br />

so schick<br />

wie die 500er<br />

Armaturen,<br />

aber sehr<br />

funktional.<br />

1<br />

1 Ein erstklassiges Fahrwerk ist eines der<br />

Kaufargumente für den gereiften Setra.<br />

2 Die optisch ineinanderfließenden Decks sind<br />

das Aushängeschild Premium-Doppeldecker.<br />

3 Gut erkennbar sind die etwas beengten<br />

Verhältnisse für den Fahrer im Cockpit.<br />

4 Die überarbeitete Euro-6-Version ist an den<br />

symmetrischen Lüftungsgittern erkennbar.<br />

5 Bei allen Doppeldeckern ist die Nachlaufachse<br />

aktiv gelenkt.<br />

6 Vor allem im Oberdeck stört den Passagier<br />

die etwas altbackene Ausstattung.<br />

6<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> e-Paper bus & <strong>coach</strong> 2<strong>01</strong>6


[ 12 ] TITEL | Doppeldecker in der Übersicht<br />

2<br />

1 Die glattflächige Front wird von einer<br />

dreidimensionalen Stirn mit Zusatzscheinwerfern<br />

„Skylights“ gekrönt.<br />

2 Nicht nur Gestaltung und Haptik der<br />

vorderen Treppe setzen Maßstäbe im<br />

Doppeldecker-Segment.<br />

3 Im oberen Mittelfeld rangieren die<br />

Kofferräume der beiden VDL-Modelle in<br />

zwei Längen.<br />

4 Der Fahrer findet ein aufgeräumtes<br />

und luftiges Cockpit vor und mit den<br />

optionalen LED-Scheinwerfern auch<br />

besonders gut den Weg.<br />

1<br />

ter Länge durch die Alpen wuselten. Lediglich<br />

Van Hool und VDL leisten sich den Luxus und<br />

geben dem Kunden die Wahl, einen kurzen Wagen<br />

mit rund 13 Metern Länge zu konfigurieren.<br />

Eine große Rolle werden diese Modelle sicher<br />

nicht spielen, sind sie doch nur unwesentlich<br />

billiger als die ausgewachsenen Modelle, die je<br />

nach Ausstattung zwischen 400.000 und 500.000<br />

Euro rangieren.<br />

Neben den immer kleineren Reisegruppen<br />

und dem Aufstieg der Billigflüge nach Spanien<br />

und in alle Welt, machte dem Doppeldecker<br />

vor allem das Thema Sicherheit lange zu schaffen.<br />

Grund dafür ist neben dem höheren Schwerpunkt<br />

der Busse auch die Ausnahme von der<br />

europäischen Norm für Überrollfestigkeit ECE<br />

R66, die 2<strong>01</strong>7 auch in der verschärften Form für<br />

Hochdecker und andere Busse, nicht aber für<br />

den Doppeldecker greifen wird.<br />

Die hierfür geforderten Parameter, wie der<br />

definierte Überlebensraum für den Passagier,<br />

sind bei diesem Fahrzeugkonzept schier nicht zu<br />

schaffen, ohne soviel Stahl zu verbauen, dass der<br />

Bus keine Passagiere mehr – geschweige denn<br />

Gepäck – aufnehmen kann. Der Buslobby kam<br />

bei der Argumentation gegen die Einbindung<br />

in die R66-Richtlinie zupass, dass seit 2003 in<br />

Sachen Sicherheit so massiv aufgerüstet worden<br />

war, dass mit Notbremssystem, Spurhalteassistent,<br />

LED-Scheinwerfern (Van Hool und<br />

VDL) und anderen Systemen der Doppeldecker<br />

in der aktiven Sicherheit anderen Reisebussen<br />

in nichts nachsteht. Freiwillig verbaute Systeme<br />

wie das wank- und nickreduzierende, elektrohydraulische<br />

Fahrwerk CDS bei Neoplan oder der<br />

Stop&Go Assisent bei Setra tragen ihr Übriges<br />

4<br />

3<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> e-Paper bus & <strong>coach</strong> 2<strong>01</strong>6


TITEL | Doppeldecker in der Übersicht [ 13 ]<br />

dazu bei, dass die Sicherheitsdiskussion ein für<br />

allemal der Vergangenheit angehört.<br />

In die Annalen der Geschichte gehören auch<br />

weitgehend schwachbrüstige Motoren und hakelige<br />

Schaltgetriebe. Fast alle Hersteller spendieren<br />

ihrer Königsklasse auch gleich das Beste<br />

und Stärkste mit ins hohe Heck, was Kraftstoff<br />

in Vortrieb verwandeln kann. Nur Van Hool und<br />

VDL lassen dem Kunden die Wahl, einen etwas<br />

schwächeren Motor zu wählen, wirklich Sinn ergibt<br />

das aber kaum. Die Frontlinie im Leistungswettbewerb<br />

hat sich bei rund 500 PS und 2.300<br />

bis 2.500 Newtonmeter an maximalen Drehmoment<br />

eingependelt. Die Spitze markiert derzeit<br />

Scania mit 2.550 Newtonmetern und einem sehr<br />

seidig agierenden Motor, der exklusiv mit seinem<br />

Zwölf-Gang-Opticruise-Getriebe gepaart<br />

ist. MAN wiederum vertraut noch auf den D26<br />

mit fast schon „schwächlichen“ 2.300 Newtonmetern<br />

mit angepasster ZF-AS-Tronic. Man darf<br />

gespannt sein, ob zuerst der neue MAN-Motor<br />

Einzug hält oder das neue Traxon- Getriebe von<br />

ZF. An diesem modular aufgebauten Nachfolgemodell<br />

arbeiten auch bereits Van Hool und<br />

VDL – beide vertrauen großflächig auf DAF-Motoren.<br />

Einführungstermine für dieses Getriebe,<br />

das erstmal optional mit einem parallel arbeitenden<br />

Hybridmodul gepaart werden kann, will jedoch<br />

noch keiner der Hersteller nennen. Freilich<br />

wäre man im Reisebusbereich ein echter Pionier<br />

bei dem Thema, zumal hier Erdgas- und Elektroantriebe<br />

nicht am Horizont zu erkennen sind.<br />

Und auch im Reisebusbereich müsste das Zeitalter<br />

der alternativen Antriebe langsam eingeläutet<br />

werden.<br />

Alternativen zu ZF bietet vor allem Setra mit<br />

dem Mercedes-Powershift-3-Achtgang-Getriebe,<br />

das zwar nicht so fein gestuft ist wie die AS-Tronic<br />

und Scania Opticruise, was aber bei der bulligen<br />

Kraft des neuerlich nochmals überarbeiteten<br />

OM 471 kein Thema sein dürfte. Bei voller<br />

Beladung sollte man freilich mal den serienmäßigen<br />

Dynamikmodus bemühen, um genügend<br />

raschen Vortrieb zu generieren. Die Fahrwerke<br />

aller Vertreter der Klasse sind State oft the Art,<br />

alle Nachlaufachsen sind elektrohydraulisch<br />

gelenkt, wenn auch nicht immer einzeln aufgehängt.<br />

Beim Van Hool hat die Scania-Antriebsachse<br />

bei den Geräuschemissionen einen leichten<br />

Vorteil gegenüber der ansonsten verbauten<br />

Dana-Achse. Das bereits unter der Hand angekündigte<br />

Chassis von Scania dürfte zur IAA den<br />

Abstand hier wohl noch ein wenig vergrößern.<br />

Bei den Cockpits der Reiseriesen haben derzeit<br />

Setra und VDL die Nase vorn – Setra was<br />

elektronische Anbindung und digitale Darstellung<br />

betrifft, VDL was Design und Ergonomie<br />

angeht. Selten hat der Doppeldeckerfahrer<br />

einen edleren und luftiger geschnittenen<br />

Arbeitsplatz genossen. Das Neoplan-Cockpit<br />

überdimensionierten<br />

Die beherbergen aber ähnlich wie bei Van Hool<br />

auf Wunsch schon LED-Scheinwerfer. Die obere<br />

Scheibe ist weitgehend bündig mit der Karosserie<br />

und der unteren Scheibe verklebt und mündet in<br />

eine dreidimensional modellierte Stirn, an deren<br />

Seiten keine Geheimratsecken sondern vielmehr<br />

„Skylights“, hier sind es Zusatzscheinwerfer, positioniert<br />

sind. In der ersten Reihe sitzend wirkt<br />

die Scheibe etwas schmal, da man aus Sicherheitsgründen<br />

die Bugverkleidung etwas höher<br />

gezogen hat als beim Vorgänger. Bei der Gele-<br />

namens Duden fließt durch ihr 1.400 en Ort<br />

und versorgt sie mit den nötigen Regelialien.<br />

Es ist ein paradiesmatisches Land, in dem<br />

1.500 genheit einem haben gebratene die Ingenieure Satzteile gleich in den Mund Boden<br />

fliegen. an der Nicht Windschutzscheibe einmal von der mit allmächtigen angehoben – Interpunktion<br />

zwar deutlich. 1.600 werden Sinn der die Übung: Blindtexte die Sicht beherrscht des Fah-<br />

und<br />

– rers ein geradezu auf die Spiegel unorthographisches zu verbessern, was Leben.Eineragend<br />

Tages gelungen aber bes ist. 1.700 Wie chloß überhaupt eine das kleine Interieur Zeile<br />

hervor-<br />

Blindtext, des Busses ihr zu Name seinen war besten Lorem Seiten Ipsum, gehört: hinaus hell, zu<br />

gehen freundlich in die und weite modern. Gra 1.800 So lässt mmatik. sich Der nicht große nur<br />

Oxmox das sehr riet übersichtliche ihr davon ab, und es dort funktionale wimmele Cockpit von<br />

bösen beschreiben, Kommata, sondern wilden auch Fragez die Treppenaufgänge<br />

1.900 eichen und<br />

hinterhältigen sowie die Materialen Semikoli, für doch den das Ausbau Blindtextchen des Oberließ<br />

und sich des nicht Unterdecks. beirren. Überall begegnet einer sehr<br />

angenehmen und modernen Haptik, die man bisher<br />

von VDL nicht kannte. Gerade das Cockpit ist<br />

im wahrsten Sinne des Wortes eine „helle Freude“.<br />

Man setzt sich und legt los – einfach so ohne<br />

Probleme. Auch die Verarbeitung ist bei den ersten<br />

Prototypen schon erstaunlich gut – kaum ein<br />

ungebührliches Geräusch dringt ans Ohr. Zudem<br />

brüstet sich VDL nicht zu unrecht mit den klassenbesten<br />

Werten für die Stehhöhen oben und<br />

unten, immer ein leidiges Doppeldeckerthema.<br />

Beste Voraussetzungen also, um als Newcomer<br />

Scheinwerfer-Gehäusen. so richtig durchzustarten im Boom-Segment.<br />

VDL FDD2 – Newcomer mit Ambitionen<br />

Auch der niederländische Hersteller VDL in Eindhoven<br />

will sich ein größeres Stück vom wachsenden<br />

Doppeldeckerkuchen abschneiden. Bisher<br />

rangierte man mit dem auf einem Berkhof-Modell<br />

basierenden Axial 100 Synergy mit jährlichen<br />

Stückzahlen im unteren zweistelligen Bereich<br />

eher unter „ferner liefen“. Das will man nun mit<br />

zwei neuen Modellen der 2<strong>01</strong>0 massiv modernisierten<br />

Futura-Baureihe gründlich ändern. In<br />

Kortrijk war das Ergebnis im Herbst erstmals zu<br />

sehen (siehe <strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 10/2<strong>01</strong>5). Neben<br />

dem 14,14 Meter langen Wagen mit maximal<br />

96 Sitzen und einem üppigen Wendekreis von<br />

über 24 Metern wird auch eine 13,08 Meter<br />

lange, wendigere Ausführung mit maximal 84<br />

Sitzen und einem Wendekreis von 21,5 Metern<br />

angeboten. Die Kofferräume sind mit 8,8 beziehungsweise<br />

9,3 Kubikmeter ansehnlich, reichen<br />

aber nicht an den Klassenprimus Skyliner heran.<br />

Äußerlich ist der Wagen den Hochdeckern wie<br />

aus dem Blech geschnitten, wobei das Heck insgesamt<br />

harmonischer wirkt als die Front mit den<br />

WERTUNG<br />

Auffälliges Design mit vielen Gleichteilen zu den<br />

anderen Futura-Modellen<br />

Hochwertige Innenraummaterialien und sehr<br />

geräumiges Cockpit mit guter Ergonomie<br />

Kraftvoller Antriebsstrang<br />

Gute Stehhöhe vor allem oben<br />

Noch kein prädiktiver Tempomat verfügbar<br />

Reserverad ragt weit nach unten<br />

Der rechts liegende<br />

Treppenaufgang ist auch<br />

für den VDL Standard.<br />

Die Frontscheibe ist<br />

recht schmal geraten.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> e-Paper bus & <strong>coach</strong> 2<strong>01</strong>6


[ 14 ] TITEL | Doppeldecker in der Übersicht<br />

3<br />

1<br />

4<br />

2<br />

1 Van Hool bietet neben VDL als einziger<br />

Hersteller zwei Fahrzeuglängen an.<br />

2 Sehr angenehm ist der traditionelle Platz<br />

der Küche über der Vorderachse nahe dem<br />

Begleiter und fern der Toilette.<br />

3 Dem Cockpit mit steilem Armaturenträger<br />

fehlt noch ein Multifunktionslenkrad, der<br />

Begleiter ist aber bestens versorgt.<br />

4 Guter Komfort und separat vom Fahrgast<br />

zu belüftende obere Frontscheibe, kleine<br />

Monitore fehlen hier jedoch.<br />

weiß zwar zu gefallen, die Displays aber sind<br />

mittlerweile als schlecht ablesbar zu bezeichnen<br />

und eine modernere Mediaanlage sollte<br />

man der Königsklasse auch spendieren. Van<br />

Hool wiederum ist der einzige Hersteller, der<br />

bisher auf ein Multifunktionslenkrad verzichtet,<br />

dafür ist der Multifunktionsknopf links<br />

und die Ausstattung des Begleiterplatzes vorbildlich<br />

zu nennen. Die Innenräume der Konkurrenten<br />

bieten allesamt konzeptbedingt nur<br />

wenig Stehhöhe, alleine VDL schafft durch seinen<br />

leichten Sandwichboden die Quadratur des<br />

Kreises und kann höhere Werte vorweisen als<br />

die anderen Busse. Dafür bietet Van Hool ein<br />

durchgehendes Glasdach à la Setra an, allerdings<br />

stehen die vier großen Dächer samt seitlichen<br />

Skylights beim Skyliner der Vollverglasung<br />

kaum nach. Denn wie heißt es so schön bei<br />

allen Himmelstürmern und Hollywood-Liebhabern:<br />

„Only the Sky ist the Limit“. ◼<br />

Scania Van Hool Astromega – der König des Drehmoments<br />

Der größte Unterschied des „Body on Chassis“-Modells von Scania ist der schwedische Triebstrang.<br />

Zumal sich das DC-13-Aggregat mit 2.550 Newtonmeter an die Spitze des Wettbewerbs setzt.<br />

Alternativ gibt es auch die 450-PS-Version, was insgesamt vier Motoren für den Astromega bedeutet.<br />

Zudem ist für die automatisierte Zwölfgangbox das prädiktive Schaltprogramm Scania Active<br />

Prediction zu bekommen. Die Setzgeschwindigkeit für den Tempomaten ist ab Werk im Eco-Modus<br />

auf 95 km/h eingestellt – das wird nicht jedem Fahrer schmecken. Das Cockpit bietet moderne Instrumente,<br />

einen zusätzlichen Monitor für die Van Hool-Aufbaufunktionen mit dem „i-Drive-Knopf“.<br />

Was sonst noch läuft<br />

Neben den etablierten Herstellern tummeln<br />

sich kleinere spanische Busbauer wie Ayats,<br />

Beulas (Foto oben) und Unvi (Foto unten)<br />

im Markt, allerdings mit homöopathischen<br />

Zulassungen der Modelle Bravo, Jewel beziehungsweise<br />

Sil Intercity. Geboten werden<br />

Längen zwischen 13 und 15 Metern, teilweise<br />

sogar als Zweiacher oder mit einer Höhe<br />

von mehr als vier Metern wie der Unvi, der<br />

auf der Busworld auf MAN-Chassis zu sehen<br />

war. Kompromise muss der Kunde nicht nur<br />

bei Technik und Imagefaktor eingehen –<br />

auch beim Service hapert‘s schon mal.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> e-Paper bus & <strong>coach</strong> 2<strong>01</strong>6


TITEL | Doppeldecker in der Übersicht [ 15 ]<br />

Van Hool Astromega – flexible Handwerksarbeit<br />

Zu ähnlicher Zeit wie Setra, nämlich 1982, stieg<br />

der belgische Hersteller Van Hool in den wachsenden<br />

Doppeldeckermarkt ein. Die Spezialität der<br />

Belgier: sie bieten für Europa zwei Längen und<br />

zwei Drivelines an: den DAF/MAN-Triebstrang mit<br />

Vollintegralbauweise auf der einen Seite, der immer<br />

noch den Löwenanteil der Lieferungen ausmacht,<br />

sowie eine „Body on Chassis“-Lösung mit<br />

einem Scania-Fahrwerk und -Motor. Mehr als 30<br />

Prozent werden allerdings vom 14 Meter langen<br />

Integralwagen TDX27 verkauft. Die 13-Meter-<br />

Variante spielt im Absatz dagegen kaum eine Rolle.<br />

Sicher auch ein Grund dafür, dass der Scania<br />

Van Hool Astromega ausschließlich in der langen<br />

Version mit bis zu 89 oder sogar 93 Sitzen zu<br />

bekommen ist (siehe <strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 7/2<strong>01</strong>5).<br />

Für den 13-Meter-Wagen bieten die Belgier sogar<br />

eine etwas moderatere Motorisierung mit 462<br />

PS/2.300 Newtonmeter statt 510 PS/2.500 Newtonmeter<br />

und zudem mit Mercedes-Sechsgang-<br />

Schaltgetriebe an. Als Schmankerl gibt es das<br />

automatische Allison-Wandlergetriebe (siehe <strong>lastauto</strong><br />

<strong>omnibus</strong> 6/2<strong>01</strong>6). Ein um rund einen Meter<br />

gekürzter Radstand wirkt sich auf den Wendekreis<br />

positiv aus, der Kofferraum für die bis zu 59 Passagiere<br />

schrumpft damit auf schmale 6,5 Kubikmeter,<br />

gegenüber den 7,2 Kubikmeter des großen<br />

Bruders. Die sprichwörtliche Flexibilität der Belgier<br />

ist der Trumpf der Busbauers. Zudem hat sich<br />

Van Hool über die Jahre den Ruf des handwerklich<br />

fokussierten Premiumherstellers par excellence<br />

erarbeitet und verteidigt diesen tapfer. So wird im<br />

Innenausbau noch viel mit Holz gearbeitet, zum<br />

Beispiel bei den kompletten Dachablagen, die<br />

oben sogar mit Klappen ausgestattet sind – eine<br />

Seltenheit im Markt. Zudem ist wie bei Setra ein<br />

durchgehendes Glasdach zu bekommen. Vieles<br />

wirkt wir aus dem Vollen gefräst – bis hin zum<br />

Edelstahl-Mülleimer im Treppenaufgang hinten.<br />

Freilich geht das teilweise zu Lasten des Leergewichtes.<br />

Van Hool will hier zeitnah nachlegen und<br />

bis zu 500 Kilogramm abspecken.<br />

Ein paar Abstriche muss der Kunde naturgemäß<br />

bei der Elektrik/Elektronik im Cockpit hinnehmen.<br />

Generell wirkt der Arbeitsplatz etwas altbacken,<br />

positiv muss aber immer wieder der Dreh-Drück-<br />

Steller à la BMW hervorgehoben werden, der direkten<br />

Zugriff auf die Aufbaufunktionen erlaubt.<br />

Ein Multifunktionslenkrad kann Van Hool bei der<br />

Integralversion als einziger Hersteller derzeit nicht<br />

bieten. Das Geräuschniveau des Busses ist gerade<br />

im Cockpit sehr niedrig, Knarzen und Klappern ist<br />

nicht das Handwerk des Belgiers. Die Antriebsachse<br />

aus kombinierter DANA/MAN-Fertigung ist<br />

nicht ganz so leise wie die des Scania-Fahrwerkes.<br />

Aber für eine Entscheidung hierzu werden<br />

1<br />

2<br />

wohl eher gesamtstrategische Überlegungen Ausschlag<br />

geben als die ein oder zwei Dezibel Singen<br />

des Differenzials. Vorbildlich wie eh und je zeigt<br />

sich der Begleiterplatz, der auch und gerade auf<br />

Betreiben der belgischen Busverbände immer<br />

stark im Fokus stand. Vom eigenen Medienmonitor<br />

bis zu beleuchteten Ablage ist alles da und<br />

hochwertig verarbeitet – so sollte es sein. Auch<br />

die Möglichkeit, die Küche über der Vorderachse<br />

hinter dem Begleiterplatz und toilettenfern zu<br />

platzieren ist eine sinnvolle belgische Tradition.<br />

Bei der Sicherheit zeigt sich, dass auch kleine<br />

Hersteller durchaus liefern können. Auf Wunsch<br />

gibt es neben den mittlerweile verbindlichen<br />

Helferlein auch Innovatives wie einen Aufmerksamkeitsassistenten<br />

oder eine Infrarotkamera zur<br />

besseren Nachtsicht. Geht nicht – gibt’s nicht.<br />

1 Geschlossene Gepäckablagen oben gibt es<br />

nur bei Van Hool. Bald soll es auch Kiel-<br />

Sitze zusätzlich zu den hauseigenen geben.<br />

2 Im Unterdeck lassen sich auch luxuriöse<br />

2+1-Bestuhlungen für echtes Lounge-<br />

Ambiente realisieren.<br />

WERTUNG<br />

Hohe Flexibilität mit zwei Längen und zwei<br />

Triebsträngen<br />

Hohe Verarbeitungsqualität<br />

Aufmerksamkeitsassistent und Infrarotkamera<br />

lieferbar.<br />

Etwas lauterer DAF-Triebstrang als Scania<br />

Design nicht ganz auf der Höhe der Zeit<br />

Kein Multifunktionslenkrad<br />

Stehende Pedale schlecht bedienbar<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> e-Paper bus & <strong>coach</strong> 2<strong>01</strong>6


[ 16 ] FAHRZEUGE | Mercedes Capa-City L<br />

STERNE-GROSS<br />

Vorstellung: Seit sechs Jahren bietet Mercedes mit dem Capa-City als einziger Hersteller einen<br />

vierachsigen Gelenkbus auf Citaro-Basis an. Jetzt wächst das Raumwunder weiter.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER<br />

FOTOS: THORSTEN WAGNER, DAIMLER<br />

Wenn ein deutscher Bushersteller zur<br />

Adventszeit die Presse aus aller Herren<br />

Länder an einen seiner wichtigsten<br />

Produktionsorte einlädt, dann hat er positive<br />

Nachrichten und neue Produkte im Gepäck –<br />

auch wenn es mehr um Fahrzeuge mit Rädern<br />

als schneetaugliche Kufen geht – um genau zu<br />

sein: mit zwölf Rädern an einer Karosse.<br />

Es geht um einen der wenigen Vierachser in<br />

der Buswelt. Andere süddeutsche Hersteller haben<br />

den Spagat zwischen Gelenkbus mit Zweiachs-Nachläufer<br />

und 15-Meter-Dreiachser auch<br />

probiert, sind aber nicht über den Prototypenstatus<br />

hinaus gekommen. Nicht so Mercedes: der<br />

Hersteller, der auf eine Geschichte von beinahe<br />

40 Jahren Schubgelenkbus-Erfahrung verweisen<br />

kann. 1977 erblickte in Mannheim der O 305 G<br />

das Licht der Straße.<br />

Als Erweiterung der aktuellen Citaro-Palette<br />

und als würdiger Nachfolger des ersten, bisher<br />

rund 350 Mal gebauten Capa-City schicken die<br />

Mannheimer ab 2<strong>01</strong>5 die neue Version des übergroßen<br />

Gelenkbusses ins Rennen um Unternehmers<br />

Gunst – als auf rund 21 Meter verlängerten<br />

Capa-City L.<br />

Der Trend weist immer deutlicher in Richtung<br />

Großraum-Fahrzeuge, erläutert Till Ober wörder,<br />

verantwortlich für Vertrieb und Marketing bei<br />

Daimler Buses, den neuerlichen Aufschlag in<br />

Sachen Beförderungskapazität. Nicht jedoch,<br />

ohne auf den Weihnachtsmarkt und die dort<br />

erworbenen Geschenkpakete anzuspielen.<br />

„Der Capa-City L ist die perfekte Lösung,<br />

um auf den Weihnachtsmarkt zu gelangen und<br />

Pakete mit nach Hause zu nehmen. Mehr Bus<br />

geht nicht!“, sagt er. Und so ist der lange Lulatsch<br />

auch der ideale Kandidat für die hierzulande<br />

noch wenig ausgeprägten „Bus Rapid Transit“-<br />

Strecken (BRT). Rund 250 Busse der ersten<br />

Capa-City-Generation laufen bereits erfolgreich<br />

auf solchen Linien in Istanbul und in Tokio<br />

schaut man sich das Konzept gerade etwas näher<br />

an – Olympia 2020 steht schließlich bevor.<br />

Die Hamburger Hochbahn, seit Jahrzehnten<br />

technischer Entwicklungspartner von Mercedes,<br />

testet nächstes Jahr gleich zwei Busse des<br />

Typs auf Linien, die teilweise nicht von Doppelgelenkbussen<br />

befahren werden können.<br />

Tatsächlich ist der Capa-City L – wie schon<br />

sein Vorgänger – der längste Mercedes-Stadtbus<br />

mit nur einem Gelenk in Europa. Und er ist mit<br />

21 Metern rund 1,5 Meter länger als das Vorgängermodell<br />

und stolze 2,9 Meter länger als ein Citaro<br />

G, der sich 2<strong>01</strong>3 ganze 900 Mal verkauft hat.<br />

Die Verlängerung des Busses findet zu gleichen<br />

Anteilen am Vorder- und Hinterwagen<br />

statt. Der Wendekreis erhöht sich dadurch auf<br />

rund 24,5 Meter bei gleichem vorderen Radstand.<br />

Geschrumpft sind dagegen die minimale Ringbreite<br />

(7,1 Meter) und das Ausschwenkmaß des<br />

Hecks (1,49 Meter), was der ausgefeilten Technik<br />

zuzuschreiben ist. Eine Ausnahmegenehmigung<br />

wird daher nurmehr für die Überlänge benötigt.<br />

Durch die vierte Achse ist die Gewichtsverteilung<br />

des rund 20 Tonnen schweren Busses harmonisch,<br />

was man von Gelenkbussen in der Vergangenheit<br />

nicht immer sagen konnte. Das Gerippe<br />

wurde entsprechend den höheren Belastungen<br />

verstärkt und erfüllt wie alle aktuellen Citaro die<br />

neue Umsturzrichtlinie ECE R 66.02.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 1-2/2<strong>01</strong>5


Der ergonomisch perfekte Arbeitsplatz ist gegenüber dem Vorgängermodell leicht erhöht.<br />

Die neue Elektronik ist an den modularen und<br />

tauschbaren Schalterblöcken gut zu erkennen.<br />

In der Serienversion kann der neue Tatzelwurm<br />

aus Mannheim statt bisher 186 jetzt 191<br />

Personen befördern. Dies allerdings bei Berechnung<br />

nach der optimistischen, gesetzlichen Formel<br />

von acht Personen pro Quadratmeter Stehfläche.<br />

Bei einer laut Mercedes realistischen<br />

Belegung von sechs Personen pro Quadratmeter<br />

sind es jedoch nur rund 165 Personen – wie<br />

auch bei der Konfiguration für den Hamburger<br />

Testbus. Immer noch eine beachtliche Leistung<br />

und fürwahr nicht die einzige.<br />

Ein neues Kapitel schlägt Daimler auch in<br />

Sachen Türen auf. Erstmals sind fünf Türen in<br />

einem Mercedes-Gelenkbus verfügbar – und<br />

das in großem Variantenreichtum: mal Innenschwenk-,<br />

mal Außenschwenk-Schiebetüren<br />

oder eine Kombination aus beidem, pneumatisch<br />

oder elektrisch. Da macht sich die Qual der<br />

Wahl breit und man stellt sich zugleich die bange<br />

Frage nach der Länge der Bushaltestellen. Nicht<br />

jede Stadt kann fünf Türen auch wirklich nutzen.<br />

Viel Entwicklungsarbeit steckt in Fahrwerk<br />

und Gelenk. Der Capa-City L ist wie seine<br />

kleinen Brüder der „G-Klasse“ mit der neuen,<br />

elektronischen Knickwinkelsteuerung ATC ausgerüstet,<br />

die im Gelenkbus sozusagen die Rolle<br />

des ESP übernehmen muss und mit der neu-<br />

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Wir sorgen für die Sicherheit.<br />

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[ 18 ] FAHRZEUGE | Mercedes Capa-City L<br />

en Elektronikarchitektur E2B Einzug hält. Die<br />

Standard-Schleuderbremse ESP kann derzeit im<br />

Gelenkbus noch nicht umgesetzt werden. Es gibt<br />

schlichtweg zu viele Parameter, die berücksichtigt<br />

werden müssten.<br />

Mercedes-Benz Capa-City L<br />

MOTOR<br />

Reihensechszylinder OM 470 stehend eingebaut,<br />

Common-Rail-Einspritzung, AGR, SCR, DPF, Euro 6,<br />

Leistung: 265 kW (360 PS)/290 kW (394 PS),<br />

max. Drehmoment 1.700/1.900 Nm<br />

KRAFTÜBERTRAGUNG<br />

Getriebe: ZF Ecolife / Voith DIWA.6<br />

FAHRWERK<br />

Gelenk Hübner HNGK 19,5, max. Einschlagwinkel<br />

54,5°; elektronische Knickwinkelsteuerung<br />

ATC<br />

Vorderachse Einzelradaufhängung ZF RL 75 EC<br />

Nachlaufachse Einzelradaufhängung ZF RL 75 EC mit<br />

elektrohydraulischer Lenkung ASA<br />

Federung/ elektronisch gesteuert; optional: Wank-/<br />

Dämpfung Nickregelung ENR<br />

ABMESSUNGEN UND GEWICHTE<br />

Länge/Breite/Höhe 20.995/2.550/3.120 mm<br />

Länge Vorder-/Hinterwagen 11.140/9.855 mm<br />

Zul. Gesamtgewicht 32.000 kg<br />

Zahl der Türen<br />

3, 4 oder 5 Innenschwenk-/<br />

Außenschwenkschiebetüren<br />

(Luft bzw. Elektro)<br />

Radstand 1/2/3<br />

5.900/7.260/1.600 mm<br />

Wendekreis/min. Ringbreite 22.470/7.100 mm<br />

Ausschwenkmaß Heck 1.490 mm<br />

Im hochwertigen und freundlichen Innenraum<br />

kommen maximal 191 Fahrgäste unter.<br />

Das elektrohydraulische System arbeitet blitzschnell<br />

und bedarfsgerecht. Über den CAN-Bus<br />

des Fahrzeugs werden die nötigen Parameter<br />

wie Lenkwinkel, Knickwinkel (max. 54,5 Grad),<br />

Geschwindigkeit und Last eingesteuert, um den<br />

nötigen Dämpfungsgrad zu errechnen. Da die<br />

bisherige, unspezifische Grunddämpfung des<br />

Gelenks so entfällt, verspricht Daimler besseres<br />

Einlenkverhalten und geringeren Reifenverschleiß<br />

an der Vorderachse.<br />

Clevere Lösungen bietet auch die vierte, jetzt<br />

einzelradaufgehängte Nachlaufachse mit neuer<br />

elektronischer Steuerung. Gezielte Neutralstellung<br />

oder Sperrung sorgen für ein verringertes<br />

Ausschwenkmaß und selteneren Bordsteinkontakt<br />

an der Haltestelle. Die Traktion lässt sich zudem<br />

durch zeitweise Entlastung der Achse erhöhen,<br />

sollte es mal zu verschneit sein auf dem<br />

Weg zum Weihnachtsmarkt.<br />

Weitere Sicherheitsmerkmale an Bord sind das<br />

vordere Crashelement sowie die Reifendruckkontrolle<br />

für alle zwölf Räder. Für den standesgemäßen<br />

Antrieb des Riesen sorgt der OM470-<br />

Reihensechszylinder, der stehend montiert ist<br />

und wahlweise 265 beziehungsweise 290 kW und<br />

1.700 beziehungsweise 1.900 Newtonmeter an<br />

Drehmoment mobilisiert. Gepaart sind die Aggregate<br />

aus dem Daimler-Baukasten mit Voith-<br />

Viergang- oder ZF-Sechsgang-Automatik.<br />

Dank der Common-Rail-Einspritzung sind<br />

die neuen Euro-6-Motoren leiser und auch sparsamer<br />

geworden. Viele Tests haben das schon<br />

bewiesen. In der immer wichtigeren Disziplin<br />

des CO 2 -Ausstoßes pro Fahrgast und Kilometer<br />

bewegte sich der Vorgänger im Test 2009 noch<br />

leicht über 10 beziehungsweise 20 Gramm (volle/halbe<br />

Auslastung, Durchschnittsverbrauch<br />

von 74,8 l/100 km). Der Euro-6-Gelenkbus<br />

hat diese bereits leicht unterschritten (<strong>lastauto</strong><br />

<strong>omnibus</strong> 8/2<strong>01</strong>4) und das ist dem Capa-City L<br />

Euro-6-Power pur mit langen Serviceintervallen<br />

werkelt im Heck des Busses.<br />

ebenfalls zuzutrauen. Doch wie formuliert Projektleiter<br />

Gustav Tuschen? „Größe alleine genügt<br />

nicht, das Fahrzeug muss sich auch rechnen.“<br />

Deshalb ist im Capa-City L alles auf Synergien<br />

ausgelegt. Es werden großenteils Gleichteile<br />

zum Citaro G verbaut. Das hilft spürbar,<br />

bei Wartung und Reparaturen zu sparen und<br />

die TCO-Kosten zu senken. Daimler spricht von<br />

18 Prozent weniger Wartungskosten. Das ist<br />

eine Währung, in der ÖPNV-Unternehmen gerne<br />

rechnen, auch in der Adventszeit.<br />

Und Betreiber, denen der Capa-City L doch<br />

etwas zu üppig ausgefallen ist, müssen nur ein<br />

wenig länger warten. Dann spendiert Daimler<br />

auch wieder eine Kurzversion des längsten<br />

Mercedes aller Zeiten. Diese wird auch<br />

rund 20 Zentimeter auf 19,7 Meter zulegen. Geschenkt<br />

wird es allerdings auch diese Version leider<br />

kaum geben – trotz Weihnachten. ◼<br />

SITZ-/STEHPLÄTZE<br />

Sitz-/Stehplätze (Testwagen) 43/122<br />

max. Kapazität (8 Pers./qm) 191<br />

Dank aufwendiger Elektroniksysteme verfügt der lange Vierachser über gute Fahreigenschaften.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 1-2/2<strong>01</strong>5


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Mercedes-Benz seiner Zeit immer voraus – seit nunmehr 129 Jahren. Diesen Fortschrittsgeist<br />

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[ 20 ] FAHRZEUGE | Setra Multi-Class LE business<br />

STUFEN-LÖSUNG<br />

Vorstellung: Mit dem Setra LE business fährt ein solider Vertreter der<br />

Baureihe 400 vor, der sich ganz bewusst vom Mercedes-Pendant absetzt.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER<br />

FOTOS: THORSTEN WAGNER, DAIMLER<br />

Weniger ist in vielen Fällen oftmals mehr.“<br />

Einen so bescheidenen Satz vermutet<br />

man nicht von einem Produktmanager<br />

der Premiummarke Setra. Doch wie in jedem<br />

Produktprogramm gibt es auch dort ein paar<br />

Kandidaten, die etwas länger im Produktlebenszyklus<br />

durchhalten müssen als andere.<br />

So ist es auch im Falle der Setra-Überlandbaureihe<br />

Multi-Class 400, die im Namen den<br />

Zusatz „business“ trägt und die Ende 2<strong>01</strong>3 mit<br />

den Hochbodenmodellen namens UL gestartet<br />

ist. „Der Trend zum Low-Entry-Konzept im<br />

Überlandsegment hält an“, erläutert Thomas<br />

Fricke, Projektleiter für die Baureihe bei Setra.<br />

Nach sieben Jahren hat der Hersteller bereits<br />

mehr als 5.000 Einheiten der Multi-Class 400<br />

abgesetzt. Kein Wunder, dass man sich nun Zeit<br />

lässt in Ulm und dem höherwertig positionierten<br />

und eingepreisten Mercedes Citaro LE eine<br />

preiswerte Alternative an die Seite stellt. Auf die<br />

bisherige Vollniederflur-Variante NF verzichtet<br />

Setra dagegen ganz.<br />

Das Wort „business“ im Modellnamen ist<br />

durchaus als Gegensatz zum gleichlautenden<br />

Begriff im Flugzeug zu deuten – in diesen Fahrzeugen<br />

geht es sachlich, effizient und zuweilen<br />

ein wenig derb zur Sache.<br />

Nicht dass das bekannte 400er-Gesicht ein<br />

hässliches wäre – von wegen! Es strahlt das<br />

bekannte Setra Longlife-Designthema aus. So<br />

mancher eingefleischte Kunde, dem die stilistische<br />

Dynamik der 500er-Baureihe zu weit geht,<br />

mag sogar beglückt sein, sich noch eine Weile<br />

an dem bekannten Design erfreuen zu können.<br />

Weniger schmeichlerisch sind dagegen die<br />

archaisch anmutenden Außenspiegel an simplen<br />

Rohrgestellen, die ihren Zweck erfüllen – mehr<br />

aber auch nicht. Im konzeptbedingt kathedralenartig<br />

hohen Innenraum von über 2,6 Metern<br />

vorne findet sich der Fahrgast auf Anhieb gut<br />

zurecht, auch die durchsichtigen Gepäckablagen<br />

aus Plastik sind noch gut erreichbar. Eben-<br />

Linientreu: Die ansteigende Fensterlinie des<br />

Busses wird geschickt optisch kaschiert.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 1-2/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Setra Multi-Class LE business [ 21 ]<br />

so wie die Haltestangen, deren Elemente teilweise<br />

jedoch unschön und scharfkantig ineinander<br />

gesteckt sind. Auch die groben Schraubenköpfe<br />

an den Sitzgestellen oder auf der Abdeckung<br />

des sehr nüchternen Armaturenträgers wirken<br />

nicht eben wie ein Ausweis der Premiummarke.<br />

Antrieb und Fahrwerk des Arbeitstieres von Setra<br />

sind dagegen vom Feinsten. Selbstverständlich<br />

werkelt unter den neu gestalteten Radkästen,<br />

die in Klasse 2 serienmäßig eine vollwertige<br />

100-Prozent-Bereifung beherbergen, die ZF-<br />

Einzelradaufhängung. Im Vorführwagen ist<br />

sie zwar etwas straff, aber durchaus komfor tabel<br />

abgestimmt. Die hintere, unaufwendige Hypoidachse,<br />

die ja zum großen Teil den Charme eines<br />

Low-Entry-Triebstranges ausmacht, arbeitet sehr<br />

leise und unauffällig.<br />

Motorisiert ist der Setra mehr als ausreichend<br />

mit dem stehenden OM 936, der in Euro 6 sowohl<br />

mit 354 als auch 299 PS angeboten wird<br />

und der in seiner stärkeren Variante auf der Testrunde<br />

über die Schwäbische Alb einen quirligen<br />

Eindruck hinterließ. Besonders die Paarung mit<br />

dem ZF-Ecolife-Sechsgang-Getriebe weiß zu gefallen<br />

– beide ergänzen einander nahezu perfekt.<br />

Alternativ sind sowohl das DIWA.6- Getriebe<br />

von Voith, für den Sparfuchs ein preiswerter<br />

Sechsgang-Handschalter und sogar die luxuriöse<br />

Powershift-8-Box zu bekommen.<br />

Auch bei Sicherheit und Barrierefreiheit<br />

hört die Rationalität nicht auf. ESP und Reifendruckkontrolle<br />

sind optional zu haben, die<br />

neue Überrollrichtlinie wird schon erfüllt. Die<br />

1.150 Millimeter breite Tür zwei ist bereits für<br />

eine Rollstuhlrampe geeignet. Sie kann aber im<br />

Vom Reisebus abgeleitet, gibt sich das Cockpit übersichtlich, aber etwas grobschlächtig.<br />

Gegensatz zur ebenso breiten Tür eins auch gegen<br />

eine doppelt breite Version getauscht werden.<br />

Der Innenraum lässt sich sehr variabel mit bis<br />

zu drei Rollstuhlplätzen ausstatten. Voll bestuhlt<br />

kommen im S 415 LE 49 Fahrgäste sitzend unter.<br />

Beim längeren 416er sind es 53 Personen, jeweils<br />

vier mehr als im Serien-Citaro LE Ü/MÜ.<br />

Konzeptbedingt ist die Auswahl an Optionen<br />

eingeschränkt auf ausschreibungsrelevante<br />

Features – teurer Schnickschnack ist weitgehend<br />

ausgeschlossen. Fazit von Projektleiter<br />

Fricke: „Preis und Leistung stimmen hier zu<br />

100 Prozent.“ Seltene Töne von Setra – so ganz<br />

ohne Glanz und Glamour.<br />

◼<br />

Bruder Mannheims<br />

1<br />

2<br />

1 Kathedrale: Die immense Stehhöhe von<br />

über 2,6 Metern im Vorderwagen lässt<br />

viel Platz für geräumige Gepäckablagen.<br />

Zwei verschiedene, hauseigene Sitztypen<br />

sind lieferbar.<br />

2 Mitgedacht: Bei Zulassung in Klasse 2<br />

werden aus drei Stufen à 15 Zentimeter<br />

zwei Stufen à 22 Zentimeter, um das<br />

angehobene Heck zu erreichen.<br />

Ohne großes Tamtam wurde der Citaro LE<br />

der neuen C2-Generation, der jetzt auch<br />

als dreitürige MÜ-Version in der Länge von<br />

13,19 Metern zu bekommen ist, auf der<br />

MOT 2<strong>01</strong>4 vorgestellt. Der erhöhte Hinterwagen<br />

wird im Gegensatz zum Setra mit<br />

einer teilweisen Dacherhöhung um 310 Millimeter<br />

realisiert. Der Wagen profitiert von<br />

allen technischen Neuerungen des aktuellen<br />

Citaro wie dem hochmodernen VDV-Armaturenträger,<br />

dem erhöhten Fahrerplatz,<br />

Crashelementen im Aufprallbereich sowie<br />

der neuen Elektronikstruktur B2E. Im Gegensatz<br />

zum Setra lässt sich der Mercedes auch<br />

mit einer doppelt breiten Tür eins bestellen.<br />

Antriebsseitig bietet die Serie das 299-PS-<br />

Aggregat mit Voith-Getriebe. Ansonsten<br />

kann der Citaro mit allem ausgestattet werden,<br />

was gut und teuer ist im Mercedes-<br />

Programm, was sich aber auch in einem<br />

etwas höheren Preis niederschlägt.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 1-2/2<strong>01</strong>5


[ 22 ] FAHRZEUGE | Futura FMD2-129<br />

Die Mitte ist seit jeher kein schlechter Platz,<br />

um sich massentauglich im Markt zu<br />

positionieren. Sowohl Wahlkämpfer als<br />

auch Marketingstrategen wissen davon zu berichten<br />

– und haben damit mal mehr und mal<br />

weniger Erfolg beim Publikum.<br />

Auch Mitteldecker, also die niedrigere Variante<br />

der bekannten Hochdecker, haben gerade Konjunktur.<br />

Setra stellte unlängst die hochwertigen<br />

MD-Varianten der Comfort-Class vor und am<br />

anderen Ende des Preisspektrums will Van Hool<br />

die in Mazedonien produzierte preiswerte EX-<br />

Baureihe zum Kampfpreis in den Ring schicken.<br />

Nur da dreht schon einer flott seine Runden,<br />

der den Trend gewissermaßen vorweggenommen<br />

hat und sich derweil über mangelnden Erfolg<br />

nicht beschweren kann: der FMD der neuen<br />

Futura-Baureihe von VDL, der vom Reisebusbaukasten<br />

des FHD abgeleitet ist. Schon oft hat<br />

sich dieses Vorgehen als Erfolgsrezept erwiesen.<br />

Seit der Euro-6-Einführung Anfang 2<strong>01</strong>4 setzten<br />

die Niederländer, deren Hauptaugenmerk<br />

zumeist auf Effizienz und Leichtbau liegt, bereits<br />

mehr als 160 Busse der Baureihe ab, davon<br />

allein 43 des später gestarteten FMD2. Dabei<br />

ist nach den Worten von VDL-Marketing-<br />

Mann Wim Chatrou seit geraumer Zeit ver<strong>lastauto</strong><br />

<strong>omnibus</strong> 1-2/2<strong>01</strong>5


GOLDENE MITTE<br />

Test: Mitteldecker kommen in Mode - VDL hat mit dem Futura FMD2-<br />

129 einen der ersten ins Rennen geschickt. Und der bricht Rekorde.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER | FOTOS: JACEK BILSKI,<br />

THORSTEN WAGNER, VDL<br />

stärkt ein Trend zu beobachten: weg vom<br />

Hochdecker und hin zum 13-Meter-Zweiachser.<br />

Ein leichtes für VDL, hat man doch das<br />

Gewicht traditionell gut im Griff.<br />

13,6 Tonnen Leergewicht können sich durchaus<br />

sehen lassen für den langen Zweiachser, dessen<br />

Aufpreis von rund 5.000 Euro auf den kurzen<br />

Bruder eine gute Investition ist. Durch den um<br />

mehr als 70 Zentimeter verlängerten Radstand<br />

schluckt der Kofferraum zwischen den Achsen<br />

stolze zwei Kubikmeter mehr als der des<br />

FMD2-122. Der Wendekreis des Futura erhöht<br />

sich zwar um rund eineinhalb Meter, was sich<br />

im Testbetrieb zu keinem Zeitpunkt als Manko<br />

herausstellt.<br />

Hier machen sich vor allem die Reisebusgene<br />

des FMD2 bemerkbar, so wie auch bei Fahrverhalten<br />

und -komfort. Zwar ist die Vorderachse<br />

aus dem Hause ZF etwas straff abgestimmt und<br />

ein leises Poltern kann sie sich hie und da nicht<br />

verkneifen, insgesamt darf man dem niedrigen<br />

Futura aber einen hohen Fahrkomfort bescheinigen.<br />

Lediglich der Lenkung, hier in der einfachen<br />

Version ohne geschwindigkeitsabhängige Servounterstützung,<br />

fehlt es etwas an verbindlicher<br />

Rückmeldung um die Mittellage. VDL-typisch<br />

verzichtet der Hersteller auf teure Gimmicks.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 1-2/2<strong>01</strong>5


[ 24 ] FAHRZEUGE | VDL Futura FMD2-129<br />

Datenblatt VDL Futura FMD2 129-370<br />

MOTOR<br />

Wassergekühlter Reihensechszylinder-Dieselmotor DAF MX 11-270,<br />

stehend eingebaut. Einstufiger VTG-Abgasturbolader und<br />

Ladeluftkühlung, elektronisch gesteuerte Direkteinspritzung per<br />

Common Rail mit 2.500 bar Druck, gekühlte Abgasrückführung und<br />

SCR-Technik mit Adblue-Zusatz. Vier Ventile pro Zylinder, Abgasstandard<br />

Euro 6, Trockengewicht ca. 1.025 kg.<br />

Bohrung/Hub<br />

123/152 mm<br />

Hubraum<br />

10.800 cm³<br />

Verdichtung 17,5 : 1<br />

Leistung<br />

271 kW (369 PS) bei 1.650/min<br />

Maximales Drehmoment 1.600 Nm bei 1.000–1.450/min<br />

KRAFTÜBERTRAGUNG<br />

Kupplung: Einscheiben-Trockenkupplung, Durchmesser 430 mm.<br />

Getriebe: Automatisiertes 12-Gang-Schaltgetriebe ZF AS-Tronic mit<br />

Easy-Start-Bremse und Intarder 3.<br />

ÜBERSETZUNGEN<br />

1. Gang 12,33 bis 12. Gang 0,78<br />

R.-Gang 11,41<br />

Achsübersetzung i = 2,93 (alt. 3,23/4,27 getriebeabhängig)<br />

FAHRWERK<br />

Vorne Einzelradaufhängung an Achse ZF RL 75 E. 2 Luftfederbälge,<br />

2 Stoßdämpfer (Koni), Stabilisator, max. Radeinschlag innen 60 Grad.<br />

Hinten starre Antriebsachse ZF A 132, Längslenker, aufgelöster<br />

Dreieckslenker, 4 Luftfederbälge, 4 Stoßdämpfer, Stabilisator.<br />

Reifengröße 295/80 R 22,5. Elektronisch geregelte Luftfederung.<br />

BREMSEN/SICHERHEIT<br />

Elektronisch geregelte pneumatische Zweikreis-Bremsanlage,<br />

innenbelüftete Scheibenbremsen rundum, ABS, ASR, Bremsassistent,<br />

ESP (Serie), ACC und LGS (Optional, nicht im Testwagen verbaut);<br />

ECE R 66.02 (Serie ab Modelljahr 2<strong>01</strong>5). Xenon-Schweinwerfer und<br />

Abbiegelicht (mittels Nebellampen, beides optional).<br />

LENKUNG<br />

Hydraulische Lenkung ZF Servocom 8098 mit variabler Übersetzung<br />

(22,2–26,2), Lenksäule in Höhe und Neigung pneumatisch<br />

verstellbar, Multifunktionslenkrad.<br />

ELEKTRIK/MULTIMEDIA<br />

Spannung 24 Volt, zwei Drehstromgeneratoren à 110 A, zwei<br />

Batterien 12 V/230 Ah, Multiplexelektrik mit Knotenpunkten in<br />

Schaltkästen stehend vor der Hinterachse, Flottenmanagement<br />

Schnittstelle FMS 3.0, Radio Bosch CR24 (Fahrer) und CAD12<br />

(Kabine) mit Mini-USB und AUX-Eingängen, 18 Lautsprecher in<br />

Fahrgastabteil.<br />

HEIZUNG/LÜFTUNG/KLIMA<br />

Vollautomatisch geregelte Aufdach-Klimaanlage Denso mit<br />

integrierter Dachheizung, Kälteleistung 30 kW, Heizleistung 34 kW.<br />

Lufteintritt über Dachkanäle mit Ausströmern über den Gepäckablagen,<br />

verstellbare Düsenbelüftung. Separate Fahrerplatzklimatisierung,<br />

Kälteleistung 6,0 kW, Heizleistung 12 kW. Gebläseheizung mit vier<br />

unterflur montierten Heizgeräten für Fahrgastraum, Heizleistung je<br />

12 kW, zusammen 48 kW, Standheizung Spheros, Leistung 30 kW.<br />

Gesamt-Luftdurchsatz 4800 m 3 /h.<br />

ABMESSUNGEN UND GEWICHTE<br />

Wendekreis<br />

22.096 mm<br />

Leergewicht/Testgewicht 13.520/17.865 kg<br />

Zul./techn. Gesamtgewicht 18.000/19.100 kg<br />

Gepäckraum mit/ohne Toilette 8,1/9,1 m³<br />

Volumen Kraftstofftank 330+330 l (2. Tank optional, dann<br />

beidseitig betankbar)<br />

Volumen Adblue-Tank 50 l<br />

DIE MESSWERTE<br />

Etappe 1<br />

Etappe 2<br />

Etappe 3<br />

Etappe 4<br />

Etappe 5<br />

Etappe 6<br />

Gesamte Strecke<br />

FAHRGASTPLÄTZE<br />

Sitzplätze (drei Sterne)<br />

Rundstrecke Solitude<br />

Gemischt<br />

Solitude – Bad Liebenzell<br />

B 295/B 296/B 463, gemischt<br />

Hirsau – Neuhengstett*<br />

Bergstrecke<br />

Neuhengstett – Solitude<br />

Landstraße/B 295/Landstraße<br />

Sindelfingen – Horb<br />

Autobahn A 8/A 81, mittel<br />

Horb – Solitude**<br />

Autobahn A 81/A8, leicht<br />

55 + 1 + 1 (1 Rollstuhlplatz bei vier<br />

herausnehmbaren Sitzen)<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

CO 2<br />

/ g/Personenkilometer***<br />

Verbrauch Adblue<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

12,1<br />

31,3<br />

50,5<br />

33,0<br />

29,8<br />

51,8<br />

3,6<br />

88,6<br />

49,6<br />

24,8<br />

25,7<br />

56,5<br />

65,3<br />

21,4<br />

87,8<br />

51,5<br />

17,6<br />

88,7<br />

190,3<br />

23,4<br />

10,8/22,0<br />

ca. 1l<br />

70,3<br />

INNENGERÄUSCHE<br />

vorn Mitte hinten<br />

80/100 km/h, dB(A) 65/67 64/68,5 63,5/65<br />

BETRIEBSKOSTEN<br />

Kaufpreis Euro 255.000<br />

Feste Kosten pro Jahr Euro 76.273<br />

Feste Kosten pro km Cent 76,27<br />

Variable Kosten pro km Cent 46,33<br />

Gesamtkosten pro km Cent 122,60<br />

Parameter für die Dekra-Betriebskostenberechnung: Haftpflicht und Kasko 100 Prozent, jährliche Laufleistung<br />

100.000 km, Nutzungsdauer 60 Monate<br />

*Abweichung wegen Sperrung Bergstrecke Bad-Liebenzell-Unterhaugstett<br />

** Stop and go ab Böblingen bis AB Leonberg nicht berechnet<br />

*** volle/halbe Auslastung inkl. Fahrer/Begleiter bei 55 Sitzen<br />

Wetterbedingungen: trocken und windstill, ca. 17° C, Klimaanlage 22° C<br />

A<br />

C<br />

ABMESSUNGEN<br />

A Länge/Breite<br />

12.875/2.550 mm<br />

Höhe<br />

3.500 mm<br />

B Radstand<br />

6.830 mm<br />

C Überhang vorn/hinten 2.705/3.340 mm<br />

D Stehhöhe<br />

1.940 mm<br />

E Einstiegshöhe vorn/hinten 342/368 mm<br />

F Fußbodenhöhe 1.230 mm<br />

E<br />

A B<br />

D<br />

F<br />

WERTUNG<br />

Äußerst günstiger Verbrauch, gefälliges<br />

Design, gute Stehhöhe, sicheres Fahrwerk,<br />

geringe Windgeräusche und viele Ablagen im<br />

Cockpit, günstiger Preis, gute Detaillösungen,<br />

sauber abgestimmtes Getriebe.<br />

Kein Heckeinstieg verfügbar, Motor etwas<br />

schwach für schweren Einsatz, einfache<br />

Heizungselemente, bisher kein Notbremsassistent<br />

lieferbar, etwas stoßige Vorderachse,<br />

relativ einfach gehaltene Innenausstattung.<br />

PREIS<br />

Testwagen<br />

255.000 Euro<br />

C<br />

E<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 1-2/2<strong>01</strong>5


1<br />

Weder adaptive Dämpfer noch eine hydraulisch<br />

gelenkte dritte Achse lassen sich ordern. Dafür<br />

sollen kurzfristig Abstandsradar und Spurhalteassistent<br />

zu bekommen sein. Erste Fahrzeuge<br />

befinden sich in Erprobung. Ab Modelljahr<br />

2<br />

4<br />

3<br />

1 Viele sekundäre Funktionen sind in den<br />

Lenkradtasten untergebracht, nicht aber ...<br />

2 ... die Menütasten, die ungünstig neben<br />

dem großen Ablagefach platziert sind.<br />

3 Klasse Außenspiegel und weit nach hinten<br />

reichende A-Säulen sorgen für beste Sicht.<br />

4 Weil das schmale Ablagefach direkt links<br />

neben dem Sitz schlecht erreichbar ist,<br />

freut sich der Fahrer über die neue Konsole<br />

mit Flaschenhalter rechts davon.<br />

2<strong>01</strong>5 kommen zudem alle neuen Futura mit Zertifizierung<br />

nach ECE R66.02 (Überrollstabilität).<br />

Später soll sich der Notbremsassistent dazugesellen.<br />

Komfort steigernd ist das geringe Geräuschniveau<br />

sowohl im Cockpit als auch im<br />

Fahrgastabteil. Tolle Leistung – das ist Oberklasseniveau!<br />

Doch entsprechen auch die Fahrleistungen<br />

solch hohen Ansprüchen? Der neue Euro-<br />

6-Sechszyliner MX11 von Paccar bringt 369 PS<br />

und 1.600 Newtonmeter souverän auf die Straße.<br />

Serienausrüstung ist zwar die schwächere<br />

Variante mit 330 PS und 1.400 Newtonmeter maximalem<br />

Drehmoment. Die sollte man aber mit<br />

dem langen Wagen tunlichst nicht kombinieren.<br />

Eine sehr gute Kombination dagegen ist die<br />

mit der AS-Tronic von ZF. Deren Abstimmung<br />

und Bedienung wurde verfeinert. Flott und<br />

kaum spürbar wechseln die Gänge. Nur am kurvenreichen<br />

Anstieg an der berüchtigten Solitude-<br />

Rennstrecke bei Stuttgart haben Motor und Ge-<br />

1 Mehr als 30 Zentimeter hoch öffnen<br />

die Gepäckfächer für die Fahrgäste.<br />

2 Manche Details sind eher einfach, aber<br />

funktional gehalten. Etwa die Servicesets.<br />

3 Der ebene Fußboden lässt Platz für bis zu<br />

fünf Rollstühle. Die Stehhöhe ist etwas<br />

größer als beim Reisebus-Hochdecker FHD.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 1-2/2<strong>01</strong>5


[ 26 ] FAHRZEUGE | VDL Futura FMD2-129<br />

triebe ihre liebe Not, gegen die anspruchsvolle<br />

Topografie zu punkten. Da hilft nur der manuelle<br />

Getriebemodus. Eine Alpentour wird man<br />

also mit dieser Antriebskombination kaum wagen<br />

wollen.<br />

Unschlagbarer Vorteil des 10,8-Liter-Aggregates<br />

ist dagegen seine Knauserigkeit. Damit lassen<br />

sich Werte einfahren, die man ausnahmsweise<br />

mit dem Begriff „phänomenal“ bewerten muss.<br />

23,4 Liter Diesel auf 100 Kilometer sind ein Bestwert<br />

für die harte Teststrecke von <strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong>.<br />

Auf der Autobahn 81 pegelte sich der Verbrauch<br />

sogar deutlich unter 20 Litern ein.<br />

Zudem musste der VDL noch die Standard-<br />

Überlandrunde absolvieren. Denn auch als klassischer<br />

Doppelverdiener bietet sich der Mitteldecker<br />

durchaus an. Das Gesamtergebnis von<br />

1<br />

1 Der Aufstieg: klappt: tolle Idee,<br />

einfach umgesetzt.<br />

2 Mit Zusatztank ist der Bus<br />

von beiden Seiten betankbar.<br />

3 Sauber eingepasstes Elektronikfach<br />

und preiswerte<br />

Radiallüfter für die Heizung.<br />

4 Tiefstapler: Zur vollen Zugänglichkeit<br />

zum Motor muss die<br />

Stoßstange vorher abmontiert<br />

werden.<br />

31,7 Litern im Durchschnitt liegt ebenfalls mehrere<br />

Liter unter den Testergebnissen vergleichbarer<br />

Fahrzeuge. Neben dem geringen Fahrzeuggewicht<br />

dürfte auch die verbesserte Aerodynamik<br />

verantwortlich für diese Rekordwerte sein.<br />

Auch das Cockpit des Futura offeriert handfeste<br />

Vorteile. Dort findet der Fahrer viele Ablagen<br />

und ein griffiges Multifunktionslenkrad vor.<br />

Auch die Sicht über die großen Außenspiegel ist<br />

hervorragend. Schlechter geht es da schon dem<br />

Begleiter, dessen abnehmbarer Sitz etwas zu tief<br />

platziert ist und der wiederum einen Mangel an<br />

Ablagefächern in Reichweite, auf denen er eine<br />

Kladde oder den Laptop ablegen könnte, beklagt.<br />

Aber etwas Potenzial für weitere Verbesserung<br />

darf auch ein Vertreter der Goldenen Mitte<br />

bieten, der dann doch eher als „Everybody’s<br />

Darling“ denn als Premiumdampfer punktet.◼<br />

5 Der 13-Meter-Zweiachser<br />

bietet wegen des satten Radstands<br />

ganze zwei Kubikmeter<br />

mehr Platz im 84 Zentimeter<br />

hohen Kofferraum als der<br />

zwölf Meter lange Wagen.<br />

6 Die markante Rückansicht erinnert<br />

nicht von ungefähr an<br />

den verblichenen Bova Magiq,<br />

der aber für viele aktuelle<br />

Technikdetails Pate stand.<br />

Rekordverdächtig<br />

Als Schluckspechte<br />

waren Busse von<br />

VDL ja noch nie<br />

verschrien, aber<br />

dieser Mitteldecker,<br />

der als Doppelver-<br />

Thorsten Wagner,<br />

Testredakteur<br />

diener genauso<br />

gut einzusetzen ist<br />

wie als vollwertiger<br />

Reisebus auf weniger<br />

anspruchsvollem<br />

Terrain, hat unter Beweis gestellt, dass<br />

er das Zeug zum Verbrauchsrekord hat. Mit<br />

330-Liter-Zusatztank muss der FMD2 erst<br />

nach sage und schreibe 2.800 Kilometern<br />

zur Tankstelle. Daraus resultieren zudem nur<br />

rund zehn Gramm CO 2 pro Personenkilometer<br />

– sonst ein klassischer Doppeldecker-<br />

Wert. Lob verdient zudem die Möglichkeit<br />

bei VDL, fast jedem Bus mehrere Rollstuhlplätze<br />

einzubauen. Das kann immer noch<br />

nicht jeder Hersteller. Und die Preislage des<br />

in Mitteleuropa produzierten Wagens dürfte<br />

so manchem Sparfuchs als finales Argument<br />

zur Unterschrift dienen.<br />

2<br />

3<br />

5<br />

4<br />

6<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 1-2/2<strong>01</strong>5


[ 28 ] FAHHRZEUGE | Temsa LD 13<br />

NEUER ANLAUF<br />

Fahrbericht: Der türkische Hersteller Temsa zeigt mit dem LD 13 einen flexiblen Überlandbus<br />

und will seine Qualität weiter verbessern. Das dürfte beim Neustart im deutschen Markt helfen.<br />

Die Türkei darf man getrost<br />

wie auch Polen seit vielen<br />

Jahren schon als eines der<br />

wichtigsten Länder für die Busproduktion<br />

bezeichnen. Neben<br />

den deutschen Herstellern, die<br />

hier vor allem wegen der Personalkosten<br />

produzieren, sind es<br />

die inländischen Firmen wie Temsa<br />

und Otokar, die in der Türkei<br />

tätig sind und sich den heimischen<br />

Markt, der vor allem auf Mini busse<br />

fokussiert ist, teilen.<br />

Seit 1987 baut Temsa bereits Busse<br />

– zuerst auf Mitsubishi-Basis,<br />

meist im CKD-Verfahren. Man habe<br />

von den Japanern und ihrer Arbeitsdisziplin<br />

viel gelernt, erklärt<br />

denn auch Entwicklungsleiter<br />

TEXT & FOTOS: THORSTEN WAGNER Hakan Akgün. Doch die Märkte für<br />

diese Busse seien begrenzt gewesen.<br />

Daher startete der Busbauer bereits<br />

20<strong>01</strong> mit dem ersten selbst<br />

konstruierten Fahrzeug: dem Reisebus<br />

Safari, der auch 2007 seinen<br />

Weg als Preisbrecher auf den für<br />

Temsa bis dato unbekannten, aber<br />

deutschen Markt fand.<br />

Der eine oder andere Buskunde<br />

wird sich auch noch an den ersten,<br />

überwiegend glücklosen Versuch<br />

eines Superhochdeckers aus der Feder<br />

von Ex-Neoplan-Chef Bob Lee<br />

erinnern: den Temsa Diamond. In<br />

Deutschland blieb dieser etwas aus<br />

der Zeit gefallene Reisewagen immer<br />

eine Ausnahmeerscheinung –<br />

bisher ohne adäquaten Nachfolger,<br />

was sich aber bald ändern könnte.<br />

So richtig bekannt dürfte die<br />

Marke deutschen Kunden erst<br />

durch den Erfolg des Midi-Busses<br />

MD 9 geworden sein, der seit 2<strong>01</strong>1<br />

in allen gängigen Busgattungen<br />

recht erfolgreich angeboten wird<br />

(Bericht über die Niederflurvariante<br />

in Heft 6/13).<br />

In den USA hat es Temsa sogar<br />

geschafft, die Nische der 30 und<br />

35 Fuß langen Busse in kurzer Zeit<br />

weitgehend in Beschlag zu nehmen<br />

(siehe Kasten auf Seite 89).<br />

In den vergangenen beiden Jahren<br />

hat das 1968 gegründete Unternehmen<br />

mehr durch Restrukturierungen<br />

und Rücktritte des Führungspersonals<br />

auf sich aufmerksam<br />

gemacht als durch Markterfolge.<br />

Mit dem Rückzug des bisherigen<br />

Geschäftsführers Metin Ataman<br />

Anfang 2<strong>01</strong>4 wurde die deutsche<br />

Vertriebsorganisation komplett<br />

neu aufgestellt (siehe Kasten auf<br />

Seite 88). Auch die belgische Zentrale<br />

von Temsa Europe wurde<br />

geschlossen und in drei Business<br />

Units unterhalb von Temsa Global<br />

aufgeteilt, in denen man sich nun<br />

ausschließlich um das Busgeschäft<br />

kümmert – allerdings mit neuem<br />

Geschäftsmodell.<br />

Immer wieder machen in diesem<br />

volatilen Umfeld auch Übernahmegerüchte<br />

die Runde. Hier<br />

im Stammwerk versichert man uns<br />

eindringlich, stolz darauf zu sein,<br />

zum breit aufgestellten Sabanci-<br />

Konzern zu gehören.<br />

Rund die Hälfte der 4.000 im<br />

südtürkischen Adana bei Temsa<br />

jährlich gebauten Busse entfallen<br />

auf den sehr marktgerecht positionierten<br />

Minibus Prestij, der auf<br />

einem Transporter-Chassis von<br />

Mitsubishi aufgebaut wird, das hier<br />

auch gerne zum Klein-Lastwagen<br />

komplettiert wird – und das in er<strong>lastauto</strong><br />

<strong>omnibus</strong> 3/2<strong>01</strong>5


klecklicher Stückzahl. Ein schöner<br />

„Doppelverdiener“, könnte man sagen,<br />

um einen branchenspezifischen<br />

Begriff zu benutzen, der sonst eher<br />

für Kombibusse verwendet wird.<br />

Und tatsächlich sind wir auch<br />

hier ins Buswerk gekommen, in<br />

dem auf rund 550.000 Quadratmeter<br />

Fläche mehr als 1.500 Menschen<br />

arbeiten, um uns einen echten Doppelverdiener<br />

näher anzuschauen<br />

und auch erstmals selbst zu fahren:<br />

nämlich den auf der vergangenen<br />

Busworld in Kortrijk vorgestellten<br />

Hochbodenbus LD.<br />

In feiner Varianz bietet Temsa<br />

diesen Vorboten einer neuen<br />

Ära in zwei Längen und<br />

drei Modellen an – als ultrapreiswerten<br />

Schulbus, als Überlandvariante<br />

IC (beide mit 860er<br />

Bodenhöhe) sowie als ausflugstauglichen<br />

Hochbodenbus mit rund<br />

1.080 Millimeter Bodenhöhe.<br />

1 Die moderne Frontgestaltung des<br />

LD13 gefällt ebenso wie die<br />

Mekra-Spiegel mit bester Sicht.<br />

2 Servicesets in modernem Layout.<br />

3 Der Dreh-Drück-Steller vereint<br />

viele Funktionen und spart<br />

Tastensalat.<br />

4 Mit Übersichtlichkeit und hochwertigen<br />

Materialien weiß das<br />

Cockpit dem Fahrer zu gefallen.<br />

2<br />

3<br />

1<br />

4<br />

Dieser gerade für Deutschland in<br />

der Klasse von Iveco Crossway,<br />

Mercedes Intouro und Co. angesiedelte<br />

Wagen ist mit 190.000 bis<br />

205.000 Euro marktgerecht, wenn<br />

auch nicht als Schnäppchen eingepreist.<br />

Die IC-Variante kostet circa<br />

10.000 Euro weniger. Mit rund 120<br />

verkauften Bussen war er 2<strong>01</strong>4 das<br />

meistverkaufte Temsa-Modell.<br />

Schon äußerlich macht der LD<br />

einen sehr soliden und gekonnt<br />

gezeichneten Eindruck. Trotz einer<br />

gewissen Kantigkeit schafft es<br />

die Frontpartie auf Anhieb, den Betrachter<br />

für sich einzunehmen. Das<br />

Heck wirkt dagegen etwas pummelig,<br />

die Lüftungsgitter à la Evobus<br />

vermitteln aber etwas optische<br />

Spannung. Ein Hauch von Luxus<br />

umweht den Fahrer beim Einladen<br />

der Koffer, Hubklappen sind nicht<br />

gerade Standard in dieser Klasse.<br />

Spannend ist auch auch das<br />

Cockpit mit dem schicken neuen<br />

Lenkrad, hier ohne Multifunktionstasten<br />

– muss ja nicht immer<br />

sein. Zumal wenn die darunterliegende<br />

„Arbeitsplatte“ derart aufgeräumt<br />

und übersichtlich ist. Wie<br />

von selbst fällt die rechte Hand auf<br />

Tür- und Getriebeschalter. Das gefällt<br />

ebenso wie die hohe Position<br />

des DTCO. Viele Zusatzfunktionen<br />

sind ganz im Stil der neuen Zeit in<br />

einen praktischen Dreh-Drück-Stel­<br />

Anzeige<br />

„ Niemand leistet sich gern Risiken.<br />

Deshalb leiste ich mir die Sicherheit<br />

von CharterWay.“<br />

Mit den flexiblen Lösungen, variablen Laufzeiten und der fairen<br />

Rückgabe von CharterWay können Sie sich auf das konzentrieren,<br />

was Sie am besten können: Ihren Job. Alles über Deutschlands<br />

Mobilitätsdienstleister Nr. 1 gibt’s in über 70 Mietstützpunkten<br />

oder unter www.charterway.de<br />

Eine Marke der Daimler AG<br />

Anbieter: Daimler AG, Mercedesstraße 137, 70327 Stuttgart


[ 30 ] FAHRZEUGE | Temsa LD 13<br />

ler gepackt und links auf die Ablage<br />

gewandert.<br />

Ergonomie wird großgeschrieben,<br />

der Fahrer findet zudem jederzeit<br />

seinen optimalen Platz. Der Begleiterplatz<br />

ist zwar nicht sehr üppig<br />

bemessen, bietet aber bis hin zum<br />

Becherhalter alles, was nötig ist. Die<br />

63 Fahrgäste (Drei-Sterne-Sitzteiler)<br />

finden auf den Inova-Sitzen ausreichenden<br />

Komfort und funktio nale<br />

wie schicke Servicesets über sich –<br />

auch ein Rollstuhllift kann geordert<br />

werden.<br />

Die Überraschung kommt dann<br />

beim Fahreindruck: Der Wagen<br />

kann sowohl was Fahrkomfort<br />

als auch -leistung betrifft durchaus<br />

überzeugen. Der DAF-Motor<br />

mit 368 PS (alternativ 330 PS) geht<br />

mit dem ZF-Ecolife-Getriebe eine<br />

schöne Symbiose ein, die man sich<br />

kaum anders wünschen würde. Im<br />

wuseligen Verkehr der Küstenstadt<br />

Das Werk im türkischen<br />

Adana produziert im<br />

Jahr rund 4.000 Busse,<br />

davon rund die Hälfte<br />

landestypische Minibusse<br />

des Typs Prestij.<br />

Der Niederflurbus LF 12<br />

(blau) tut sich gerade<br />

in Deutschland noch<br />

schwer, läuft aber in<br />

Istanbul in CNG-Version.<br />

Adana schwimmt der LD 13 ohne<br />

Mühe und Probleme mit und nimmt<br />

Kurs auf die Toros-Berge am Horizont.<br />

Motorleistung oder Komfort<br />

werden der Strecke absolut gerecht.<br />

Zudem gibt sich das Triebwerk im<br />

Heck manierlich leise. Gut so!<br />

Wir verlassen Adana nicht, ohne auch<br />

einen Blick auf die anderen Produkte<br />

für das Reisesegment zu werfen.<br />

Da wäre der in Deutschland und<br />

mehr noch in Italien erfolgreiche<br />

Midi MD 9, der genau wie der LD<br />

in drei Varianten zu bekommen ist<br />

und sich so im Feld der ausgewachsenen<br />

Midis in Integralauweise<br />

einen Sonderplatz erarbeitet hat.<br />

Mit 9,38 Meter Länge und 2,40<br />

Meter Breite ist er passgenau für<br />

alle Kleinstädte oder Bergpässe<br />

Anatoliens oder des Kleinwalsertals<br />

bestens proportioniert. Das<br />

Fahrwerk des Kleinen mit ZF-Einzelradaufhängung<br />

gibt sich komfortabel<br />

– fast schon wie ein Großer.<br />

Zudem ist der Kofferraum dank<br />

Heckeinstieg geräumig genug, um<br />

für die Mitnehmsel der 39 Personen<br />

an Bord zu genügen. Auch der<br />

MAN D08 in seiner 290-PS- Version<br />

macht große Freude im wendigen<br />

Midi. Alles in allem also eine echte<br />

Kaufempfehlung. Das dürfte sich<br />

auch mit dem in Zukunft verbauten<br />

Cummins-Motor kaum ändern.<br />

Etwas warten sollte man aber<br />

noch mit einem Hochdecker-Reisebus<br />

von Temsa. Derzeit gib es nur<br />

den Reisebus Safir/HD12/13 zu<br />

Temsa Deutschland stellt sich komplett neu auf und setzt verstärkt auf Qualität<br />

Nicht nur das Modellprogramm erfährt derzeit eine Erneuerungskur, auch die Organisationsstrukturen von<br />

Temsa in Europa und Deutschland sind komplett neu. Nach dem Rücktritt des bisherigen Temsa Deutschland-Geschäftsführers<br />

Metin Ataman hat der aus dem Konzern kommende Manager Umut Kamay mit seinem<br />

Team in Bad Rappenau im April 2<strong>01</strong>4 die Geschäfte übernommen. Er führt sie gemeinsam mit seinem<br />

Co-Geschäftsführer Acar Kocaer. Dabei wollen beide nun Nägel mit Köpfen machen: „Wir brauchen einen<br />

Neustart, das Businessmodell war bisher nicht professionell genug.“ Man wolle sich in Zukunft weniger auf<br />

den reinen Marktanteil als vielmehr auf die höhere Kundenzufriedenheit fokussieren. Für 2<strong>01</strong>5 plant Temsa<br />

Deutschland etwas mehr als 80 Busse abzusetzen, Deutschland gehört zu den dezidierten Temsa-Fokusländern.<br />

Um den Aftersales-Service zu verbessern, wurden insgesamt zwölf Vertragswerkstätten verpflichtet,<br />

zudem wird das europäische Ersatzteillager vergrößert, um den Markt noch besser zu versorgen.<br />

Die Qualität der Fahrzeuge steht auch bei der Produktion weiter im Fokus: ein professionelles, auf japanischen<br />

Kaizen-Prozessen basierendes Qualitätsmanagement wurde im Werk Adana eingeführt, bei dem<br />

sich jedes Team selbst überwachen muss. Die Gerippe werden bisher für Deutschland aus hochwertigem<br />

Edelstahl hergestellt, allerdings ist<br />

die Phosphat-Anlage in Adana bereits<br />

im Bau. Wann genau umgestellt wird,<br />

kann Temsa derzeit noch nicht sagen.<br />

Verbaut werden vor allem<br />

DAF- und Cummins-Motoren.<br />

V. l. n. r.: Bulkan Karsak (Vertrieb),<br />

Umut Kamay (Geschäftsführer),<br />

Mustafa Bolahatoglu (Technischer<br />

Leiter).<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 3/2<strong>01</strong>5


The American Way of Drive<br />

Die USA gehören zu den Fokusmärkten von Temsa. Dabei hat sich Temsa<br />

auf dem amerikanischen Markt mit seinem Importeur CH Bus Sales<br />

mit vier Standorten (Faribault, Orlando, Las Vegas, Dallas-Fort Worth)<br />

bisher auf den Nischenmarkt der 30- und 35-Fuß-Busse (9 beziehungsweise<br />

10,5 Meter) eingeschossen. Diese werden sonst mit sogenannten<br />

„Cut-aways“ bedient, also Fahrgestellaufbauten. Auf der diesjährigen<br />

UMA in New Orleans (ausführlicher Bericht im nächsten Heft) wurde nun<br />

ein Fahrzeug im US-Standard vorgestellt: 45 Fuß (13,5 Meter) und nur<br />

ein Einstieg vorne. Mittelfristig will sich Temsa in den USA mit allen drei<br />

Bussen im Luxussegment festsetzen. Das gelingt teilweise bereits gut,<br />

allein 20 Busse laufen schon für ein Filmstudio an der Westküste, der<br />

Marktanteil im Reisesegment beträgt in den USA laut Temsa schon rund<br />

zehn Prozent. Allein 2<strong>01</strong>4 wurden mehr als 160 Busse verkauft.<br />

kaufen, den die Redaktion leider<br />

nur in der türkischen Ausführung<br />

in die Finger bekam.<br />

Eklatant ist bei dem Wagen der<br />

krasse Unterschied des durchaus<br />

modernen Äußeren und des eher<br />

in die Jahre gekommenen Inneren.<br />

Das will nicht so recht zusammenpassen.<br />

Ebenso wenig wie einige<br />

Abmessungen, die eher auf kleinwüchsige<br />

Menschen ausgelegt zu<br />

sein scheinen. So ist der Verstellweg<br />

des Fahrersitzes derart kurz,<br />

dass man in Verbindung mit den<br />

altbackenen, stehenden Pedalen<br />

mit einer Normgröße von rund<br />

1,80 Metern einfach keine optimale<br />

Sitzposition finden kann. Und<br />

der Heckeinstieg ist mit 1,70 Meter<br />

Höhe und geringer Breite alles andere<br />

als ein herzlicher Willkommensgruß<br />

für die Fahrgäste.<br />

Insgesamt merkt man dem<br />

Hochdecker an, dass er einer gänzlich<br />

anderen Ära als der frische LD<br />

entstammt. Das belegt auch das Interieurdesign,<br />

das mit der schicken<br />

Außenhaut an keiner Stelle mithalten<br />

kann. Aber Abhilfe ist unterwegs,<br />

man munkelt sogar hinter<br />

kaum vorgehaltener Hand, schon<br />

in Kortrijk werde das neue Modell<br />

zu sehen sein. Es gab bereits vor<br />

einigen Jahren recht frühe Prototypen<br />

eines Safari HDH, mit denen<br />

man intern aber nicht hundertprozentig<br />

zufrieden gewesen<br />

sei, räumt Entwicklungschef Hakan<br />

Akgün freimütig ein.<br />

In das neue Projekt setzen die<br />

Türken hingegen große Hoffnungen,<br />

der Wagen treffe die Kundenanforderungen<br />

genau, und das<br />

sowohl mit neuer Überschlagsrichtlinie<br />

als auch einem „sehr wettbewerbsfähigen<br />

Leergewicht“. Dies<br />

sei immerhin die „größte Herausforderung<br />

der Industrie heute“, erzählt<br />

Akgün.<br />

Wenn der neue Reisebus sich ein<br />

Vorbild am flexiblen Überlandwagen<br />

LD nimmt, wovon sehr stark<br />

auszugehen ist, so dürfte der zweite<br />

Anlauf von Temsa mit dem erneuerten<br />

Produktprogramm durchaus<br />

von Erfolg gekrönt sein. ◼<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 3/2<strong>01</strong>5<br />

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[ 28 ] FAHRZEUGE | Innovationslinie in Hamburg<br />

VOLVO FÄHRT VOR<br />

Buspraxis: Die Hamburger Hochbahn will ab 2020 nur noch emissionsfreie Busse beschaffen.<br />

Schon heute kommt mit Plug-in-Hybridbussen von Volvo eine neue Technologiestufe zum Einsatz.<br />

TEXT & FOTOS: RÜDIGER SCHREIBER<br />

Das ist der nächste Schritt“, sagt<br />

Ulrike Riedel, Vorstand der<br />

Hamburger Hochbahn (HH),<br />

bei der offiziellen Vor stellung des<br />

Volvo 7900 Electric Hybrid. Die<br />

Weltpremiere feierten die Schweden<br />

im September auf der IAA,<br />

Michael Westhagemann, Siemens:<br />

„Elektrobusse brauchen eine<br />

flankierende Infrastruktur.“<br />

zwei Monate später geht die neue<br />

Technologiestufe schon in den<br />

Praxisbetrieb. Emissionsfreier und<br />

geräuscharmer Einsatz von Linienbussen<br />

im Innenstadtbereich ist<br />

damit keine Utopie mehr.<br />

Gemäß den Vorgaben der Politik<br />

sollen in fünf Jahren nur noch<br />

Linienbusse angeschafft werden,<br />

die aus heutiger Sicht einen alternativen<br />

Antrieb haben. Mit dem Plugin-Hybridbus<br />

gibt die HH eine<br />

Richtung vor. Es wird im wahrsten<br />

Sinne spannend, die Hansestadt hat<br />

sich der Elektromobilität im ÖPNV<br />

verschrieben.<br />

Wie wichtig ein Umdenken ist,<br />

machte Gertrud Sahler, Abteilungsleiterin<br />

im Bundesumweltministerium,<br />

in ihrer Ansprache deutlich:<br />

Der 5. Weltklimabericht erfordere<br />

sofortiges Handeln. Die Bundesregierung<br />

habe sich – wie die Hansestadt<br />

beim ÖPNV – ehrgeizige<br />

Ziele gesetzt. Die Treibhausgasemissionen<br />

sollen bundesweit bis<br />

zum Jahr 2020 um 40 Prozent gegenüber<br />

1990 gemindert werden.<br />

Besonders schwierig sei die Lage<br />

im Verkehrssektor, Effizienzverbesserungen<br />

im Verkehr würden durch<br />

die Steigerung der Verkehrsleistung<br />

wieder relativiert.<br />

Es werde langfristig nicht besser<br />

werden, wie ein Blick auf die<br />

Verkehrsprognose 2030 zeige: Personen-<br />

und Güterverkehr stiegen<br />

jeweils im zweistelligen Bereich.<br />

Dort wo eine Verkehrsvermeidung<br />

nicht möglich sei, müsse eine Verlagerung<br />

auf umweltfreundliche<br />

Verkehrsträger wie den ÖPNV<br />

erfolgen. Aus diesem Grund habe<br />

das Bundesumweltministerium die<br />

Anschaffung der Busse im Rahmen<br />

des Programms „Erneuerbar mobil“<br />

gefördert.<br />

Die nächste Technologiestufe<br />

erfordert aber ein Weiterdenken,<br />

denn auch die Peripherie ist wich-<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 3/2<strong>01</strong>5


Alle beweglichen Bauteile sind in die Säule integriert, so entfällt<br />

zusätzlicher Wartungsbedarf am Bus.<br />

tig. Um das ambitionierte Ziel in<br />

fünf Jahren erreichen zu können,<br />

wird die benötigte Infrastruktur<br />

für elektrisch angetriebene Busse<br />

gleich mit angeschafft.<br />

Mitte dieses Jahres soll das neue<br />

Elektrobus-Terminal vollständig in<br />

Betrieb gehen und bis zu zwölf Linienbusse<br />

mit Strom versorgen<br />

können. Für den Ladevorgang des<br />

Volvo 7900 Electric Hybrid kommt<br />

einer der beiden Pantografen zum<br />

Einsatz. Die Schweden haben den<br />

Ladevorgang umgestellt, statt des<br />

eigenen Lademastes an Bord nutzt<br />

der Bus einen fest installierten an<br />

der Ladestation.<br />

Die Ladeparameter werden mittels<br />

Wi-Fi an die Ladestation übermittelt,<br />

die Verbindung erfolgt automatisch.<br />

Das Aufladen der Elektro-Hybridbusse<br />

geschieht an der<br />

Start- und Endhaltestelle der Linie.<br />

Herzstück der neuen Ladeinfrastruktur<br />

ist der Lademast mit dem<br />

beweglichen Pantografen. Dieser<br />

senkt sich, nachdem der Bus<br />

seine Parkstation erreicht hat, zu<br />

den beiden Ladeschienen auf dem<br />

Busdach herab – ganz einfach auf<br />

Knopfdruck des Busfahrers. Der<br />

gesamte Ladevorgang dauert gut<br />

sechs Minuten. Mit einer Ladeleistung<br />

von bis zu 300 Kilowatt<br />

kann der Energiebedarf auch für<br />

sehr anspruchsvolle Einsatzbedingungen<br />

abgedeckt werden.<br />

Das Gehäuse des Pantografen<br />

hat die Hamburger Hochbahn von<br />

einem Designer gestalten lassen.<br />

„So wie die Busse der Innovationslinie<br />

eine eigene Lackierung tragen,<br />

so soll auch der Lademast Zeichen<br />

setzen“, sagt der Designer Stephan<br />

Gahlow. Der Verkehrsbetrieb will<br />

Pantograf am Lademast statt am<br />

Bus: spart Gewicht am Fahrzeug<br />

und erhöht die Fahrgastkapazität.<br />

die Wahrnehmung für die neuen<br />

Busse und die Ladevorrichtungen<br />

in der Öffentlichkeit stärken. Besonders<br />

wichtig bei der Gestaltung war,<br />

dass das Laden schnell und einfach<br />

erfolgen kann. Die Form folgt ganz<br />

klassisch der Funktion.<br />

Der Volvo 7900 Electric Hybrid<br />

ist mit einer Lithium-Eisenphosphat-Batterie<br />

mit einer Kapazität<br />

von 19 kWh ausgestattet. Gute<br />

50 Prozent davon seien nutzbar, versichert<br />

Håkan Agnevall, Präsident<br />

der Volvo Bus Corporation, während<br />

der Vorstellung. Diese Kapazität<br />

ermöglicht ein rein elektrisches<br />

Fahren über eine Distanz<br />

von rund sieben Kilometern. Das<br />

ist zwar nicht die ganze Strecke<br />

der Innovationslinie, die insgesamt<br />

9,3 Kilometer misst, aber es<br />

sei mehr als ein Anfang, erklärt<br />

Ulrike Riedel. Spätestens nach sie-<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 3/2<strong>01</strong>5


[ 30 ] FAHRZEUGE | Innovationslinie in Hamburg<br />

Ladestation<br />

Ein großer Teil der Bewegungsenergie wird<br />

beim Bremsen oder Bergabfahren rekupiert.<br />

Durch die Energierückgewinnung kann eine<br />

große Menge Dieselkraftstoff durch eine kleinere<br />

Menge elektrische Energie ersetzt werden.<br />

Ladestation<br />

elektrischer Antrieb<br />

Hybridantrieb<br />

Fünf Fragen an …<br />

Ulrike Riedel, Hochbahn-Vorstand<br />

für Betrieb und Personal.<br />

?: Wann und vor welchem Hintergrund hat<br />

die Hochbahn entschieden, sich im Bereich<br />

Elektromobilität zu engagieren?<br />

Riedel: Der erste Brennstoffzellenbus<br />

wurde schon vor rund 15 Jahren bei<br />

der Hochbahn getestet. Mittlerweile ist<br />

schon die dritte Generation im Einsatz<br />

– und das sehr erfolgreich. Ein wichtiger<br />

Treiber ist die Begrenztheit der<br />

weltweiten Ölreserven, aber auch die<br />

zunehmenden Anforderungen des Klimaschutzes<br />

und der Luftreinhaltung.<br />

?: Welche einzelnen Zwischenziele gibt es<br />

bei der Umsetzung dieses Projekts?<br />

Riedel: Wichtig ist der wirtschaftliche<br />

Einsatz der innovativen Antriebstechnologien.<br />

Sicherlich kann man eine „grüne Dividende“ berücksichtigen.<br />

Aber die Kosten müssen sich in jedem Fall in die Richtung der konventionellen<br />

Busantriebe bewegen. Eine entscheidende Rolle spielt aber auch<br />

die Verfügbarkeit der Fahrzeuge. Hier müssen die innovativen Antriebstechnologien<br />

mit den konventionellen Schritt halten.<br />

?: Welche Bedeutung kommt dem heute präsentierten Volvo Electric Hybrid-<br />

Bus dabei zu?<br />

Riedel: Die Batterietechnologie wird immer interessanter für den Einsatz im<br />

Busbereich. Wir gehen mit dem Elektro-Hybridbus einen wichtigen Schritt<br />

weiter auf dem Weg, nur noch rein elektrische Busse anzuschaffen. Wir<br />

sehen uns hier auch als Partner der Industrie, um wichtige Erfahrungen<br />

im Alltagseinsatz zu sammeln. Der neue Bus wird deshalb mit anderen<br />

innovativen Bussen ab Dezember auf der Innovationslinie 109 in Hamburg<br />

eingesetzt. Hier wollen wir verschiedene Antriebstechnologien unter<br />

identischen Rahmenbedingungen testen.<br />

?: Welche Forderungen an Industrie und Technik würde die Hochbahn, unabhängig<br />

vom Finanziellen, gerne stellen?<br />

Riedel: Das A und O im Einsatz der Busse im ÖPNV ist die Verfügbarkeit.<br />

Schon geringe Abweichungen schlagen sich deutlich in den Betriebs kosten<br />

nieder. Bei den innovativen Antriebstechnologien sind sicherlich noch<br />

Herausforderungen zu meistern. Aber es gibt hier auch schon wirklich<br />

gute Werte.<br />

?: Gibt es deutschland-, europa- oder weltweit schon konkrete Nachfragen anderer<br />

Verkehrsbetriebe, sodass andere ÖPNV-Dienstleister vom Know-how und der<br />

Kompetenz der Hochbahn in Sachen Elektromobilität profitieren können?<br />

Riedel: Wir sind hier in engem Austausch sowohl international auf der<br />

Ebene der UITP als auch national im VDV. Hinzu kommen Kooperationen<br />

unterschiedlichster Art, bei denen wir sehr aktiv den Austausch suchen.<br />

Ich persönlich rechne aber auch damit, dass der Austausch im Rahmen<br />

der Innovationslinie, die ja in Europa einmalig ist, noch stärker wird. Die<br />

Möglichkeit, verschiedene technologische Ansätze im Vergleich zu betrachten,<br />

wird sicher auch viele Experten nach Hamburg locken.<br />

ben Kilometern schaltet sich das<br />

Euro-6-Diesel aggregat ein, das aber<br />

deutlich kleiner als das vergleichbarer<br />

Standardbusse ist. So soll<br />

nach Aussagen von Agnevall der<br />

Dieselverbrauch um bis zu 75 Prozent<br />

reduziert werden, der Energieverbrauch<br />

insgesamt um bis zu<br />

60 Prozent. Die Differenz erklären<br />

die Schweden damit, dass ein<br />

Teil des eingesparten Diesels durch<br />

elektrische Energie ersetzt wird.<br />

Der neue Elektro-Hybridbus<br />

ist eine Weiterentwicklung der<br />

bewährten dieselelektrischen Hybridbusse<br />

von Volvo, die die Hamburger<br />

Hochbahn schon seit 2<strong>01</strong>3<br />

einsetzt. Beim schwedischen Vorgänger<br />

liegt die Kraftstoffeinsparung<br />

bei über 20 Prozent. Genutzt<br />

wird in dem neuen Elektro-Hybridbus<br />

die Technologie des bewährten<br />

Diesel-Hybridbusses 7900 H,<br />

wodurch eine hohe Verfügbarkeit<br />

sichergestellt ist. Seit Jahren ist<br />

die Hamburger Hochbahn für die<br />

Wissenschaft und Hersteller sozusagen<br />

das Tor zur Welt, wenn es<br />

um die Erprobung neuer Technologien<br />

geht. Seit über zehn Jahren<br />

wird die Brennstoffzellentechnologie<br />

intensiv vorangetrieben. Nun<br />

ist Hamburg ein wich tiger Treiber<br />

bei der Praxis erprobung von Batteriebussen.<br />

Insgesamt wird die Flotte in der<br />

Hansestadt mit innovativen Antrieben<br />

(Brennstoffzellenhybridbusse,<br />

dieselelektrische Hybridbusse<br />

und Elektro-Hybridbusse)<br />

in diesem Jahr auf fast 70 Fahrzeuge<br />

auf gestockt. Auch Volvo ist<br />

weiter in Sachen Elektromobilität<br />

unterwegs, wie die Schweden<br />

vor Kurzem in Göteborg zeigten.<br />

In absehbarer Zeit wird es einen<br />

vollelektrischen Bus geben. Damit<br />

geht Volvo dann noch einen<br />

Schritt weiter.<br />

◼<br />

Gemeinsame Sache (v. l.): Agnevall (Volvo), Senator Horch, Riedel (HH),<br />

Sahler (Umweltministerium) und Michael Westhagemann von Siemens.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 3/2<strong>01</strong>5


Ein Standard setzt neue Maßstäbe.<br />

Der Überlandbus MAN Lion’s Intercity. MAN kann.<br />

Markante Optik, exzellente Fahreigenschaften, herausragende Sicherheit: Der neue MAN Lion’s Intercity verbindet<br />

erstklassigen Komfort mit hoher Funktionalität und solider Qualität. Vor allem seine niedrigen Life-Cycle-Costs machen<br />

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Zubringerverkehr zugeschnitten und perfekt im Einsatz als robuster Schulbus. Einer, den Sie unbedingt auf Ihrer<br />

Rechnung haben sollten. Mehr unter: www.man.de/bus<br />

MAN kann.


[ 36 ] FAHRZEUGE | Volvo 7900 LAH<br />

LANGER MARSCH<br />

Fahrbericht: Volvo verkauft seit zwei Jahren in Europa ausschließlich Stadtbusse mit<br />

dem hauseigenen Parallelhybrid-System. Wir haben uns die neue Gelenkvariante des<br />

Volvo 7900 LAH angesehen, die aber noch lange nicht das Ende der Entwicklung ist.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER<br />

FOTOS: THORSTEN WAGNER, VOLVO<br />

Der Nutzfahrzeughersteller Volvo hat<br />

sich seit einigen Jahren zu so etwas wie<br />

dem Toyota des Busbereichs entwickelt.<br />

Früh setzte man auf den etwas preiswerteren<br />

Parallelantrieb mit dem automatisierten<br />

I-Shift-Getriebe und schaffte es so, einen<br />

hauseigenen Technik-Baukasten zu entwickeln.<br />

Mit Erfolg, wie sich heute zeigt: In<br />

Zeiten, in denen die deutschen Mitbewerber<br />

gerade mal von 100 oder 200 Hybridbussen<br />

sprechen, zudem meist sündhaft teure<br />

serielle Modelle, können die Schweden stolz auf<br />

Die Dachaufbauten haben die Schweden<br />

formschön ins nordische Design integriert.<br />

rund 1.700 abgesetzte Hybridbusse verweisen.<br />

Zudem bewies das Team um Buschef Håkan Agnevall<br />

eine gute Portion Mut und schaltete das europäische<br />

Modellprogramm im Stadtbusbereich<br />

gleich komplett auf den sparsamen alternativen<br />

Antrieb um. Volvo spricht von den magischen<br />

„30 Prozent Einsparung“, ein zumeist jedoch<br />

theoretischer Wert (einen voll ausgerüsteten<br />

Testbus ist Volvo der Redaktion bisher schuldig<br />

geblieben).<br />

Kurz bevor die schwedischen Strategen so<br />

richtig aufdrehen und fast gleichzeitig die<br />

nächsten beiden Entwicklungsstufen des Plugin-Hybrids<br />

sowie des rein elektrischen Batteriebusses<br />

auf die Straße schicken, bekommt<br />

der seit 2<strong>01</strong>0 verkaufte Solobus ein verlängertes<br />

Pendant. Wie bei Volvo üblich, kommt auch<br />

der 7900 LAH in einer Standardlänge von 18<br />

Metern, jedoch kombiniert mit einem extrem<br />

kurzen vorderen Radstand, der anfangs etwas<br />

gewöhnungsbedürftig ist, den Wendekreis aber<br />

nicht wesentlich verkleinert – schließlich will<br />

der Hinterwagen immer mit um die Kurve gehievt<br />

werden. Rekordverdächtig ist das Leergewicht<br />

von 16,4 Tonnen, das mindestens eine<br />

halbe Tonne unter dem Wettbewerb liegt. Die<br />

Gründe: Zuerst einmal der kleine Vierzylinder-<br />

Motor mit überschaubaren fünf Liter Hubraum.<br />

Wie beim Solowagen wird der Mittelteil des<br />

Gelenkbusses zudem aus Aluminium gefertigt.<br />

Weniger leichtgewichtig und innovativ zeigt<br />

sich die Vorderachse. Hier verbaut Volvo seit<br />

einigen Jahren wieder eine Starrachse – Komfort<br />

und Lenkpräzision lassen daher zuweilen zu<br />

wünschen übrig, bei ansonsten durchaus gutem<br />

Fahrverhalten. Um eine optimale Gewichtsverteilung<br />

zu erreichen, wurden die beiden Lithium-Ionen-Batterien<br />

über der Mittelachse positioniert<br />

– seit jeher ein Gelenkbus-Thema.<br />

Wie schlägt sich das I-SAM genannte<br />

Parallelhybrid-System im Alltagsbetrieb? Kurz<br />

gesagt, nicht schlecht. Vom merklichen Ruckeln<br />

oder deutlich spürbaren Schaltpausen der ersten<br />

Prototypen von vor einigen Jahren ist kaum<br />

mehr etwas übrig geblieben. Der Schaltkomfort<br />

des hauseigenen automatisierten Zwölf-Gang-<br />

Getriebes kann naturgemäß nicht ganz mit einem<br />

im Stadtbus typischen Wandlerautomaten<br />

mithalten, ist aber alles andere als unkomfortabel.<br />

Die feine Spreizung der Gänge ist bei der<br />

nicht übermäßig üppigen Antriebsleistung des<br />

Elektromotors ebenso von Nutzen. Zwar konnten<br />

wir den Bus nur unbeladen erleben, eine<br />

spürbare Untermotorisierung war aber auch bei<br />

Steigungen im Mittelhessischen nicht zu beob-<br />

Wie schon bei den konventionellen Dieselbussen<br />

ist der Kühler oben im Turm montiert.<br />

Extrem kurzer Radstand vorne, langer Radstand hinten. Der Gelenkbus benimmt sich manierlich.<br />

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<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 3/2<strong>01</strong>5<br />

FAHRZEUGE | Volvo 7900 LAH [ 37 ]


[ 38 ] FAHRZEUGE | Volvo 7900 LAH<br />

Technische Daten<br />

MOTOR<br />

Wassergekühlter Reihen-4-Zylinder Volvo D5K240<br />

stehend im Heck, Abgasturbolader und Ladeluftkühlung,<br />

elektronisch geregelte Einspritzung per Common-Rail-<br />

Technik. Vier Ventile pro Zylinder, Abgasreinigung,<br />

SCR-Technik mit Adblue-Einspritzung, Oxidationskatalysator,<br />

Partikelfilter, Ammoniak-Slip-Sperrkatalysator,<br />

Abgasstufe Euro 6.<br />

Hubraum<br />

5.100 cm³<br />

Bohrung/Hub 110/132 mm<br />

Leistung<br />

177 kW (240 PS) bei 2.200/min<br />

Drehmoment 918 Nm bei 1.200–1.600/min<br />

ELEKTROMOTOR<br />

permanent erregter Synchronmotor<br />

Leistung (Dauer/max.) 70/150 kW<br />

Drehmoment (Dauer/max.) 400/1200 Nm<br />

Bremsmoment (Dauer/max.)400/1200 Nm<br />

Batterie<br />

2 Lithium-Ionen-Eisenphosphat-Batterien,<br />

wassergekühlt<br />

Kapazität<br />

9,6 kWh, 600 V<br />

KRAFTÜBERTRAGUNG<br />

Vollintegriertes Volvo I-SAM Parallelhybridsystem; vollautomatisiertes<br />

Getriebe Volvo I-Shift AT2412E, zwölf<br />

Vorwärtsgänge.<br />

Übersetzungen 14,9–1,0. Portalachse ZF AV 132,<br />

Übersetzung 4,72 : 1.<br />

FAHRWERK<br />

Vorne Starrachse Volvo RFS-L, Dreieckslenker, zwei Luftfederbälge,<br />

zwei Stoßdämpfer, zul. Achslast 7,1 t. Hinten<br />

Portalachse ZF AV 132, zwei Längslenker, aufgelöster<br />

Dreieckslenker, vier Luftfederbälge, vier Stoßdämpfer,<br />

zul. Achslast 12,5 t. Starre Mittelachse, zul. Achslast<br />

10,0 t; Reifengröße 275/70 R 22,5.<br />

BREMSEN/LENKUNG/ELEKTRIK<br />

Zweikreis-Druckluftanlage mit Scheibenbremsen rundum,<br />

elektronisch geregeltes Bremssystem EBS mit ABS,<br />

ASR, Bremsassistent. Dauerbremse Retarder. Lenkung<br />

ZF 8098 Servocom mit elektrohydraulischer Steuerung.<br />

Knickwinkel des Drehgelenks (maximal horizontal/<br />

vertikal): 52°/10°; Serienmäßige Vorbereitung für Volvo<br />

Telematics mit prädiktiver Wartung und Batterieüberwachung<br />

(vertragsabhängig); Multifunktionslenkrad<br />

(optional)<br />

ABMESSUNGEN UND GEWICHTE<br />

Länge/Breite/Höhe 18.134/2.550/3.280 mm<br />

Radstand<br />

5.190/6755 mm<br />

Wendekreis<br />

23.500 mm<br />

Überhang vorn/hinten 2.7904/3.485 mm<br />

Fußbodenhöhe über der 320/340/340 mm<br />

Fahrbahn (Einstiegshöhe)<br />

Innenstehhöhe (vo./hi.) 2.300/1.760mm<br />

Tankvolumen Diesel 380 l<br />

Tankvolumen Adblue 30 l<br />

Zul. Gesamtgewicht 29.000 kg<br />

FAHRGASTKAPAZITÄT<br />

Fahrgastsitze Testwagen 53<br />

Stehplätze 1<strong>01</strong><br />

Rollstuhlplätze<br />

1 (+1 Kinderwagen)<br />

Gesamtkapazität 154<br />

Das vollständige Interview mit<br />

dem Volvo Buschef Agnevall<br />

finden Sie im Internet unter.<br />

www.eurotransport.de/7900LAH<br />

1<br />

1 Das mehr funktional als designorientiert<br />

ausgelegte Cockpit verzichtet weitgehend<br />

auf Hybrid-Spielereien und ist gut bedienbar.<br />

2 Gut erreichbar und einsehbar sind die<br />

Instrumente und Gerätschaften im<br />

Eurokasten über Kopf.<br />

achten. Ein wichtiger Vorteil des Hybridantriebs<br />

– neben dem Sparpotenzial – ist der streckenweise<br />

elektrische und somit emissionsfreie Betrieb.<br />

Abhängig davon, wie voll die Batterien sind –<br />

hierüber informiert das sonst auf ablenkende<br />

Hybrid-Spielereien verzichtende Cockpit-Display<br />

–, schafft der Volvo bis zu zwei Kilometer<br />

flüsterleise ohne den Vierzylinder, der sich<br />

jedoch auch unter Last immer manierlich gibt.<br />

Voraussetzung für derart lange Elektrophasen<br />

ist jedoch, dass der Fahrer mit dem Gaspedal<br />

Der Aufbau<br />

des Parallelhybrids<br />

mit einem<br />

600-V-Netz für den Antrieb<br />

ist konzeptbedingt<br />

relativ unkompliziert. Er soll<br />

zeitnah sogar auf die neue Plugin-Variante<br />

aufzurüsten sein, die bis<br />

zu 60 Prozent Energie einsparen soll.<br />

2<br />

extrem vorsichtig umgeht und nicht schneller als<br />

maximal Tempo 25 fährt, sonst springt flugs der<br />

emsige Euro-6-Verbrenner an, um die beiden<br />

Batterien mit 9,6 kWh Speichervermögen wieder<br />

zu füllen. Praxistauglich ist das jedoch maximal für<br />

kurze Fußgängerzonen-Abschnitte.


FAHRZEUGE | Volvo 7900 LAH [ 39 ]<br />

1<br />

2<br />

1 Der Innenraum des Gelenkzuges für bis<br />

zu 154 Passagiere ist hell und geräumig,<br />

einen transparenten Faltenbalg bieten<br />

die Schweden derzeit leider nicht.<br />

2 Die beiden Lithium-Ionen-Batterien auf dem<br />

Dach sind luft- und wassergekühlt, elektrisch<br />

beheizbar und telematisch überwacht,<br />

um eine lange Lebensdauer zu garantieren.<br />

Überwacht werden die Kraftpakete von einem<br />

Telematiksystem – mit einem entsprechenden<br />

Service-Vertrag muss sich der Kunde nicht mehr<br />

selbst um die Batterien kümmern. Zudem kann<br />

künftig vorgegeben werden, in welchen Bereichen<br />

rein elektrisch gefahren werden soll. Sinn<br />

macht dieses „Zoning“ freilich nur, wenn die<br />

elektrischen Phasen länger werden. Das sieht<br />

Volvo auch so und kündigt an, alle Euro-6-Hybride<br />

der ersten Generation auf die neue Elektro-<br />

Hybrid-Technik umrüsten zu können. Dies<br />

dürfte aber den bisherigen Hybridaufpreis von<br />

rund 120.000 Euro weiter in die Höhe treiben.<br />

So könnte bald aus dem Toyota der Busbranche<br />

ein Tesla werden – die Richtung stimmt. ◼<br />

Volvos Stufenplan zur Elektromobilität<br />

Interview: Volvo-Bus-Chef Håkan Agnevall setzt auf offene Systeme. <br />

Das Gespräch führte Thorsten Wagner.<br />

?: Warum ist es kein Zufall, dass Volvo Buses<br />

heute beim Thema Elektromobilität so gut aufgestellt<br />

ist?<br />

Agnevall: Wir sehen uns hier in einer Vorreiterposition<br />

unter den großen Herstellern. Der<br />

Vorteil von Volvo als Big Player besteht in einem<br />

kommerziell ausgereiften Fahrzeugkonzept,<br />

das robust, zuverlässig und vor allem<br />

bereits lieferbar ist.<br />

Volvo Bus-Lenker Håkan Agnevall auf der<br />

IAA Nutzfahrzeuge im Plug-in-Hybrid.<br />

?: Ist die auf der IAA gezeigte Schnellladetechnik<br />

mittels Pantograf demnach Ihre bevorzugte Lösung<br />

für die Zukunft?<br />

Agnevall: Unsere Elektromobilitätsstrategie<br />

besteht grundlegend aus drei Säulen. Sie basiert<br />

zunächst auf drei Antriebssystemen: den<br />

Diesel-Hybridbussen, den Elektro-Hybridbussen<br />

mit Plug-in-Technologie und den vollelektrischen<br />

Fahrzeugen, die wir im Juni 2<strong>01</strong>5<br />

erstmals in Göteborg vorstellen und im Rahmen<br />

des ElectriCity-Projekts einsetzen werden.<br />

Eine entscheidende strategische Rolle spielt<br />

aber auch unsere Fähigkeit, ein Komplettsystem<br />

bestehend aus Bussen und konduktiver<br />

Ladeinfrastruktur gemeinsam mit unseren<br />

weltweit agierenden Partnern Siemens und<br />

ABB anbieten zu können.<br />

?: Welches Feedback haben Sie von den Betreibern<br />

bisher zu dieser Strategie bekommen?<br />

Agnevall: Wir haben seit 2009 bereits rund<br />

1.700 Diesel-Hybridbusse verkauft. Es ist jedoch<br />

nicht geplant, dass der Elektro-Hybridbus<br />

den Diesel-Hybridbus komplett ersetzen<br />

soll. Ganz im Gegenteil: Die Wahl der geeigneten<br />

Antriebstechnologie hängt immer von<br />

den individuellen Einsatzbedingungen sowie<br />

den infrastrukturellen und städteplanerischen<br />

Vorgaben der einzelnen Städte ab. Was wir damit<br />

erreichen wollen, ist eine deutliche Senkung<br />

der Eintrittshürde zur Nutzung neuer<br />

Technologien.<br />

?: Handelt es sich also um Ihr ganz eigenes,<br />

spezifisches Konzept der Ladeinfrastruktur?<br />

Agnevall: Nein, wir wollen vielmehr offene<br />

Schnittstellen in der Infrastruktur, das haben<br />

wir von Anfang an so gesehen. Also wird es<br />

keine Volvo-eigene, also rein auf die Volvo-<br />

Bussysteme fokussierte Lösung für die Aufladung<br />

geben. Deswegen haben wir uns auch<br />

mit genau diesen global aufgestellten Partnern<br />

zusammengetan. Sicher wird es Wettbewerber<br />

geben, die ebenfalls Elektrobusse anbieten<br />

werden. Das sollen sie auch gerne tun, aber<br />

möglichst unter Verwendung der gleichen Infrastruktur.<br />

?: Was sagen Ihre Kunden zu Ihrer mutigen Entscheidung,<br />

in Kontinentaleuropa ausschließlich Hybrid-Stadtbusse<br />

anzubieten?<br />

Agnevall: Es gibt einige Kunden, die weiterhin<br />

dieselgetriebene Busse haben möchten.<br />

Schließlich war die Umstellung auf Euro 6<br />

für die Industrie mit einem immensen Kraftakt<br />

verbunden. Wir haben eine mutige Entscheidung<br />

getroffen, denn als großer Hersteller<br />

benötigt man eine plausible Strategie<br />

und man muss daran glauben. Die meisten<br />

Kunden verstehen und schätzen unsere klare<br />

Strategie in diesem Punkt.


[ 40 ] FAHRZEUGE | MAN Lion’s City GL CNG<br />

SAUBERE ALTERNATIVE<br />

Fahrbericht: Der MAN Lion‘s City GL CNG wartet mit blitzsauberem Antrieb auf und wird so<br />

zum Überraschungserfolg. Der Erdgasantrieb ist der „Hidden Champion“ der Branche.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER | FOTOS: THOMAS KÜPPERS<br />

Es sind nicht immer nur die Stars und Sternchen<br />

eines Medienhypes, die zunächst Verkaufserfolge<br />

verzeichnen, um kurz darauf<br />

umso härter auf dem Boden der Tatsachen zu landen.<br />

Auch technischen Entwicklungen kann es<br />

so ergehen. Zu beobachten ist dieses Phänomen<br />

etwa bei dieselelektrischen Hybridbussen, die<br />

nach fulminantem Mediengewitter vor fünf Jahren<br />

hoffnungsfroh gestartet sind, nur um heute<br />

ein Schattendasein zu fristen, weil sie schlicht zu<br />

teuer sind. Einige Hersteller haben das Angebot<br />

mit Einführung von Euro 6 sogar ganz eingestellt.<br />

Doch der viel gelobte Euro-6-Diesel ist zwar<br />

so sauber, wie er nur sein kann, und verfügt sogar<br />

über weitere Kraftstoff-Einsparpotenziale,<br />

doch die Lösung für Feinstaub- und CO 2 -Emissionsprobleme<br />

der Städte und Kommunen ist er<br />

keineswegs. Zudem will sich so manches Unternehmen<br />

nicht so recht ans Hantieren mit Adblue<br />

und das Freibrennen und Reinigen von<br />

Verkehrsbetriebe wünschen sich eine sehr<br />

saubere, aber auch serienreife Antriebstechnik<br />

Partikelfiltern gewöhnen. Schnell kommt mancher<br />

Betrieb an den Punkt, an dem man sich<br />

bei Neu anschaffungen die Frage stellt: Gibt es<br />

denn keine unkomplizierte, saubere und zudem<br />

serien reife Antriebstechnik für Stadtbusse?<br />

Eine Antwort auf diese Frage kommt aus<br />

einer Nische, die seit Jahren wie ein Schattengewächs<br />

in ganz Europa prächtig gedeiht: der<br />

Erdgasbus. Oft belächelt und notorisch unterschätzt<br />

ist dieser Antrieb, dem man aufgrund<br />

seiner vollständigen Serienreife nur noch ungern<br />

das Label „Alternativ“ umhängen möchte.<br />

Er ist so etwas wie der „Hidden Champion“<br />

der sauberen Antriebsalternativen für die Stadt.<br />

Eine besondere Rolle spielt hierbei MAN,<br />

nach eigenen Angaben mit bisher 8.000 verkauften<br />

CNG-Bussen Marktführer in Europa.<br />

Derzeit würden rund 20 Prozent der Stadtbusse<br />

mit dem Antrieb abgesetzt. In Deutschland hat<br />

das Unternehmen seit mehr als 40 Jahren Erfahrungen<br />

in Städten wie Augsburg und Nürnberg.<br />

Nicht zuletzt aufgrund der massiven Verwendung<br />

von Biogas, wodurch sich der CO 2 -Ausstoß<br />

laut einer Studie der Deutschen Energie-<br />

Agentur (dena) um bis zu 97 Prozent reduzieren<br />

lässt, hat zum Beispiel Schweden mit rund<br />

5,4 Prozent einen der höchsten CNG-Flottenanteile<br />

in Europa (Deutschland: 2,3 Prozent, Niederlande<br />

6,9 Prozent laut europäischem Branchenverband<br />

NGVA, Stand 2<strong>01</strong>4).<br />

Durch Euro 6 ist der Preisabstand zwischen<br />

Diesel und CNG weiter geschrumpft, auch<br />

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wenn MAN noch immer, je nach Flaschenpaket<br />

auf dem Dach, von einem Mehrpreis von<br />

rund 40.000 Euro oder rund 18 Prozent auf den<br />

Dieselpreis ausgeht. Beim sehr gut ausgestatteten<br />

Testwagen sind es nur noch 9,5 Prozent des<br />

Gesamtpreises von 420.000 Euro. Zudem muss<br />

der Verkehrsbetrieb aus Gewichtsgründen auf<br />

18 zahlende Fahrgäste verzichten.<br />

„Die Kostenvorteile des niedrigeren Kraftstoffpreises<br />

gleichen jedoch in den allermeisten<br />

Fällen diese Anfangsinvestitionen sowie die<br />

um rund acht Prozent höheren Wartungskosten<br />

mehr als aus, sodass nach unseren Berechnungen<br />

am Ende ein Plus von rund 15 Prozent bei<br />

den Life-Cycle-Costs über einen Betrachtungszeitraum<br />

von zehn Jahren herauskommt“, erläutert<br />

Stefan Sahlmann vom Produktmarketing<br />

Niederflurbusse bei MAN. Wie sich der aktuell<br />

sinkende Dieselpreis und die daraus resultierende<br />

kleinere Differenz zum Gaspreis auswirken<br />

wird, bleibt freilich abzuwarten. Trotzdem resümiert<br />

Sahlmann: „Oft müssen wir bei den Interessenten<br />

erst auf den Kostenvorteil des CNG-<br />

Motors hinweisen, denn bisher stehen eher die<br />

Umweltaspekte im Vordergrund beim Kauf.“<br />

Und diese Umweltvorteile sind immens.<br />

Nicht nur, dass rein energetisch von einem CO 2 -<br />

Minderausstoß von 20 bis 25 Prozent gegenüber<br />

dem Diesel auszugehen ist, auch die konventionellen<br />

Schadstoffe wie Partikel und Stickoxide<br />

liegen teilweise weit unter den Diesel- und<br />

auch den Euro-6-Grenzwerten. Der Clou dabei:<br />

Es wird keine Chemiefabrik spazieren gefahren<br />

wie beim Euro-6-Diesel, sondern ein einfacher,<br />

wartungsfreier Drei-Wege-Kat, der zur Abgasreinigung<br />

ausreicht.<br />

Das Thema Lärmemission, das durch schärfere<br />

EU-Gesetze schon bald massiv in den Fokus<br />

rücken wird, spielt bei der Kaufentscheidung<br />

ebenfalls eine Rolle. Der Gasmotor mit seinem<br />

fremdgezündeten Otto-Motor-Prinzip liegt um<br />

einige Dezibel unter den selbstzündenden Brüdern.<br />

Im Testwagen säuselt der Zwölf-Liter-Turbomotor<br />

mit 310 PS und 1.250 Newtonmetern im<br />

Stand und außen gemessen mit 66,5 db(A) vor<br />

sich hin. Subjektiv empfinden viele Menschen<br />

das eher zugeschnürte Volllastgeräusch eines<br />

CNG-Motors weitaus angenehmer als einen<br />

kernig-kehligen stampfenden Turbodiesel.<br />

1<br />

1 Kein Hingucker mehr, aber immer noch sehr<br />

funktional: das MAN-Cockpit mit „Pille“.<br />

2 Die Taster für die fünf Türen sind wie an<br />

einer Perlenschnur aufgereiht.<br />

3 Das 10er-Flaschenpaket wiegt mehr als eine<br />

Tonne und reicht für gut 500 Kilometer aus.<br />

4 Das MAN-Design ist unaufgeregt, aber zeitlos.<br />

5 Heller und freundlicher Innenraum dank<br />

transluzentem Faltenbalg und verglasten<br />

Notausstiegsluken.<br />

5<br />

3<br />

2<br />

4<br />

Doch nicht nur die Motortechnik, auch das Fahrzeug<br />

selbst ist eine Besonderheit für MAN. Die<br />

Münchner haben den in die Jahre gekommenen<br />

Niederflur-Stadtbus mit allem aufgepeppt,<br />

was zur Verfügung steht. Das beginnt bei der<br />

Karosserie. Schon zur IAA 2002 hatte die Neoman<br />

Bus GmbH – heute ein Unwort in München<br />

– als eine der ersten gemeinsamen MAN-Neoplan-Produkte<br />

einen 18,75 Meter langen Fünftürer<br />

präsentiert, aber nie breit vermarktet.<br />

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[ 42 ] FAHRZEUGE | MAN Lion’s City GL CNG<br />

2<br />

1 Der Heckbereich des Busses ist aufgrund<br />

des liegenden Motors etwas verbaut.<br />

2 So schick kann ein Stadtbusinterieur sein –<br />

trotz stehplatzoptimiertem Konzept.<br />

3 Ohne WLAN und modernes Ticketing geht<br />

im XL-Stadtbus heute nichts mehr.<br />

Mit dem zunehmenden Bedarf an großen Gefäßen,<br />

nicht zuletzt für das Thema Bus Rapid<br />

Transit (BRT), holte man die Pläne vor einiger<br />

Zeit für das UITP-Projekt „European Bus System<br />

of the Future (EBSF)“ aus den Schubladen<br />

1<br />

3<br />

und strickte den Neoplan Centroliner N 4522 auf<br />

das unaufgeregte MAN-Design um – aber nicht,<br />

ohne die fünf Türen beizubehalten. Und das aus<br />

gutem Grund: Tests in Hamburg haben ergeben,<br />

dass sich die Wechselzeit für 40 Passagiere<br />

„Beim Erdgasantrieb ist noch viel Musik drin“<br />

Interview: Dr. Timm Kehler über Vorteile und Perspektiven des Erdgasantriebs. <br />

Das Gespräch führte Thorsten Wagner.<br />

?: Ist das Thema Erdgas eine echte Alternative für<br />

den Betreiber oder nur eine Öko-Nische?<br />

Kehler: Aus verschiedenen Gründen verspüren<br />

wir gerade verstärkt Interesse am Thema<br />

CNG. Das ökologische Argument ist zwar immer<br />

noch wichtig, aber wir sehen, dass der ausgereifte<br />

Erdgasantrieb gerade aus wirtschaftlichen<br />

Gründen für den Betreiber zunehmend<br />

eine echte Alternative darstellt. Der „Game<br />

Changer“ für CNG war aus unserer Sicht<br />

Euro 6, wodurch auf der Diesel-Seite einiges<br />

an Komplexität und Mehrkosten dazugekommen<br />

ist. Zudem kann der Kraftstoffkostenvorteil<br />

von Erdgas jetzt voll ausgespielt werden.<br />

?: Wie ist es denn um die CO 2 -Bilanz bestellt?<br />

Kehler: Die CO 2 -Bilanz fällt durch den Einsatz<br />

von Biogas, das sich ja schon zu 20 Prozent im<br />

Erdgas wiederfindet, deutlich vorteilhafter aus<br />

als bei einem Diesel. Viele Kunden, wie seit<br />

Kurzem die Verkehrsbetriebe in Greifswald<br />

(Bild r.), fahren sogar mit 100 Prozent Biogas,<br />

was auch energiewirtschaftlich einige Vorteile<br />

bietet. Sehr interessant ist zudem das Thema<br />

Windgas, weil es heimisch erzeugtes Erdgas<br />

ist, das in das Netz eingespeist werden kann.<br />

?: Der Anwendung bei den Betrieben steht ja zumeist<br />

die fehlende Erdgasinfrastruktur im Wege.<br />

Wie gehen Sie an dieses Thema heran in der<br />

neuerlichen Vertriebskooperation mit MAN?<br />

Kehler: Wir gehen so vor, dass der lokale Energieversorger<br />

mit unserer Unterstützung die<br />

Tankstelle betreibt, aber der Betreiber trotzdem<br />

die Vorteile des günstigen Erdgaspreises<br />

hat. Alternativ bieten wir auch an, dass erdgas<br />

mobil bei der Suche nach Investoren hilft.<br />

?: Was ist genau der Inhalt der Kooperation mit<br />

MAN? Wird es auch ein Lkw-Thema werden?<br />

Kehler: Wir fokussieren uns derzeit auf die Busanwendungen,<br />

weil wir dort ein ausgereiftes<br />

Produkt haben. Wir sind mit MAN exklusiv<br />

vertraglich gebunden. Derzeit hat zumindest<br />

der deutsche Wettbewerb ja auch noch keine<br />

Alternative im Portfolio.<br />

?: Wie geht es denn technologisch weiter?<br />

Kehler: Ein anderes spannendes Thema kommt<br />

derzeit von Volvo und seinem HPDI-Dual- Fuel-<br />

Ansatz, bei dem nur ganz wenig Diesel eingespritzt<br />

wird. Hierbei handelt es sich nicht um<br />

eine Zuliefererlösung mit hoher Bei mischung,<br />

sondern eine durchentwickelte OEM-Lösung.<br />

Im Erdgasthema ist also weiterhin<br />

einiges an Musik.<br />

Dr. Timm Kehler ist Geschäftsführer der<br />

Brancheninitiative erdgas mobil.


FAHRZEUGE | MAN Lion’s City GL CNG [ 43 ]<br />

bei einer Kapazität von bis zu 142 Passagieren<br />

gegenüber dem Viertürer von 26 auf 16 Sekunden,<br />

für 60 Passagiere sogar von 45 auf 26 Sekunden<br />

reduziert. Apropos Türen: Wir empfehlen<br />

den Griff zu den Elektro-Außenschwenktüren.<br />

Die sind um einiges komfortabler und schließen<br />

zudem dichter. Der gesamte Innenraum ist<br />

obendrein auf einen erhöhten Fahrgastfluss ausgelegt.<br />

Zwischen Tür zwei und drei kann der<br />

Fahrer bei hohem Fahrgastaufkommen noch<br />

dazu drei Klappsitze vom Fahrerplatz aus<br />

manuell sperren, was durch eine rote Leuchte<br />

angezeigt wird.<br />

Ebenfalls aus dem EBSF-Projekt stammt der transluzente<br />

Faltenbalg von Conti-Tech, der zusammen<br />

mit den Glasdachluken für viel Licht im<br />

Innenraum sorgt. Hinzu kommt eine WLAN-gestützte<br />

Ticketing-Ausstattung inklusive Hotspot<br />

für die Fahrgäste. Das Cockpit ist mittlerweile<br />

sattsam bekannt, auch der intern „Pille“ genannte<br />

Instrumententräger mit Lkw-Uhren überzeugt<br />

heute trotz neu designter Schalter nicht mehr<br />

wirklich. Andere VDV-angelehnte Lösungen<br />

machen da um einiges mehr her. Die Bedienerfreundlichkeit<br />

ist jedoch gegeben: Einmal alles<br />

verstanden und es flutscht wie am Schnürchen.<br />

Den aktuellen Trend zur hinten angeschlagenen<br />

Kabinentür vermissen wir jedoch schmerzlich.<br />

Das Fahrgefühl eines Gelenkbusses, zumal<br />

eines mit einem Zusatzgewicht von mehr als<br />

einer Tonne auf dem Vorderwagendach, ist schon<br />

etwas Besonderes. Aber nach kurzer Gewöhnung<br />

lässt der Lion’s City GL CNG sich beinahe genauso<br />

gut um die Kurven zirkeln wie ein Solobus mit<br />

13 Metern. Vorteil des Gewichts: Der Vorderwagen<br />

verhält sich sehr ruhig, fast als ob elektronisch<br />

gesteuerte Dämpfer verbaut wären.<br />

Der Nachteil: Die ohnehin nicht als Ausbund<br />

von Komfort bekannte, aber sehr robuste vordere<br />

Starrachse macht sich deutlich klappernd<br />

bemerkbar – wie auch die mit viel Plastik ausgeführte<br />

Wand- und Deckenbeplankung.<br />

Ein anderes Vorurteil gegenüber dem Erdgasantrieb<br />

stammt aus Zeiten, als der CNG-Motor<br />

noch keinen Turbolader hatte und im Magermixbetrieb<br />

werkelte. Mit diesem hat der neue<br />

Motor kaum mehr etwas gemeinsam. Seine<br />

310 PS und 1.250 Newtonmeter verleihen auch<br />

dem Gelenkbus mit maximaler Länge ausreichend<br />

Temperament. Das verbaute Voith<br />

DIWA.5-Getriebe mit topografischer Sensotop-<br />

Steuerung kann dieses aber nicht immer eins zu<br />

eins weitergeben – vor allem nicht in den ersten<br />

beiden Gängen, die ja nicht mechanisch geschaltet<br />

werden. Dort würde man sich auch im<br />

Stadtbus etwas mehr Dynamik wünschen. Vorteil<br />

der durchentwickelten Box: weniger Schaltrucke<br />

und höhere Hitzebeständigkeit.<br />

1<br />

1 Die hochwirksame Abgasreinigung des<br />

fremdgezündeten Otto-Motors besorgt ein<br />

Drei-Wege-Kat im Heck.<br />

2 Mittels Adapter können die 200-bar-Erdgasflaschen<br />

auf dem Dach in überschaubarer<br />

Zeit auch an einer Pkw-Tankstelle mit<br />

Erdgas befüllt werden.<br />

Übersichtlichkeit im Cockpit und Lenkverhalten<br />

sind makellos, wie vom Lion’s<br />

City gewohnt. Die neuen, klobigen Außenspiegel<br />

tragen zur guten Sicht, aber wohl oft auch<br />

zu erhöhten Reparaturkosten bei.<br />

Zum Thema Sicherheit hat sich auch MAN mangels<br />

technisch hoch komplexen ESP-Einbaus<br />

dazu entschlossen, einen elektronischen Knickschutz<br />

für das Gelenk einzubauen, den wir unlängst<br />

in Lappland erleben durften. Mit ABS,<br />

EBS und anderen Systemen ist es um die Sicherheit<br />

durchaus gut bestellt, wenn auch bei Innovationen<br />

wie Überrollfähigkeit nach R66.02 oder<br />

Frontalaufprallschutz Fehlanzeige ver meldet<br />

wird. Da macht sich die beinahe 20 Jahre alte<br />

Grundstruktur des Lion’s City bemerkbar, der<br />

dem Vernehmen nach noch eine Weile auf die<br />

ersehnte Ablösung warten muss.<br />

Aber auch das ist ein Merkmal von Hidden Champions:<br />

Trotz mangelnder Aufmerksamkeit lebt<br />

es sich zuweilen mit Fleiß und Ausdauer in der<br />

Nische lange und gut. <br />

◼<br />

Vergleich CNG-Emissionen zu Euro-6-Grenzwerten (WHTC)<br />

2<br />

QUELLE: MAN TRUCK AND BUS AG<br />

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[ 44 ] FAHRZEUGE | Mercedes Travego Safety Coach<br />

VERTRAUENSSACHE<br />

Fahrbericht: Würde Daimler dem Notbremssystem ABA3 drei Limousinen opfern oder ist das<br />

Vertrauen gerechtfertigt? Probe aufs Exempel mit dem Mercedes-Benz Travego Safety Coach.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER | FOTOS: KARL-HEINZ AUGUSTIN<br />

Vertrauen ist der Anfang von allem – gerade,<br />

wenn es um Leben und Tod geht. Vertrauen<br />

wir aber einer computergesteuerten<br />

Maschine heute schon unser Leben an – auch in<br />

Zeiten, in denen die Vision vom autonomen Fahren<br />

noch in mittlerer Ferne zu sein scheint? Es<br />

gibt bereits Situationen, in denen man sein Vertrauen<br />

in ein Fahrzeug und dessen elektronische<br />

Funktionen auf die Probe stellen kann.<br />

Gelegenheit dazu gibt es auf der Teststrecke am<br />

Daimler-Lkw-Werk im rheinland-pfälzischen<br />

Wörth bei der Demonstration der dritten Generation<br />

des Notbremsassistenten ABA („Active<br />

Brake Assist“). Dieser kam erstmals 2008 bei<br />

Mercedes zum Einsatz und wurde seither kontinuierlich<br />

weiterentwickelt. Demofahrer Manfred<br />

Bachus flößt den anwesenden Fahrgästen<br />

eine gute Portion wohligen Urvertrauens<br />

ein, schließlich macht er den Job bereits seit<br />

mehr als acht Jahren. Um diesen unbeschadet<br />

überstehen zu können, sei etwas Besonderes<br />

mit ihm passiert, erläutert Peter Schumacher,<br />

bei Daimler Buses für den Bereich Fahrwerk/<br />

Systeme zuständig, mit einem Lächeln: Bei<br />

den Testfahrern seien bestimmte natürliche<br />

Reflexe durch eine gezielte Konditionierung<br />

deaktiviert worden.<br />

Der Beweis hierfür lässt nicht lange auf sich<br />

warten, schließlich sind wir schon in der Steilkurve<br />

mit 80 km/h unterwegs in Richtung Ziel.<br />

Dieses besteht aus drei aufgereihten schwarzen<br />

Luxuslimousinen der schwäbischen Premiummarke.<br />

Wert: geschätzte 250.000 Euro, also<br />

nicht ganz so viel, wie die Marke für den gelben<br />

Travego der dritten Safety-Coach-Generation<br />

aufruft. Er steht mit rund 340.000 Euro netto<br />

in der Liste. Welch Vertrauensbeweis!<br />

Natürlich ist der Vorzeige-Reisebus in Sachen<br />

Sicherheit mit viel zusätzlicher Technik ausgerüstet.<br />

Einer der Sitze hinter dem Fahrer ist fast<br />

völlig mit Computertechnik belegt. Monitore<br />

zeigen alle relevanten Parameter der komplexen<br />

Algorithmen des Notbremssystems an. Daneben<br />

sitzt Peter Schumacher und überwacht den<br />

Ablauf. Nach den ab November 2<strong>01</strong>5 geltenden<br />

EU-Regelungen muss ein Notbremssystem aus<br />

Tempo 80 bei einer Differenzgeschwindigkeit<br />

zu einem vorausfahrenden Fahrzeug von maximal<br />

50 km/h einen Unfall vermeiden können.<br />

Daimler übererfüllt bereits heute die nächste<br />

Verschärfung der Vorgaben ab 2<strong>01</strong>8. Bei einem<br />

stehenden Fahrzeug voraus, also die aktuelle<br />

Neuerung beim ABA3-System, muss das<br />

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1 Auf der Autobahn überlassen wir den<br />

Systemen die Hoheit über das Fahren.<br />

2 Die Wahl des richtigen Abstands ist wichtig,<br />

um flüssiges Überholen zu ermöglichen.<br />

3 „Füße weg von den Pedalen!“. lautet das<br />

Motto, das wir auch durchhalten.<br />

Tempo um mindestens 10 km/h reduziert werden.<br />

Das höre sich zwar nach wenig an, aber<br />

der Vorgang dahinter sei nicht trivial, bestätigt<br />

Schumacher: „Ab einer Entfernung von 200 Metern<br />

vor dem Hindernis wird das System aktiv<br />

und sortiert rund 200 Signale nach deren Relevanz.<br />

Erst, wenn alles passt, wird die Notbremsung<br />

ausgelöst.“<br />

Schon wird es ernst. Schumacher konzentriert<br />

sich zu 100 Prozent auf den Monitor. Auf dem<br />

Tacho liegen genau 80 km/h an. Fahrer Bachus<br />

ist hochkonzentriert und doch tiefenentspannt –<br />

mangels natürlicher Reflexe. Plötzlich tut sich etwas<br />

auf dem Bildschirm, was auf eine unplausible<br />

Datenlage in der Auswertung hinweisen kann.<br />

„Abbruch!“, macht Schumacher eine sehr klare<br />

und deutliche Ansage. Noch ist Platz genug,<br />

um den rund 13 Tonnen schweren Reisebus elegant<br />

um die Pkw herum zu manövrieren, ohne<br />

jemanden ernsthaft in die Bredouille zu bringen.<br />

Was ist passiert? „Das System darf niemals<br />

eine Situation herbeiführen, die gefährlicher<br />

ist als die reale Verkehrssituation. Im<br />

Zweifelsfall tut es lieber nichts, als eine Notbremsung<br />

mit 6 bis 7 ms 2 an Verzögerung auszulösen.<br />

Das ist eben die hohe Kunst der Vermeidung<br />

von Fehlauslösungen.“ Irgendwie klingt<br />

das sehr beruhigend. Schon eine unplausible<br />

Bewegung des Fahrers am Lenkrad oder der<br />

Pedalerie kann das System so beeinflussen, dass<br />

es die Notbremse („Override“) zieht. Schließlich<br />

soll der Fahrer nur unterstützt und nicht<br />

entmündigt werden – auch wenn der eine oder<br />

andere genau das fürchtet.<br />

1<br />

2<br />

Szenenwechsel: von der abgeschlossenen Teststrecke<br />

in den realen Alltag auf der Autobahn. Es<br />

ist ein Wochentag auf der A 61 zwischen Rasthof<br />

Kirchheim/Weinstraße und Kaiserslautern, der<br />

Verkehr ist mäßig dicht. Wir wollen dem fahrerischen<br />

Urvertrauen in die Technik auf der Straße<br />

nachspüren. Natürlich ist der Ansatz hier ein<br />

anderer. Wir wollen hier nicht etwa den ABA3<br />

testen, der ist heute nur die Ultima Ratio im Fall<br />

der Fälle.<br />

Stattdessen werden wir versuchen, einen Autobahnabschnitt,<br />

so autonom wie nach heutigem<br />

Stand der Technik möglich, weitgehend ohne<br />

Fahrereingriffe zu absolvieren. Die Zutaten<br />

des teilautonomen Selbstversuchs neben ABA3:<br />

Abstandsregeltempomat (ART), Spurassistent<br />

(SPA), Aufmerksamkeitsassistent (ATA), prädiktive<br />

Getriebesteuerung (PPC) des automatisierten<br />

Powershift-8-Getriebes.<br />

Die Strategie: Wir fahren eine Runde der etwa<br />

60 Kilometer langen Strecke mit allen vorhandenen<br />

Systemen auf Normalmodus und greifen<br />

nicht ein. Die zweite Runde absolvieren wir<br />

völlig selbstbestimmt ohne Tempomat und Co.<br />

Los geht es! Wir biegen vom Autohof auf die<br />

Autobahn ein und starten den Versuch. Tempomat<br />

auf 100 km/h, Getriebe im Normalmodus,<br />

alle Systeme sind bereit und arbeitswillig.<br />

Im Daimler-typischen „Stack and Cards“-Display<br />

ist alles gut zu überblicken, auch die Distanz<br />

zum Vordermann. Schnell stellt sich heraus,<br />

dass der kürzeste einstellbare Abstand des ART<br />

im Sinne einer flüssigen Fahrweise ideal ist, da<br />

man sonst sehr früh beim Überholen ansetzen<br />

müsste, um eine ungewollte Bremsung zu vermeiden.<br />

Auch Bremsvorgänge, sollten sich auf<br />

der zweiten Spur mal Trucks in den Weg stellen,<br />

sind kaum spürbar und gehen fast nahtlos<br />

vonstatten. „Könnte man kaum besser“, schießt<br />

es dem Fahrer durch den Kopf. Überhaupt wird<br />

schnell deutlich, wie gut die Daimler-Systeme<br />

aufeinander und auf die Umwelt abgestimmt<br />

sind. Kein Ruckeln, Fehlauslösen ober übermütiges<br />

Übersteuern – das schafft schnell Vertrauen<br />

in die Technik und wirkt entspannend. Der<br />

Fuß bleibt bis zur Wende kurz vor Kaiserslautern<br />

Die Kunst der Vermeidung von Fehlauslösungen<br />

war ein wichtiger Entwicklungsbaustein<br />

3<br />

standhaft auf dem Boden. Der nächste Schritt der<br />

Sicherheitstechnik wird der aktive Lenkeingriff<br />

sein, der schon heute mit elektrisch parametrierbaren<br />

Systemen möglich ist. Wir würden uns<br />

nicht wundern, sollten wir in naher Zukunft ein<br />

solches System in einem Fahrzeug mit der gleichen<br />

Modellbezeichnung fahren dürfen.<br />

Aber noch ist es nicht so weit, die Ausfahrt<br />

naht und wir müssen unseren kleinen Autonomieversuch<br />

leider unterbrechen. Theoretisch<br />

würde auch die Wende ohne Eingriff funktionieren,<br />

aber dazu bräuchte es ein Führungsfahrzeug,<br />

an das sich der Radarstrahl des Busses<br />

„heften“ könnte. Zudem ist ein solches Manöver<br />

im Alltag nicht für verantwortungsvolles Testen<br />

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[ 46 ] FAHRZEUGE | Mercedes Travego Safety Coach<br />

1<br />

2<br />

1 In den letzten beiden Sekunden baut das<br />

ABA3-Notbremssystem vollen Druck auf.<br />

2 Auffällige Anzeigen im Display spielen eine<br />

wesentliche Rolle bei der mehrstufigen<br />

Warnkaskade vor der Vollbremsung.<br />

3 Der neue Radarkopf aus der S-Klasse<br />

verfügt über Walzensensoren und kann bis<br />

zu 200 Meter weit „vorausschauen“.<br />

3<br />

geeignet. Nach der manuellen Wende geht es also<br />

in der Gegenrichtung zurück. Mittlerweile ist<br />

der Fahrer so an das unaufdringliche Eigenleben<br />

der Systeme gewöhnt, dass es sich völlig natürlich<br />

anfühlt, diesem die weitgehende Hoheit<br />

zu überlassen – von Entmündigung keine Spur,<br />

dafür stellt sich Gelassenheit und Vertrauen ein.<br />

Um dem rein manuellen Fahren so nahe<br />

wie möglich zu kommen, nutzen wir bei<br />

der zweiten Runde zudem den Dynamikmodus<br />

des GO 250-8 Getriebes, der es etwas<br />

flotter angehen lässt. Nicht gerade gestresst,<br />

aber doch insgesamt etwas angespannter beenden<br />

wir den Selbstversuch. Ergebnis? Im<br />

„teilautonomen“ Betrieb mit PPC haben wir eine<br />

Peter Schumacher,<br />

Leiter Fahrwerk/<br />

Systeme Daimler<br />

Buses:<br />

„Viele der Sicherheitssysteme wie ESP oder<br />

auch den ABA haben wir zuerst in Eigeninitiative<br />

entwickelt. Heute ziehen viele Hersteller<br />

nach, nicht zuletzt aufgrund der gesetzlichen<br />

Vorgaben.“<br />

Durchschnittsgeschwindigkeit von 95,7 km/h<br />

vorgelegt, im selbstbestimmten Modus dagegen<br />

sind es 97,6 km/h. Das ergibt lediglich sieben<br />

Sekunden, die auf zehn Kilometer Strecke<br />

verloren gehen. Und das bei deutlicher Einsparung<br />

an Kraftstoff und Nerven.<br />

Nerven schonen ist dagegen beim zweiten Anlauf<br />

auf der Teststrecke in Wörth und mit Manfred<br />

Bachus am Steuer nicht angesagt. Wieder<br />

geht es in die Steilkurve, wieder volle Konzentration,<br />

wieder 80 km/h. Bachus hält souverän<br />

drauf und diesmal spielen auch die Algorithmen<br />

in Schumachers Computer klaglos mit.<br />

Das Heck der S-Klasse vorne kommt bedrohlich<br />

näher. Die Warnkaskade des Systems geht<br />

200 Meter vor dem theoretischen Aufprall hoch,<br />

erst optisch dann auch eindringlich akustisch. Das<br />

Bremssystem verzögert zunächst mit 30 Prozent,<br />

um möglichst fahrgastschonend zu agieren. Dann<br />

aber hauen die Bremsbacken in den letzten beiden<br />

Sekunden nach Zeitpunkt „T null“ voll zu. Es<br />

schleudert die Insassen nach vorne in die Gurte<br />

und die Karosserie sinkt ächzend in die Federn.<br />

Mit einem Abstand von rund fünf Metern kommt<br />

das Gefährt vor den Limousinen zum Stehen.<br />

Klar: Diese Demonstration findet unter<br />

Idealbedingungen statt. „Wir können und<br />

wollen die Aufprallvermeidung nicht in jedem<br />

Fall garantieren“, erklärt Schumacher.<br />

„Zumindest jedoch werden die Unfallfolgen im<br />

Rahmen der physikalischen Möglichkeiten deutlich<br />

reduziert.“ Und das Vertrauen von Fahrer<br />

und Fahrgästen gleichzeitig maximiert. ◼<br />

Sicherheit<br />

stufenweise<br />

Die Sicherheit im<br />

Omnibus schreitet<br />

in immer größeren<br />

Schritten voran.<br />

Seit einigen Jahren<br />

macht der Gesetzgeber<br />

richtig Druck<br />

und schreibt viele<br />

Systeme vor. Da<br />

haben es Global<br />

Thorsten Wagner,<br />

Testredakteur<br />

Player wie Daimler gut und können sich an<br />

die Spitze der Bewegung setzen. Kleinere<br />

Hersteller tun sich schwerer und müssen<br />

die Fristen bis zum letzten Moment nutzen.<br />

Andere verheddern sich mit stufenweisen<br />

Lösungen, etwa MAN mit dem Notbremssystem<br />

EBA 1 und 2. Und selbst Daimler muss<br />

sich zuweilen nach der Decke strecken:<br />

ABA3 bedarf der neuen Elektronik-Plattform<br />

und so musste man für den Tourismo eigens<br />

eine andere Lösung auf ABA2-Niveau schaffen.<br />

Zuweilen geht Sicherheit aber auch<br />

ganz einfach: Warum verzichten immer noch<br />

einige Verkehrsunternehmen auf den Fahrergurt<br />

im Stadtbus, auch wenn der bei Einrückfahrten<br />

durchaus mal schneller als 60<br />

km/h fährt? Die Kosten sollten es nicht sein,<br />

aber eine Regelung steht bisher aus. Könnte<br />

gesunder Menschenverstand hier helfen?<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 4/2<strong>01</strong>5


[ 48 ] MÄRKTE | US-amerikanische Busmesse UMA<br />

ALL THAT JAZZ ...<br />

Busmarkt: Seit rund elf Jahren bietet Setra die Top-Class in den USA an, seit zwei Jahren mit<br />

einem neuem Importeur. Grund genug, um uns auf der Busausstellung UMA umzusehen.<br />

TEXT UND FOTOS: THORSTEN WAGNER<br />

Das French Quarter in New<br />

Orleans scheint etwas aus<br />

der sonst eher nüchternen<br />

US-amerikanischen Welt<br />

gefallen zu sein. Fast schon europäisch<br />

und jugendlich-frisch gibt<br />

man sich den musikalischen und<br />

kulinarischen Sinnenfreuden des<br />

Südens hin – zumeist im improvisiert<br />

wirkenden und kreativen Takt<br />

des Jazz, der hier so etwas wie sei-<br />

ne US-amerikanische Heimat hat.<br />

Und das nicht nur zu den quirligen<br />

Mardi-Gras-Zeiten, die in etwa unserem<br />

Karneval entsprechen.<br />

Ähnlich fremd wirkt in der amerikanischen<br />

Buswelt ein Setra S 417 TC,<br />

wie sich die bekannte 400er-Baureihe<br />

des Ulmer Herstellers dort<br />

nennt. Die stolze Übersee-Geschichte<br />

des Busbauers begann<br />

schon in den 50er-Jahren mit den<br />

legendären Silver- und Golden-<br />

Eagle-Modellen, von denen rund<br />

200 Einheiten ausgeliefert wurden.<br />

Nach einer Pause startete Setra 1984<br />

dann mit dem S 215 HDH wieder<br />

durch und blickte 2<strong>01</strong>4 somit auf<br />

30 Jahre im Markt zurück.<br />

2003 wurde dann die 400er-Baureihe<br />

im Premiumsegment eingeführt<br />

und bis heute rund 1.100 Mal<br />

verkauft. 2007 konnten sich die<br />

Ulmer auf einer UMA in New Orleans<br />

bereits die Produktionsnummer<br />

500 auf die Frontscheibe kleben.<br />

Der Marktanteil von sieben<br />

bis zehn Prozent am 1.500 Einheiten<br />

großen Reisebusmarkt der<br />

USA (im Premium-Segment bis zu<br />

30 Prozent) ist in den vergangenen<br />

beiden Jahren jedoch aufgrund der<br />

erfolgten Neuausrichtung auf 60 bis<br />

80 Einheiten gesunken.<br />

2<strong>01</strong>1 kam noch die angepasste<br />

Comfort-Class als S 407 mit betont<br />

US-amerikanischem Auftreten hinzu,<br />

allerdings ohne mit der Top-<br />

Class vergleichbaren Stückzahlen,<br />

da dieses Fahrzeug jetzt zu nahe an<br />

den amerikanischen Mittelklasse-<br />

Reisebussen positioniert war, wie<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 4/2<strong>01</strong>5


sie zum Beispiel vom neuen Generalvertreter<br />

MCI (Motor Coach<br />

Industries) angeboten und bis zu<br />

600 Mal im Jahr verkauft werden.<br />

Mit der Einstellung der Daimler-<br />

Stadtbus-Marke Orion im Jahr 2<strong>01</strong>0<br />

rechnete sich für den Konzern auch<br />

das eigenständige Reisebusgeschäft<br />

bei den geringen Stückzahlen kaum<br />

mehr. Daher sah sich der Konzern<br />

nach einem erfahrenen Partner um,<br />

den man mit dem ehemaligen Konkurrenten<br />

und Marktführer MCI<br />

dann auch fand.<br />

Markts sehr speziell sind. In puncto<br />

Sicherheit sind die gesetzlichen Anforderungen<br />

noch nicht ganz so<br />

hoch wie in Europa – abgesehen<br />

von den neuen Sitzfestigkeitsvorgaben,<br />

die heute das zwanzig fache<br />

der Erdbeschleunigung fordern<br />

und eine Anpassung der Befestigung<br />

der Sitze bedingen.<br />

Neue und luxuriöse Ledersitze<br />

des Typs „Voyage Ambassador“<br />

sind nur ein Merkmal des<br />

S 417 TC, der den MCI-Stand in<br />

New Orleans schmückt. Außerdem<br />

Die Setra Top-Class ist eine<br />

Ausnahmeerscheinung in den USA<br />

„In der Anfangsphase gab es für<br />

beide Partner eine gewisse Lernkurve“,<br />

erläutert Bernd Mack,<br />

in Ulm und Mannheim für das<br />

Marktmanagement beider Busmarken<br />

zuständig. „Jetzt nehmen wir<br />

aber Fahrt auf und auch das Vertrauen<br />

der Kunden haben wir für<br />

die neue Konstellation gewonnen.<br />

Wir wollen auf jeden Fall so schnell<br />

wie möglich wieder dreistellige<br />

Absatzzahlen erreichen und das<br />

ist mit MCI auch möglich.“<br />

Das wäre auch die Voraussetzung<br />

für weitere Neuentwicklungen<br />

für den US-Markt, wie eine angepasste<br />

Top-Class 500, die der eine<br />

oder andere Kunde dort schmerzlich<br />

vermisst. Die Produkt- und<br />

Marktstrategie wird eng mit dem<br />

Generalimporteur abgestimmt,<br />

zumal die Bedürfnisse des US-<br />

bietet der klassischerweise 45 Fuß<br />

lange und 2,6 Meter breite Luxusbus<br />

eine in den USA unübliche Mitteltür,<br />

das Setra-Top-Sky-Glasdach<br />

und eine hochwertige Hecklounge<br />

– eine absolute Ausnahmeerscheinung<br />

auf der überschaubaren<br />

Messe, die im Vergleich zur<br />

Busworld Kortrijk klein anmutet<br />

(mehr dazu in der nächsten Ausgabe).<br />

Entsprechend groß ist das Interesse<br />

der Kunden an dem Fahrzeug.<br />

Viele große Unternehmen wie Arrow<br />

Stage Lines in Norfolk (Nebraska)<br />

oder Yankeeline in Boston<br />

(New Jersey) setzen ganz gezielt<br />

auf das Premium-Image der deutschen<br />

Traditionsmarke.<br />

Das liegt nicht zuletzt am hochwertigen<br />

Design der Top-Class,<br />

das sich ganz bewusst vom kastigen<br />

und lang gezogenen, weitge-<br />

New Orleans war schon mehrfach Ort der amerikanischen Messe UMA.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 4/2<strong>01</strong>5<br />

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[ 50 ] MÄRKTE | US-amerikanische Busmesse UMA<br />

2<br />

1 Schon mit EPA10 kamen die<br />

Lüftungsgitter im Heck zur<br />

Anwendung.<br />

2 Kaum Unterschiede zur europäischen<br />

Version im Cockpit.<br />

3 „Freie Fahrt“ heißt es auf<br />

dem Highway mit 80 Meilen.<br />

4 Die edle Hecklounge ist<br />

ein Highlight der Messeausstattung<br />

von Setra.<br />

1<br />

3<br />

4<br />

hend standardisierten Aussehen<br />

der amerikanischen Modelle abhebt.<br />

Zwar ist auch hier die geteilte<br />

Frontscheibe mit dicken Gummis<br />

eingefasst und die Setra-typischen<br />

Rückspiegel werden von ungeschlachten<br />

Billigspiegeln in Fahrerhöhe<br />

ergänzt. Aber wenigstens die<br />

aufprallabsorbierenden US-Bumpers,<br />

wie sie der preiswertere S 407<br />

trägt, sind der Top-Class erspart geblieben.<br />

Luke Busskohl,<br />

Chief Operating<br />

Officer von<br />

Arrow Stage<br />

Lines, Nebraska:<br />

Wir haben die Gelegenheit, neben<br />

dem luxuriösen Messefahrzeug<br />

ein eher standardmäßiges<br />

Vorführfahrzeug durch New<br />

Orleans und seine Vororte zu lenken.<br />

Das Cockpit der Top-Class entspricht<br />

weitgehend der deutschen<br />

Version, abgesehen vom fehlenden<br />

Schaltknauf, an dessen Stelle<br />

die eher stadtbusartige Bedieneinheit<br />

des Allison-Automatik-Getriebes<br />

verbaut ist.<br />

Die bis vor Kurzem lieferbare<br />

AS-Tronic ist hier – wie auch in<br />

Deutschland – ausgelaufen und die<br />

geniale Powershift-8-Box nicht vorgesehen.<br />

Die Amerikaner lieben zu<br />

„Das Reisebusgeschäft ist ein echtes ‚People’s Business‘ hier in den<br />

USA. Wir wollen, dass der Fahrgast die Erfahrung der Reise an Bord genauso<br />

genießt wie seine Destination. Als einer der ersten Setra-Kunden<br />

in Nordamerika mit einer Firmentradition seit 1928 hat die deutsche<br />

Marke Setra einen echten emotionalen Wert für uns, der uns tatsächlich<br />

sehr geholfen hat, unser Geschäft im Premiumbereich auszubauen.“<br />

sehr das Zugkraft-unterbrechungsfreie<br />

Beschleunigen. Wir auch – dazu<br />

später mehr.<br />

Im Heck werkelt mit dem OM 471<br />

auch noch eine andere Besonderheit:<br />

der erste Vertreter des Common-Rail-Weltmotors<br />

von Daimler,<br />

der ab 2007 zusammen mit Detroit<br />

Diesel entwickelt wurde und bei<br />

dem Daimler-Tochterunternehmen<br />

mit einigen Änderungen als DD13<br />

firmiert.<br />

Schon lange vor der Einführung<br />

von Euro 6, noch zu<br />

Zeiten des hochstilisierten „AGR-<br />

SCR-Konflikts“ in Europa, war<br />

also schon klar, dass auch Daimlerzur<br />

EPA10-Erfüllung auf die Kombination<br />

aus AGR und SCR einschwenken<br />

wird. Das sind eben<br />

die kommunikativen Tücken eines<br />

Weltmotors für gleich drei Triade-<br />

Abgasnormen (US/EU/JP).<br />

Keinerlei Tücken hält die Performance<br />

des Aggregates in Verbindung<br />

mit dem Automatik-Getriebe<br />

bereit. Der 456 PS starke Sechszylinder<br />

mit Common-Rail-Einspritzung<br />

bringt es auf satte 2.100 Newtonmeter<br />

(oder amerikanische 1.650<br />

lb-ft, „foot pound force“), deren<br />

Entfaltung mittels Allison-Getriebe<br />

einfach famos zu nennen ist.<br />

Da schmerzt auch die für europäische<br />

Verhältnisse eher bescheidene<br />

PS-Zahl nicht wirklich. Der Antritt<br />

der Maschine von unten heraus ist<br />

herzerwärmend, zudem sind keinerlei<br />

Schaltrucke der sechs vorhandenen<br />

Gänge (Overdrive mit<br />

längster Übersetzung von 0,64 : 1)<br />

zu erspüren – was ebenfalls zum<br />

edlen Luxus-Feeling im Setra auch<br />

für Fahrgäste beiträgt.<br />

Laut wird der Reisewagen, ganz in<br />

Setra-Manier, nicht mal bei maximaler<br />

Beschleunigung auf 80 Meilen<br />

oder rund 120 km/h, die hier<br />

auf dem Highway gattungsübergreifend<br />

zumeist erlaubt sind. In<br />

Verbindung mit dem makellosen<br />

Fahrwerk (bei MCI-Reisebussen<br />

hält 2<strong>01</strong>5 ebenfalls die vordere Einzelradaufhängung<br />

von ZF Einzug)<br />

kann man das Fahrerlebnis des US-<br />

Setra nur phänomenal nennen.<br />

Kleiner Wermutstropfen: Aufgrund<br />

der Baureihe-400-Elektronik<br />

lassen Helferlein wie ACC, LGS<br />

oder ABA noch etwas auf sich warten,<br />

die Gesetzgebung in den USA<br />

war ausnahmsweise langsamer<br />

als in der EU. ESP, Front Collision<br />

Guard und Abbiegelicht sind aber<br />

serienmäßig an Bord und machen<br />

den Setra zu einem der sichersten<br />

Busse auf dem Interstate Highway.<br />

Nach einem Fotostop am Mercedes-Benz<br />

Superdome Football Stadium<br />

geht es zurück in die pulsierende<br />

Stadt, deren lebendiger Jazz<br />

auch gut als Hintergrundmusik<br />

einer ausgedehnten Reise in diesem<br />

US-Ausnahmebus passt. ◼<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 4/2<strong>01</strong>5


MÄRKTE | US-amerikanische Busmesse UMA [ 51 ]<br />

Zwei Seiten einer Medaille: Setra und der neue Generalvertreter Motor Coach Industries<br />

Interview: MCI-Chef Rick Heller über die Herausforderungen des Busmarkts USA. Das Gespräch führte Thorsten Wagner.<br />

?: Welchen Einfluss hat der Vertrieb der Marke<br />

Setra seit 2<strong>01</strong>2 auf Ihr Portfolio in dem sehr spezifischen<br />

und überschaubaren US-Markt?<br />

Heller: Ich glaube, die beiden Marken MCI<br />

und Setra sind zwei Seiten einer Medaille und<br />

perfekte Partner füreinander. Vom deutschen<br />

Standpunkt aus gesehen benötigte man eine<br />

Service- und Vertriebsinfrastruktur, das war<br />

als unabhängiges Geschäftsmodell kaum zu<br />

realisieren. Genau in diesem Punkt sind wir<br />

als größter Hersteller in den USA sehr nah an<br />

unseren Kunden dran. Auf der anderen Seite<br />

können wir unser Portfolio, das sich mit<br />

der J4500- und der D-Serie eher im mittleren<br />

Marktsegment bewegt, mit einem echten<br />

Luxusprodukt nach oben abrunden – also eine<br />

Win-win-Situation für beide Seiten.<br />

?: Welche Pläne haben Sie in den nächsten Jahren,<br />

um Setra noch besser zu positionieren?<br />

Heller: Um die interne Aufmerksamkeit für die<br />

konkrete Kundenerfahrung weiter zu steigern,<br />

investieren wir gerade massiv Zeit und Geld in<br />

den Aftersales-Support für die Marke. Wenn<br />

sie einen Premium-Bus kaufen, erwarten Sie<br />

eben auch einen Premium Service, und genau<br />

das wollen wir erreichen. Zu diesem Zweck arbeiten<br />

wir auch an weiteren Produktverbesserungen<br />

mit den Evobus-Kollegen, um weiterhin<br />

ganz vorne mitzuspielen. Da werden<br />

einige neue Dinge kommen in der Zukunft.<br />

?: Wie würden Sie Ihre Marktposition beschreiben?<br />

Gibt es eine Gefahr aus China?<br />

Heller: Der Wettbewerb ist sehr stark,<br />

daher nehmen wir alle Marktteilnehmer<br />

sehr ernst. Alle machen einen guten<br />

Job, den ich durchaus respektiere.<br />

Aber gleichzeitig müssen wir besser<br />

sein. Um weiterhin den Markt anzuführen,<br />

müssen wir einfach die besten<br />

Busse verkaufen und immer weiter<br />

Innovationen anbieten, sonst kommt<br />

schnell der Stillstand. Die Chinesen<br />

hatten vor rund sechs Jahren einen ersten<br />

Anlauf genommen. Aber es ist sehr<br />

schwierig für diese Hersteller, hier Fuß<br />

zu fassen. Das ist vor allem eine Frage<br />

des Aftersales und der Restwerte von<br />

Gebrauchtwagen. Gerade in diesem<br />

letzten Punkt steht Setra hier in den<br />

USA sehr gut da.<br />

?: Welchen Herausforderungen steht der<br />

US-Busmarkt generell gegenüber?<br />

Heller: Es gibt eine Reihe von neuen Gesetzen,<br />

die uns stark betreffen würden, zum Beispiel<br />

eine neue Überrollrichtlinie oder weitere Änderungen<br />

an den Fenstern. Beides würde die<br />

Fahrzeuge viel schwerer machen. Hierzu gibt<br />

es einen sehr komplexen und langwierigen Gesetzgebungsprozess.<br />

Die makroökonomischen<br />

Trends dagegen sind sehr positiv zu bewerten.<br />

MCI-Chef Rick Heller setzt im Interview mit Thorsten<br />

Wagner auf die gezielte Portfolioergänzung für MCI.<br />

Immer mehr Menschen fahren mit dem Bus,<br />

und das aus zweierlei Gründen: Erstens sind<br />

viel mehr junge Menschen heute mit dem Bus<br />

unterwegs, als das noch vor zehn Jahren der<br />

Fall war. Auf der anderen Seite gewinnt die<br />

etwas ältere Babyboomer-Generation immer<br />

mehr an Bedeutung, denn gerade diese geht<br />

immer mehr auf Busreisen.<br />

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[ 52 ] MÄRKTE | US-amerikanische Busmesse UMA<br />

AMERICAN STYLE<br />

Nachbericht: Der amerikanische Busmarkt hat ganz besondere Gegebenheiten in punkto<br />

Technik und Service. Wir haben uns auf der Messe UMA umgesehen.<br />

TEXT: THOSTEN WAGNER<br />

FOTOS: THORSTEN WAGNER, GREYHOUND, MCI<br />

Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten<br />

ist nicht unbedingt das Land der modernsten<br />

Busse. Diese Erkenntnis ist nicht<br />

eben neu. Zu groß sind die Entfernungen, zu<br />

sehr lieben die Amerikaner das Auto und das<br />

Fliegen durch „God’s own Country“. Ein hoch<br />

diversifizierten Markt wie in Europa kann sich<br />

so nicht herausbilden. Ausnahmen von der Regel<br />

sind die bereits seit 100 Jahren operierenden<br />

Greyhound-Linies (siehe Kasten) und die schnell<br />

wachsenden Megabus-Fernlinien, die immer<br />

mehr junge Leute und auch Geschäftsleute anziehen<br />

– nicht zuletzt wegen der modernen Annehmlichkeiten<br />

wie Steckdosen und Wifi an Bord.<br />

Deutsche Hersteller spielen auf dem US-amerikanischen<br />

Markt derzeit kaum eine Rolle, sieht<br />

man einmal von Setra im Luxussegment ab, die<br />

Das etwas überfrachtete Cockpit des MCI ist<br />

konsequent um den Fahrer herum gebaut.<br />

mittlerweile ausschließlich über den Importeur<br />

MCI vertrieben werden und mit zwei Modellen<br />

auf dem Markt sind (siehe Heft 4/2<strong>01</strong>5), wenn<br />

auch mit kleinen Stückzahlen. Trotzdem stellt<br />

Setra eine willkommene Ergänzung des MCI-<br />

Portfolios dar und viele Busbetreiber wie Arrow<br />

Stagelines oder Yankeeline setzen gezielt<br />

auf Luxusreisen im europäischen Stil. Schon in<br />

den 90er Jahren stellte Neoplan seine Produktion<br />

in den Staaten ein, das Werk Lamar produzierte<br />

noch ein paar Jahre weiter, schloss aber<br />

dann endgültig in den 2000ern.<br />

Was macht den US-Markt so speziell? Wie genau<br />

sehen typische Reisebusse in den USA aus,<br />

und was sind die aktuellen Trends? Die Messe<br />

UMA in New Orleans, auf der wir uns umgesehen<br />

haben, gibt Antworten auf diese Fragen.<br />

Ein guter Vertreter des amerikanischen Busses<br />

ist sicher der überarbeitete J4500 von Motor<br />

Coach Industries (MCI), seit Jahren einer der<br />

größten Hersteller in den Staaten. Offizielle Absatzzahlen<br />

sind derzeit kaum zu bekommen. Einige<br />

andere Hersteller wie die Kanadier Prevost,<br />

die zu Volvo gehören, rühmen sich gerne ähnlicher<br />

Superlative – ganz in amerikanisch-vollmundiger<br />

Marketing-Sprache.<br />

Larry Plachno, seit 37 Jahren einer der besten<br />

Kenner der Szene und Journalist, bestätigt<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 5/2<strong>01</strong>5


MÄRKTE | US-amerikanische Busmesse UMA [ 53 ]<br />

aber, dass MCI seit Jahrzehnten bereits mehr<br />

als 50 Prozent Marktanteil bei Reisebussen besitzt.<br />

Brent Maitland, Marketingchef von MCI,<br />

will denn auch „der absolut beste Partner für<br />

die Kunden sein, mit besseren Produkten, hoher<br />

Qualität und gutem Service.“<br />

Service ist in dem großen Land ein echtes<br />

Killerkriterium beim Kauf. Die Schulung<br />

von Servicepersonal durch Ingenieure hat daher<br />

höchste Priorität. Oder wie Kenner Plachno<br />

es ausdrückt: „Service und Ersatzteile sind<br />

hier ein ganz großes Thema!“. So seien denn<br />

auch Servicethemen bei den Motoren in den<br />

vergangenen Jahren vordringlich gewesen,<br />

sagt Rick Heller, CEO von MCI während der<br />

Pressekonferenz auf dem gemischten MCI/<br />

Setra-Stand, der dieses Jahr ganz im Sinne<br />

deutscher Feierlust und Gaumenfreuden<br />

ausstattfiert ist. Mittlerweile verkaufe<br />

MCI mehr Cummins-Aggregate als Detroit<br />

Diesel und wolle auch ein zertifiziertes Service-<br />

Center für die Marke aufbauen. Nicht zuletzt die<br />

Wirtschaftlichkeit spielt hier eine überragende<br />

Rolle: zusammen mit Bosch hat MCI Verbrauchtests<br />

gefahren, bei denen Traumwerte von bis zu<br />

8,6 Miles per Gallon. Das sind stolze 27,3 Liter<br />

auf 100 Kilometer – nicht schlecht für einen ausgewachsenen<br />

Dreiachser mit 24,5 Tonnen zulässigem<br />

Gesamtgewicht. Busse spulen gerne schon<br />

mal mehrere Millionen Kilometer ab, bevor sie<br />

verkauft werden oder ihr Innenraum komplett<br />

überarbeitet wird. Mehrere Firmen haben sich<br />

auf dieses Thema spezialisiert, auf der UMA<br />

bieten sie Stoffe und sonstigen Angebote feil<br />

nicht unähnlich einem orientalischen Basar.<br />

Das mag auch einer der Gründe dafür sein, dass<br />

der amerikanische Reisebus eher robust als luxurös<br />

daherkommt. Im Falle von MCI in einer<br />

eher auf den leichteren Überland-Verkehr ausgerichteten<br />

D-Line und der schweren J-Line,<br />

die es aber bisher ausschließlich in der üblichen<br />

45-Fuß-Standardausführung gibt, die einem 15<br />

Meter-Dreiachser bei uns entspricht. „Think<br />

Big“, war bisher das Motto in den Staaten, erst<br />

der türkische Hersteller Temsa hat es geschafft,<br />

mit 30- und 35-Fuß-Bussen mit Edelstahlgerippe<br />

– in den Staaten das Heilmittel gegen Rost – die<br />

Service und Ersatzteilversorgung sind in dem<br />

riesigen Land ein absolutes Killerkriterium<br />

amerikanischen Betreiber zu überzeugen, erst<br />

auf der diesjährigen Messe schieben die Türken,<br />

durch den Importeur CH Bus Sales vertreten,<br />

den Standard-45-Fuß-Bus nach. Seitdem ist ein<br />

kleiner Wettlauf ausgebrochen, wer den besten<br />

Kurzen bieten kann. Van Hool gab auf der Messe<br />

ebenfalls den CX 35 bekannt. Dan Leo, Marketingchef<br />

bei ABC, seit 25 Jahren Van Hool Importeur,<br />

sagt: „Diese Länge ist sehr wichtig im<br />

Wettbewerb und zieht enorm viel Aufmerksamkeit<br />

auf sich.“ Erst 2<strong>01</strong>4 hat Van Hool ein neues<br />

Werk in Mazedonien gebaut, nicht zuletzt für<br />

einen Großauftrag von ABC über 300 der CX-<br />

Fahrzeuge (siehe Heft 7/2<strong>01</strong>4).<br />

Auf dem gemeinsamen MCI-/Setra-Stand konnte man den neuen J4500 auch von unten sehen.<br />

100 Jahre Greyhound<br />

Mit kaum einem anderen Namen ist der<br />

amerikanische Busmarkt so fest verbunden<br />

wie dem des Fernlinienbetreibers Greyhound<br />

Am 9. Mai 1914 wurde das Unternehmen als<br />

„Mesaba Transportation Company“ in Hibbing,<br />

Minneapolis gegründet und bedient<br />

heute rund 3.800 Ziele in 48 US-Staaten und<br />

zehn kanadischen Provinzen und Territorien.<br />

Die Umbenennung in „Greyhound“ erfolgte<br />

dann 1930. In dem um Knotenpunkte organisierten<br />

Liniennetz sind 90 hauseigene<br />

Busstationen integriert. Nach einigen Umstrukturierungen<br />

und Besitzerwechseln in<br />

den 80er und 90er Jahren gehört das Unternehmen<br />

seit 2007 der First Group und wird<br />

von CEO Dave Leach geführt, der Greyhound<br />

als „eine der berühmtesten Marken der Welt“<br />

bezeichnet. Heute arbeiten mehr als 6.000<br />

Menschen für Greyhound und kümmern sich<br />

dabei um 1.200 Busse. Rund 75 Prozent davon<br />

kommen von MCI (D4505, G4500 und<br />

102DL3), der Rest von Prevost (X3-45). Etwa<br />

85 Prozent der Busse sind neu oder aufgearbeitet,<br />

der Anteil soll sogar auf 90 Prozent<br />

steigen. Alle sind im blauen „neoklassischen<br />

Design“ gehalten. Die Busse befördern jedes<br />

Jahr rund 18 Millionen Fahrgäste auf<br />

annähernd 5,5 Milliarden Meilen Fahrstrecke.<br />

Der typische Greyhound-Reisende ist<br />

zwischen 18 und 34 Jahre alt und verdient<br />

nach Erhebungen des Unternehmens rund<br />

35.000 Dollar im Jahr. Über 70 Prozent der<br />

Reisenden besitzen einen High School- oder<br />

höhere Bildungsabschlüsse. Typische Reisestrecken<br />

sind kürzer als 700 Kilometer. Wer<br />

früh genug bucht, hat die Chance auf das<br />

Ein-Dollar-Ticket für jeden Bus. Das Portfolio<br />

erstreckt sich heute weit über die klassische<br />

„Greyhound Legacy“-Linie hinaus: „Greyhound<br />

Express“ bedient seit 2<strong>01</strong>0 rund 930<br />

Städtepaarungen mit Schnellverbindungen.<br />

BoltBus bietet „Curb Side Service“, YO!Bus<br />

wiederum bedient explizit China Towns im<br />

Nordosten. Greyhound Package Express<br />

schließlich befördert Fracht. Zum Jubiläum<br />

wurde ein Museumsbus gestaltet (Foto), der<br />

im Sommer 2<strong>01</strong>4 in 40 US-Städten mit acht<br />

weiteren Oldtimern unterwegs war.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 5/2<strong>01</strong>5


[ 54 ] MÄRKTE | US-amerikanische Busmesse UMA<br />

In Zukunft elektrisch?<br />

Der moderne Diesel steht derzeit in Amerika<br />

im Reisebussegment noch voll im Fokus,<br />

müssen doch lange Strecken mit bis zu 120<br />

km/h bewältigt werden. Das erfordert enorme<br />

Kraftreserven. Im Stadtbus sind teilweise<br />

Erdgasantriebe verbreitet, ohne aber an<br />

europäische Marktverhältnisse heranzureichen.<br />

Die ehemalige Daimler-Marke<br />

Orion, bis 2<strong>01</strong>0 auf dem Markt, baute zudem<br />

eine Flotte von mehr als 3.000 Hybridbussen<br />

für US-Großstädte. Ein Durchbruch für<br />

eine bestimmte Technologie zeichnet sich<br />

er aber auch in den USA derzeit nicht ab.<br />

Einen bemerkenswerten Anlauf für batteriebetriebene<br />

Reisebusse wagt der chinesische<br />

Hersteller BYD mit Sitz in Los Angels. Gleich<br />

in drei Längen (23, 40 und 45 Fuß) wollen<br />

die Chinesen der Elektromobilität Vorschub<br />

leisten. Die Reichweiten werden mit 124 bis<br />

190 Meilen und mehr angegeben, also rund<br />

200 Kilometer. Für die beiden großen Modelle<br />

bieten BYD eigene Radnabenmotoren mit<br />

2 mal 180 kW an, der kleine Wagen verfügt<br />

über einen 180-kW-Zentralmotor. Auffällig<br />

ist das digitale Display des Messeexponats,<br />

das in einem hochwertig anmutenden<br />

Cockpit verbaut ist. Die Preise sollen in den<br />

USA bei 250.000 Dollar beginnen und bis zu<br />

700.000 für den langen Wagen reichen. Dem<br />

Vernehmen nach wird der Bus auch auf der<br />

Busworld Kortrijk zu sehen sein.<br />

Der Hersteller BYD zeigt erstmals einen<br />

batteriebetriebenen Reisebus.<br />

1 Typischer Stadtbus von<br />

New Flyer, die seit einem<br />

Jahr auch von Importeur<br />

ABC vertrieben werden.<br />

2 Mit solchen luxuriös<br />

ausgestatteten Midibussen<br />

im Lounge-Stil<br />

fahren US-Schüler in die<br />

Spring Break.<br />

3 Wer noch keinen kurzen<br />

Reisebus hat, der kündigt<br />

ihn wie Van Hool aber<br />

werbewirksam groß an.<br />

2<br />

Aber zurück zu MCI und seinem Vorzeigemodell<br />

J4500, das zusammen mit seinem kleinem<br />

Bruder rund 500 mal im Jahr abgesetzt<br />

wird. Derzeit ist noch kein 35 Fuß Auto zu haben.<br />

Brent Maitland nennt den Bus auch gerne<br />

das „Zuverlässigkeits-Arbeitspferd“, passend<br />

zum Marken-Claim „Reliability Driven“.<br />

Zum neuen Modelljahr haben die Techniker den<br />

Bus grundlegend überarbeitet. So ist er erstmals<br />

mit einer Einzelradaufhängung vorne und an<br />

der Nachlaufachse zu haben. Die Bauteile kommen<br />

von ZF aus Gainsville/Georgia und wurden<br />

speziell für den MCI angepasst. Kurzerhand<br />

haben die MCI-Marketender denn auch den Bus<br />

auf eine Hebebühne gewuchtet, so dass jeder<br />

die Vorteile des neuen Fahrwerks begutachten<br />

kann. Und gleichzeitig wurde dem Bus ein neues<br />

Bremssystem von Bendix sowie das amerikanische<br />

Wingman-Sicherheitssystem mit Abstandsradar<br />

und Notbremse verpasst. ESP ist bereits in<br />

Serie zu haben. Gesetzlich vorgeschrieben sind<br />

diese Systeme allesamt noch nicht, jedoch sollen<br />

Ende 2<strong>01</strong>6 Drei-Punkt-Gurte Pflicht werden,<br />

bereits heute müssen die Sitzbefestigungen die<br />

20fache Erdbeschleunigung aushalten.<br />

Das Design des J4500 kann durchaus für den<br />

all-american Coach stehen: langer Radstand,<br />

eine Tür vorne, windschlüpfrige Frontscheibe,<br />

verchromte Außenspiegel wie von einem Pickup<br />

– ein wenig wirkt das wie ein Schnellbahnoder<br />

Straßenbahnwaggon. Und dieses Design<br />

hat sich bei fast allen Herstellern flächendeckend<br />

durchgesetzt, nicht zuletzt aufgrund gesetzlicher<br />

Vorgaben. MCI hat mit neuer Buggestaltung und<br />

1<br />

3<br />

Tagfahrlichtern einiges an Modernität dazugegeben.<br />

Trotzdem ist auch der Innenraum für einen<br />

europäisch sozialisierten Busmenschen zuerst<br />

einmal eine Überraschung. Das Cockpit scheint<br />

mehr wie eine Höhle aus Schaltern und Wurzelholz<br />

als wie eine moderne Kommadozentrale.<br />

Und trotzdem ist er einer der erfolgreichsten<br />

Busse der USA.Es is eben eine völlig andere Welt,<br />

die amerikanische Bus-Welt!<br />

◼<br />

Busland<br />

Amerika<br />

Natürlich sind wir<br />

Europäer verwöhnt,<br />

was Angebot und<br />

Technik unserer<br />

Busse angeht.<br />

Hoher Transportbedarf<br />

und großer<br />

Wettbewerb haben<br />

uns an die Spitze<br />

Thorsten Wagner,<br />

Testredakteur<br />

der Entwicklung<br />

gebracht. Auch wenn Amerikaner immer<br />

noch den eigenen Pick-up oder den Flieger<br />

präferieren, der Bus wird auch hier immer<br />

wichtiger. Das zeigen der Erfolg der Megabus-Fernlinien<br />

und die Ausdifferenzierung<br />

des Marktes mit kürzeren Fahrzeugen oder<br />

Luxusangeboten wie dem von Setra. Und Innovationstreiber<br />

in Sachen alternative Antriebe<br />

werden die USA wohl nicht so bald sein.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 5/2<strong>01</strong>5


MODELLE | Miniatur-Omnibusse [ 55 ]<br />

Bindeglied<br />

DB-Busse kommen nicht nur zum Einsatz, wenn die Schiene gesperrt ist.<br />

Sie sorgen auch vielerorts für die Anbindung des ländlichen Raums an<br />

den Fernverkehr. In dieser Funktion ist der MAN Lion’s City unterwegs,<br />

den sich Wiking zum Vorbild genommen hat. Am Steuer sitzt ganz stilecht<br />

ein DB-Busfahrer. Maßstab: 1 : 87. Material: Kunststoff. Preis: 21 Euro.<br />

Weitere Bus- und Lkw-<br />

Modelle verschiedener<br />

Hersteller finden Sie im<br />

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TRADITION UND MODERNE<br />

Modellpflege: Nach einer längeren Durststrecke gibt es wieder neue Busmodelle. Den<br />

BVG-Veteranen Büssing D 38 bietet Wiking gleich in zwei verschiedenen Maßstäben an.<br />

Berliner Veteran<br />

Das Deutsche Technikmuseum Berlin verwahrt einige der schönsten Oldtimer-<br />

Busse Deutschlands. Einen davon, den Büssing D 38 der Linie 16 mit dem Salamander-Schriftzug,<br />

hat Wiking neu aufgelegt – sowohl im Maßstab 1 : 87 als auch<br />

in 1 : 160. Das Modell besitzt in der Wiking-Historie eine besondere Bedeutung.<br />

Es hat einen Vorgänger, der damals noch in 200-facher Verkleinerung aus Metall<br />

gegossen wurde und wie das Original aus den späten 30er-Jahren stammt. 1981<br />

präsentierte Wiking den D 38 dann im Maßstab 1 : 87. Es war die letzte Miniatur,<br />

die Wiking-Gründer Friedrich Peltzer innerhalb der von ihm begründeten Veteranenserie<br />

auf den Weg brachte. Nun erfährt der Oldie eine gelungene Neuauflage.<br />

Material: Kunststoff. Preis: 15 Euro (1 : 87) und 9 Euro (1 : 160).<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 5/2<strong>01</strong>5


[ 56 ] FAHRZEUGE | MAN Lion‘s Intercity<br />

KAMPFANSAGE<br />

Vorstellung: Mit dem MAN Lion’s Intercity, der ersten neuen Fahrzeug-Baureihe seit zehn<br />

Jahren, will MAN das Segment der preiswerten Überlandbusse knacken.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER I FOTOS: THORS-<br />

TEN WAGNER, MAN<br />

MAN baut seit nunmehr 100<br />

Jahren Lkw und Busse. Mit<br />

den Bussen aber tun sich die<br />

Münchner seit jeher etwas schwer.<br />

Schlechte Geschäftszahlen, häufige<br />

Umstrukturierungen, wenig<br />

Innovationen und eher dröges<br />

Design – das ist der Eindruck, der<br />

sich vielen Kunden und Marktbeobachtern<br />

zuweilen aufdrängt. Die<br />

Zahlen machen auch heute wieder<br />

Sorgen. Das zweite Jahr in Folge<br />

stehen zweistellige Millionenverluste<br />

in der Bilanz, über die man<br />

für den Busbereich gar nicht ger-<br />

ne redet (siehe Interview mit Vertriebsvorstand<br />

Heinz-Jürgen Löw).<br />

Schwere Zeiten also für die Busse<br />

mit dem Löwen im Logo.<br />

Zeit für einen Befreiungsschlag,<br />

dachten sich die Busleute in München.<br />

Den Produktionsverbund<br />

stellten sie wiederum mit der<br />

Schließung der Werken in Plauen<br />

und Posen noch schlanker auf und<br />

starteten eine – wenn auch kleine –<br />

Produktoffensive. Ausgesucht hat<br />

man sich dafür eine wichtige Nische<br />

von rund 4.000 Einheiten im<br />

europäischen Markt, der nur mit<br />

Kampfpreisen zu beackern ist: das<br />

Budget-Intercity-Segment. Von diesem<br />

Kuchenstück des stagnierenden<br />

europäischen Marktes will sich<br />

MAN mittelfristig bis zu 500 Einheiten<br />

abschneiden. Bisher konnten<br />

die Münchener hier nur mit dem<br />

teuren, auf dem Reisebus-Chassis<br />

basierenden Lion’s Regio und<br />

dem arg in die Jahre gekommenen<br />

Lion’s City LE punkten. In der<br />

Gunst der Kunden liegt der Regio<br />

zwar hoch, so gewinnt er seit 2005<br />

regelmäßig die Kategorie „Überlandbusse“<br />

bei der ETM-Leserwahl<br />

„Die besten Nutzfahrzeuge“.<br />

Allein Geld verdienen lässt<br />

sich mit dem Fahrzeug kaum.<br />

Zu aufwendig sind Grundstruktur<br />

und Ausstattungspakete, um<br />

nachhaltig unter die magische<br />

200.000-Euro-Grenze zu rutschen.<br />

Auch der D20-Motor schien den<br />

Produktstrategen etwas zu groß<br />

dimensioniert. Ein Wechsel auf den<br />

D08 kam aber hier kaum in Frage.<br />

Was tun also? Da sich der MANinterne<br />

Trend zum Body-Chassis-<br />

Konzept schon wieder erledigt zu<br />

haben scheint (so geht der in Heft<br />

11/2<strong>01</strong>4 vorgestellte Midi-Reisebus<br />

nun doch nicht in Serie) und der Regio<br />

sicher in den nächsten Jahren<br />

komplett in die Hand genommen<br />

werden muss, blieb nur die Option,<br />

einen neuen Wagen auf der „Lion’s-<br />

Chassis“-Generation selbst zu entwickeln.<br />

Unter dem Fußboden in<br />

Höhe von 860 Millimetern sind da-<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 5/2<strong>01</strong>5


1<br />

2<br />

1 Der geräumige Innenraum lässt<br />

sich mit gelochten oder geschlossenen<br />

Ablagen aufwerten.<br />

2 Eine durchgehende Aluminiumleiste<br />

verbreitet etwas Noblesse.<br />

3 Das Cockpit ist aufgeräumt und<br />

ergonomisch, die „Pille“ bekannt.<br />

4 Trotz einer kleinen Radkastenerhebung<br />

ist eine durchgehende<br />

Konvektorenheizung lieferbar.<br />

5 Viel Platz und daher gute<br />

Zugänglichkeit im Heck für den<br />

D08-MAN-Motor mit 290 PS und<br />

etwas schwächlichen 1.100<br />

Newtonmeter an Drehmoment.<br />

3<br />

4<br />

5<br />

her Module des Chassistyps RR8<br />

verbaut.<br />

Besonderheit bei dieser Modulbauweise:<br />

erstmals seit Jahrzehnten<br />

verzichtet MAN in Verbindung<br />

mit der neuen, 13 Tonnen tragenden<br />

Hypoidachse HY 1350 auf die<br />

breite Federspur mit den bananenförmigen,<br />

um die Zwillingsreifen<br />

herumgebogenen Federträger. Die<br />

Konstruktion wird so weniger komplex<br />

und auch billiger, da sie direkt<br />

vom Lkw abgeleitet werden kann.<br />

Man mag das als Rückfall in die<br />

Zeiten vor der technischen Emanzipation<br />

des Busses vom Lkw geißeln,<br />

allein wie sehr das Fahrverhalten<br />

bei voller Ausladung beeinflusst<br />

wird, bleibt einem folgenden Test<br />

überlassen. Verwunderlich ist es<br />

schon, dass MAN auf der einen<br />

Seite Innovationspreise für innovative,<br />

um 70 Prozent leichtere<br />

Carbonfaser verstärkte Federträger<br />

verkündet (siehe Seite 8),<br />

auch ZF solche in Aluminium für<br />

den Stadtbus entwickelt, und nun<br />

einfach auf sie verzichtet wird. Bei<br />

einer ersten Ausfahrt rund ums<br />

Werk Ankara mit leerem Fahrzeug<br />

ließ sich jedenfalls kein ungebührliches<br />

Fahrverhalten feststellen.<br />

Brav zeigt sich das neue Löwenbaby<br />

auch von außen. Die 20<strong>01</strong> mit<br />

dem Lion’s Star eingeleitete Formensprache<br />

für den MAN-Bus<br />

wurde eher behutsam als rigoros<br />

weiterentwickelt. Den überfälligen,<br />

großen Sprung will man sich wohl<br />

für die neue Stadt- beziehungsweise<br />

Reisebusgeneration vorbehalten.<br />

Trotzdem ist der Wagen durchaus<br />

gefällig und ist um die Augen<br />

herum dem Regio wie aus<br />

dem Gesicht geschnitten. Auffälligstes<br />

Merkmal der neuen<br />

Bugmaske ist neben neuen<br />

Lichtkanten das neue, vom Lkw abgeleitete,<br />

schwarze MAN-Schild mit<br />

Logo, das so ähnlich schon 20<strong>01</strong><br />

beim Lion’s Star zu sehen war.<br />

Hier trafen sich idealerweise Anforderungen<br />

aus Marketing und<br />

Technik, sitzt doch der Radarsensor<br />

für die diversen Sicherheitssysteme<br />

hinter der Maske, und daher<br />

MAN Lion‘s Intercity/C<br />

MOTOR<br />

Stehend eingebauter Reihensechszyliner MAN D0836 LOH 72 mit elektronisch gesteuerter<br />

Common Rail-Einspritzung und zweistufiger Turboaufladung. Automatische Motorabschaltung<br />

(„Idle Shutdown“) nach drei Min. Leerlauf; Abgasnorm Euro 6 mit SCRT-System mit<br />

Abgasrückführung, SCR-Filter und Partikelfilter.<br />

Hubraum<br />

6.871 cm3<br />

Leistung<br />

231 kW/290 PS bei 2.300/min<br />

max. Drehmoment<br />

1.100 Nm bei 1.200–1.750/min<br />

KRAFTÜBERTRAGUNG<br />

Serie: 6-Gang Schaltgetriebe ZF 6S 19<strong>01</strong> mit Intarder; Option: ZF 6 AP Ecolife/Voith DIWA.6<br />

FAHRWERK<br />

Vorne Einzelradaufhängung an Mehrlenkerachse MAN VOS-08-B-<strong>01</strong>, zwei Luftfederbälge,<br />

zwei Stoßdämpfer, Stabilisator (Serie): Hinten starre Hypoid-Antriebsachse MAN<br />

HY-1350-B-03 mit 13 t. zul. Achslast; i = 4,56/5,67; schmale Federspur mit 4 Luftbälgen;<br />

BREMSEN/LENKUNG/SICHERHEIT<br />

Elektronisch geregelte, pneumatische Zwei-Kreis-Bremsanlage; innenbelüftete Scheibenbremsen<br />

rundum; ABS, ESP, MSC und BA Serie; ZF Intarder/Voith Retarder; ECE R<br />

66.02; TPM; Optional bei Klasse 2/3: LGS, ACC, LGS, EBA2 (ab 2<strong>01</strong>6)<br />

ABMESSUNGEN UND GEWICHTE<br />

Länge/Breite/Höhe in mm 12.280 bzw. 13.050/2.550/3.400 (inkl. Klima)<br />

Radstand / Wendekreis in mm 6.000 bzw. 6.774 / 20.960 bzw. 22.860<br />

Kofferraumvolumen<br />

5,2/6,4 m3<br />

Überhang vorn/hinten<br />

2.780 mm/3.500mm<br />

Fußbodenhöhe<br />

860 mm<br />

Innenstehhöhe (Mittelgang) 2.230 mm<br />

Tankvolumen Diesel/AdBlue 300 L/35L, rechts betankbar<br />

Zul. /techn. Gesamtgewicht 18.000/19.500 kg<br />

FAHRGASTPLÄTZE<br />

Sitz-/Stehplätze max. 55+29/59+25<br />

PREIS<br />

Einstiegspreis Lion‘s Intercity/C<br />

160.000/167.000 Euro<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 5/2<strong>01</strong>5


[ 58 ] FAHRZEUGE | MAN Lion‘s Intercity<br />

Das Heck ist sauber gezeichnet und durchaus gelungen, trägt aber zumeist bekannte Elemente.<br />

100 Jahre Lkw und Busse bei MAN<br />

Es wird wieder Zeit zum Feiern in München, Augsburg und Nürnberg.<br />

Nach dem großen 250 Jahre Konzernjubiläum im Jahr 2008 steht 2<strong>01</strong>5<br />

das Produktjubiläum für 100 Jahre Lkw- und Busproduktion an. Ganz<br />

nebenbei wird die Premiummarke Neoplan auch noch 80 Jahre. Nach<br />

der Unternehmensgründung am 21. Juni 1915 in Nürnberg verließ alsbald<br />

der erste MAN-Saurer-Lkw das Werk in Lindau am Bodensee und<br />

kurz später die ersten Busse, die für die Reichspost Fahrgäste und Briefe<br />

beförderten (Foto unten). 1961 kam mit dem 750 HO („Metrobus“)<br />

das erste modulare Fahrzeugkonzept auf den Markt. Mit der Schließung<br />

des Werks im bayerischen Penzberg und der Übernahme der Büssing-<br />

Werke in Braunschweig, wurde<br />

Salzgitter zum wichtigsten Buswerk<br />

von MAN bis zur Produktionsverlagerung<br />

nach Polen 2006.<br />

Das Jubiläum wird mit Sondermodellen<br />

(Foto oben), Events und<br />

einer Oldtimertour von Nürnberg<br />

nach München Ende Juli gefeiert.<br />

darf hier kein Metallic-Lack aufgetragen<br />

werden.<br />

Nach und nach will MAN alle<br />

Hochbodenbusse auf die neue Maske<br />

umstellen. Ein 100-Jahre-Sondermodell<br />

des Lion’s Coach war bereits<br />

auf den Busdays in Ankara zu<br />

sehen (siehe unten). Ohne die neue<br />

Maske würde dem Intercity das nötige<br />

Quäntchen an Spannung und<br />

physischer Präsenz fehlen. Weitere<br />

Highlights sucht man aber vergebens<br />

– sieht man von der schnurgeraden<br />

„Schwinge“ aus Aluminium<br />

an der B-Säule einmal ab, die eine<br />

gewisse Wertigkeit vermittelt.<br />

Markentypisch ist die Frontscheibe<br />

optisch weit nach unten und in<br />

die Stirn nach oben gezogen.<br />

Wohlbekannt ist auch der<br />

hier verbaute 6,7-Liter Motor<br />

D0836 mit Common-Rail-<br />

Einspritzung, der in Euro-6-<br />

Ausführung ans Werk geht. Zum<br />

Einsatz kommt ausschließlich die<br />

stärkere Leistungsstufe mit 290 PS<br />

und 1.100 Newtonmeter an maximalem<br />

Drehmoment. Das alleine<br />

macht schon die natürlichen Grenzen<br />

des Einsatzgebietes deutlich.<br />

Die Alpentour mit voller Besetzung<br />

dürfte sich mit diesen Leistungsdaten<br />

verbieten. Der Wettbewerb<br />

ist hier deutlich kerniger<br />

unterwegs: Daimler bietet bis zu<br />

1.400 Nm, Iveco mit dem Cursor 9<br />

sogar 1.650 Nm. Das sind Welten!<br />

Getriebeseitig ist in Serie das<br />

ZF-Sechsgang-Getriebe verbaut,<br />

optional auch das ZF Ecolife oder<br />

Voith Diwa.6. Zwei Fahrzeug-Längen<br />

werden verfügbar sein, der<br />

Zwölf-Meter-Wagen hat Platz für 55<br />

Fahrgäste und bietet 5,2 Kubikmeter<br />

Kofferraum, der 13 Meter lange<br />

Lion’s Intercity C sogar 59 Sitze<br />

und 6,4 Kubikmeter. Einen Dreiachser<br />

plant MAN vorerst – wie beim<br />

eher glücklosen Neoplan Jetliner –<br />

vorerst nicht.<br />

Im Innenraum zeigt sich der MAN<br />

solide und funktional, mit einer<br />

Funktionsleiste aus Aluminium in<br />

der Dachvoute macht sich gar ein<br />

Hauch Noblesse breit.<br />

MAN liefert auf Wunsch geschlossene<br />

oder gelochte Ablagekästen.<br />

Ebenso sind Konvektorenheizung,<br />

Doppelverglasung,<br />

Klimaanlage, Begleitersitz, Kühlschrank<br />

vorne sowie ein Multifunktions-Lenkrad<br />

im Angebot.<br />

Die Varianz ist also um etliches<br />

höher als zum Beispiel beim aktuell<br />

getesteten Setra S 415 UL business.<br />

Freilich wird der Einstiegspreis<br />

von 150.000 Euro in Europa,<br />

beziehungsweise 165.000 Euro in<br />

Deutschland dann schnell zur Makulatur.<br />

Das Cockpit leiteten die<br />

Designer wiederum von der aus<br />

dem Lkw bekannten Armaturen-<br />

Stephan, Schönherr, Leiter Design<br />

Bus, MAN Truck & Bus:<br />

„Ein bedeutendes Erkennungsmerkmal des Fahrzeuges ist der neue<br />

Bugbereich mit der schwarzen MAN-Blende. Der selbstbewusste, leicht<br />

lächelnde Blick vermittelt Reife und Dynamik. Wir wollten so viel skulpturale<br />

Lichtwirkung ins Fahrzeug bringen wie möglich, gerade im Bug.“<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 5/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | MAN Lion‘s Intercity [ 59 ]<br />

Modernes Produktionszentrum für zwei Marken<br />

Die Türkei hat sich seit langem zu<br />

einem der ersten Busbauländer<br />

Europas gemausert, wenn auch<br />

die Zugehörigkeit zum Wirtschaftsraum<br />

noch offen ist. Neben Daimler<br />

fertigt auch MAN seit 1966 in Istanbul<br />

Lkw, ab 1985 dann in Ankara.<br />

Seit 1986 werden auch Busse gebaut,<br />

seit 2006 ausschließlich. Mit<br />

der Verlagerung der Produktion der<br />

Neoplan-Modelle aus dem Werk<br />

Plauen, das zum „Bus Modification<br />

Center“ mit rund 140 Mitarbeitern<br />

verkleinert wird, kommen nun alle<br />

Überland- und Reisebusse der<br />

Marken MAN und Neoplan aus Ankara,<br />

inklusive des Doppeldeckers<br />

Skyliner. Anlässlich der Busdays<br />

2<strong>01</strong>5 wurde denn auch die erweiterte<br />

Produktion im Beisein des<br />

türkischen Industrieministers Fikri<br />

Isik, MAN-Produktionsvorstand<br />

Carsten Intra und Vertriebsvorstand<br />

Heinz-Jürgen Löw sowie Werkleiter<br />

Münür Yavuz feierlich eröffnet.<br />

Schon 2<strong>01</strong>0 wurde im Rahmen der<br />

staatlichen Investitionsprogramme<br />

zum 100-jährigen Jubiläum der<br />

Republikgründung im Jahre 1924<br />

ein Forschungs- und Entwicklungszentrum<br />

in Ankara eingeweiht,<br />

2<strong>01</strong>1 wurde die lange erwartete,<br />

hochmoderne KTL-Anlage in Betrieb<br />

genommen, deren Bau rund<br />

zehn Millionen Euro gekostet hat.<br />

Im 320.000 Quadratmeter großen<br />

Werk in unmittelbarer Flughafennähe<br />

sind 1.600 Mitarbeiter<br />

beschäftigt und fertigen pro Jahr<br />

etwa 1.600 Busse. Die tägliche Kapazität<br />

liegt bei rund acht Bussen.<br />

Über eine einzige Produktionslinie<br />

laufen 24 unterschiedliche Typen in<br />

vier Grundkategorien. 2<strong>01</strong>4 nahm<br />

MAN dort zudem eine moderne<br />

Audithalle in Betrieb, in der Qualitätsprüfungen<br />

nach VW-Vorgaben<br />

an jeweils einem Bus pro Woche<br />

durchgeführt werden, um die Arbeit<br />

der sechs sogenannten „Quality-<br />

Gates“ in der Produktion selbst zu<br />

ergänzen. Die größten Aufträge<br />

des Werkes waren die 1.300 CNG-<br />

Hochboden-Stadtbusse für Ankara<br />

sowie der erste Cityliner-Auftrag für<br />

das Werk, für den zeitnah 200 Fahrzeuge<br />

an einen Kunden ins aserbaidschanische<br />

Baku gehen. Eine ideale<br />

Gelegenheit für die Mannschaft,<br />

sich einzuarbeiten.<br />

einheit („Pille“) ab. In Verbindung<br />

mit dem hochwertigen Multifunktionslenkrad<br />

und der ergonomisch<br />

gestalteten Umgebung kann man<br />

sich damit anfreunden.<br />

Die Verarbeitung des zweifarbigen<br />

Cockpits ist durchaus gut, nur<br />

im unteren Bereich wird billiges<br />

ABS-Plastik verwendet. Ungebührliches<br />

Klappern konnten wir bei der<br />

ersten Ausfahrt nicht vernehmen.<br />

MAN rühmt sich, den sichersten<br />

Überlandbus auf die Straße gestellt<br />

zu haben. Da könnte tatsächlich etwas<br />

dran sein. Immerhin ist er der<br />

erste MAN-Bus, der als Neukonstruktion<br />

die neue Umsturzrichtlinie<br />

erfüllt, was ihn aber tendenziell<br />

schwerer macht. Die Münchner<br />

haben aber entsprechende Sparmaßnahmen<br />

ergriffen, alleine bei<br />

der Klimaanlage seien 65 Kilo ein<br />

gespart worden, heißt es bei MAN.<br />

Die Gewichtsbilanz bleibt abzuwarten,<br />

freilich spielt die jetzt in<br />

der EU-Kommission beschlossene<br />

Erhöhung der Gesamtgewichte<br />

auf 19 Tonnen MAN hier in die<br />

Hände, gerade bei der C-Variante.<br />

Zudem wird der Wagen Anfang<br />

2<strong>01</strong>6 – wenn nach Klasse 2<br />

oder 3 zugelassen – mit dem Notbremssystem<br />

EBA 2 ausgeliefert,<br />

das auch auf stehende Hindernisse<br />

reagiert. ESP ist Serie, außerdem<br />

ist erstmals ein Notbremsblinken<br />

verfügbar. LGS und ACC werden<br />

ebenfalls ab 2<strong>01</strong>6 zu haben sein.<br />

Insgesamt ist der neue Lion’s<br />

Intercity sicher kein glamouröser<br />

Hingucker, aber zum echten<br />

Kampfpreis kann er mit solider<br />

Technik und hoher Flexibilität im<br />

Überlandsegment aufwarten. Die<br />

Rechnung könnte für den darbenden<br />

MAN-Busbereich aufgehen.◼<br />

Ein ausführliches Interview mit MAN-Vertriebsvorstand<br />

Heinz-Jürgen Löw finden Sie hier:<br />

www.eurotransport.de/mantuerkei<br />

Anzeige<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 5/2<strong>01</strong>5


[ 56 ] FAHRZEUGE | Setra S 415 Multi-Class UL business<br />

SPAR-<br />

PROGRAMM<br />

Test: Wer meint, einen Setra muss man sich leisten können,<br />

der wird mit der S 415 Multi-Class UL business eines Besseren<br />

belehrt – auch wenn Verzicht dazugehört.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER | FOTOS: KARL-HEINZ AUGUSTIN<br />

Für gewöhnlich pflegt die Daimler-Premiummarke<br />

Setra den Nimbus des Exklusiven<br />

und Unbezahlbaren gut und gerne. Und das<br />

nicht erst seit gestern. Hier wird nicht gekleckert,<br />

man tendiert zum Klotzen. Und in so manchem<br />

Bereich, wie Elektrik- und Cockpitdesign, richten<br />

sich die Ulmer zunehmend komfortabel in<br />

der Position als Benchmark ein. Im Reisebussegment,<br />

zumal in dessen Luxusbereich, mag dies<br />

funktionieren und gewollt sein – die Zahlen geben<br />

der Traditionsmarke Recht. Aber trotz guter<br />

Margen im Luxussegment lässt sich auch auf<br />

der anderen Seite des Marktes mit dem richtigen<br />

Angebot gutes Geld verdienen, gerade im Bereich<br />

der preiswerten Doppelverdiener, die ohne<br />

Pomp und Gloria auskommen müssen. Hier<br />

tummeln sich die Kollegen der Schwestermarke<br />

Mercedes mit dem zur Multi-Class weitgehend<br />

baugleichen Intouro ebenso wie andere Hersteller<br />

wie Iveco oder Temsa oder ganz aktuell<br />

auch MAN mit dem gerade vorgestellten Lion’s<br />

Intercity (siehe Seite 62).<br />

Was auf den ersten Blick wie das letzte Aufgebot<br />

der alten 400er-Baureihe aussieht, entpuppt<br />

sich bei näherem Hinsehen als kluge Kundenbindungs-<br />

und Gewinnoptimierungsstrategie.<br />

Die Modellfamilie, die 2006 gestartet ist, ist seitdem<br />

auf mehr als zwölf Vertreter angewachsen<br />

in einem feinen Sortiment aus Längen von<br />

10,50 bis 15 Metern und verschiedenen Karosserie-Konfigurationen.<br />

Ziel der Übung in eher<br />

markenfremder Wortakrobatik ist es, „ … mit<br />

effizient-sparsamen Ausstattungen einen höchst<br />

wirtschaftlichen Einsatz zu garantieren“. Oder<br />

kurz gesagt: „Weniger ist mehr.“<br />

Ein solch umfassender Anspruch lässt sich natürlich<br />

kaum mit der hochmodernen, aber auch<br />

teuren 500er-Plattform umsetzen. Daher verwendet<br />

Setra hier als einzige Baureihe noch die<br />

bisherige 400er-Plattform, die das Bild des deutschen<br />

Busmarktes der 2000er-Jahre weitgehend<br />

dominierte. Techniknerds mögen das bedauern,<br />

Kostenkillern stellt sich kaum eine andere Alternative.<br />

Und schließlich gehört das Design der<br />

„bewährten“ Setra-Baureihe beleibe nicht zum<br />

alten Eisen – hier zahlt sich das eher dezente,<br />

aber langlebige Setra-Longlife-Design aus.<br />

Freilich, um einen günstigen Einstiegspreis unter<br />

200.000 Euro zu realisieren (der im Übrigen<br />

kaum vom Mercedes-Pendant abweicht), mussten<br />

die Produktstrategen so manche Hand anlegen,<br />

um den Bus zu „entfeinern“, was das<br />

Zeug hergibt. Und das fängt schon bei der<br />

peppig orangefarbenen Außenhaut an. Das<br />

Arbeitstier aus türkischer Fertigung verzichtet<br />

auf so manchen Schmuck wie die Markenplakette<br />

an der B-Säule oder die lackierten Applikationen<br />

an den bis ins Dach reichenden Türen.<br />

Serie sind zudem ausschließlich die steile<br />

Frontscheibe und die eher robust gehaltenen<br />

Spiegel an Metallrohren. Die Verarbeitung ist<br />

an sich gut, trotzdem schmerzt der eine oder andere<br />

grobe Schraubenkopf im Innenraum oder<br />

der von außen durchs Fahrerfenster sichtbare,<br />

fingerbreite Spalt unterhalb des Cockpits.<br />

Den Innenraum betritt der Fahrgast sodann<br />

durch Türen, die fast bis ins Dach reichen, also<br />

auch für groß gewachsene Menschen ideal sind.<br />

Kein Begleitersitz verengt den Durchgang vorne<br />

– es gibt den Sitz erst gar nicht. Auch Toilette<br />

und Kühlschrank fehlen. Das Cockpit stammt<br />

aus der Überlandbaureihe, was seiner bekannten<br />

Bedienungsfreundlichkeit keinen Abbruch tut.<br />

Viel Plastik ist mit ausreichend Ablagen gepaart,<br />

ein Multifunktionslenkrad sucht man in<br />

dieser Klasse ebenfalls vergebens. Wir fühlen<br />

uns trotzdem auf Anhieb wohl hinter dem Volant,<br />

alles findet sich da, wo es hingehört. Auch<br />

die Sicht durch die leicht martialisch anmutenden<br />

Spiegel ist durchaus gut zu nennen, wäre<br />

da nur nicht das leichte Zittern.<br />

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<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 5/2<strong>01</strong>5<br />

FAHRZEUGE | Setra S 415 Multi-Class UL business [ 57 ]


[ 58 ] FAHRZEUGE | Setra S 415 Multi-Class UL business<br />

Setra Multi-Class S 415 UL business<br />

MOTOR<br />

Wassergekühlter, liegend eingebauter Reihensechszylinder-Dieselmotor<br />

(Mercedes-Benz OM 936 LA) mit verstellbarer Auslassnockenwelle<br />

VCP (Variable Camshaft Phaser). Zweistufige Turboaufladung und<br />

Ladeluftkühlung, elektronisch gesteuerte Common-Rail-Direkteinspritzung<br />

mit hydraulischer Druckverstärkung. Vier Ventile pro<br />

Zylinder, Abgasrückführung, SCR-Technik mit Adblue-Einspritzung,<br />

Partikelfilter, Abgasstandard Euro 6.<br />

Bohrung/Hub<br />

110/135 mm<br />

Hubraum<br />

7.698 cm³<br />

Verdichtung 17,0:1<br />

Leistung<br />

260 kW (354 PS) bei 2.200/min<br />

Maximales Drehmoment 1.400 Nm bei 1.200/min<br />

KRAFTÜBERTRAGUNG<br />

Kupplung: keine.<br />

Getriebe: Sechsgang-Automatgetriebe ZF Ecolife 6 AP 1400 B mit<br />

Drehmomentwandler.<br />

DIE MESSWERTE<br />

Etappe 1<br />

Etappe 2<br />

Etappe 3<br />

Etappe 4<br />

Etappe 5<br />

Etappe 6<br />

Rundstrecke Solitude<br />

Gemischt<br />

Solitude–Bad Liebenzell<br />

B 295/B 296/B 463, gemischt<br />

Bad Liebenzell–Unterhaugstett<br />

Bergstrecke<br />

Unterhaugstett–Solitude<br />

Landstraße/B 295/Landstraße<br />

Solitude–Stuttgart-Schlossplatz<br />

Überland/Stadt, leicht<br />

Stuttgart/Schlossplatz–Solitude<br />

Stadt/Überland, schwer/Überland<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

CO 2<br />

/ g pro Personen-km*<br />

Verbrauch Adblue l<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

11,8<br />

28,7<br />

56,5<br />

35,5<br />

30,1<br />

50,1<br />

3,4<br />

91,2<br />

45,3<br />

25,6<br />

28,0<br />

48,0<br />

23,0<br />

32,3<br />

40,2<br />

13,2<br />

40,4<br />

38,6<br />

112,5<br />

33,0<br />

17/34,7<br />

ca. 1,3<br />

46,3<br />

ÜBERSETZUNGEN<br />

1. Gang 7,80*/3,36 bis 6. Gang 0,62<br />

Gesamte Strecke<br />

R.-Gang 9,84*<br />

Achsübersetzung i = 5,222 (alternativ 5,875 und 4,778<br />

abhängig vom Getriebe)<br />

* inkl. max. Wandlungsverhältnis im Moment des Anfahrens,<br />

abhängig vom Wandlertyp<br />

INNENGERÄUSCHE<br />

FAHRWERK<br />

Vorne Einzelradaufhängung ZF RL-75/E mit Doppeldreieckslenkern,<br />

zwei Luftfederbälge, zwei Stoßdämpfer, Stabilisator, max.<br />

Radeinschlag innen/außen 58/46 Grad. Hinten einfach übersetzte<br />

Antriebsachse Mercedes RO 44, vier Luftfederbälge, vier Stoßdämpfer,<br />

80/100 km/h, dB(A)<br />

BETRIEBSKOSTEN<br />

Kaufpreis<br />

vorn<br />

64,5/68<br />

Mitte<br />

65,5/68,5<br />

Euro<br />

hinten<br />

64,5/69<br />

190.000<br />

zwei Längslenker, aufgelöster Dreieckslenker, Stabilisator.<br />

Feste Kosten pro Jahr Euro 50.563<br />

Reifengröße 295/80 R 22,5.<br />

Feste Kosten pro km Cent 84,27<br />

BREMSANLAGE/SICHERHEIT<br />

Variable Kosten pro km Cent 64,58<br />

Elektronisch geregelte, pneumatische Zweikreis-Bremsanlage (EBS,<br />

Gesamtkosten pro km Cent 148,85<br />

Serie), innenbelüftete Scheibenbremsen rundum. ABS, ASR,<br />

* volle/halbe Auslastung inkl. Fahrer bei 51+1 Sitzen, Wetterbedingungen: teilweise Regen und meist windstill, ca.<br />

Bremsassistent (alle Serie). ESP optional. Wartungsfreier Voith-Sekundär-Wasserretarder<br />

10° C, Klimaanlage 22° C, Parameter für die Dekra-Betriebskostenberechnung: Haftpflicht und Kasko 100 Prozent,<br />

SWR mit max. 3500 Nm Bremsmoment, der jährliche Laufleistung 60.000 km, Nutzungsdauer 72 Monate<br />

Fußbremse vorgeschaltet oder Betätigung über Lenkstockhebel,<br />

Brandmeldeanlage im Motorraum. Optional: Spurassistent (SPA, ab<br />

07/15), AEBS (ab 07/15), TPMS (Reifendruckkontrolle, SA).<br />

LENKUNG<br />

D<br />

Hydraulische Lenkung ZF Servocom 8098 mit variabler Übersetzung<br />

(22,2–26,2), Lenksäule in Höhe und Neigung pneumatisch<br />

A<br />

verstellbar.<br />

ELEKTRIK/MULTIMEDIA<br />

Spannung 24 Volt, zwei Drehstromgeneratoren à 140 A (mit<br />

F<br />

Klimaanlage), zwei Batterien 12 V/200 Ah. Audio-Anlage Bosch<br />

E<br />

Classic Line 3 mit CD-Abspielgerät, USB-Anschluss, Telematikschnittstelle<br />

C<br />

B<br />

C<br />

E<br />

FMS 3.0 (SA) und Onboard-Diagnose<br />

A<br />

HEIZUNG/LÜFTUNG/KLIMA<br />

Aufdach-Klimaanlage (Extra), Kälteleistung 32 kW, Heizleistung 38 ABMESSUNGEN<br />

WERTUNG<br />

kW, Lufteintritt in den Fahrgastraum mit schlitzförmigen Ausströmern A Länge/Breite<br />

12.200/2.550 mm<br />

Günstiger Verbrauch; wettbewerbsfähiger<br />

oben zum Mittelgang sowie zu Seitenfenstern, verstellbare<br />

Höhe<br />

3.355 mm<br />

Einstiegspreis; gute Sicherheitsausstattung;<br />

Düsenbelüftung inklusive Fahrerplatzklimatisierung, Heizleistung 18 B Radstand<br />

6.080 mm<br />

sehr hohe Türmaße; intuitive Bedienung.<br />

kW, Kälteleistung 8 kW. Warmwasserheizung für Fahrgastraum,<br />

C Überhang vorn/hinten 2.820/3.300 mm<br />

Heizleistung 12 kW, vier Heizgebläselüfter (je 3,5 kW). Standheizung<br />

Eingeschränkte Ausstattungsflexibilität; kein<br />

D Stehhöhe<br />

2.170 mm<br />

Spheros, Leistung 30 kW. Zwei elektrisch (SA) betätigte Dachluken.<br />

Begleitersitz oder Konvektorenheizung<br />

E Einstiegshöhe vorn/hinten 350/365 mm<br />

erhältlich; einfaches Design mit kleinen<br />

MASSE UND GEWICHTE<br />

F Fußbodenhöhe 860/877 mm (Fahrer/Mittelgang)<br />

Verarbeitungsmängeln; Lenkung in der<br />

Wendekreis<br />

21.070 mm<br />

Mittellage etwas indifferent; kein ECE R66.02<br />

Leergewicht/Testgewicht ca. 11.820/15.300 kg<br />

Zul./techn. Gesamtgewicht 18.000/19.100 kg<br />

Gepäckraum (Tür 2 schmal/breit) 5,2/4,9 m³<br />

FAHRGASTPLÄTZE<br />

PREIS<br />

Volumen Kraftstofftank 155+185 l (beidseitig betankbar) Sitzplätze (drei Sterne) 51 + 1<br />

Testwagen (netto)<br />

ca. 190.000 Euro<br />

Volumen Adblue-Tank 35/40 l<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 5/2<strong>01</strong>5


1<br />

1 Die steile Frontscheibe und Metallrohr-<br />

Spiegel zeichnen die Multi-Class aus und<br />

machen Sie zu einem alten Bekannten.<br />

2 Trotz nach unten versetzem Boden bleiben<br />

bis zu 5,2 Kubikmeter Volumen im Unterdeck.<br />

3 Der kleine 7,7-Liter-Motor der neuen<br />

Generation spart an Gewicht und Verbrauch.<br />

4 Praktisches Glasfenster in der vorderen Tür,<br />

Xenon-Schweinwerfer gibt es leider nicht.<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Die Tür zwei gibt es in Breiten von 900 oder<br />

1.380 Millimetern, Letztere ist Voraussetzung für<br />

einen Rollstuhllift. Natürlich wird dann auch ein<br />

Stellplatz gegenüber der Tür fällig, der von vier<br />

einfachen Klappsitzen flankiert wird. Diese Variante<br />

beschneidet den mit 5,2 Kubikmetern ansehnlichen<br />

und sehr aufgeräumten Kofferraum<br />

allerdings auf 4,9 Kubikmeter.<br />

Der Innenraum selbst ist eher funktional als<br />

wohnlich zu nennen, das können auch die serienmäßigen<br />

Sitze des Typs „Transit“ nicht grundlegend<br />

ändern. Gegen Aufpreis sind durchsichtige<br />

Kunststoffablagen zu haben, im schnelllebigen<br />

Überlandverkehr oft von Vorteil. Weder für Geld<br />

noch gute Worte gibt es jedoch eine Konvektorenheizung,<br />

und das liegt an der etwas eigenartigen<br />

Podestlandschaft des Fahrzeugs, die der<br />

Setra mit dem Mercedes Intouro teilt. Durch<br />

die Absenkung des Bodens gegenüber dem<br />

H-Wagen um rund 16 Zentimeter auf eine Höhe<br />

von 877 Millimetern entfällt zwar eine Stufe<br />

zum Mittelgang und die Stehhöhe vergrößert<br />

sich dementsprechend, aber über der<br />

Vorderachse erhebt sich ein unschönes Podest<br />

in gleicher Höhe über zwei bis drei Sitzreihen,<br />

wo es etwas stört. Statt der durchgehenden<br />

Konvektoren müssen aufgrund dieser<br />

bodennahen Topografie vier Gebläseheizer<br />

mit jeweils 3,5 kW Leistung für Wärme sorgen.<br />

Sollte man vielleicht die besten Plätze im Bus<br />

gesondert kennzeichnen?<br />

Nicht der schlechteste Platz ist der des Fahrers<br />

vorne links. Und das auch wegen der robusten<br />

Fahreigenschaften. Das Fahrwerk der 400er-Baureihe<br />

ist betont sicher und ausreichend straff ausgelegt.<br />

Der Testwagen irritierte lediglich mit einer<br />

um die Mittellage etwas wabbelig agierenden<br />

Lenkung, was aber durchaus nicht Setra-typisch<br />

ist. Im Heck arbeitet der kleine 7,7-Liter Motor<br />

OM 936 mit sauberen Euro-6-Manieren. Zugleich<br />

spart das Aggregat einige hundert Kilo an Gewicht.<br />

Den nicht ganz ausgeladenen Testwagen<br />

beschleunigte die stärkere der beiden angebotenen<br />

Leistungsstufen (260 kW/354 PS statt 220<br />

kW/299 PS) mit 1.400 Newtonmeter Drehmoment<br />

durchaus zügig. Vor allem in Verbindung<br />

mit dem Sechsgang-Automatikgetriebe von ZF<br />

liefert sie eine gute Vorstellung ab. Der Kunde<br />

sollte jedoch einiges an Hirnschmalz in die Auswahl<br />

der richtigen Hinterachse investieren, ge-<br />

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<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 5/2<strong>01</strong>5


1 Die Sicht ist hervorragend im funktionalen<br />

und geräumigen Setra-Cockpit.<br />

2 So mancher Schraubenkopf bleibt sichtbar,<br />

Plastik wird heute großflächig verbaut.<br />

3 Die breite Tür mit Lift macht einen Klappmechanismus<br />

für die letzte Sitzreihe nötig.<br />

4 Auf Wunsch werden transparente Gepäckablagen<br />

und höherwertige Sitze geliefert.<br />

5 Mancher wird Probleme haben, die<br />

Ablagen in 1,96 Meter Höhe zu erreichen.<br />

3<br />

4<br />

5<br />

1<br />

2<br />

rade wenn es dann doch die preiswerteste Ausführung<br />

in Form des Schaltgetriebes sein soll. Im<br />

ebenfalls schon getesteten Mercedes Intouro hatten<br />

wir unsere liebe Not, mit der Sechsgang-Box<br />

zwischen dem vierten und dem fünften Gang den<br />

rechten Anschluss ans Drehzahlniveau zu finden.<br />

Auch beim extrem sanft und schnell schaltenden<br />

Eco-Life-Getriebe klafft bei Tempo 80 noch<br />

eine Drehzahllücke von über 500 Touren zwischen<br />

Gang 4 und 5. Es gibt aber sowohl eine<br />

längere als auch eine kürzere Achse im Angebot,<br />

sodass der Unternehmer den Antriebsstrang genau<br />

auf seine Bedürfnisse auslegen kann. Optional<br />

ist auch das an dieser Stelle schon hoch<br />

gelobte, automatisierte Powershift GO 250-8 im<br />

Angebot, was wahrlich mehr Sinn ergibt, will<br />

man den Wagen oft auf der Autobahn bewegen.<br />

Für unseren Geschmack ist die ZF-Box indes<br />

die perfekte Paarung für den gemischten Überlandeinsatz.<br />

Der Verbrauch von 33 Litern im reinen<br />

Überlandeinsatz ohne Autobahnanteil geht in<br />

Ordnung. Die Volllastverbräuche an der berüchtigten<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong>-Bergstrecke im Schwarzwald<br />

liegen dabei sogar deutlich unter 100 Liter.<br />

Das Geräuschniveau des Motors bewegt sich<br />

dabei konzeptbedingt nicht auf Reisebusniveau,<br />

es wird aber nie unangenehm. Die Sicherheit der<br />

Baureihe ist auf einem hohen Niveau – freilich<br />

im Rahmen der Vorgaben. Mangels Neukonstruktion<br />

des Aufbaus muss man zum Beispiel<br />

auf die 2<strong>01</strong>7 Pflicht werdende Zertifizierung nach<br />

der neuen Überschlagrichtlinie verzichten und ab<br />

Juli diesen Jahres wird nicht etwa ABA 3 verbaut,<br />

sondern aufgrund der alten Elektronikstruktur<br />

nur das Notbremssystem AEBS, das auch der Tourismo<br />

bekommt und das nicht auf stehende Ziele<br />

bremsen kann. Ebenso wird der Spur assistent<br />

(SPA) zu diesem Zeitpunkt lieferbar sein, beides<br />

nur bei Klasse-2- beziehungsweise -2- und<br />

-3-Zulassung. Alle anderen wesentlichen Systeme<br />

wie ESP (optional), Bremsassistent, Reifendruckkontrolle<br />

und DBL sind bereits an Bord, das<br />

Fahrzeug kann sich also durchaus eines hohen<br />

Sicherheitsniveaus rühmen. Denn wenn es etwas<br />

gibt, woran auch die Premiummarke Setra auf gar<br />

keinen Fall spart, dann ist es die Sicherheit! ◼<br />

Nur in der<br />

Heckansicht ist der<br />

UL als Euro-6-Wagen<br />

erkennbar aufgrund<br />

der Lüftungsgitter.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 5/2<strong>01</strong>5


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[ 66 ] FAHRZEUGE | BRT-System Urevo<br />

REVOLUTION IM ÖPNV<br />

Vorstellung: Der Urevo soll den ÖPNV revolutionieren. Per GPS-gesteuertem Energiemanagement<br />

und zusätzlicher Traktionsbatterie fährt der Doppelgelenk-Hybridbus in der Innenstadt im<br />

Zero-Emission-Betrieb. Hess und Vossloh Kiepe haben das Fahrzeug gemeinsam realisiert.<br />

TEXT & FOTOS: RÜDIGER SCHREIBER<br />

Europaweit ist ein Trend hin zu einem rein<br />

elektrisch betriebenen ÖPNV in Ballungszentren<br />

zu beobachten. Nach Hamburg und<br />

Göteborg macht jetzt Luxemburg auf sich aufmerksam.<br />

Mit drei Doppelgelenk-Hybridbussen<br />

von Hess samt zusätzlicher Traktionsbatterie<br />

startet der Familienbetrieb Voyages Emile Weber<br />

in eine wortwörtlich hochspannende Zukunft.<br />

Urevo ist das Akronym für Urban Revolution.<br />

Dieser Markenname ist ganz bewusst für<br />

den Bus beziehungsweise die ÖPNV-Dienstleistung<br />

gewählt worden. „Schon jetzt fahren wir im<br />

Stadtzentrum von Luxemburg eine Strecke von<br />

über vier Kilometern rein elektrisch“, erklärt Romain<br />

Kribs, Assistent der Geschäftsleitung von<br />

Vo yages Emile Weber. Und diese Leistung wolle<br />

man nicht nur mit einer eigenständigen Gestaltung<br />

der Fahrzeuge, sondern auch mit einem<br />

neuen Namen für das besondere Angebot zeigen.<br />

Langfristig wollen die Luxemburger aber<br />

noch mehr: „Mit Urevo setzen wir Maßstäbe für<br />

die nächste Generation“, sagt Kribs. Und die soll<br />

rein elektrisch fahren.<br />

Das klingt visionär und damit erklärt sich<br />

auch der Name für das Fahrzeug. Es geht um<br />

eine neue Qualität für das menschliche Zusammenleben.<br />

Hierfür hat der Philosoph Henri<br />

Lefebvre mit dem Werk „La révolution urbaine“<br />

die Grundlagen gelegt. Die Stadt wird bei<br />

ihm als komplexes Phänomen dargestellt und<br />

als Ausdruck menschlicher Kreativität.<br />

Kreativ waren die Ingenieure aus der Schweiz, die<br />

zusammen mit denen von Vossloh Kiepe aus<br />

Deutschland den Urevo auf die Räder stellten,<br />

wirklich. Vorgabe war ein emissionsfreier Fahrbetrieb<br />

im Zentrum der Stadt. Dieser Anspruch<br />

ist eng mit der Firmenphilosophie von Voyages<br />

Emile Weber verknüpft.<br />

Die Luxemburger wollen die bisherige Investitionspolitik<br />

in Fahrzeuge, die kontinuierlich<br />

umweltfreundlicher werden und somit deutlich<br />

zur Reduzierung der Schadstoffbelastungen und<br />

des Verbrauchs von Kraftstoff beitragen, weiter<br />

fortsetzen. Die guten Erfahrungen mit den Doppelgelenkbussen<br />

des Schweizer Herstellers Hess,<br />

von denen zwei Fahrzeuge vor fünf Jahren zum<br />

Fuhrpark hinzugefügt wurden, hat die Verantwortlichen<br />

bei Voyages Emile Weber darin bestärkt,<br />

wieder dort einzukaufen.<br />

Doch diesmal sollten die Doppelgelenkbusse<br />

auch rein elektrisch fahren können. Hess und<br />

Vossloh Kiepe sind seit Jahren Partner und haben<br />

viele Projekte realisiert. Die Anfrage aus<br />

Luxemburg wurde von den Schweizern nach<br />

Düsseldorf weitergeleitet. Zusammen war man<br />

sich schnell einig, etwas Revolutionäres in dieser<br />

Gefäßgröße auf die Straße bringen zu können.<br />

Die neuen Doppelgelenkbusse können abgasfrei<br />

und geräuscharm eine vier Kilometer lange<br />

Strecke im Zentrum von Luxemburg bewältigen.<br />

Die Etappe zwischen der Route de Thionville<br />

und der Brücke Grande-Duchesse Charlotte<br />

führt als Linie 16 direkt am Ministerium für<br />

nachhaltige Entwicklung und Infrastrukturen<br />

vorbei. „So können sich die Politiker tagtäglich<br />

davon überzeugen, dass ihre Unterstützung in<br />

die Plug-in-Doppelgelenk-Hybridbusse richtig<br />

war“, erläutert Romain Kribs.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 6/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | BRT-System Urevo [ 67 ]<br />

Freude kommt auch bei den Fahrern auf, die<br />

der Betreiber für den Einsatz auf den neuen Doppelgelenkbussen<br />

ausgewählt hat: Sie bekamen<br />

eine Schulung, um das elektrische Fahren zu lernen.<br />

Alles andere sei Standard. Die Wendigkeit<br />

beispielsweise entspräche der eines 18 Meter langen<br />

Fahrzeugs, versichert Kribs.<br />

Der Fahrerplatz ist VDV-kompatibel, gelenkt<br />

wird das 24,5 Meter lange Fahrzeug mit der ersten<br />

und vierten Achse. Voller Stolz bewegen alle<br />

Fahrer den maximal 39 Tonnen schweren Doppelgelenkbus<br />

mit bis zu 190 Fahrgästen an Bord<br />

– 60 sitzend und 130 stehend.<br />

Um rein elektrisch fahren zu können, wurde im<br />

Heck ein 220 kW starker Euro-6-Dieselmotor mit<br />

permanenterregtem Synchrongenerator verbaut.<br />

Und zusätzlich an der zweiten und dritten Achse<br />

je ein 160-kW-Asynchronmotor, der die erzeugte<br />

elektrische Energie auf die Straße bringt. Als<br />

Energiespeicher kommen Lithium-Eisenphosphat-Batterien<br />

mit insgesamt über 15 kWh nutzbarer<br />

Leistung zum Einsatz. Sie sind auf dem<br />

Dach des mittleren Wagenteils verbaut.<br />

Vossloh Kiepe ist für die komplette elektrische<br />

Ausrüstung des Antriebs, die Bordnetzversorgung<br />

und die Energiespeicher des im<br />

Aluminium-System CO-Bolt aufgebauten Doppelgelenkbusses<br />

verantwortlich. Die Diesel-<br />

Generator-Kombination lädt die Traktionsbatterien<br />

während des Betriebs auf. „Und durch<br />

die Speicherung der beim Bremsen rückgewonnenen<br />

Energie“, fügt Kribs hinzu.<br />

Das Ladekonzept sieht in der Spitze Bremsleistungsrückgewinnung<br />

von 300 kW, Nachladung<br />

durch die Diesel-Generator-Kombination<br />

bis zu 200 kW, sowie bis zu 20 kW über das<br />

nächtliche Laden vor. Die Batterien werden auf<br />

dem Betriebshof mittels eines Plug-in-Ladesteckers<br />

aufgeladen.<br />

Mit diesem Energiepaket für den Antrieb kann der<br />

Doppelgelenkbus 80 km/h im Batteriebetrieb<br />

und im dieselelektrischen Betrieb erreichen. „In<br />

der Praxis sieht es aber anders aus, die Höchstgeschwindigkeit<br />

wird verkehrsbedingt selten<br />

erreicht“, erklärt Kribs. Dennoch ist der Doppelgelenkbus<br />

verhältnismäßig flott unterwegs,<br />

wie auf einer regulären Fahrt im Linienbetrieb<br />

vom Flughafen in Luxemburg ins Stadtzentrum<br />

deutlich wird.<br />

Vor allem den Weg zurück, der an einigen<br />

Stellen spürbar bergauf führt, meistert der Urevo<br />

mindestens tendenziell schneller wie ein konventionell<br />

angetriebenes Fahrzeug. Hier macht<br />

sich der serielle dieselelektrische Antrieb über<br />

zwei Traktionsmotoren bemerkbar, zwei angetriebene<br />

Achsen sorgen im besten Wortsinne<br />

für mehr Bewegung. So ein Antrieb mehrerer<br />

Räder hat auch noch weitere Vorteile, wie der<br />

1<br />

2<br />

1 Länge läuft: Neben 60 Sitzplätzen gibt es<br />

noch 20 Quadratmeter Stehfläche, bis zu<br />

190 Fahrgäste können zusteigen.<br />

2 Zusätzlich zu Informationen zum Streckenverlauf<br />

und der nächsten Haltestelle gibt es<br />

Nachrichtenmeldungen.<br />

3 Der Faltenbalg ist transluzent, der Fußboden<br />

verzichtet bis auf den Bereich der Radkästen<br />

auf Podeste.<br />

Vossloh Kiepe regelt das Zusammenspiel von Energiespeicher, Traktionsmotor und Generator.<br />

3<br />

GRAFIK: VOSSLOH-KIEPE<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 6/2<strong>01</strong>5


[ 68 ] FAHRZEUGE | BRT-System Urevo<br />

1<br />

2<br />

1 Der Fahrerplatz ist VDV-kompatibel,<br />

das Umstellen auf elektrisches Fahren<br />

erfolgt automatisch.<br />

2 Monitor für den Ladezustand der<br />

Batterien und das automatisierte<br />

Energiemanagement.<br />

Luxemburger erklärt: „Der Vierradantrieb verleiht<br />

eine zusätzliche Fahrstabilität und senkt die<br />

Wartungskosten im laufenden Betrieb.“<br />

Keine Frage, die Belastung der Antriebsachsen<br />

und Kardanwellen sowie der Reifenverschleiß<br />

werden reduziert. Neu ist auch die Integration<br />

eines achsselektiven elektronischen<br />

Bremssystems, was nach Aussagen aller Beteiligten<br />

nicht nur für bestes Beschleunigungs-, sondern<br />

gerade auch Bremsverhalten sorgen würde.<br />

Die Ingenieure sind mit den Werten, die der Computer<br />

aufzeichnet, mehr als zufrieden. „Mithilfe<br />

des ortsabhängigen Energiemanagements wird<br />

das Zusammenspiel von Energiespeicher, Traktionsmotor<br />

und Generator intelligent geregelt“,<br />

erklärt Kribs. Dank GPS-Ortung könnte Urevo<br />

so bestimmte vorgegebene Zonen gezielt emissionsfrei<br />

und geräuscharm durchfahren werden.<br />

Von einem autonomen Fahren des Busses sei<br />

dieses System aber noch weit entfernt, das ist<br />

dann irgendwann einmal eine weitere Revolution<br />

im ÖPNV.<br />

◼<br />

„Urevo funktioniert überraschend gut“<br />

?: Wieso beschafft ein Familienunternehmen drei innovative<br />

Doppelgelenk-Hybridbusse für den ÖPNV Luxemburgs?<br />

Kribs: Das ist ganz einfach erklärt, denn es entspricht der<br />

Tradition des Unternehmens, verantwortungsbewusst und<br />

nachhaltig zu handeln und dazu in Innovationen zu investieren.<br />

?: Wie steht es in Luxemburg um die finanzielle Unterstützung<br />

für ein privates Unternehmen, das sich derart engagiert?<br />

Kribs: Wir haben das Urevo-Projekt beim Ministerium für<br />

nachhaltige Entwicklung und Infrastrukturen vorgestellt<br />

und daraufhin einen angemessen Teil der Mehrkosten für<br />

die innovative Technik als Zuschuss bekommen.<br />

?: Wie sieht die Bilanz nach den ersten Monaten aus?<br />

Kribs: Alle Beteiligten sind überrascht, wie gut der Urevo<br />

gestartet ist. Das Fahrzeug ist ein Nischenprodukt und entstammt<br />

der Kleinserie. Im Vergleich zu den ersten Hybriden<br />

von Hess hat die Technik deutliche Fortschritte gemacht.<br />

Romain Kribs,<br />

Voyages Emile Weber<br />

Viele neue Komponenten für das elektrische Fahren müssen gleichzeitig nebeneinander und<br />

miteinander funktionieren. Das Abstimmen der Prozesse war die eigentliche Herausforderung,<br />

die wir aber gut gemeistert haben.<br />

Neben dem individualisierten Design<br />

hat der Urevo auch einen eigenen<br />

optischen Auftritt bekommen.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 6/2<strong>01</strong>5


Tankkarten versprechen 1000<br />

verschiedene Dinge. Wir versprechen<br />

nur eins: Europa. 7 Tage in<br />

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An über 52.000 Akzeptanzstellen.<br />

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Wenn wir Europa sagen, meinen wir das auch. Deshalb können<br />

Sie sich in 40 europäischen Ländern auf ein dichtes Netz<br />

von über 52.000 Akzeptanzstellen verlassen. Egal, wo Sie<br />

sind – UTA ist immer für Sie da. Rund um die Uhr, auch an<br />

Sonn- und Feiertagen. Mehr dazu unter unserer gebührenfreien<br />

Servicenummer 0800 8822273 oder www.uta.com


[ 70 ] FAHRZEUGE | VDL Mid-Euro<br />

KÖNIGLICHER<br />

LANGLÄUFER<br />

Fahrbericht: Der Minireisebus VDL Mid-Euro auf Sprinter-Basis punktet mit<br />

hoher Variabilität und einer guten Verarbeitung.<br />

TEXT & FOTOS: THORSTEN WAGNER<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 6/2<strong>01</strong>5


<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 6/2<strong>01</strong>5<br />

FAHRZEUGE | VDL Mid-Euro [ 71 ]


[ 72 ] FAHRZEUGE | VDL Mid-Euro<br />

1 Eine hohe Panoramascheibe für eine bessere<br />

Sicht nach vorne gibt es nicht.<br />

2 Erstmals verfügt der Euro-6-Motor über<br />

einen Assyst-Wartungsrechner.<br />

3 Die Rückfahrkamera ist hoch über den<br />

Hecktüren angebracht.<br />

4 Das Sprinter-Cockpit bietet beste<br />

Funktionalität und Bedienbarkeit.<br />

Leicht ist es nicht, gegen die Übermacht aus<br />

Dortmund anzukämpfen. Von dort aus<br />

schickt die Minibussparte von Daimler<br />

Buses seit nunmehr über zehn Jahren rund<br />

1.200 komplett aufgebaute Minibusse pro Jahr in<br />

alle Welt. Damit ist Daimler in diesem Segment<br />

unangefochtener Marktführer. Mit vier Baureihen<br />

und 24 Modellen bedienen die Dortmunder<br />

fast jeden Kundenwunsch. Hinzu kommt eine erkleckliche<br />

Zahl von Fahrgestellen. In dem 2<strong>01</strong>4<br />

auf etwa 8.300 Einheiten (inklusive Fahrgestelle)<br />

geschrumpften europäischen Markt unter neun<br />

Tonnen reklamiert die Marke mehr als 40 Prozent<br />

Anteil für sich. Beachtlich dabei: In Großbritannien<br />

boomt das mit mehr als 3.000 Einheiten<br />

ohnehin vergleichsweise riesige Segment derzeit.<br />

Frankreich und Deutschland mit einem Volumen<br />

von jeweils etwa 1.000 Minibussen müssen<br />

dagegen gerade Federn lassen. Wachstum<br />

kann ansonsten nur die Iberische Halbinsel<br />

verzeichnen sowie Teile Skandinaviens. Wie<br />

viele Minibusse auf Vans aufgebaut und auch<br />

so zugelassen werden, steht auf einem ganz<br />

anderen Blatt. Von diesem großen Kuchen<br />

schneiden sich die niederländischen Busbauer<br />

von VDL ein schließlich der Kleinbusschmiede<br />

Kusters, die seit einigen Jahren wie alle<br />

85 Konzern firmen nur noch unter den drei<br />

großen Buchstaben firmiert, pro Jahr einen<br />

respektablen Anteil von rund 40 Bussen für<br />

Deutschland ab.<br />

Rund zwei Drittel davon sind Stadtbus- oder<br />

Bürgerbusausführungen. Zu den Kunden für die<br />

Reiseausführung Mid-Euro gehört auch das niederländische<br />

Königshaus, was VDL gerne herausstellt.<br />

Im Segment der Minibusse vertraut<br />

VDL Mid-Euro Sprinter 519<br />

MOTOR<br />

Wassergekühlter V6-Zylinder-Dieselmotor (Mercedes-<br />

Benz OM 642 DE 30 LA) mit Turboaufladung, variabler<br />

Turbinengeometrie (VTG) und Ladeluftkühlung,<br />

elektronisch gesteuerte Direkteinspritzung mit<br />

Common-Rail-System; Euro 6 per SCR, AGR und DPF<br />

Hubraum<br />

2.987 cm³<br />

Leistung<br />

140 kW (190 PS) bei 3.800/min<br />

Drehmoment 440 Nm bei 1.400–2.400/min<br />

KRAFTÜBERTRAGUNG<br />

Sieben-Gang-Automatikgetriebe Mercedes-Benz<br />

W7T700 (SA) mit Wandler-Überbrückungskupplung,<br />

Joystick-Wählhebel, einfach untersetzte Hinterachse.<br />

Übersetzung i = 4,364 (optional 3,923 und 4,182)<br />

FAHRWERK<br />

2<br />

3<br />

1<br />

Vorne Einzelradaufhängung mit Dämpferbein-Vorderachse;<br />

GFK-Querblattfeder, zwei Stoßdämpfer<br />

(verstärkt), Stabilisator (verstärkt); zulässige Achslast 2 t.<br />

Hinten starre Antriebsachse, zwei Luftfederbälge, zwei<br />

Stoßdämpfer (verstärkt); Parabelfedern; zulässige<br />

Achslast 3,5 t. Luftfederung an der Hinterachse (Serie),<br />

Reifengröße 205/75 R16C auf Felgen 5,5 J 16<br />

BREMSEN/LENKUNG/SICHERHEIT<br />

Hydraulische Zweikreis-Bremsanlage mit innenbelüfteten<br />

Scheibenbremsen rundum, Duo-Feststellbremse<br />

hinten; Zusatzbremse Telma-Retarder AE 30-35; ABS,<br />

ASR, ESP, BA, EBV, Bi-Xenon (SA), Abbiege-/Tagfahrlicht<br />

ABMESSUNGEN UND GEWICHTE<br />

4<br />

Länge/Breite/Höhe 8.061/1.993/2.690 mm<br />

Radstand<br />

5.025 mm (SA)<br />

Wendekreis<br />

17.450 mm<br />

Überhang vorn/hinten 1.004/2.<strong>01</strong>5 mm<br />

Kofferraumvolumen 2,9 m³<br />

Innenstehhöhe<br />

1.940 mm<br />

Tankvolumen Diesel 75/100 (SA) l<br />

Zul. Gesamtgewicht 5.300 kg<br />

SITZ-/STEHPLÄTZE<br />

Fahrgastplätze Testwagen 18+1+1<br />

PREIS<br />

Grund-/Testwagenpreis<br />

56.000/129.000 Euro<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 6/2<strong>01</strong>5


VDL wie auch viele andere Hersteller vorwiegend<br />

auf Mercedes-Sprinter-Fahrgestelle als<br />

Plattform. Aktuell handelt es sich dabei um die<br />

neue, 2<strong>01</strong>4 facegeliftete Version des Sprinter, wobei<br />

die Niederländer vor allem für England zeitweise<br />

auch den VW Crafter verwendet haben.<br />

Die Verwendung dieser weit verbreiteten<br />

Chassis bietet VDL mehrere Vorteile: Zum einen<br />

profitiert der Busbauer von der bekannten Qualität<br />

der technischen Basis und der Motoren, zum<br />

anderen von gut ausgebauten Servicenetzen. Hinzu<br />

kommt ein breites Angebot an Assistenz- und<br />

Sicherheitssystemen, das die großen Transporterhersteller<br />

anbieten. Den Wermutstropfen, dass<br />

bei der Tragfähigkeit des Sprinter bei maximal<br />

5,3 Tonnen Schluss ist, nimmt VDL wie so viele<br />

andere Aufbauer zwangsweise hin.<br />

In Venlo spendiert man dafür dem Fahrwerk<br />

neben diversen Verstärkungen auf Wunsch<br />

eine Verlängerung von 70 Zentimetern, die nicht<br />

nur dem Fahrverhalten, sondern auch der Statur<br />

des niederländischen Kleinbusses sehr zugutekommt.<br />

Auch in dieser Klasse gilt „Länge läuft“,<br />

zumal es den sinnvollen Seitenwindassistenten<br />

wie auch einige andere hilfreiche Assistenten für<br />

den VDL noch nicht gibt, da er nicht auf dem<br />

herkömmlichen Sprinter-Kastenwagen basiert.<br />

Zudem schafft dieser Kniff den benötigten<br />

Platz für eine weitere Sitzreihe. Der Wagen<br />

kann also bis zu 22 Fahrgäste befördern,<br />

das bietet sonst kaum ein Wettbewerber,<br />

auch bei den Dortmundern ist spätestens bei<br />

19 Sitzen Schluss. Freilich ist die Zuladung des<br />

rund vier Tonnen schweren Testwagens dann eher<br />

bescheiden. Bei voller Besetzung muss das<br />

große Reisegepäck zu Hause bleiben.<br />

Im moderat ausgreifenden hinteren Überhang<br />

von etwas mehr als zwei Metern steckt ein recht<br />

großer Kofferraum, der durch die serienmäßigen<br />

Flügeltüren gut erreichbar ist. Optional ist auch<br />

ein einteiliges Busheck mit Hubklappe verfügbar.<br />

Das Volumen ist mit rund drei Kubikmetern<br />

so üppig bemessen, dass sogar auf Höhe der Augen<br />

ein zweiter Boden eingezogen werden kann<br />

– eine einfache, aber sehr gute Idee zur Raumnutzung.<br />

Eine weitere Besonderheit des Busses<br />

ist die hohe Variabilität der vorderen Tür. Hier<br />

haben die VDL-Ingenieure viel Hirnschmalz investiert.<br />

Insgesamt vier Varianten stehen zur Verfügung.<br />

Neben der im Testfahrzeug verbauten<br />

großen Elektrotür in der B-Säule stehen noch die<br />

einfache Schlagtür sowie ein- und zweiflügelige<br />

Elektrotüren hinter oder in der B-Säule zur Verfügung.<br />

Da sollte jeder Kunde doch das Passende<br />

für seinen Einsatz finden.<br />

Das Cockpit bietet nicht viele Überraschungen,<br />

es ist Sprinter durch und durch. Eine Panoramascheibe<br />

wie beim Mercedes Travel 65 gibt es<br />

leider nicht, einen klappbaren Reiseleitersitz Typ<br />

STADT-VARIATION<br />

Vorstellung: Rund 60 Prozent der Kleinbusse von VDL gehen in den<br />

Stadtverkehr. Auch hier ist die Varianz sehr groß.<br />

TEXT & FOTOS: THORSTEN WAGNER<br />

Noch flexibler zeigt sich das Angebot der<br />

Stadtbus-Baureihe Mid-City, die nicht nur<br />

neun grundlegende Baumuster, sondern<br />

auch drei Bürgerbus-Modelle des Typs Mid-<br />

Basic umfasst, sozusagen das Pendant des Mercedes<br />

Sprinter Transfer. Diese Modelle basieren<br />

immer auf den beiden kurzen Radständen mit<br />

3,66 oder 4,32 Metern. Sie bieten bis zu 6,96<br />

Meter Gesamtlänge und bis zu acht Sitzplätze.<br />

Dank des Gesamtgewichts von 3,5 Tonnen sind<br />

diese Fahrzeuge auch mit der B-Fahrerlaubnis<br />

zu bewegen und so ideal für kommunalen<br />

Bürgerbus- und Behindertenverkehr geeignet.<br />

Bis zu 8,4 Meter lang sind die „ausgewachsenen“<br />

Mid-City-Typen. Auch sie profitieren<br />

von der VDL-typischen Radstandsverlängerung<br />

und dem Niederflurprinzip (Smartfloor).<br />

Die Kapazität reicht über die Baureihe von 8 bis<br />

27 Personen und im Normalfall bis zu elf Sitzplätzen.<br />

Die mögliche Komplettbestuhlung mit<br />

1<br />

19 Sitzen und einem Rollstuhlplatz ist für den<br />

Stadtverkehr nur bedingt geeignet.<br />

Das maximale Gesamtgewicht erreicht<br />

durch die aufgelastete Portalhinterachse mit<br />

Hilfsluftfederung von Mercedes hierbei bis<br />

zu 5,5 Tonnen – eine Alternative zum Raumriesen<br />

Mercedes City 77 für 40 Personen bieten<br />

die Venloer derzeit nicht an. Mit der neuen<br />

ZF AV 110-Hinterachse könnte sich dies aber<br />

künftig ändern.<br />

Auch für die Stadtvariante sind drei Türen<br />

zu bekommen, darunter eine doppelflügelige,<br />

elektrisch bedienbare Version. Ebenso ist eine<br />

elektrische Hecktür mit 800 Millimeter Breite<br />

für optimalen Fahrgastfluss erhältlich. Die von<br />

uns begutachtete Version mit 13 fest montierten<br />

und vier zusätzlichen Klappsitzen überzeugte<br />

durch einen aufgeräumten und gut zugänglichen<br />

Innenraum. Eine neue Klapprampe spart<br />

zudem rund 15 Kilo an Gewicht ein. Auch eine<br />

große, ins Dach integrierte Fahrtzielanzeige im<br />

vorderen Bereich ist erhältlich.<br />

◼<br />

2<br />

1 Die doppelbreite Elektrotür schafft Platz<br />

für die neue, leichtere Rollstuhlrampe.<br />

2 Komplett niederflurig ist nur der Vorderwagen<br />

bis zu den zwei Stufen nach hinten.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 6/2<strong>01</strong>5


[ 74 ] FAHRZEUGE | VDL Mid-Euro<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Vogel Primus nur in einigen Konfigurationen.<br />

Der Innenraum des von uns gefahrenen 18-Sitzers<br />

ist hochwertig ausgestattet und bietet echtes<br />

Reisebus-Flair. Dafür sorgen große Gepäckablagen<br />

auf beiden Seiten und praktische<br />

Servicesets an deren Unterseite. Die Scheiben<br />

sind nicht ganz so groß, wie sie von außen scheinen,<br />

hier wird optisch etwas getrickst. Das ist<br />

aber durchaus legitim.<br />

Vor der vierten Sitzreihe haben die Passagiere<br />

eine kleine Stufe zu überwinden, was im Alltag<br />

aber kein Problem darstellen dürfte. Insgesamt<br />

schafft es VDL, der Innenausstattung<br />

ein hochwertiges und edles Ambiente zu verleihen.<br />

Dazu tragen die Kunstlederbezüge der<br />

Dach- und Wandteile ebenso bei wie die edlen<br />

Sitzbezüge oder der Holzimitat-Fußboden des<br />

Typs Voyager. Auch die Verarbeitung des Wagens<br />

lässt keine Wünsche offen und kommt an<br />

Mercedes-Vorlagen heran. Insgesamt eine runde<br />

Sache. Der Antrieb des Wagens ist mit dem hier<br />

verbauten, überarbeiteten Sechszylinder von<br />

Mercedes als souverän zu bezeichnen.<br />

Für kleinere Busse bieten sich durchaus auch<br />

kleinere Leistungsstufen an. Die Paarung des Euro-6-Aggregats<br />

mit Wartungsrechner und der<br />

neuen Siebengang-Automatik ist besonders für<br />

hochwertige Fahrzeuge sinnvoll und wird von<br />

rund der Hälfte der VDL-Kunden gewählt. Derzeit<br />

gebe es aber noch Lieferverzögerungen.<br />

Einen weniger guten Eindruck hinterlässt die<br />

Geräuschkulisse während der Fahrt. Der elektromagnetische<br />

Retarder von Telma, der aus<br />

Sicherheitsgründen immer ratsam ist, stört mit<br />

einem deutlichen Mahl-Geräusch beim Verzögern.<br />

Das trübt den sonst guten Fahreindruck.<br />

Das Geräusch soll aber auf einen einfachen<br />

Defekt zurückzuführen sein, heißt es bei VDL.<br />

Davon abgesehen sollte sich das Thema Energierekuperation<br />

und Effizienzsteigerung auch<br />

in diesem Segment zeitnah durchsetzen, anstatt<br />

Bremsenergie mit einem einfachen Retarder zu<br />

vernichten. Das könnte beispielsweise das stark<br />

beanspruchte Zwölf-Volt-Bordnetz entlasten.<br />

Das Fahrverhalten profitiert merklich von der<br />

optionalen Radstandsverlängerung und ist Sprinter-typisch<br />

zweigeteilt: vorne eher schwammig,<br />

hinten härter und mit klarem Feedback. Dank<br />

der Vollluftfederung der Hinterachse kommt der<br />

Komfort für die Fahrgäste nicht zu kurz, Stabilisatoren<br />

und Dämpfer sind lobenswerterweise<br />

zusätzlich verstärkt. Damit bringt der Minibus<br />

die besten Voraussetzungen für seinen wirtschaftlichen<br />

Erfolg mit.<br />

◼<br />

Die seitlichen Panoramascheiben sind nicht vollständig transparent.<br />

1 Von den vier Türoptionen sind drei elektrisch<br />

angetrieben – auch die zweiflügelige Option.<br />

2 Der Kofferraum bietet für diese Klasse überdurchschnittlich<br />

viel Platz und ist gut nutzbar.<br />

3 Die edlen Sitzbezüge und hochwertigen<br />

Materialen sind für VIP-Transport geeignet.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 6/2<strong>01</strong>5


Eine Marke der Daimler AG<br />

TCO im Überblick: Erfahren Sie mehr über Kostenfaktoren beim Betrieb eines Omnibusses http://overall-economy.bus.mercedes-benz.com<br />

Passt, wenn andere passen müssen.<br />

Der neue Sprinter City. Profi auf der schlanken Linie. Kleine Abmessungen,<br />

großer Fahrgastraum, maximaler Niederflurkomfort. Überall dort, wo ein Linienbus<br />

auch bei kleinen Fahrgastzahlen wirtschaftlich unterwegs sein soll, schlägt die Stunde<br />

des Sprinter City. Dank kompakter Abmessungen ist er ebenso für enge Stadt- und<br />

Überlandrouten die ideale Besetzung. Mehr unter www.mercedes-benz.de/<strong>omnibus</strong><br />

Anbieter: EvoBus GmbH, Neue Straße 95, 73230 Kirchheim unter Teck


[ 76 ] FAHRZEUGE | Neoplan Cityliner von Müller<br />

ALTERSTEILZEIT<br />

Porträt: Erfolgreiche Busunternehmen pflegen Oldtimer nicht nur aus Nostalgiegründen,<br />

sondern setzen sie gezielt ein – wie Müller in Massenbachhausen seinen aufwendig<br />

restaurierten Neoplan Cityliner, der Star der diesjährigen Oldtimer-Messe Retro Classics.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER I FOTOS:<br />

THORSTEN WAGNER, MAN, OLDTIMER KÜHN<br />

Für gewöhnlich kümmern sich<br />

Fahrgäste herzlich wenig um<br />

die Marke des Reisebusses, mit<br />

dem sie unterwegs sind. Weshalb<br />

auch? Hauptsache das Fahrzeug ist<br />

Walter Müller, Geschäftsführer Müller<br />

Reisen, Massenbachhausen:<br />

„Unsere Kunden wünschen sich ganz konkret einen Cityliner oder<br />

Starliner für ihre Fahrten. Die Oldtimer selbst werden ganz normal in<br />

den Betrieb eingebunden und mit eigenen Fahrten gezielt vermarktet.<br />

Sie sind das Aushängeschild unseres Unternehmens.“<br />

bequem und befördert seine Passagiere<br />

sicher von A nach B.<br />

Es gibt aber auch Ausnahmen:<br />

„Wir wollen mit dem neuen Doppeldecker<br />

von Müller fahren“, lautete<br />

in den 80ern bei dem Busreisenanbieter<br />

aus dem beschaulichen<br />

Massenbachhausen bei Heilbronn<br />

ein häufig geäußerter Wunsch. Anlass<br />

dieser Begehrlichkeit war aber<br />

nicht etwa ein Neoplan Sky liner<br />

oder der damals nagelneue Setra<br />

DT. Es war vielmehr ein braver<br />

Neoplan Cityliner – der erste des<br />

1928 gegründeten Unternehmens.<br />

Die Kundenreaktion war kein untypisches<br />

Phänomen damals. Der Cityliner<br />

mit seiner neuartigen Bauweise<br />

und der extremen Höhe führte<br />

nämlich ein neues Reisehochdecker-Segment<br />

ein, das bis zu diesem<br />

Zeitpunkt unbekannt war. Bis<br />

zur Ablösung durch die neue Generation<br />

im Jahr 2006 bildete der Cityliner<br />

mit seinem breiten Modellangebot<br />

und mehr als 6.000 gebauten<br />

Bussen das Rückgrat der Flotte.<br />

„Mit dem Cityliner hatten wir<br />

ab 1982 erstmals einen Neoplan<br />

im Fuhrpark. Mit dem war man damals<br />

der König der Straße, er fuhr<br />

sich wie ein Traum“, erzählt Walter<br />

Müller, einer der heutigen Geschäftsführer.<br />

Das 65 Mitarbeiter<br />

zählende Unternehmen leitet er zusammen<br />

mit seinem Bruder Albert<br />

und seiner Mutter Traude. Trotz ihrer<br />

81 Jahre ist sie noch jeden Tag<br />

in dem repräsentativen Firmengebäude<br />

anzutreffen, das die Müllers<br />

2002 neu errichteten.<br />

„Ich wollte immer schon einen<br />

Oldtimer besitzen. Vor zehn Jahren<br />

haben wir dann den Saurer LC 4,<br />

Baujahr 1958, gekauft und ihn auf<br />

den Namen unseres Vaters Wilhelm<br />

getauft“, erinnert sich Walter<br />

Müller an die Anfänge der „Oldtimer-Abteilung“.<br />

Vor fünf Jahren kam „Traude“<br />

dazu, ein Auwärter-Oldtimer, Baujahr<br />

1950, auf Mercedes O3500-<br />

Fahrgestell mit Panoramascheiben<br />

und Cabriodach. Die ersten Touren<br />

mit „Wilhelm“ und „Traude“<br />

waren zusammen mit der Lokal-<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 6/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Neoplan Cityliner von Müller [ 77 ]<br />

zeitung „Heilbronner Stimme“ als<br />

Leserreisen organisiert. In sechseinhalb<br />

Jahren kamen so bereits<br />

40 Touren zusammen.<br />

„Wir haben uns ein neues<br />

Reisen-Segment erarbeitet,<br />

das wir auch mit<br />

einer zielgerichteten<br />

Vermarktung bearbeiten“,<br />

erklärt Busenthusiast<br />

Müller.<br />

„Wenn man mit<br />

dem Oldtimer<br />

zu den Besenwirtschaften<br />

kommt, da<br />

machen alle<br />

das Türle auf“,<br />

flachst er.<br />

Inzwischen verzeichnet der<br />

Müller’sche Hauskatalog acht<br />

Oldtimer-Touren. Dazu gehört<br />

beispielsweise die Reise<br />

„Mit dem Dampfzug durch den<br />

Welzheimer Wald“. Für Walter<br />

Müller sind seine Oldtimer „Visitenkarten“<br />

des Unternehmens.<br />

Grund genug für ihn, den kleinen<br />

Nostalgie-Fuhrpark um einen<br />

weiteren, recht modernen Vertreter<br />

zu vergrößern: den Neoplan<br />

Cityliner mit der Produktionsnummer<br />

9 aus dem ersten Baujahr 1971<br />

(siehe Kasten Seite 59).<br />

Bis 1990 verrichtete der Cityliner<br />

Dienst in Harsewinkel beim Busunternehmen<br />

Bröskamp, ebenfalls ein<br />

langjähriger Neoplan-Kunde.<br />

„Der Cityliner hat zwar<br />

einen völlig anderen<br />

Charakter als die beiden<br />

Haubenbusse,<br />

aber er wird sich<br />

bei uns bewähren“,<br />

behauptet<br />

Walter<br />

Müller.<br />

Dabei<br />

muss<br />

der<br />

Neuzugang<br />

wie auch seine beiden<br />

älteren Kollegen beileibe<br />

nicht nur gutgelaunte Wochenendausflügler<br />

kutschieren: „Unsere<br />

Oldtimer stehen nicht rum,<br />

die müssen jeden Tag raus, das<br />

ist doch klar“, erklärt Bruder<br />

Albert Müller, der sich im Unternehmen<br />

vorwiegend um die Technik<br />

kümmert.<br />

„Für den normalen Schulbusoder<br />

Linieneinsatz sind sie zu<br />

schade, aber für unsere Sonder-<br />

schulfahrten einfach ideal“, sagt<br />

Albert Müller. Und so ist auch der<br />

Cityliner, der inzwischen schon<br />

rund 1,65 Millionen Kilometer auf<br />

der Uhr hat, fast täglich mit einem<br />

Stammfahrer auf Tour.<br />

Bis der hochwertig mit Edelstahl<br />

beplankte Hochdecker, der<br />

wie alle älteren Müller-Busse nicht<br />

komplett rot lackiert ist, ein gesetzt<br />

werden konnte, hat es aber eine<br />

Weile gedauert. Nachdem Neoplan-Unternehmensveteran<br />

und<br />

Oldtimer-Mäzen Konrad Auwärter<br />

Neoplan Cityliner N 116<br />

den Bus vom Vorbesitzer übernommen<br />

hatte, wurde das Gerippe in<br />

einer ersten Restaurationsstufe bei<br />

Matthias Kühn in Syrau bei Plauen<br />

komplett neu aufgebaut. Dies dauerte<br />

bis 2007.<br />

Als der Wagen dann Anfang<br />

2<strong>01</strong>4 nach der Begutachtung von<br />

Müller-Disponent und Oldtimer-Spezialist<br />

Hartmut Nietzold<br />

nach Massenbachhausen geholt<br />

wurde, war schnell klar, dass es<br />

allein mit der äußeren Kosmetik<br />

nicht getan ist. Die Technik<br />

Baujahr 1971<br />

Restaurierung 2006/2<strong>01</strong>5<br />

Zahl der Achsen 2<br />

Lange/Breite/Höhe 12.000/2.500/3.550 mm (Serie)<br />

Motor<br />

Luftgekühlter Henschel-Direkteinspritzer Sechszylinder-Diesel<br />

Hubraum 11.940 cm 3<br />

Leistung<br />

177 kW/240 PS bei 2.150/min<br />

Fahrwerk<br />

Luftfederung, Neoplan-Einzelradaufhängung VN9 vorn,<br />

Starrachse mit patentiertem Dreiecksfahrschemel hinten<br />

Bremsen<br />

Zweikreis-Bremssystem pneumatisch, Trommelbremsen,<br />

Motorbremse<br />

Kofferraumvolumen ca.10 m 3<br />

Zul. Ges. Gew. 16.000 kg<br />

Sitze 52+1+1<br />

Ausstattung<br />

Unterflurtoilette, Düsenbelüftung, Heckeinstieg<br />

1 Deutlich erkennbar aus erhöhter<br />

Perspektive ist das ursprüngliche<br />

Konzept als Aussichtswagen.<br />

2 Auf das Wesentliche beschränkt<br />

ist die Cockpit-Ausstattung.<br />

3 In den 70er-Jahren galt die<br />

Düsenbelüftung durchaus noch<br />

als innovative Technologie.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 6/2<strong>01</strong>5


[ 78 ] FAHRZEUGE | Neoplan Cityliner von Müller<br />

Die kleine, aber sehr feine Müller-Nostalgieflotte<br />

wird auch im harten Alltagsbetrieb eingesetzt.<br />

musste ebenfalls grundlegend<br />

überholt werden.<br />

Angefangen beim luftgekühlten<br />

Henschel-Sechszylinder mit 240 PS,<br />

der nach Aussage von Albert Müller<br />

„keine Wurst vom Teller gezogen<br />

hat“. Der Grund waren defekte<br />

Kolbenringe und eine falsch eingebaute<br />

sowie verschlissene Kupplungsscheibe.<br />

„Das ging so weiter.<br />

Die komplette Technik war marode“,<br />

berichtet Müller.<br />

Die Liste der unter Führung<br />

von Werkstattmeister Klaus Tiltscher<br />

weitgehend selbst ausgeführten<br />

Arbeiten fand fast kein Ende:<br />

Feste Bus-Nische in den Hallen der Oldtimer-Messe Retro Classics<br />

Die Stuttgarter Retro Classics hat sich über die<br />

Jahre zu einem festen Bestandteil der Messelandschaft<br />

und der Oldtimerszene gemausert. Vom 26.<br />

bis 29. März feierte die Messe ihre 15. Auflage mit<br />

um 20 Prozent auf 120.000 Quadratmeter erweiterter<br />

Ausstellungsfläche. Konrad Auwärter, der in<br />

diesem Jahr den 75. Geburtstag feiert und sich seit<br />

Jahren zum Mäzen der Bus-Oldtimerszene entwickelt<br />

hat, brachte gleich einen ganzen Fahrzeugtross<br />

mit nach Stuttgart. Dort betreibt er auch sein<br />

kleines Auwärter-Museum im Vaihinger Neotel. „Die<br />

europäische Oldtimerbusszene lebt. Wir waren in<br />

Stuttgart auf der Retro Classics mit 13 Fahrzeugen,<br />

darunter solche aus Norwegen, der Schweiz, Österreich<br />

und Frankreich. Das Beziehungsnetz der historischen<br />

Busse wächst immer weiter“, sagt Auwärter.<br />

Auch Setra kümmert sich seit Jahren mit viel Aufwand<br />

und Liebe um die eigene Historie. Die Ulmer waren mit<br />

fünf Fahrzeugen vertreten und feierten mit drei Fahrzeugen<br />

des traditionsreichen Typs S 6 sogar ein Jubiläum:<br />

Die kleinsten Setra-Omnibusse, die jemals gebaut<br />

wurden, galten zusammen mit den Neoplan-Kollegen<br />

als erste selbsttragende Kompaktbusse und wurden<br />

genau vor 60 Jahren auf dem Genfer Automobilsalon<br />

vorgestellt. Zudem gab es auf dem Stand in Halle 8<br />

einen S 10 der Setra Baureihe 10, Baujahr 1955, mit<br />

37 Sitzen (Bild oben) sowie einen Clubbus des Typs<br />

S 208 H aus dem Jahr 1979 zu bestaunen. Das nächste<br />

Europäische Oldtimerbustreffen findet übrigens vom<br />

15. bis 18. Oktober 2<strong>01</strong>5 in Haguenau im Elsass statt.<br />

Luftleitungen, Lichtmaschine, Anlasser<br />

und vieles mehr mussten<br />

komplett erneuert, oft aufwendig<br />

besorgt oder nachgebaut werden.<br />

Hinzu kamen weitere Arbeiten<br />

wie die Erneuerung der markenprägenden<br />

obere Frontscheibe<br />

(drei Stück wurden als Sonderanfertigung<br />

in Finnland für rund<br />

6.000 Euro beschafft). Ebenso stand<br />

die komplette Überholung der<br />

Scheibenwischer in der Lehrwerkstatt<br />

des Herstellers SWF und der<br />

Einbau eines modernen Begleitersitzes<br />

mit Gurt auf dem Programm.<br />

Der Rückbau auf die originalen<br />

Hecklichter und die Umlackierung<br />

auf die Hausfarben von Müller seien<br />

noch das Geringste gewesen.<br />

Die nachträglich auf das Jetliner-<br />

Modell angepassten Frontscheinwerfer<br />

blieben dem Wagen einstweilen<br />

erhalten, original waren sie<br />

etwas gewöhnungs bedürftig hochkant<br />

verbaut.<br />

Das Ergebnis der rund ein Jahr<br />

dauernden Überholung kann sich<br />

sehen lassen. Der Wagen ist nach<br />

den Worten seines geistigen Vaters<br />

Konrad Auwärter von einer<br />

Einser-Bewertung auf dem kritischen<br />

Oldtimermarkt nicht<br />

weit entfernt. „Die Gebrüder<br />

Müller haben mit sehr viel Liebe<br />

den Cityliner auf ihre Hausfarben<br />

hergerichtet und noch einmal<br />

viel Geld investiert. Es ist ein ganz<br />

besonderes Fahrzeug geworden“,<br />

urteilt Konrad Auwärter.<br />

Das zweite Debüt nach 2007,<br />

jetzt als komplett restaurierter<br />

und voll fahrbereiter Oldtimer,<br />

hatte der City liner dann auf<br />

der diesjährigen Retro Classics<br />

in Stuttgart. Dort stellt Auwärter<br />

regelmäßig in schwäbischer<br />

Verbundenheit aus. Schließlich<br />

wurde der Bus einst keine fünf Kilometer<br />

von der Messe entfernt<br />

im Stuttgarter Stadtteil Möhringen<br />

gebaut, wo 2006 das Werk ge-<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 6/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Neoplan Cityliner von Müller [ 79 ]<br />

schlossen wurde. Die Kollegen unserer<br />

Schwesterzeitschrift „auto<br />

motor und sport“ kürten den Bus<br />

dieser Tage auch im Internet zu<br />

einem ihrer Highlights der Retro<br />

Classics.<br />

Eine kurze Fotoausfahrt mit<br />

dem Wagen über die angrenzenden<br />

Landstraßen bei Massenbachhausen<br />

überzeugt von der Alltagstauglichkeit<br />

und Laufruhe des<br />

Reisebusses. Vom Federungskomfort<br />

der Neoplan-Vorderachse kann<br />

sich so mancher heutige Bus eine<br />

Scheibe abschneiden. Klappern<br />

und Knarzen ist dem Wagen weitgehend<br />

fremd. Und die Aussicht<br />

für die Gäste ist auch heute noch<br />

beeindruckend.<br />

Die Beziehung der Firma Müller<br />

zu MAN und Neoplan hat sich<br />

sicher gewandelt, ist aber immer<br />

noch positiv und von Dauer. Wenn<br />

auch der Fuhrpark mit einigen<br />

technischen Leckerbissen wie den<br />

Midibussen Temsa MD9 und<br />

Viseon C11 sowie einem Van Hool<br />

Altano mit Unterflurcockpit gewürzt<br />

ist, ist die Familie Müller<br />

dem Hersteller weitgehend treu<br />

geblieben.<br />

Die meisten der 17 roten Müller-Reisebusse<br />

auf dem Betriebshof<br />

ziert der schwarze Neoplan-Schriftzug<br />

auf Chrom.<br />

Beim Start des Luxusbusses Starliner<br />

der zweiten Generation im<br />

Jahr 2004 war es keine Frage,<br />

dass die Firma Müller eines der<br />

20 Felderprobungsfahrzeuge unter<br />

seine Fittiche nahm, später<br />

kamen noch sechs Busse des seltenen<br />

Typs dazu.<br />

Letzter Neuzugang ist ein Fünf-<br />

Sterne-Cityliner mit Hecklounge<br />

und zwei weiteren Sitzgruppen<br />

sowie komfortablen Beinauflagen:<br />

„Bisher hatten wir für die<br />

Sitz anlage immer nur gute Noten<br />

bekommen, von der Fünf-Sterne-Variante<br />

sind die Kunden aber<br />

durchweg begeistert“, erklärt<br />

Walter Müller das Konzept der<br />

„Müller-Premium-Linie“. Dieses<br />

dritte Geschäftsfeld zielt vor allem<br />

auf VIP- und Firmenfahrten ab.<br />

„Wir wollen hier keine Kompromisse<br />

machen“, sagt er.<br />

Marken-Ikone<br />

Der Neoplan Cityliner wird 1971<br />

zuerst als Bus für Stadtrundfahrten<br />

mit höhergesetzter Fahrgastebene<br />

konzipiert, um den<br />

Passagieren einen besseren Überblick<br />

zu ermöglichen. Premiere<br />

feierte er auf der internationalen<br />

Omnibuswoche in Monaco. Es<br />

war ein Fahrzeug für den Kunden<br />

Severin & Kühn (Foto oben im Werk<br />

Stuttgart vor dem Versuchsgebäude).<br />

Die auffällige Trennung der Fahrzeugfront durch einen schmalen waagerechten Steg, die dynamisch nach<br />

vorne geneigten Fensterholme und die optische Verlängerung der B-Säule nach unten stehen auch noch nach<br />

vier Jahrzehnten für markantes und zeitloses Design. Inzwischen hat es sich in die Neoplan-DNA eingebrannt.<br />

Zudem haben die Konstrukteure den Fahrersitz weiter nach unten gesetzt und die Sitze auf Podesten montiert,<br />

um den Fahrgästen die beste Aussicht zu bieten. Nebeneffekt: Erstmals ließ sich eine Toilette unter dem Fahrgastboden<br />

unterbringen. Das wiederum ermöglichte mehr Sitze. Die Zusatzverglasung unter den Seitenscheiben<br />

kennzeichnete den Aussichts-Cityliner. Er ist aber mittlerweile sehr selten anzutreffen. Das Konzept erwies sich<br />

mit viel Kofferraum besonders für Reisedecker geeignet.1973 bereits erweiterte Neoplan die Baureihe um einen<br />

Dreiachser, der den Weg zum modernen Großraumreisebus beschritt. Das Fahrzeug gewann denn auch sofort<br />

den Grand Prix des Salons. <strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> urteilte seinerzeit: „Seine Fahreigenschaften und der von ihm<br />

gebotene Komfort lassen Kritiker verstummen, befriedigen selbst verwöhnte Passagiere und bieten schlechthin<br />

optimale Bequemlichkeit. Dass dieser Gesamteindruck nicht nur die Ansicht eines einzelnen Testers darstellt,<br />

geht aus dem gewiss strengen Urteil der Jury von Nizza hervor, die eben diesen Neoplan N 116/3 mit dem Grand<br />

Prix d’Excellence auszeichnete, der höchsten Auszeichnung im Wettbewerb des europäischen Omnibusbaus.“<br />

Der Bröskamp-Cityliner mit der Produktionsnummer 9, bis 1990 im Alltagseinsatz, wurde zum 35-jährigen<br />

Jubiläum der Baureihe im Jahr 2006 vom Fachbetrieb Matthias Kühn instand gesetzt (Foto unten links) und vom<br />

neuen Besitzer Müller Reisen in Massenbachhausen auch technisch vollständig überholt.<br />

Kompromisslos soll es auch<br />

weitergehen in Sachen Neoplan.<br />

Auf der IAA Nutzfahrzeuge<br />

in Hannover hat Walter Müller<br />

kurzerhand den auf der Messe<br />

ausgestellten Neoplan Skyliner<br />

gekauft. Müller soll das Fahrzeug<br />

im kommenden Sommer erhalten<br />

– und zwar zu einem denkwürdigen<br />

Datum: dem 75. Geburtstag<br />

von Konrad Auwärter.<br />

Gleichzeitig wird der Cityliner,<br />

Baujahr 1971, sicher noch lange<br />

seinen Dienst verrichten – schließlich<br />

geht man in der Busbranche nie<br />

so ganz in Rente.<br />

◼<br />

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[ 80 ] FAHRZEUGE | Alternative Antriebe von Daimler Buses<br />

DAIMLER GIBT GAS<br />

Report: Die Antriebe für die Stadtbusse von morgen stellt Daimler auf drei Säulen: Diesel,<br />

Erdgas und Elektro. Zu konventionellen Antriebssträngen kommen neue Gas- und Elektrobusse.<br />

TEXT: RÜDIGER SCHREIBER<br />

FOTOS: DAIMLER<br />

Vor 120 Jahren wurde in Mannheim<br />

der Omnibus erfunden.<br />

Was Carl Benz damals auf die<br />

Räder stellte, ist heute rund um den<br />

Globus zu einer tragenden Säule<br />

des Personenverkehrs geworden.<br />

Weltweit wächst die Bevölkerung,<br />

in zehn Jahren dürfte sie die Acht-<br />

Millarden-Schwelle überschritten<br />

haben, so die Vereinten Nationen.<br />

Bereits heute lebt mehr als die Hälfte<br />

der Menschen in Städten, Tendenz<br />

steigend. Für das Jahr 2030 sehen<br />

die Vereinten Nationen rund<br />

fünf Milliarden Menschen, die in<br />

Städten leben werden.<br />

Wissenschaftler und Verkehrsexperten<br />

sprechen unisono davon,<br />

dass der Bus im urbanen Raum<br />

künftig eine zentrale Rolle einnehmen<br />

wird. „Öffentlicher Personennahverkehr<br />

ist mit keinem Verkehrsmittel<br />

so wirtschaftlich und<br />

flexibel zu realisieren, wie mit dem<br />

Bus“, resümiert Hartmut Schick,<br />

Leiter Daimler Buses.<br />

In den Städten der Zukunft werde<br />

es vor allem auf innovative und<br />

passgenaue Mobilitätslösungen ankommen.<br />

Die effektivste Methode,<br />

vielen Menschen Mobilität und damit<br />

auch die Teilnahme am gesellschaftlichen<br />

Leben zu ermöglichen,<br />

sei der Einsatz von Omnibussen.<br />

Für den Leiter der Bussparte<br />

von Daimler ist klar, dass auch in<br />

einigen Jahrzehnten Diesel-Busse<br />

vielerorts unverzichtbar sein werden.<br />

„Deshalb arbeiten wir daran,<br />

die konventionellen Antriebsstränge<br />

weiter zu entwickeln, um sie so<br />

sparsam wie möglich zu machen“,<br />

sagt Schick.<br />

Passend zu dieser Aussage präsentierte<br />

Daimler Buses im Vorfeld<br />

des UITP-Weltkongresses einen<br />

neuen Erdgasmotor. Der Gasmotor<br />

M 936 G wurde mit der Vorgabe<br />

entwickelt, dem Dieselmotor<br />

bezüglich des Bauraums und der<br />

Anschlussmaße zu entsprechen.<br />

Und auch die Leistungs- sowie<br />

Betriebscharakteristika sollten dem<br />

Dieselbruder in nichts nachstehen.<br />

Durch ein hohes Maß an Gleichteilen<br />

haben die Ingenieure die Verwendbarkeit<br />

des Gasmotors in allen<br />

Linienbussen der Citaro-Baureihe<br />

realisiert.<br />

Der neue Erdgasantrieb soll leiser<br />

und sauberer sein als vergleichbare<br />

Dieselmotoren nach Abgasstufe<br />

Euro 6. Seine Leistung liegt<br />

bei 302 PS (222 kW) aus 7,7 Liter<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 7/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Alternative Antriebe von Daimler Buses [ 81 ]<br />

Mit intelligentem Mix in die Stadt der Zukunft<br />

Anspruchsvolle Umweltschutzziele werden die Stadt der Zukunft kennzeichnen. Fossile Kraftstoffe werden daher<br />

mittelfristig höchst wahrscheinlich nicht mehr für den ÖPNV in Betracht kommen. Die Kombination von Transportmitteln<br />

in einem intelligenten Mix wird es ermöglichen, lokale Schadstoffemissionen, CO 2 und Geräusche zu<br />

verringern und zugleich die Lebensqualität der Bürger zu steigern.<br />

Busse<br />

Möglicher Weg in der Stadt<br />

Auswirkungen auf die Stadt<br />

Voll elektrisch/<br />

Hybride/Plug-in<br />

Biodiesel Hybride<br />

Biogas<br />

Andere Transportmittel<br />

Fahrrad-Pool Elektro-Pkw-<br />

Pool<br />

Tram/Metro<br />

• Geringe bzw. keine CO 2<br />

-<br />

Emissionen<br />

• Geringe bzw. keine Geräuschemissionen<br />

• Hohe Attraktivität für Passagiere<br />

• Hohe Attraktivität für Fahrer<br />

• Hohe Attraktivität für Bürger<br />

Alain Flausch, Generalsekretär des<br />

internationalen Verbandes für öffentliches<br />

Verkehrswesen (UITP): „Mit<br />

der stetig wachsenden Urbanisierung<br />

steigt auch die Zahl der Nutzer des<br />

ÖPNV. Der ÖPNV ein wichtiges Stück<br />

Lebensqualität im urbanen Raum und<br />

ein immenser Wirtschaftsfaktor. Elektromobilität<br />

hat sich in Europa schon<br />

etabliert, zukünftig fahren wir hier in<br />

den Zentren völlig emissionsfrei.“<br />

Hubraum, das maximale Drehmoment<br />

beläuft sich auf 1.200 Nm zwischen<br />

1.200 und 1.600/min.<br />

Die Performance des Triebwerks entspricht<br />

seinem Ausgangsprodukt,<br />

dem Turbodiesel OM 936. Lediglich<br />

die Nennleistung von 302 PS liegt<br />

etwas höher. Mit Blick auf die maximale<br />

Wärmebelastung des Kühlsystems<br />

wurde die Nenndrehzahl<br />

des neuen Gasmotors im Vergleich<br />

zum Dieselmotor auf 2.000/min gesenkt.<br />

Fahrerprobungen mit dem neuen<br />

Gasmotor zeigten, dass sich das Aggregat<br />

im Sommer wie im Winter<br />

problemlos starten ließ, selbst bei<br />

Temperaturen von minus 26 Grad<br />

Celcius.<br />

Den eigentlichen Vorteil des Aggregats<br />

sieht Hartmut Schick jedoch<br />

in der CO 2 -Bilanz, die mehr als 20<br />

Prozent günstiger sei als jene eines<br />

vergleichbaren Dieselmotors. „Wer<br />

den Motor mit Biogas betreibt,<br />

fährt sogar annähernd CO 2 -neutral“,<br />

versichert Schick.<br />

Passend zum neuen Motor will<br />

Mercedes-Benz noch in diesem<br />

Jahr den Citaro Euro 6 NGT vorstellen.<br />

Laut Gustav Tuschen, Leiter<br />

Entwicklung bei Daimler Buses,<br />

wurden im Vergleich zum Dieselpendant<br />

nicht nur 300 Kilogramm<br />

Gewicht eingespart, sondern auch<br />

noch der Verbrauch im zweistelligen<br />

Prozentbereich gesenkt. Außerdem<br />

hätte man im neuen Citaro<br />

Euro 6 NGT zehn weitere Fahrgastplätze<br />

geschaffen, berichtet der Entwicklungschef.<br />

Auf diesen Lorbeeren wolle man<br />

sich aber nicht ausruhen. Ein Entwicklungsschwerpunkt<br />

der Bussparte<br />

sind alternative Antriebe.<br />

Und da stehe der Elektrobus ganz<br />

vorn auf der Agenda, erklärt Gustav<br />

Tuschen. Dem Trend zur Elektromobilität<br />

begegnet Daimler mit<br />

einer Roadmap und dem größten<br />

Entwicklungsbudget, das es bisher<br />

für die Bussparte gab.<br />

Langfristig werde der Weg zu einem<br />

emissionsfreien Stadtbus mit Bat-<br />

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Der neue Gasmotor M 936 G soll noch leiser und sauberer sein als die<br />

aktuellen Dieselmotoren nach Abgasstufe Euro 6.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 7/2<strong>01</strong>5


[ 82 ] FAHRZEUGE | Alternative Antriebe von Daimler Buses<br />

terie- oder Brennstoffzellenantrieb<br />

führen, so Tuschen. Für die Citaro-Baureihe<br />

rechnet Daimler mit<br />

einem Volumenanteil von 70 Prozent<br />

im Jahr 2030 im Vergleich zum<br />

Dieselbus.<br />

Und noch eine Aussage dürfte<br />

den Wettbewerb aufhorchen lassen:<br />

„Partiell emissionsfreie Antriebe,<br />

also alle Arten von Hybridantrieben,<br />

werden in der künftigen<br />

Modellpalette von Daimler Buses<br />

keine Rolle spielen“, sagt Tuschen.<br />

Der Aufwand dafür sei unverhältnismäßig<br />

hoch, vor allem aber genüge<br />

nur partiell emissionsfreies<br />

Fahren nicht dem Anspruch moderner<br />

Stadtbus-Mobilitätslösungen.<br />

Deshalb werde man diesen Weg<br />

künftig nicht mehr beschreiten.<br />

Der klassische Verbrennungsmotor<br />

nach Euro 6 im Citaro erreicht<br />

laut Daimler ein so hohes Niveau,<br />

dass Aufwand und Ergebnis komplexer<br />

Hybridsysteme nicht mehr<br />

zusammenpassen. Für Daimler<br />

Buses heißt die Devise deshalb:<br />

nicht teilweise, sondern komplett<br />

emissionsfrei.<br />

Für den Busmarkt in Europa sieht<br />

Tuschen schon in einigen Jahrzehnten<br />

– im Gegensatz zu den Schwellenländern<br />

– in den Städten fast<br />

ausnahmslos Batterie- und Brennstoffzellen-Busse.<br />

Geht es um emissionsfreie<br />

Busse, steht für den Entwicklungschef<br />

aber nicht nur der<br />

Antrieb an sich im Vordergrund.<br />

Wichtig sei auch die Abstimmung<br />

des Fahrzeugs auf die Bedürfnisse<br />

der Kunden. Elektrobusse<br />

„Die modular aufgebaute E-Plattform ermöglicht<br />

emissionsfreies Fahren zu vertretbaren Kosten“<br />

seien kein Produkt von der Stange,<br />

selbst wenn Daimler sie bald in<br />

Serie baue.<br />

Man müsse jedes Fahrzeug genau<br />

abstimmen, beispielsweise auf<br />

den jeweiligen Einsatzort und das<br />

Streckenprofil. Auch die Anzahl der<br />

Haltestellen auf den Linien sei ein<br />

entscheidender Faktor, schließlich<br />

sollte die Batterie so lange halten,<br />

wie der jeweilige Stadtlinienibus im<br />

Einsatz ist.<br />

Der Energiebedarf eines Elektrobusses<br />

muss für den Hersteller<br />

und den Verkehrsbetrieb vorhersehbar<br />

sein, auch weil es zusätzlich<br />

zum Fahrbetrieb weitere Verbraucher<br />

an Bord gibt: „Mit aktiver<br />

Heizung oder Klimaanlage kann<br />

sich die Reichweite eines Elektrobusses<br />

schnell mal halbieren“, erklärt<br />

Gustav Tuschen. Deshalb habe<br />

Daimler auch das Thermomanagement<br />

in die Planungen einbezogen.<br />

Elek trobusse seien heute noch nicht<br />

wirtschaftlich darstellbar – noch<br />

nicht, betont Tuschen.<br />

Passend zum 125-jährigen Geburtstag<br />

des Omnibusses von Carl Benz<br />

werden die ersten, reinen Elektrobusse<br />

mit Stern in fünf Jahren auf<br />

der Straße fahren. Nicht als Versuchsträger,<br />

sondern dann schon<br />

als Serienfahrzeuge, ist sich Daimler-Entwicklungsleiter<br />

Gustav<br />

Tuschen sicher. <br />

◼<br />

Brenstoffzellen- und Elektroantriebe kommen noch in diesem Jahrzehnt<br />

Interview: Daimler-Entwicklungschef Gustav Tuschen über die Zukunft der Omnibus-Antriebe.<br />

Seit 2<strong>01</strong>3 verantwortet Gustav Tuschen die<br />

Entwicklung der Bussparte von Daimler.<br />

Das Gespräch führte Rüdiger Schreiber.<br />

?: Mit Blick auf die wachsende Elektromobilität in<br />

Ballungszentren wird der Citaro E-Cell mit Spannung<br />

erwartet. Wann schicken Sie den ersten Testbus<br />

oder Prototypen auf die Straße?<br />

Tuschen: Die Phase der Technologie-Erprobung<br />

haben wir mit Auslauf der dritten Genera tion<br />

des Citaro F-Cell abgeschlossen. Nun geht es<br />

darum, die Erkenntnisse, die wir mit diesen<br />

Fahrzeugen sowie den Vorgänger-Generationen<br />

gewinnen konnten, in die Serien-Entwicklung<br />

einfließen zu lassen. Es steht nun<br />

vor allem die Wirtschaftlichkeit der Fahrzeuge<br />

im Vordergrund. Über den genauen Zeitpunkt<br />

der Serieneinführung werden wir rechtzeitig<br />

informieren. Wir rechnen mit den ersten<br />

Fahrzeugen zum Ende dieses Jahrzehnts.<br />

?: Welche Technologiesprünge müssen noch<br />

stattfinden?<br />

Tuschen: Heute ist der technologische und wirtschaftliche<br />

Reifegrad eines elektrischen Antriebs<br />

noch nicht ausreichend, um den Dieselantrieb<br />

im Stadtbus zu ersetzen. Reichweite,<br />

Fahrgastkapazität und Kosten erreichen noch<br />

nicht das Niveau von Omnibussen mit Dieselantrieb.<br />

Eine weitere Herausforderung ist<br />

die energieaufwendige Klimatisierung im<br />

Fahrzeug. Hier bedarf es eines intelligenten<br />

Energie-Managements, um den Betreibern zukünftig<br />

Fahrzeuge zur Verfügung stellen zu<br />

können, die keine grundlegende Neustrukturierung<br />

innerbetrieblicher Abläufe erfordert.<br />

Die Antriebsstrategie für die Stadtbusse von<br />

morgen von Daimler Buses steht damit auf drei<br />

Säulen: kontinuierliche Weiterentwicklung des<br />

konventionellen Antriebsstrangs mit Dieselmotoren<br />

und des kürzlich vorgestellten Gasmotors<br />

M 936G, Entwicklung des Citaro E-Cell<br />

mit rein elektrischem Antrieb und Citaro F-Cell<br />

als Brennstoffzellen-Hybridbus.<br />

?: Und wann ist der Citaro E-Cell dann reif für den<br />

täglichen Einsatz im Linienverkehr?<br />

Taschen: Noch in diesem Jahrzehnt werden<br />

wir den Mercedes-Benz Citaro E-Cell in Serie<br />

anbieten können.<br />

?: Beim Citaro E-Cell setzen Sie – anders als der<br />

Wettbewerb – auf konduktives Laden. Warum?<br />

Tuschen: Die derzeit in Entwicklung befindlichen<br />

induktiven Ladesysteme sind von ihrer<br />

Leistung her noch nicht auf einem Niveau angekommen,<br />

das ausreichend ist, um damit die<br />

Batterien eines E-Cell-Busses, beispielsweise<br />

während des Haltens in einer Haltestelle, in<br />

kurzer Zeit ausreichend aufladen zu können.<br />

Die Übertragung derart großer Energiemengen<br />

in kurzer Zeit kann nach unserer Erkenntnis<br />

derzeit nur durch konduktive Ladesysteme<br />

sichergestellt werden. Wir erwarten auch<br />

in naher Zukunft noch nicht den benötigten<br />

Durchbruch bei induktiven Ladeverfahren.<br />

Sollte die Technologie in Zukunft auf einem<br />

Niveau angekommen sein, das sie für die Anwendung<br />

im Omnibus nutzbar macht, werden<br />

wir diese aufgrund der modularen Bauweise<br />

der Citaro-E-Mobility-Plattform auch in unsere<br />

Fahrzeuge integrieren und unseren Kunden<br />

anbieten können.<br />

?: Wird der Citaro E-Cell ein eigenes Design erhalten?<br />

Tuschen: Lassen Sie sich überraschen ...


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[ 84 ] FAHRZEUGE | Scania Van Hool Astromega TDX27<br />

TRAUM-HOCHZEIT<br />

Fahrbericht: Nach der Trennung von Irizar geht Scania mit der belgischen Manufaktur Van Hool<br />

neue Wege und hat sich dabei mit dem Astromega TDX27 viel vorgenommen.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER | FOTOS: JACEK BILSKI<br />

Manchmal ist es gar nicht so einfach, dem<br />

Kind einen Namen zu geben – wenn<br />

man denn bei diesem 20-Tonnen-Wonneproppen<br />

noch von Kind sprechen kann. Ist<br />

es nur ein Scania Astromega, ein Van Hool<br />

Astromega oder gar ein Scania Van Hool<br />

Astromega? Letzteres ist die hochoffizielle<br />

Schreibweise, wie Scania Deutschland erklärt.<br />

Auch wenn das Unternehmen in Anlehnung<br />

an die Volkswagen-Werbung gerne den Slogan<br />

„Der Omnibus“ nutzt, als Komplettbusbauer aus<br />

eigener Berufung tun sich die Schweden bisher<br />

kaum hervor.<br />

Sie konzentrieren sich lieber auf das profitablere<br />

Lkw-Geschäft, leiten daraus die entsprechende<br />

Triebwerkstechnik ab und arbeiten<br />

ansonsten mit Busbauern zusammen, die<br />

sich bestens auf ihr Handwerk verstehen: sei<br />

es der finnische Familienbetrieb Lahden mit<br />

den OmniExpress-Modellen, der chinesische<br />

Busbauer Higer, mit dem die Schweden den<br />

Touring fertigen und als erster europäischer Hersteller<br />

chinesische Produkte verkaufen. Von 1998<br />

bis 2<strong>01</strong>2 gehörte dazu auch der baskische Hersteller<br />

Irizar, dessen Reisebusse so etwas wie ein<br />

Scania-Aushängeschild in Europa waren, wenn<br />

auch die Qualität der Fahrzeuge nicht immer<br />

ganz überzeugte.<br />

Nun ist Scania stufenweise in VW-Besitz übergegangen,<br />

ähnlich wie der Münchener Komplettbusbauer<br />

MAN mit seiner Premium marke<br />

Neoplan. Da sollte man meinen, dass sich hier<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 7/2<strong>01</strong>5


legen<br />

die Koblenzer<br />

vorerst<br />

den Fokus bewusst auf<br />

den Doppeldecker, dem man im<br />

Fernliniensegment das größte Potenzial beimisst.<br />

Den Markt von 200 bis 300 Omnibussen<br />

im Jahr greift derzeit die Marke Setra mit dem<br />

DT 431 aus der Baureihe Top-Class fast allein ab,<br />

nachdem die Produktion des Neoplan Skyliner<br />

mehrfach ins Stocken geriet. So werden im Jahr<br />

2<strong>01</strong>5 Busse aus Ankara nur in kleinen Stückzahlen<br />

auf die Straße rollen.<br />

Zeit genug für die Neu-Ulmer, sich für die<br />

Ablösung des schon angejahrten Vertreters der<br />

400er-Baureihe zu entscheiden. Und auch VDL<br />

steht mit einem neuen Synergy in den Startlöchern,<br />

er soll in Kortrijk gezeigt werden –<br />

wahrscheinlich also noch vor dem Setra. Der<br />

einstmals als sterbendes Segment geltende<br />

Doppeldeckermarkt erlebt also gerade eine ungeahnte<br />

Dynamik durch die Freigabe der Fernlinien<br />

vor zwei Jahren.<br />

Zurück zum Astromega der 2<strong>01</strong>1 vorgestellten<br />

TDX-Generation. Die Kombination aus bewährter<br />

Scania-Antriebstechnik und hochwertigem<br />

Van Hool-Aufbau muss jeden Buskenner<br />

reizen. Scania bietet vorerst ganz bewusst nur<br />

die längere Variante des „Stockbusses“ an, die<br />

auf 14,10 Meter Länge maximal 89 Fahrgäste unterbringen<br />

kann. In unserem Fahrzeug sind es<br />

in komfortablerer Vier-Sterne-Konfiguration immerhin<br />

noch 78 Plätze.<br />

Das Kofferraumvolumen hält mit dieser Kapazität<br />

nicht ganz mit: 7,2 Kubikmeter sind<br />

hier nur Mittelklasse, der Setra bietet über acht,<br />

der Neoplan sogar rund zehn Kubikmeter. Bei<br />

einem Leergewicht des Fahrzeuges von rund<br />

20 Tonnen ergibt das pro Fahrgast etwas mehr<br />

als 81 Kilo Nutzlast, inklusive Gepäck. Doppeldecker-Besitzer<br />

kennen das leidige Thema.<br />

Typisch Van Hool ist das Design: Kantig streng<br />

wirkt das Heck, eher rundlich und gewinnend<br />

geben sich Seitenansicht und Frontpartie. Die<br />

alumiuniumglänzende Dekorleiste, die sich um<br />

den gesamten Wagen zieht, erinnert ein wenig<br />

an die Formensprache von Setra, verleiht dem<br />

Wagen Eigenständigkeit und zurückhaltende<br />

Noblesse. Scheinwerfer mit LED-Tagfahrlicht<br />

und serienmäßigen Xenon-Lampen sorgen für<br />

zeitgemäße Frontbeleuchtung.<br />

Eher untypisch für Deutschland ist die vordere<br />

Treppe auf der rechten Seite eingebaut. Sie<br />

wird nur so angeboten. Ihr ist jedoch der große<br />

Sitzabstand hinter dem Fahrer zu verdanken.<br />

milliardenschwere Synergien heben ließen in<br />

einer fein abgestimmten Kooperation nach Produktsegmenten.<br />

Dem ist aber (noch) nicht so: In Södertälje<br />

suchten sich die Strategen lieber einen fremden<br />

Partner, um eine neue Reisebus-Kooperation<br />

aufzubauen. Und da ist Van Hool beileibe kein<br />

schlechter Kandidat. Mit seinen handwerklichen<br />

Qualitäten und dem extrem breiten Modellangebot<br />

ist Van Hool einer der letzten Busbauer<br />

in alter europäischer Tradition, der es geschafft<br />

hat, ohne einen finanzkräftigen Konzern im Hintergrund<br />

zu überleben. Zusammen könnten die<br />

beiden Unternehmen zu einem ernstzunehmenden<br />

Player im Premiumsegment werden – so das<br />

durchaus stimmige Kalkül.<br />

Zwar bietet Scania in Deutschland ähnlich<br />

wie in anderen europäischen Märkten bisher nur<br />

vier verschiedene Van Hool-Dreiachsmodelle an<br />

(siehe Interview S. 59), aber in der Vermarktung<br />

1 Mit zwei Spiralfedern wird der Bock-<br />

Klimakompressor vor Vibrationen aus dem<br />

Fahrzeug geschützt – und umgekehrt.<br />

2 Mit 2.550 Newtonmetern ist der 12,7 Liter<br />

große Scania-Motor derzeit der drehmomentstärkste<br />

Serien-Busmotor.<br />

2<br />

1<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 7/2<strong>01</strong>5


[ 86 ] FAHRZEUGE | Scania Van Hool Astromega TDX27<br />

Astromega TDX27<br />

MOTOR<br />

Stehend eingebauter Reihensechszylinder Scania DC13<br />

125 mit variabler Turbinengeometrie und Scania XPI-<br />

Common-Rail-Hochdruckeinspritzung. Abgasreinigung<br />

SCR mit Harnstoffeinspritzung und Abgasrückführung<br />

sowie wartungsarmem Partikelfilter, Euro 6<br />

Hubraum<br />

12.700 cm³<br />

Leistung<br />

363 kW (490 PS) bei 1.900/min<br />

Drehmoment 2.550 Nm bei1.000–1.300/min<br />

KRAFTÜBERTRAGUNG<br />

Automatisiertes 12-Gang-Overdrive-Getriebe Opticruise<br />

GRSO 895 R mit automatischem Kupplungssystem und<br />

GPS-basierter Scania Active Prediction inkl. Eco-Roll.<br />

Übersetzungen 1. Gang: 9,13, 12. Gang: 0,80;<br />

Rückwärtsgang 1: 8,88; Rückwärtsgang 2: 7,12<br />

FAHRWERK/BREMSEN/LENKUNG<br />

Vorne Einzelradaufhängung AMI 700, max. Achslast 7,5 t,<br />

52 Grad Einschlagwinkel; Hypoid-Antriebsachse ADA<br />

1300, max. Achslast 11,5 t, i = 3,07; starre Nachlaufachse<br />

(aktiv gelenkt) ARA 860, max. Achslast 7,5 t.<br />

Innenbelüftete Scheibenbremsen rundum mit<br />

Bremsassistent, ABS/TC/ASR; Hydro-Lenkung ZF 8098<br />

mit Übersetzung 22,2–26,1 : 1<br />

Ungünstig positioniert ist dagegen der Sitz für<br />

den Begleiter. Er muss jedesmal aufstehen, wenn<br />

Fahrgäste aus dem Oberdeck des Astromega die<br />

Toilette aufsuchen.<br />

Zudem ist der Sitz recht tief hinter dem nach<br />

rechts etwas abfallenden Cockpit angeordnet.<br />

Praktisch sind hingegen die Media-Anschlüsse<br />

und die Laptop-Ablage direkt vor dem Begleitersitz.<br />

Ebenfalls eine Spezialität von Van Hool: die<br />

Küche über der Vorderachse. Allzu groß sollten<br />

Koch oder Köchin aber nicht sein – die ansonsten<br />

ansehnliche Stehhöhe von 1,81 Metern im<br />

Unterdeck schrumpft hier auf 1,76 Meter. Dafür<br />

werden es die Fahrgäste schätzen, dass sich<br />

die Küche nicht wie bei anderen Doppeldeckern<br />

direkt neben der Toilette befindet.<br />

Der besondere Reiz des Doppeldeckers in<br />

Deutschland besteht neben der hohen Kapazität<br />

auch darin, dass ohne viel Aufhebens und<br />

hohe Investitionen Rollstühle an Bord gebracht<br />

werden können: Vor der auf 1.100 Millimeter<br />

verbreiterten hinteren Tür lassen sich zwei Podestsegmente<br />

samt der Stuhlreihen herausnehmen<br />

und mit zwei Rollstühlen belegen – bei allen<br />

ungeklärten, rechtlichen Fragen. Die Faltrampe<br />

ist im Kofferraum so untergebracht, dass sie dort<br />

nicht das Beladen stört.<br />

Leider ist die hintere Sitzreihe an der Tür nicht<br />

klappbar, so behindert sie den freien Einstieg<br />

und verdeckt teilweise die Power-LED im Einstiegsbereich.<br />

Dafür blendet ein weiterer LED-<br />

Strahler den Fahrgast auf dem Weg in den Bus.<br />

3<br />

1<br />

Zwischen den sieben Stufen à 26 Zentimeter<br />

im Aufstieg findet sich hinter einer Klappe ein<br />

geschweißter, metallener Müllbehälter. Hier verbreitet<br />

der Astromega das Flair von Handarbeit<br />

bei Kleinauflagen.<br />

Im Treppenbereich ist der Boden um fünf<br />

Zentimeter abgesenkt, aber auch die sonst anliegenden<br />

1,68 Meter im Oberdeck können sich<br />

sehen lassen für einen Doppeldecker. Die drei<br />

Glasdächer sind für einen stolzen Nettopreis von<br />

rund 18.000 Euro gegen eine Vollverglasung des<br />

Daches zu tauschen. Der über die gesamte lichte<br />

Breite reichende Tisch vor der ersten Reihe, dem<br />

begehrtesten Platz im Bus, zeigt wieder eher ein<br />

an etwas gröbere Handarbeit erinnerndes Finish.<br />

Ein für den Fahrgast nicht unwesentliches<br />

Komfortmerkmal sind die Sitze. Van Hool ist<br />

neben Setra einer der wenigen Hersteller, die<br />

eigenes Gestühl produzieren. Im Astromega<br />

tragen sie die Bezeichnung Grande Luxe TX.<br />

Mit tiefem Sitzkissen, ohne fixierende Körperkonturen<br />

und „französischer“ Weichheit sind<br />

sie auf langen Strecken nicht allzu komfortabel.<br />

Kunden sollten unbedingt Kiel-Sitze als Alternative<br />

in die engere Wahl ziehen.<br />

1 Der Kofferraum ist<br />

nicht rekordverdächtig<br />

üppig, aber dafür<br />

fein ausgekleidet.<br />

2 Direkt oberhalb der<br />

Treppe ist die Rollstuhlrampe<br />

fixiert.<br />

3 Das Heck des belgischen<br />

Doppeldeckers<br />

ist streng gezeichnet<br />

und lässt es nicht an<br />

Imposanz mangeln.<br />

2<br />

SICHERHEIT/ELEKTRONIK<br />

Elektr. Bremssystem EBS5, el. Anfahrhilfe, ESP, Bi-Xenon-<br />

Scheinwerfer und LED-Tagfahrlicht, Notbremsassistent,<br />

geregelter Abstandstempomat, Spurhalteassistent,<br />

Quadbox mit drei Kameras (360 Grad geplant)<br />

ABMESSUNGEN UND GEWICHTE<br />

Länge/Breite/Höhe 14.100/2.550/4.000 mm<br />

Radstand<br />

6.900/1.500 mm<br />

Wendekreis<br />

23.800 mm<br />

Überhang vorn/hinten 2.700/3.000 mm<br />

Innenstehhöhe unten/oben 1.810/1.685 mm<br />

Kofferraumvolumen 7,2 m 3<br />

Tankvolumen Diesel/Adblue 720/80 l<br />

Leer-/Zul. Gesamtgewicht 19.820/26.500 kg<br />

SITZ-/STEHPLÄTZE<br />

Fahrgastplätze Testwagen 78+1+1 (4*), Rollst.-Vorb.<br />

PREIS<br />

Grundpreis/Testwagenpreis 437.000/461.000 Euro<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 7/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Scania Van Hool Astromega TDX27 [ 87 ]<br />

1<br />

Doch was bietet die Scania-Technik im Raumwunder<br />

aus Belgien? Da wären zunächst Fahrwerk<br />

und Motor: beides vom Feinsten, was der<br />

Markt zur Zeit hergibt. Der verbaute Scania-<br />

Sechszylinder mit knapp 13 Liter Hubraum und<br />

der Common-Rail-Einspritzung namens XPI, die<br />

bis zu 2.400 bar Druck auf die Leitung bringt,<br />

leistet 490 PS bei einem Drehmoment von stolzen<br />

2.550 Newtonmetern. Mehr Drehmoment<br />

bietet momentan kein anderer Bus.<br />

Auch wenn die Testfahrt im hessischen Flachland<br />

ohne Beladung relativ anspruchslos war –<br />

die Performance dieses Motors ist einfach famos,<br />

ebenso wie seine Zurückhaltung in Sachen<br />

Geräusche. Souveränes, sattes Anziehen von unten<br />

heraus mit kräftigem Schub – zu dieser bulligen<br />

Charakteristik passt hervorragend das<br />

fein gestufte Zwölf-Gang-Getriebe Opticruise<br />

(siehe auch Kasten Seite 60). Zudem lässt sich<br />

der Wagen im Rangiermodus quasi Zentimeter<br />

um Zentimeter bugsieren. Ein kleines Manko<br />

ist der spürbar gestufte Retardereinsatz beim<br />

Her unterschalten.<br />

Dann wäre da das Fahrwerk, im Doppeldecker<br />

immer eine besondere Herausforderung, was<br />

2<br />

1 Die Platzverhältnisse<br />

im Unterdeck sind o.k.,<br />

die Sitze zu weich.<br />

2 In der oberen Beletage<br />

gibt es zwar einen<br />

Holztisch, aber keinen<br />

Drei-Punkt-Gurt.<br />

3 Moderne Servicesets<br />

bieten schaltbare<br />

Lautsprecher mit<br />

farblich wechselbarem<br />

LED-Ring.<br />

Komfort, Bauraum und Geräuschentwicklung<br />

betrifft. In allen drei Disziplinen verdient<br />

sich das Scania-Chassis „K 490 EB6x2*4LI“<br />

Bestnoten. Bei der Nachlaufachse handelt es sich<br />

um eine Starrachse, die bis zu einem Einschlagwinkel<br />

von 17 Grad aktiv gelenkt ist.<br />

Der Wendekreis fällt mit knapp 24 Metern<br />

jedoch recht üppig aus. Eine sehr gute<br />

Vorstellung gab die Vorderachse. Sie bekommt<br />

deshalb die Auszeichnung „polterfrei“.<br />

Zu keinem Zeitpunkt hat man den<br />

Eindruck, die Achse sei mit dem Gewicht des<br />

Kolosses überfordert.<br />

Gesteuert wird das Technikensemble aus einem<br />

praktischen und ergonomischen Cockpit. Der<br />

Raumeindruck ist für einen Doppeldecker angenehm.<br />

Die Übersichtlichkeit ist gut, sie wird<br />

noch durch die Spiegel von Van Hool verbessert,<br />

wenn man sich an sie gewöhnt hat. Einstellen<br />

lassen sich die großen Spiegel mittels<br />

eines praktischen Dreh-Drück-Stellers links neben<br />

dem Fahrerfenster, mit dem BMW-Fahrer<br />

schnell vertraut sein dürften.<br />

Bei den übersichtlichen Instrumenten handelt<br />

es sich um die höchste, vierfarbige Aus-<br />

3<br />

Echte Premiumfahrzeuge<br />

aus einer Hand<br />

?: Was versprechen<br />

Sie sich im Privatkundengeschäft<br />

von<br />

der Kooperation mit<br />

Van Hool?<br />

Ludwigkeit: Wir<br />

möchten durch<br />

die Kooperation<br />

mit Van Hool das<br />

Reisebus-Premiumsegment<br />

besetzen<br />

und Van<br />

Hool deckt hier<br />

alle Segmente in<br />

der Oberklasse ab.<br />

Insbesondere mit<br />

Jens Ludwigkeit,<br />

Verkaufsleiter<br />

Busse Privatkundengeschäft<br />

Scania<br />

Deutschland<br />

dem Scania Van Hool Astromega versprechen<br />

wir uns zunehmende Marktanteile<br />

im boomenden Markt der Fernlinien busse.<br />

Gerade auf den Acron als hochwertiges<br />

Produkt im Segment Standardreisebus<br />

setzen wir große Hoffnungen.<br />

?: Wie genau sieht die Kooperation für den<br />

Kunden aus?<br />

Ludwigkeit: Scania Van Hool Astromega,<br />

Acron, Altano und Astronef sind Scania-Fahrzeuge,<br />

die über den Scania-Vertrieb<br />

verkauft, ausgeliefert und dann vom<br />

Scania-Servicenetz betreut werden. Der<br />

Kunde bekommt also Premiumfahrzeuge<br />

mit bewährter Scania-Technologie komplett<br />

aus einer Hand, und das bis hin zur<br />

Ersatzteilversorgung.<br />

?: Was zeichnet für Sie Van Hool als<br />

Omnibushersteller aus?<br />

Ludwigkeit: Van Hool ist eine Busmanufaktur,<br />

die hohe Flexibilität mit hoher Langzeitqualität<br />

verbindet. Die Wünsche des<br />

Kunden lassen sich so weitgehend verwirklichen<br />

– das verstehen wir unter<br />

einem echten Premiumprodukt. Also ein<br />

hoch interessantes Angebot für den Markt,<br />

das unsere andere beiden Busbaureihen<br />

optimal ergänzt.<br />

?: Wie stellt sich derzeit Ihre Marktposition<br />

dar und wo wollen Sie hin?<br />

Ludwigkeit: Unser Ziel ist es, bis 2020 zehn<br />

Prozent Marktanteil in Deutschland über<br />

alle Segmente hinweg zu erreichen, derzeit<br />

beträgt er 7,4 Prozent. Wir stellen momentan<br />

alle Weichen im Unternehmen vom<br />

Vertrieb über Aftersales und angrenzende<br />

Bereiche, um dieses sicher ehrgeizige<br />

Ziel zu erreichen. Dabei ist die neue Kooperation<br />

natürlich ein wichtiger Baustein.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 7/2<strong>01</strong>5


[ 88 ] FAHRZEUGE | Scania Van Hool Astromega TDX27<br />

Leinen-<br />

Zwang<br />

1<br />

1 Im aufgeräumten Cockpit finden sich die<br />

Top-Instrumente aus dem Lkw sowie ein<br />

Zusatzmonitor für die Busfunktionen.<br />

2 Sehr praktisch ist der Mediahub mit Laptop-<br />

Ablage direkt vor dem Begleitersitz.<br />

3 Der Begleiter sitzt nicht nur recht tief,<br />

sondern versperrt auch öfter den Weg.<br />

stattungsversion aus den Lkw von Scania. Sie<br />

sind gut ablesbar und geben alle wichtigen Triebstranginfos<br />

weiter. Viele Einstellungen lassen sich<br />

über das handliche Multifunktionslenkrad steuern.<br />

Einige Schalter am unteren Rand des Volants<br />

sind aber nicht ganz optimal positioniert.<br />

3<br />

2<br />

Ein wesentlicher Kritikpunkt ist jedoch die Arbeitsweise<br />

des Spurassistenten, dessen haptische<br />

Vibration im Fahrersitz eher zu erahnen als<br />

zu spüren ist. Laut Scania lag keine Fehlfunktion<br />

in dem Assistenzsystem vor. Hier sollte der<br />

Hersteller nachlegen und bald auf den neuen<br />

Fahrersitz NTS 2 von Isringhausen umrüsten.<br />

Seine Vibratoren arbeiten so gut, wie es selten<br />

der Fall ist.<br />

Dafür sind die restlichen Sicherheitssysteme<br />

hervorragend abgestimmt. Sowohl der Abstandsregeltempomat<br />

als auch der neue Notbremsassistent<br />

sind so fein justiert, dass ihre<br />

Unterstützung kaum auffällt – außer es gibt<br />

einen Anlass dafür. So erfolgte vor einer blockierten<br />

Fahrspur sehr frühzeitig eine Kollisionswarnung,<br />

die wie im Lehrbuch ablief.<br />

So muss es sein – denn nur so baut der Fahrer<br />

Ver trauen zu den Systemen auf und nutzt sie<br />

auch entsprechend.<br />

Fazit der Testfahrt: Wenn es der Volkswagen-<br />

Konzern in seiner noch zu definierenden Busstrategie<br />

auch so sieht, dann könnte dieser<br />

Doppeldecker in einem boomenden Segment<br />

durchaus ein Wörtchen mitreden. Doch werden<br />

sich über diese Traum-Hochzeit im Doppeldeckerhimmel<br />

sicher noch viele Strategen in<br />

Södertälje und München Gedanken machen.◼<br />

Moderne Busse<br />

müssen heute<br />

effizient sein, und<br />

das mit immer<br />

ausgeklügelterer<br />

Technik. Bei unserer<br />

unbeladenen<br />

Testfahrt sind 30,2<br />

Liter sicher kein<br />

schlechter Wert<br />

Thorsten Wagner,<br />

Testredakteur<br />

für einen Doppeldecker. Automatikgetriebe<br />

arbeiten heute bereits so perfekt, dass<br />

Scania schon ab Tempo 50 auf die Möglichkeit<br />

eines aktiven Eingriffs durch den Fahrer<br />

verzichtet. Die Schweden waren zudem<br />

mit Daimler der erste Hersteller, der eine<br />

GPS-basierte Getriebesteuerung anbieten<br />

konnte. Basierend auf topografischen Daten<br />

des Geländes reduziert „Scania Active<br />

Prediction“ den Verbrauch um ein paar<br />

weitere Prozente (siehe auch Heft 5/2<strong>01</strong>4).<br />

Wie Daimler bietet Scania mit Opticruise<br />

auch bereits „Eco-Roll“ an, eine Funktion, die<br />

beim „Segeln“ in der Ebene ohne Schubbedarf<br />

das Getriebe in Neutralstellung bringt,<br />

um Sprit zu sparen. Die Kunst besteht darin,<br />

dem System genug „Leine zu lassen“, um<br />

die sogenannte „Hysterese“ – die Abweichung<br />

zur vorgegebenen Setzgeschwindigkeit<br />

des Tempomaten – nach oben und<br />

unten optimal zu nutzen. Scania gibt diese<br />

Spanne ab Werk vor. Dabei ist die Eco-Roll-<br />

Funktion direkt an das Aktivieren des Eco-<br />

Modus des Getriebes gekoppelt, ebenso wie<br />

an die Höchstgeschwindigkeit von 95 km/h.<br />

Das ermöglicht es der Getriebesteuerung,<br />

eine obere Hysterese bis zu 104 km/h voll<br />

auszunutzen, wenn es bergab geht. Nach<br />

unten ist die Hysterese kleiner: Bei 90 km/h<br />

machen Lkw dem Bus dann doch große<br />

Probleme. Trotzdem ist es eine mutige<br />

Entscheidung von Scania, werkseitig die<br />

Höchstgeschwindigkeit zu limitieren, um<br />

eine hohe Effizienz zu realisieren. Die<br />

beiden Alternativen sind klar: entweder das<br />

Limit in der Werkstatt umprogrammieren<br />

oder die 100-km/h-Begrenzung für Busse<br />

lockern. Dafür plädierte <strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong><br />

schon vor einem Jahr.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 7/2<strong>01</strong>5


VIP CLASS<br />

KOMFORT HOCH ZWEI.<br />

Der Skyliner eröffnet mit seinen außergewöhnlichen Highlights eine einzigartige<br />

Dimension der luxuriösen VIP-Reise auf zwei Ebenen. Er verschiebt die Messlatte<br />

fü r Erlebnis, Komfort und Sicherheit erneut ganz weit nach oben. Seine<br />

außergewöhnliche Kapazität macht ihn umweltfreundlich und wirtschaftlich.<br />

Somit bietet sich der Skyliner geradezu fü r den Fernlinieneinsatz an.<br />

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[ 90 ] FAHRZEUGE | Fleet-Board von Daimler für Busse<br />

BITS UND BYTES IM BUS<br />

Telematik: Vor drei Jahren integrierte Daimler Telematikplattformen für Bus und Lkw im<br />

Fleet-Board-System. Wir haben uns angesehen, welche Vorteile das im Einsatz bringt.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER<br />

FOTOS: THORSTEN WAGNER, DAIMLER<br />

André Boos und Thorsten Pachonik nehmen<br />

ihr Glück gerne selbst in die Hand,<br />

zumal wenn es um ihre Omnibusse geht.<br />

Zusammen mit rund 100 Mitarbeitern betreiben<br />

sie als Geschäftsführer und Werkstattmeister den<br />

mittelständischen, im Jahr 1913 gegründeten<br />

Wasser- und Verkehrsversorger „Bad Wildunger<br />

Kraftwagenverkehrs- und Wasserversorgungsgesellschaft<br />

mbH“, kurz BKW, in der nordhessischen<br />

Kurstadt Bad Wildungen.<br />

Als Boos im Jahr 2<strong>01</strong>1 die kaufmännische Geschäftsführung<br />

des Unternehmens mit hundertjähriger<br />

Geschichte übernahm, stellte er schnell die<br />

Weichen für eine Modernisierung von Flotte und<br />

Technik. „Wir haben massiv in unseren Fuhrpark<br />

investiert und auch die Vorgaben weitgehend<br />

angepasst, beispielsweise das Maximalalter<br />

der Busse. Da wir nicht mehr eigenwirtschaftlich<br />

arbeiten, sondern für den Aufgabenträger<br />

Verkehre zur Verfügung stellen, werden alle<br />

Ausschreibungen auch von einem Dritten ausgewertet.<br />

Das bedingt ganz andere Dokumentations-<br />

und Nachweispflichten“, erläutert der<br />

studierte Diplom-Betriebswirt, der vorher in der<br />

Gesundheitsbranche tätig war. Das Unternehmen,<br />

das im Jahr jeweils eine Million Kilometer<br />

im Stadt- und Überlandverkehr und mit Anrufsammeltaxis<br />

sowie rund 350.000 Kilometer<br />

im Reiseverkehr leistet, hat seitdem einige neue<br />

Linienbündel gewonnen und betreibt daher<br />

auch verschiedene Betriebshöfe.<br />

Diese Ausdehnung hat konkrete Folgen: „Um unter<br />

diesen Bedingungen wirtschaftlich arbeiten<br />

zu können, ist es wichtig, jederzeit zu wissen,<br />

wo die Busse sind und ob sie die vereinbarte<br />

Leistung auch erbringen, sonst sind empfindliche<br />

Malus-Zahlungen an den Aufgabenträger<br />

fällig“, so Boos.<br />

Fällt eine Linie ganz aus, können bis zu 1.000<br />

Euro Malus anfallen. Deswegen hat sich der<br />

technikaffine Geschäftsführer schnell mit seinem<br />

Werkstattmeister zusammengesetzt und ein<br />

Telematiksystem gesucht, mit dem „gerichtsfest“<br />

und zuverlässig nachgewiesen werden kann, wo<br />

die Fahrzeuge wann genau sind. „Das ist für<br />

uns der wichtigste Grund für den Einsatz des<br />

Systems.“<br />

Auf der IAA 2<strong>01</strong>2 haben sich Boos und Pachonik<br />

erstmals über Daimler Fleet-Board informiert<br />

und festgestellt, dass das System am besten zu<br />

ihrem Fuhrpark passt, auch weil es markenübergreifend<br />

genutzt werden kann. „Das System ist<br />

ausgeklügelt und passt. Wettbewerbersysteme<br />

sind zudem nicht wesentlich günstiger“, erläutert<br />

Thorsten Pachonik.<br />

Seit 2<strong>01</strong>3 hat das Unternehmen dann alle<br />

vefügbaren Dienste für den Bus in einer<br />

Testphase mit neun Bussen ausprobiert<br />

und erfolgreich abgeschlossen. „Die<br />

Der Fahrzeugrechner „TiiRec“ ist mittlerweile<br />

direkt an den CAN-Bus angeschlossen.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 7/2<strong>01</strong>5


Elektronik<br />

Mobile<br />

Kühlung<br />

Mobile<br />

Mobile<br />

Klim anlagen<br />

FAHRZEUGE | Fleet-Board von Daimler für Busse [ 91 ]<br />

Investition ist mit rund 1.200 Euro pro Fahrzeug<br />

für die Rechnereinheit und drei bis fünf Tagen<br />

Einbauzeit für einen Reisebus überschaubar, und<br />

auch die monatlichen Kosten halten sich in Grenzen,“<br />

erklärt Pachonik.<br />

Je nach Dienstauswahl sind dies zwischen<br />

19 und 77 Euro pro Fahrzeug und Monat.<br />

Weiterer Vorteil sei der „persönliche<br />

Zugang“ und der Service aus einer Hand, den<br />

das Daimler Fleet-Board-Team in Stuttgart-<br />

Vaihingen leistet.<br />

Diplom-Betriebswirt André Boos leitet seit 2<strong>01</strong>1 die BKW im nordhessischen Bad Wildungen.<br />

Für Kfz-Meister und Werkstattleiter Pachonik<br />

hat das Telematiksystem aber noch ganz andere<br />

Vorteile, die auch nach dem Geschmack<br />

seines Chefs sein dürften: „Das System bietet<br />

gerade für den Service eine immense Erleichterung.<br />

Man kann alle Termine pflegen und<br />

gezielt zusammenlegen, da spart man sich oft<br />

einen Tag Arbeit.“ Das ist allein deshalb schon<br />

sinnvoll, weil BKW sich mit 20.000 bis 30.000<br />

Kilometern extrem kurze Ölwechselintervalle<br />

für die Motoren auferlegt hat, die es akribisch<br />

zu überwachen gilt.<br />

„Ich mag es einfach, wenn man sein Glück<br />

selbst schmieden kann, auch was den Service<br />

angeht“, erläutert Pachonik. Und weiter: „Die<br />

Werkstatt erkennt plötzlich Dinge, die man vorher<br />

teilweise gar nicht wusste, dadurch wird die<br />

Arbeit um ein Vielfaches leichter.“ Die lückenlose<br />

Service-Historie sei zudem ein gutes Argument<br />

beim Wiederverkauf der Busse.<br />

Aktuelle Fehlermeldungen der Fahrzeuge<br />

werden in der „Cockpit“ genannten Benutzeroberfläche<br />

des Fleet-Board-Systems in einem<br />

eigenen Fenster angezeigt, die grundlegende<br />

Abfahrtskontrolle kann ebenfalls „virtuell“<br />

vollzogen werden. Von Vorteil ist es da natürlich,<br />

dass bei neuen Mercedes- und Setra-Bussen<br />

mit der aktuellen B2E-Elektronikarchitektur der<br />

„TiiRec“ genannte Fahrzeugrechner von Stoneridge<br />

direkt an den bordeigenen CAN-Bus angeschlossen<br />

wird. So kann ein Maximum an Daten<br />

genutzt werden, auch solche aus Triebstrang<br />

und Getriebe. Dazu gehören auch rund 40 „Tell-<br />

Tale“-Botschaften, die auch so im Fahrzeuginstrument<br />

angezeigt werden, wie zum Beispiel<br />

Kühlmitteltemperatur, Fehler bei Bremsen, Lenkung,<br />

Motor oder Getriebe, Tür- und Rampenstatus,<br />

Fahrgastmeldeanlage, ESP-Einsatz oder<br />

Verwendung der Feststellbremse.<br />

Natürlich können über die seit 2006 etablierte<br />

„Fleet-Management-System“-Schnittstelle (FMS)<br />

in der aktuellen Version 2.0 auch Busse anderer<br />

Marken angeschlossen werden, dann fließen<br />

aber nicht ganz so viele Daten durch die Kabel.<br />

So sichern sich die Hersteller einen gewissen<br />

Vorsprung der eigenen Systeme. Dies gilt insbesondere<br />

für die vorausschauende Wartung, die<br />

in Zukunft immer bedeutsamer werden wird.<br />

Um schon im Ansatz einen notwendigen Wartungsbedarf<br />

zu diagnostizieren, sollte der Betreiber<br />

darauf achten, so viele Daten wie möglich<br />

zu bekommen, um hier ganz vorne mit dabei<br />

zu sein.<br />

Ganz vorne mit dabei sein können auch<br />

die Fahrer mit dem System. „Wir haben Top-<br />

Fahrer und ‚Material-Fahrer‘“, drückt sich<br />

André Boos diplomatisch aus. „Bisher konnten<br />

wir die Verbräuche unserer Fahrzeuge kaum<br />

adäquat vergleichen, das geht jetzt viel leichter.<br />

Damit setzen wir nicht nur Massstäbe für die<br />

Fahrer, sondern auch für andere Unternehmen.“<br />

So lassen sich neben den absoluten und relativen<br />

Verbräuchen auch diverse Fahrstilanalysen bis<br />

hin zur Häufigkeit des Einsatzes von Betriebsbremse<br />

und Retarder vergleichen und fahrzeugsowie<br />

fahrerbezogen analysieren. Kein Wunder,<br />

dass BKW demnächst Fahrerschulung und Fleet-<br />

Board-Schulung gemeinsam durchführen will.<br />

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[ 92 ] FAHRZEUGE | Fleet-Board von Daimler für Busse<br />

BKW-Techniker Thorsten Pachonik hat seine 20 Busse mit Fleet-Board immer im Blick.<br />

Im Lkw-Bereich gibt es seit dem Jahr 2<strong>01</strong>4<br />

wieder die „Fleet-Board Driver‘s League“, in der<br />

Teams und Fahrer gegeneinander antreten und<br />

ihre Leistungen vergleichen. Ganz so weit ist<br />

es im Busbereich noch nicht, und das aus gutem<br />

Grund: „Wir müssen hier eng mit dem Betriebsrat<br />

des Unternehmens zusammenarbeiten,<br />

damit nicht in die Rechte der Mitarbeiter,<br />

also der Fahrer, eingegriffen wird“, erklärt Boos.<br />

Man sei aber auf gutem Weg zu einer Vereinbarung.<br />

Gerade in großen öffentlichen Verkehrsbetrieben<br />

mit starken Betriebsräten dürfte dieses<br />

Thema zukünftig noch einiges an Sprengstoff<br />

in sich bergen.<br />

Eine Neuerung der aktuellen Fleet-Board-<br />

Version 1.18.0i, die auf der IAA 2<strong>01</strong>4 vorgestellt<br />

wurde, macht das Thema Verbrauchskontrolle<br />

noch spannender: „Ab sofort können die Einsatzparameter<br />

der „Predictive Powertrain Control“<br />

(PPC) genannten Getriebesteuerung auch<br />

über Fleet-Board verfolgt und analysiert werden,<br />

um so die optimale Einstellung zu gewährleisten“,<br />

erläutert Oliver Präg, bei Daimler Fleet-<br />

Board für das Produktmanagement zuständig.<br />

Keine schlechte Idee, fehlt doch manchem Fahrer<br />

schlichtweg die Zeit, sich mit der Komplexität<br />

solcher Systeme in aller Tiefe auseinanderzusetzen.<br />

Außerdem werden alle Systembausteine<br />

noch besser in das Online-„Cockpit“ integriert,<br />

um die Benutzerführung so einfach wie möglich<br />

zu gestalten. Bisher gab es verschiedene<br />

„Internet-Clients“ für die Module, nunmehr<br />

nur noch einen.<br />

Wenn man sich die Systemoberfläche näher anschaut,<br />

ist sie denn auch weitgehend selbsterklärend<br />

und obendrein optisch attraktiv.<br />

Ein sinnvolles Feature beim „Mapping“-Mo-<br />

Telematik ist der Schlüssel zum Erfolg<br />

Im Gespräch: Mit Dietrich Müller, Geschäftsführer Daimler Fleet-Board GmbH. <br />

Das Gespräch führte Thorsten Wagner.<br />

Dipl.-Wirtschaftsingenieur Müller leitet seit<br />

April 2<strong>01</strong>4 die Daimler Fleetboard GmbH.<br />

?: Welche Vorteile hatte die Integration von Fleet­<br />

Board und wie hat sich der Dienst für den Busbereich<br />

seitdem vertrieblich entwickelt?<br />

Müller: Telematik gewinnt auch in der Busbranche<br />

kontinuierlich an Bedeutung. Das System<br />

schafft Transparenz über das gesamte Fahrer-,<br />

Fahrzeug- und Beförderungsmanagement.<br />

Einsparpotenziale wie beispielsweise bei<br />

Kraftstoff und Verschleiß lassen sich so leicht<br />

identifizieren. Speziell für die Busbranche zeigt<br />

Fleet-Board zusätzlich in der Nutzeroberfläche<br />

FleetBoard Cockpit verschiedene, busspezifische<br />

Fahrzeugsignale wie Türöffnungen und<br />

-schließungen an, mit genauer Angabe von<br />

Ort, Uhrzeit und Datum. Diese helfen dem Unternehmer,<br />

die Fahrgastzufriedenheit zu verbessern<br />

und bei Rückfragen seitens der Passagiere<br />

jederzeit auskunftsfähig zu sein. Diese<br />

Vorteile erkennen immer mehr Busflottenbetreiber<br />

und setzen zunehmend auf Fleet-<br />

Board, um ihr Geschäft wirtschaftlicher zu<br />

betreiben.<br />

?: Welches sind die neuesten technischen Anpassungen<br />

des Systems und wie ist die Kundenreaktion<br />

darauf?<br />

Müller: Damit unsere Kunden auch morgen<br />

noch erfolgreich sind, müssen wir ihre Bedürfnisse<br />

und Herausforderungen für ihr Geschäft<br />

kennen. Und ihnen genau die Lösungen<br />

anbieten, die sie brauchen. Ein Beispiel<br />

hierfür ist die neue Fleet-Board Driver-App.<br />

Die androidbasierte App ermöglicht den Busfahrern<br />

jetzt erstmals den direkten Zugriff<br />

auf die persönlichen Daten aus den Diensten<br />

Einsatzanalyse und Zeitwirtschaft. Weitere<br />

Neuerungen bei Fahrzeugen mit neuer B2E-<br />

Elektrikstruktur in Mercedes-Benz und Setra-<br />

Fahrzeugen sind Informationen zur Nutzung<br />

des Assistenzsystems Predictive Powertrain<br />

Control (PPC), Informationen zum Adblue-<br />

Verbrauch sowie zum Reifendruck. Zusätzlich<br />

werden jetzt auch Informationen aus dem<br />

Fehlerspeicher und aktive Fehler in unseren<br />

Fahrzeugmanagementdiensten übertragen, die<br />

dann behoben werden können.<br />

?: Was ist aus Ihrer Sicht der beste Hebel, um der<br />

Telematik auf breiter Front zum Durchbruch zu<br />

verhelfen?<br />

Müller: Allein die kontinuierlich steigenden<br />

Kraftstoffkosten sind ein wichtiger Grund,<br />

Fleet-Board einzusetzen, denn damit können<br />

Busunternehmen bares Geld sparen. In aller<br />

Munde ist heute ja auch das Thema Vernetzung.<br />

Connectivity ist für Fleet-Board keine<br />

Zukunftsmusik mehr, sondern Realität. Unser<br />

Telematiksystem stellt Informationen aus<br />

dem Fahrzeug seit jeher zur Verfügung und<br />

vernetzt diese. Das wird in Zukunft noch umfassender<br />

möglich werden. Telematik ist der<br />

Schlüssel zur Konnektivität.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 7/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Fleet-Board von Daimler für Busse [ 93 ]<br />

tan um diesen Dienst wegen seiner großen<br />

Bedeutung für das autonome Fahren und die<br />

Telematik. Zudem kommen wie bei Google<br />

Maps so genannte FCD (Floating Car<br />

Data) zum Einsatz, die sehr zeitnah und anschaulich<br />

den aktuellen Verkehrsfluss abbilden.<br />

Weitere Neuerungen des Service-Moduls<br />

sind die Übermittlung der Füllstände<br />

und Verbräuche von Adblue sowie der<br />

aktuellen Reifendrücke. Oliver Präg dazu:<br />

„Diese Erweiterungen der Dienste bringen<br />

bares Geld.“ Spannend für die Zukunft<br />

dürfte gerade im boomenden Fernlinienmarkt<br />

das „Dispo-Pilot“ genannte, mobile Endgerät<br />

werden, das im Lkw für die Logistikabwicklung<br />

bereits breit genutzt wird. So könnten direkt vor<br />

Ort Fernlinien-Kunden buchen, ihre Fahrkarten<br />

einscannen und vieles mehr. Das können zwar<br />

andere Systeme auch schon, sie bieten aber nicht<br />

die fahrzeugbezogene Funktionsfülle.<br />

Fleet-Board funktioniert ganz einfach: GPS- und andere Fahrzeugdaten werden mittels<br />

eingebauter SIM-Karte zum Daimler-Server übertragen. Dort aufbereitet und gesichert, können<br />

die Auswertungen im Desktop-Cockpit oder in den Smartphone-Apps abgerufen werden.<br />

dul, also der GPS-Verfolgung, ist die Einblendung<br />

aller busspezifischen Verkehrshindernisse<br />

wie Brücken unter vier Meter Höhe oder<br />

akute Verkehrsbehinderungen wie Staus<br />

auf dem Bildschirm. So kann der Disponent seinem<br />

Fahrer einen entstehenden Stau direkt ins<br />

Cockpit senden mit einer Mini-SMS von bis zu<br />

40 Zeichen. Daimler Fleet-Board arbeitet hierbei<br />

mit dem Nokia-Kartendienst „Here“ zusammen.<br />

Viele Autohersteller buhlen momen-<br />

Was bringt aber Fleet-Board für den Bus<br />

im Unterschied zum Truck noch? Da wären<br />

zunächst die zusätzlich gesendeten<br />

Signale von Türen und Rampen. Es lässt<br />

sich so klar beweisen, an welcher Haltestelle<br />

ein Fahrgast oder ein Rollstuhl aufgenommen<br />

wurde. Um diese geografische „Auflösung“<br />

zu gewährleisten, sendet das Fahrzeug<br />

alle zehn Minuten seine Position, im Unterschied<br />

zum Truck, bei dem dies nur<br />

alle 30 Minuten der Fall ist. „In der<br />

Praxis wären Fünf- oder Zwei-Minuten-<br />

Intervalle noch besser“, erläutert Werkstattmeister<br />

Pachonik. Bis Jahresende werden insgesamt<br />

27 Busse von BKW mit Fleet-Board laufen.<br />

„Die vollen Umfänge des Zeitwirtschaft-<br />

Moduls sind bei uns nicht sinnvoll, da wir<br />

im Stadtverkehr keine Fahrerkarten nutzen“,<br />

so Pachonik. Aber trotzdem spare die<br />

Massenspeicherauslese der Reisebusse einiges an<br />

Arbeit, die vorher regelmäßig manuell angefallen<br />

sei. Auf den mobilen Dispo-Piloten oder die seit<br />

neuestem verfügbaren Android- und iOS-Apps<br />

für Fahrer und Unternehmer angesprochen,<br />

winkt Pachonik lachend ab: „Das ist nun doch<br />

etwas zu modern für uns, das lassen wir erst<br />

mal auf uns zukommen.“ <br />

◼<br />

1 Ist der Fahrer partout mal nicht anders zu<br />

erreichen, kann ihm der Disponent bei<br />

Bedarf eine Systemnachricht direkt<br />

aufs Display in den Bus senden.<br />

2 Auch Fahrzeuge anderer Marken profitieren<br />

beim Service von der Telematikanbindung,<br />

allerdings können diese nur per<br />

FMS-2.0-Schnittstelle verbunden werden.<br />

2<br />

1<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 7/2<strong>01</strong>5


[ 94 ] FAHRZEUGE | Neoplan Tourliner L<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 8/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Neoplan Tourliner L [ 95 ]<br />

FAMILIEN-<br />

ANGELEGENHEIT<br />

Test: Der Neoplan Tourliner hat es auf dem deutschen Markt<br />

seit jeher schwer, sich als echter Neoplan durchzusetzen. Im<br />

elften Produktionsjahr kommt ein gereifter Reisebus zum Test.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER | FOTOS: KARL-HEINZ AUGUSTIN<br />

Wer nicht wirklich zur Familie gehört,<br />

hat es mitunter ein Leben lang schwer,<br />

sich zu etablieren. Das gilt häufig in der<br />

Fahrzeugwelt – so auch für den Neoplan Tourliner,<br />

das zweite Derivat eines MAN-Busses nach<br />

der Übernahme des traditionsreichen Stuttgarter<br />

Herstellers (der 2<strong>01</strong>5 sein 80-jähriges Jubiläum<br />

feiern würde) im Jahr 2002.<br />

Ein Neoplan aus Ankara? Ohne geteilte Frontscheibe<br />

und die traditionell um 19 Grad nach vorne<br />

geneigten Fensterholme? „Das geht gar nicht!“<br />

So schallte es den Verkäufern landauf, landab<br />

von den Kunden laut entgegen. Das Design<br />

des Reisewagens basiert zudem auf der letzten<br />

Neoplan-Generation und ist weit entfernt vom<br />

immer noch markenprägenden „Sharp Cut“-<br />

Konzept der späteren Modelle.<br />

Das liegt auch daran, dass der Tourliner vor allem<br />

in Märkten wie England oder der Türkei der<br />

Bus der Wahl ist. Seit dem vorzeitigen Ende des<br />

Luxusmodells Starliner trägt er gar die Bürde<br />

des einzigen rechtsgelenkten MAN/Neoplan-<br />

Fahrzeugs und ist auf der Insel dementsprechend<br />

präsent. Und so verkörpert der Tourliner<br />

dort tapfer das, was die Marke Neoplan schon<br />

immer ausgemacht hat: Luxus und Exklusivität.<br />

Als eher preiswert positionierter Reisebus (die Basisversion<br />

ist weit unter 300.000 Euro zu haben<br />

und auch der Testwagen knackte diese Marke<br />

nicht) ist der Tourliner hierzulande eher der ideale<br />

Kandidat für den boomenden Fernbusmarkt,<br />

der sich bisher bei der Schwestermarke MAN bediente<br />

oder aber gleich zum Cityliner griff. Warum<br />

also nicht aus der Not<br />

Das hat durchaus Vorteile, wie die große<br />

Frontscheibe, die für beste Sicht für den Fahrer<br />

sorgt, aber auch ein paar Nachteile, zum Beispiel<br />

lassen sich die Einzelspot-Scheinwerfer weder<br />

mit Xenon-Lampen noch Kurvenlicht aufrüsten.<br />

Insgesamt ist der Tourliner jedoch eine<br />

stattliche Erscheinung, die neu gezeichnete<br />

Bugmaske verleiht ihm zudem etwas mehr<br />

Dynamik als bisher.<br />

Bis heute sind die Verkaufszahlen des ersten<br />

türkischen Neoplan nicht unbedingt üppig zu<br />

nennen – 2.500 Fahrzeuge in mehr als zehn Jahren<br />

sind kein Mega-Erfolg. Gerade in Deutschland<br />

sieht man den Bus nicht oft auf den Straßen.<br />

eine Tugend machen, dachten sich wohl die MAN-<br />

Produktstrategen, und dem fernlinientaug lichen<br />

Tourliner in der Langversion mit einer 2+1-<br />

Bestuhlung einen Hauch von Luxus einhauchen,<br />

wie er in der Türkei oder Mexiko schon lange<br />

gang und gäbe ist. Ergebnis der ungewöhnlichen<br />

Übung: Der Raumeindruck des Fahrzeugs mit<br />

ebenem Boden (bisher das Privileg des Lion’s<br />

Coach) und üppigen 53 Zentimeter Gangbreite<br />

bei immer noch rund zwei Meter Stehhöhe<br />

ist famos und hat so gar nichts von einem<br />

Truppentransporter. In der langen Dreiachskonfiguration<br />

mit 13,80 Meter Länge kommen so bei<br />

Fünf-Sterne-Abstand immerhin noch 33 statt der<br />

sonst maximal möglichen 59 Sitze kommod im<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 8/2<strong>01</strong>5


[ 96 ] FAHRZEUGE | Neoplan Tourliner L<br />

2<br />

1<br />

3<br />

Fahrgastraum unter. Für eine Luxuslinie für Geschäftsleute<br />

ist das sicher o. k., wer aber mit jedem<br />

Sitzplatz rechnet, wird wohl eher abwinken.<br />

Neben dem ebenen Fußboden mussten im<br />

Fahrzeug noch andere konstruktive Anpassungen<br />

vorgenommen werden: So führt die letzte<br />

Stufe im vorderen Einstieg nicht schnurgerade in<br />

den Mittelgang, sondern ist leicht angeschrägt –<br />

gewissermaßen auf den etwas versetzten Laufgang<br />

zielend. Eine Halbierung der Gepäckablage<br />

über den Einzelsitzen ist hier im Gegensatz<br />

zum Lion’s Coach nicht nötig, weil die insgesamt<br />

rund zwei Kubikmeter fassenden Staufächer<br />

nicht so tief bauen wie beim Konzernbruder.<br />

Die hier erstmals für Deutschland verbauten, türkischen<br />

Brusa-Sitze verfügen über dreifach verstellbare<br />

Kopfstützen. Der Komfort der Luxussessel<br />

mit Flugzeugtischen ist durchaus gut zu<br />

nennen, allein an die Stabilität und Wertanmutung<br />

eines Kiel-Sitzes reichen sie dann doch<br />

nicht heran. Ein häufiger Kritikpunkt der vergangenen<br />

Jahre – die relativ unterkühlte Kunststoffdecke<br />

in Beige und Neoplan-Blau – kann<br />

sich für die Fernlinie schon in einen Vorteil verkehren:<br />

Im Fall des Falles kann diese einfach besser<br />

gereinigt werden als ein empfindlicher Stoffbezug.<br />

Ähnlich pragmatisch zu sehen ist auch<br />

die neue, vergrößerte Glova-Toilette mit einer<br />

Stehhöhe von rund 1,90 Metern und auf 150<br />

Liter vergrößertem Tankvolumen.<br />

Das stille Örtchen, jahrzehntelang eher<br />

in der Schmuddelecke vergessen, rückt<br />

durch die Fernlinie nun massiv in den<br />

Fokus – wie auch die bordeigene Versorgung<br />

mit schnellem WLAN und Steckdosen.<br />

Ein Hublift, der bei den MAN-Reisebussen über<br />

1 Der Fahrer weiß die freie Sicht ohne geteilte<br />

Neoplan-Frontscheibe zu schätzen.<br />

2 Gute Ergonomie und ein hochwertiges Multifunktionslenkrad<br />

zeichnen das Cockpit aus.<br />

3 Zu klein geraten ist das Touchscreen-Display<br />

des MMC. Neue, versetzbare Schalter.<br />

der Hinterachse montiert ist und die gesetzlichen<br />

Vorgaben für 2<strong>01</strong>6 erfüllen hilft, ist derzeit<br />

für den Tourliner leider noch nicht zu haben.<br />

Das sollte sich aber spätestens mit dem nächsten<br />

konstruktiven Eingriff, der 2<strong>01</strong>7 durch die<br />

2<br />

1 Die neue Glova-Fernlinientoilette bietet eine<br />

Stehhöhe von 1,90 Metern.<br />

2 Die pflegeleichte Kunststoffinnendecke und<br />

19-Zoll-Bildschirme sind Serie.<br />

3 Servicesets im Neoplan-Walzenstil bieten<br />

LEDs, aber keine separat verstellbaren Düsen.<br />

1<br />

3<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 8/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Neoplan Tourliner L [ 97 ]<br />

1<br />

1 Die erstmals in Deutschland verfügbaren<br />

Brusa-VIP-Sessel haben vielfach verstellbare<br />

Kopfstützen.<br />

2 Dank der neuen 2+1-Bestuhlung mit besonders<br />

breiten Sitzen und einer guten Stehhöhe<br />

ist der Raumeindruck im Fahrzeug<br />

unschlagbar. 2<br />

neue Umsturzrichtlinie ECE R66/02 nötig wird,<br />

ändern. Dann wird MAN auch noch einmal an<br />

die seit Jahren etwas hohen Gewichte rangehen<br />

müssen. Da sind andere Hersteller besser und<br />

bieten sogar 13-Meter-Zweiachser an.<br />

Der große Vorteil der MAN/Neoplan-Plattformstrategie<br />

war und ist die hochwertige Antriebstechnik.<br />

Zwar profitiert der Tourliner ebenso<br />

wie der Lion’s Coach noch nicht vom moderneren<br />

Star-/Cityliner-Fahrwerk (besitzt also weder<br />

eine Einzelradaufhängung für die Nachlaufachse,<br />

den kurzen Überhang des Cityliner C noch<br />

CDS-Dämpfer), aber Motor und Getriebe sind<br />

aus dem konzerneigenen Hightech-Regal und<br />

gehören somit zum Feinsten, was auf dem Markt<br />

ist. Zudem wird ein adaptives, jedoch mechanisches<br />

Dämpfersystem von ZF zeitnah verfügbar<br />

sein. Der Testwagen ist mit dem D26-Aggregat<br />

mit 440 PS ausgerüstet, was bei dieser<br />

Konfiguration durchaus ausreichend ist. Zusätzlich<br />

stehen auch 480 PS zur Verfügung, dann mit<br />

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[ 98 ] FAHRZEUGE | Neoplan Tourliner L<br />

Technische Daten Neoplan Tourliner L<br />

MOTOR<br />

Wassergekühlter Reihensechszylinder-Dieselmotor MAN D 2676 LOH<br />

30, stehend eingebaut, zweistufige Turboaufladung und Ladeluftkühlung,<br />

elektronisch gesteuerte Direkteinspritzung per Common Rail.<br />

Vier Ventile pro Zylinder. Abgasstandard Euro 6 mit AGR, SCR und<br />

DPF (S-CRTec).<br />

Bohrung/Hub<br />

126/166 mm<br />

Hubraum<br />

12.419 cm³<br />

Verdichtung 17 : 1<br />

Leistung<br />

324 kW (440 PS) bei 1.900/min<br />

Maximales Drehmoment 2.100 Nm bei 930–1.400/min<br />

KRAFTÜBERTRAGUNG<br />

Kupplung: Einscheiben-Trockenkupplung, Durchmesser 430 mm.<br />

Getriebe: automatisiertes 12-Gang-Schaltgetriebe MAN Tipmatic<br />

(ZF AS-Tronic) mit GPS-gestütztem Tempomat Efficient-Cruise mit vier<br />

individuell wählbaren Hysterese-Einstellungen.<br />

ÜBERSETZUNGEN<br />

1. Gang<br />

12. Gang<br />

12,33<br />

0,78<br />

Achsübersetzung<br />

R.-Gang 11,41<br />

3,15<br />

(alt. 3,42 /<br />

3,74)<br />

FAHRWERK<br />

Vorne Einzelradaufhängung an Mehrlenkerachse MAN VOS-08-B-<strong>01</strong>,<br />

zwei Luftfederbälge, zwei Stoßdämpfer, Stabilisator, max. Radeinschlag<br />

innen 56/52 Grad. Hinten starre Antriebsachse MAN<br />

HY-1350-B, Längslenker, aufgelöster Dreieckslenker, vier Luftfederbälge,<br />

vier Stoßdämpfer. Adhäsionsgelenkte, starre Nachlaufachse MAN<br />

NOL-06B-<strong>01</strong>. Geregelte Luftfederung. Reifengröße 295/80 R 22,5.<br />

BREMSANLAGE/SICHERHEITSSYSTEME<br />

Elektronisch geregelte pneumatische Zweikreis-Bremsanlage,<br />

innenbelüftete Scheibenbremsen rundum, ESP, ABS, ASR, BA,<br />

Zusatzbremse ZF Intarder mit 420 kW Bremsleistung. Notbremsassistent<br />

EBA 2 (Vollbremsung auf stehende Hindernisse), LGS (beides<br />

Serie ab 2<strong>01</strong>5), ACC, Reifendruckkontrolle TPM (beides Option).<br />

LENKUNG<br />

Hydraulische Lenkung ZF Servocom 8098 mit variabler, geschwindigkeitsabhängiger<br />

Übersetzung (22,2–26,2), Lenksäule in Höhe und<br />

Neigung verstellbar. Höhenverstellbares Multifunktionslenkrad.<br />

DIE MESSWERTE<br />

Etappe 1<br />

Etappe 2<br />

Etappe 3<br />

Etappe 4<br />

Etappe 5<br />

Etappe 6<br />

Gesamte Strecke<br />

Rundstrecke Solitude<br />

Gemischt<br />

Solitude – Bad Liebenzell<br />

B 295/B 296/B 463, gemischt<br />

Bad Liebenzell – Unterhaugstett<br />

Bergstrecke<br />

Unterhaugstett – Solitude<br />

Landstraße/B 295/Landstraße<br />

Sindelfingen – AH Sulz*<br />

Autobahn A 8/A 81, mittel<br />

AH Sulz – Solitude<br />

Autobahn A 81/A8, leicht<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

CO 2<br />

/g pro Personen-km**<br />

Verbrauch Adblue l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

12,0<br />

33,6<br />

57,2<br />

35,5<br />

36,6<br />

55,5<br />

3,6<br />

99,2<br />

48,2<br />

23,6<br />

36,0<br />

53,4<br />

58,6<br />

23,1<br />

90,7<br />

68,9<br />

22,8<br />

83,0<br />

202,2<br />

28,8<br />

21,6/44,6<br />

ca. 1,4 L<br />

71,1<br />

INNENGERÄUSCHE<br />

vorn Mitte hinten<br />

80/100 km/h, dB(A) 61/65 59/64,5 60/63,5<br />

BETRIEBSKOSTEN<br />

Kaufpreis Euro 298.000<br />

Feste Kosten pro Jahr Euro 81.646<br />

Feste Kosten pro km Cent 102,06<br />

Variable Kosten pro km Cent 59,44<br />

Gesamtkosten pro km Cent 161,50<br />

Parameter für die Dekra-Betriebskostenberechnung: Haftpflicht und Kasko<br />

100 Prozent, jährliche Laufleistung 60.000 km, Nutzungsdauer 72 Monate<br />

* Messung erst ab Kreuz Stuttgart aufgrund von Stau, **volle/halbe Auslastung<br />

D<br />

ELEKTRIK/MULTIMEDIA<br />

Spannung 24 Volt, drei Drehstromgeneratoren à 120 A, zwei<br />

Batterien 12 V/225 Ah. Infotainmentsystem „Multi Media Coach<br />

Advanced“ inkl. Navigation und Fünf-Zoll-Touchscreen, Aux-In,<br />

Blootooth, USB, drei Deckenbildschirme 19 Zoll, motorisch<br />

versenkbar. 4G-WLAN-Router verbaut. 230-V-Steckdosen, je Sitzreihe<br />

2 Stück.<br />

HEIZUNG/LÜFTUNG/KLIMA<br />

Vollautomatisch geregelte Konvekta-Aufbau-Klimaanlage mit<br />

integrierter Dachheizung, Kälteleistung 33 kW, Heizleistung 40 kW.<br />

Lufteintritt über Dachkanäle mit Ausströmern über den Fenstern und<br />

Gepäckablagen, nicht individuell verstellbare Walzenbelüftung.<br />

Zwangsentlüftung über zwei Dachluken. Separate Fahrerplatzklimatisierung,<br />

Kälteleistung 6 kW, Heizleistung 17,6 kW. Warmwasserheizung<br />

für Fahrgastraum, Heizleistung 13,3 kW, Warmluftkonvektoren.<br />

Standheizung Spheros Thermo, Leistung 35 kW.<br />

ABMESSUNGEN UND GEWICHTE<br />

Wendekreis<br />

22.000 mm<br />

Leergewicht/Testgewicht 15.925/19.060 kg<br />

Zul. Gesamtgewicht 25.530 kg<br />

Gepäckraum (mit Schlafkabine) 8,7 m³<br />

Volumen Kraftstofftank 525 +180 l<br />

Volumen Adblue-Tank 35 l<br />

A<br />

C<br />

ABMESSUNGEN<br />

A Länge/Breite<br />

13.800/2.550 mm<br />

Höhe<br />

3.800 mm<br />

B Radstand 1/2<br />

6.600/1.470 mm<br />

C Überhang vorn/hinten 2.680/3.050 mm<br />

D Sicht-/Stehhöhe 1.904/2.100 mm<br />

E Einstiegshöhe vorn/hinten 349/349 mm<br />

F Fußbodenhöhe 1.497 mm<br />

FAHRGASTPLÄTZE<br />

Sitzplätze maximal<br />

Testwagen (fünf Sterne, 2+1)<br />

B<br />

59+1+1<br />

33+1+1<br />

E<br />

A<br />

B<br />

F<br />

WERTUNG<br />

Hochwertige Aggregate aus dem MAN-Baukasten;<br />

günstiger Preis; guter Verbrauch durch<br />

neues Effizienz-Schaltprogramm; beste<br />

Raumverhältnisse mit 2+1-Bestuhlung; gute<br />

Sichtbedingungen für den Fahrer; EBA2<br />

Design nicht mehr aktuell; kein Kompaktheck<br />

oder Einzelradaufhängung für Nachlaufachse;<br />

Eco-Roll-Funktion für Getriebe, Regen- und<br />

Lichtsensor, Rollstuhllift noch nicht verfügbar;<br />

Displays im Cockpit schlecht ablesbar<br />

PREIS<br />

Grundpreis/Testwagen Euro 260.000/298.000<br />

C<br />

E<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 8/2<strong>01</strong>5


2<br />

1 Der recht große Gepäckraum des Dreiachsers<br />

lässt sich dank Hubklappen und hohem<br />

Fußboden sehr angenehm beladen.<br />

2 Leider nur von innen zugänglich sind die<br />

praktischen Stauräume über den Achsen.<br />

1<br />

satten 2.300 statt 2.100 Newtonmeter maximalem<br />

Drehmoment. Im Falle der Komplettbestuhlung<br />

mit 54 oder 59 Sitzen ist dieses Kraftpaket<br />

sicher die bessere Wahl. In beiden Fällen sorgen<br />

die Common-Rail-Einspritzung, zweistufige<br />

Turboaufladung und ein Zweimassenschwungrad<br />

für beste Geräuschwerte auch im Innenraum.<br />

Beim Testwagen machte sich die Vorderachse<br />

zwar etwas vorlaut bemerkbar, Grund<br />

hierfür seien aber die Bremssättel, die in der<br />

Serie bereits getauscht worden seien, so MAN.<br />

Das automatisierte Zwölf-Gang-Getriebe von ZF<br />

trägt sein Scherflein zum guten Durchschnittsverbrauch<br />

bei, verfügt es doch über eine feine Spreizung<br />

der zwölf Gänge, die nunmehr schnell und<br />

ruckfrei gewechselt werden. Zum mittlerweile<br />

üblichen Technik-Arsenal gesellt sich der neue,<br />

Efficient-Cruise genannte GPS-Tempomat, der<br />

Topografiedaten in die Schaltstrategie einbezieht<br />

und so ein paar Prozente Diesel einspart. Er<br />

kommt im Efficient-Paket mit langer Achse und<br />

Alufelgen unter anderem für rund 7.600<br />

Euro oder separat für schmale 1.100 Euro.<br />

Sodann heißt es vollautomatisch: vor<br />

dem Berg Schwung holen, kurz vor der<br />

Kuppe den Gang rausnehmen und nach dem<br />

Berg den Schwung so lange wie möglich ausnutzen<br />

– und das ohne Zutun des Fahrers!<br />

Leider bietet das Getriebe noch keine Eco-<br />

Roll-Funktion, die das Segeln in Neutralstellung<br />

ermöglicht. Diese wird erst 2<strong>01</strong>6 angeboten, es<br />

ist zu hoffen, dass dies dann mit dem Wechsel<br />

zum ZF-Traxon-Getriebe einhergeht. Die Voreinstellung<br />

der sogenannten Hysterese – also die<br />

obere und untere Begrenzung der Geschwindigkeitsabweichung<br />

von der Setzgeschwindigkeit<br />

– liegt standardmäßig bei -6/+5 km/h. Sie<br />

kann jedoch vom Fahrer manuell in alternativen<br />

Eco-Levels verändert werden. Wer eine höhere<br />

Durchschnittsgeschwindigkeit bei starkem Verkehr<br />

erreichen will, wählt eher -3/+3 km/h, wer<br />

maximales Sparpotenzial auskosten will, greift<br />

zu -9/+6 km/h. Das MAN-System verhindert<br />

dabei zuverlässig längere Überschreitungen der<br />

Toleranz und somit den gerichtsfesten Eintrag<br />

auf der Fahrerkarte. Durchdachtes Management!<br />

Weniger gefallen Zusatzdisplay und Navigationsmonitor:<br />

Beide sind zu klein, die Farbgebung<br />

des Displays zwischen den gut ablesbaren<br />

Uhren hinter dem Lenkrad ist zudem derart<br />

dezent, dass man schon genau hinsehen muss,<br />

um etwas zu erkennen. Zudem sind einige wichtigen<br />

Bedienelemente links neben dem Lenkrad<br />

außerhalb des direkten Sichtbereichs platziert<br />

– allerdings kann man die Schalter wie<br />

bei Mercedes blockweise umstecken. Ähnliche<br />

Flexibilität bietet auch die Sitz-Konfiguration:<br />

Sollte sich der Neoplan aus der Standard-<br />

Klasse im Luxus-Segment nicht ganz heimisch<br />

fühlen, kann er jederzeit auf 2+2-Bestuhlung<br />

umgerüstet werden und als braves Arbeitspferd<br />

der Neoplan-Familie seinen Dienst tun. ◼<br />

1<br />

2<br />

1 Glanzstück: Der<br />

MAN D26 mit 440<br />

PS und 2.100<br />

Nm liefert gute<br />

und flüsterleise<br />

Performance im<br />

Tourliner.<br />

2 Lidstrich: Trotz<br />

des neuen Bugdesigns<br />

ist kein<br />

Xenonlicht<br />

verfügbar.<br />

3 Designermode:<br />

Als einer der<br />

ersten Reisebusse<br />

brillierte<br />

der Neoplan mit<br />

LED-Leuchten<br />

am Heck.<br />

3<br />

Late-Liner<br />

Er mag nicht die<br />

Sportlichkeit des<br />

Cityliner oder die<br />

Exklusivität des<br />

Starliner vorweisen,<br />

aber der Tourliner<br />

ist ein solider<br />

Reisebus mit echten<br />

Nehmer-Qualitäten.<br />

Mit diesen Testredakteur<br />

Thorsten Wagner,<br />

willkommenen Eigenschaften, gepaart mit<br />

den neuesten Assistenz- und Spritspar-<br />

Systemen aus dem Konzern sollte der Erfolg<br />

des Auslandsabsatzes auch in Deutschland<br />

nachzumachen sein. Aber es fehlt dem Tourliner<br />

wie den anderen Modellen aus dem<br />

Hause MAN heute an Aktualität. Denn auch<br />

der Buskunde freut sich über Innovationen –<br />

wie man es von Neoplan schon jeher kannte.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 8/2<strong>01</strong>5


[ 100 ] FAHRZEUGE | Projekt Electri-City von Volvo<br />

STILLE REVOLUTION<br />

Elektromobilität: Als einer der Vorreiter in Sachen Elektromobilität zeigt Volvo Buses mit dem<br />

Projekt Electri-City in Göteborg, wie ein komplettes Elektrobussystem aussehen kann.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER | FOTOS: THORSTEN WAGNER, VOLVO<br />

Busse wurden schon auf die ungewöhnlichsten<br />

Arten der Öffentlichkeit vorgestellt.<br />

Pomp, Blitz und Donner sind oft<br />

mit von der Partie. Da mutet es fast seltsam<br />

an, wenn Volvo das Publikum in Göteborg<br />

in eine veritable Stadtbücherei einlädt, selbst<br />

wenn sie in einem Pavillon im „Volvo Ocean<br />

Race Village“ untergebracht ist.<br />

Wer hier Tusch und Tara erwartet, wird enttäuscht.<br />

Im hinteren Bereich öffnen sich seitliche<br />

Rolltore und lautlos gleitet ein Bus in die Halle.<br />

Es handelt sich um einen ganz besonderen<br />

Bus, das wird schnell klar: minimaler Überhang<br />

vorne, ein riesiger Radstand von sieben Metern,<br />

zwei breite Türen im Format eines Scheunentors<br />

sowie ein hoher Dachaufbau. Zudem sitzt<br />

der Fahrer in der Mitte. Die großen Schiebetüren<br />

öffnen sich elektrisch, Passagiere steigen staunend<br />

ein und aus und so schnell und lautlos<br />

wie er kam, surrt der Volvo auch schon wieder<br />

auf Linie.<br />

Volvo Buses hat sich seit einigen Jahren konsequent<br />

der Elektromobilität verschrieben<br />

und sein Portfolio an elektrifizierten Bussen<br />

kontinuierlich ausgebaut – oder wie<br />

Håkan Karlsson, Vice President der Volvo<br />

Group, es vollmundig ausdrückt: „Wir<br />

haben uns entschieden, in diesem Bereich<br />

führend zu sein.“<br />

Bereits mehr als 2.000 dieselelektrische<br />

Hybridbusse von Volvo laufen auf der ganzen<br />

Welt – in Europa werden seit 2<strong>01</strong>2 überhaupt<br />

keine reinen Dieselbusse mehr verkauft. Im letzten<br />

Herbst wurden zudem weiterentwickelte<br />

Plug-in-Hybride oder „Electro-Hybride“, wie<br />

sie Volvo nennt, vorgestellt. Einige von ihnen<br />

hat auch die Stadt Hamburg in Dienst genommen.<br />

In einer weiteren Evolutionsstufe zeigt<br />

Volvo nun als einer der ersten großen Her steller<br />

einen reinen Elektrobus, wenn auch noch als<br />

Konzeptfahrzeug. Die ersten Serienfahrzeuge<br />

sollen 2<strong>01</strong>7 folgen.<br />

„Die Eine-Million-Dollar- Frage ist doch, wie<br />

wir einen nachhaltigen und sauberen Nahverkehr<br />

realisieren können“, betont Karlsson auf<br />

dem Galaabend vor den aus aller Welt angereisten<br />

Gästen. Und dies ist nach der Ansicht<br />

der Schweden nicht mehr ohne die Betrachtung<br />

der gesamten städtebaulichen Struktur zu<br />

bewerkstelligen.<br />

Der Ansatz des vor zwei Jahren aus der<br />

Taufe gehobenen und auf drei Jahre ausgelegten<br />

Projektes „Electri-City“ mit zehn Omnibus-<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 8/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Projekt Electri-City von Volvo [ 1<strong>01</strong> ]<br />

1 Das etwas überfrachtete Cockpit des Volvo-<br />

Konzeptbusses ist mittig platziert.<br />

2 Durch zwei extrem große Türen können bis<br />

zu 86 Passagiere in den sehr geräumigen<br />

Innenraum zusteigen. 2<br />

1<br />

sen (sieben Busse davon besitzen einen Plugin-Hybridantrieb)<br />

ist es denn auch, mit rund<br />

14 verschiedenen Partnern ein einheitliches System<br />

zu liefern, von der Lade- und Haltestelleninfrastruktur<br />

über den Service und die Wartung<br />

bis hin zur Verkehrssteuerung.<br />

Damit wird aus einem reinen Fahrzeughersteller<br />

unversehens ein Lieferant von<br />

schlüsselfertigen Verkehrssystemen, wie es<br />

Jessica Sandström, Leiterin des Bereiches<br />

City Mobility bei Volvo Buses, beschreibt. „Was<br />

mich an dem Projekt so fasziniert, ist die Tatsache,<br />

dass wir damit wirklich etwas bewegen<br />

können für die nachhaltige Mobilität“, erklärt<br />

Jessica Sandström weiter (siehe Interview auf<br />

Seite 66 links). Aber selbst ein so visionäres Konzept<br />

sollte nicht die Kosten aus dem Blick verlieren.<br />

Volvo hat zusammen mit der Unterneh-<br />

Anzeige


[ 102 ] FAHRZEUGE | Projekt Electri-City von Volvo<br />

Alles aus einer Hand<br />

Interview: Vom Fahrzeughersteller<br />

zum Systemlieferanten – Volvo wagt es.<br />

Das Gespräch führte Thorsten Wagner.<br />

Jessica Sandström leitet den<br />

Bereich City Mobility bei Volvo.<br />

?: Welche Rolle<br />

spielt die Abteilung<br />

„City<br />

Mobility“ bei<br />

Volvo Buses?<br />

Sandström: Wir<br />

arbeiten mit<br />

den regionalen<br />

Vertriebsteams<br />

zusammen<br />

und<br />

bringen das<br />

Wissen und<br />

die Erfahrung<br />

unserer weltweiten<br />

Arbeit<br />

mit ein. Mit<br />

den daraus<br />

entstehenden<br />

Projekten gehen<br />

wir dann<br />

auf die Politik zu. Wir sind so von einem reinen<br />

Fahrzeuglieferanten zu einem Lieferanten schlüsselfertiger<br />

Gesamtsysteme geworden.<br />

?: Wie unterscheidet sich denn der Vertrieb des<br />

Elec tri-City-Projektes von dem des Standard-<br />

Hybrid busses 7900?<br />

Sandström: Nun, Hybridbusse kann man immer<br />

noch ohne die entsprechende Infrastruktur über<br />

den normalen Tenderprozess verkaufen. Aber<br />

wenn auch Ladestationen für den Betrieb nötig<br />

sind, muss man klären, wer diese zahlt und<br />

betreibt. Das erfordert eine Kooperation mit den<br />

potenziellen Kunden und einen Austausch über<br />

unterschiedliche Betreibermodelle.<br />

?: Was wird künftig der Haupttreiber sein, um solche<br />

Projekte zu verwirklichen?<br />

Sandström: Wir müssen unsere Vorstellung von<br />

Lebensqualität und Luxus ändern, genau das<br />

kann uns mit einem attraktiv gestalteten ÖPNV<br />

gelingen. Dazu muss der Bus zum Passagier kommen<br />

und nicht umgekehrt.<br />

?: Wie spiegelt sich das im Electri-City-Projekt wider?<br />

Sandström: Wir wollen mit dem Ansatz der lärmberuhigten<br />

Innenraum-Haltestellen demonstrieren,<br />

wie so etwas konkret zu realisieren ist.<br />

?: Wann werden wir vor allem in der Stadt rein<br />

elektrisch fahren?<br />

Sandström: Das wird in der Fläche sicher noch<br />

20 bis 25 Jahre dauern, denke ich. In den Innenstädten<br />

wird es aber bald kaum noch vermittelbar<br />

sein, weiterhin mit nicht emissionsfreien und<br />

lauten Bussen zu fahren.<br />

mensberatung KPMG die sogenannten „True<br />

Total Cost of Ownership“ (TCO) errechnet,<br />

also die während des Betriebs entstehenden<br />

tatsächlichen Kosten eines Fahrzeuges, inklusive<br />

des Verbrauchs von Ressourcen, der sozioökonomischen<br />

Kosten sowie der eventuell<br />

vorhandenen Steuervorteile.<br />

Volvo-Bus-Chef Håkan Agnevall (rechts) und<br />

Vice President Håkan Karlsson.<br />

Bei einem TCO-Wert von zunächst zusätzlichen<br />

23.000 Euro jährlich durch höhere<br />

Leasingkosten kommen die KPMG-Experten insgesamt<br />

auf einen Betrag von 27.000 Euro, der<br />

sich durch einen Elektrobus jährlich einsparen<br />

lässt. „Das macht addiert für eine Stadt wie<br />

Göteborg mit ihren derzeit 530.000 Einwohnern<br />

eine Gesamtersparnis von elf Millionen Euro sowie<br />

33.000 Tonnen weniger CO 2<br />

-Emissionen pro<br />

Jahr“, resümiert Niklas Gustafsson, seit 2<strong>01</strong>5<br />

„Chief Sustainability Officer“ bei Volvo.<br />

Einsparungen von 17.000 Euro der TCO<br />

sind dabei für die erhöhten Taktzeiten und den<br />

verbesserten Fahrgastfluss durch das innovative<br />

Fahrzeugkonzept berücksichtigt. Diese Zahlen<br />

müssen in der Praxis aber erst noch verifiziert<br />

werden.<br />

An der begleitenden Forschung ist auch<br />

die Göteborger Universität Chalmers beteiligt.<br />

Sie untersucht zum Beispiel die Akzeptanz<br />

der „Indoor-Haltestelle“, die im Rahmen<br />

eines Transport Labs auf dem Science Campus<br />

Lindholmen eingerichtet wurde. Von hier aus<br />

gehen die zehn Busse auf ihre jeweils zehn Kilometer<br />

langen Linien zum Partnercampus durch<br />

die Göteborger Innenstadt.<br />

In dem ansprechenden Gebäude aus Holz<br />

und mit viel Glas fahren die Omnibusse brav<br />

aufgereiht in einer Spur ein und starten wieder<br />

von dort wie in einem Drive-in-Restaurant.<br />

Eine elegante Lösung, um nicht nur die<br />

Fahrgäste, sondern auch die empfindliche Ladetechnik<br />

vor dem rauen skandinavischen<br />

Wetter zu schützen. „Aber diese Busstops<br />

können noch viel mehr sein“, erläutert Mari<br />

Anne Karlsson, Professorin für „Human<br />

Factors Design“ an der Chalmers Universität.<br />

Die Wissenschaftlerin ist auch für die<br />

begleitenden Studien von Electri-City verantwortlich.<br />

Sie werden teilweise vom<br />

europäischen EBSF2-Projekt („European Bus-<br />

System of the Future“) finanziert.<br />

„Es sollen Orte der Zusammenkunft und Kommunikation<br />

sein, ohne feste Trennung zwischen<br />

Arbeits- und Freizeit“, sagt Mari Anne<br />

Karlsson. Ganz nebenbei könne man gemütlich<br />

Kaffee trinken oder ein DHL-Pakt abholen. Wie<br />

alle neuen Electri-City-Haltestellen ist auch<br />

diese besonders lärmreduziert. Schließlich gehen<br />

tiefgreifende Revolutionen meist lautlos über<br />

die Bühne.<br />

◼<br />

Die überdachte Haltestelle bietet ein lärmarmes Umfeld und attraktive Angebote.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 8/2<strong>01</strong>5


[ 104 ] MÄRKTE | Iveco-Bus-Standort in Tschechien<br />

TRADITION HAT ZUKUNFT<br />

Busfertigung: Iveco Bus verleibte sich so namhafte Marken wie Berliet, Chausson, Renault und<br />

Magirus-Deutz ein. Basis des Erfolgs heute sind aber vor allem die tschechischen Wurzeln.<br />

TEXT: RÜDIGER SCHREIBER<br />

FOTOS: RÜDIGER SCHREIBER, IVECO<br />

Zum Geburtstag haben die Italiener für den<br />

wohl wichtigsten Standort ihrer Bussparte<br />

ein Geschenk ausgepackt: ein eigenes Bus<br />

Design Center! Im tschechischen Vysoké Mýto<br />

will Iveco den Omnibus im wahrsten Sinne des<br />

Wortes erlebbar machen. Alles, was Kunden bei<br />

der Ausstattung des Crossway festlegen können,<br />

ist hier zum Greifen nahe. Unterschiedliche Stoffe,<br />

Sitze und Boden- sowie Wandbeläge können<br />

genauso wie Lackmuster nach Gusto für einen<br />

ersten Eindruck zusammengestellt werden.<br />

Auch Probesitzen ist dort möglich. Da das<br />

Gebäude über zwei Etagen reicht, gibt es genügend<br />

Platz, mehrere Sitzreihen entsprechend der<br />

gewünschten Sitzabstände darzustellen. Und<br />

selbstverständlich legen die beratenden Designer<br />

auch noch den passenden Bodenbelag, den<br />

sich der Kunde ausgesucht hat, in das begehbare<br />

Innenraummodell. Ein kleines Display im<br />

Sitzrücken zeigt an, wie viele Sitzplätze mit dem<br />

vorgegebenen Abstand in Abhängigkeit von der<br />

gewählten Fahrzeuglänge verfügbar sind.<br />

Neben virtuellem Erleben mit Hilfe von dreidimensionalen<br />

Computer-Animationen setzt man<br />

bei Iveco auch auf Traditionelles. Mit dieser Philosophie<br />

kann der Standort in Tschechien mittlerweile<br />

auf 120 Jahre Erfahrung zurückblicken.<br />

Was unter Josef Sodomka mit einer Stellmacherei<br />

und Kutschen begann, ist heute auf<br />

einer Fläche von mehr als 225.000 Quadratmetern<br />

einer der größten Nutzfahrzeug-Produktionskomplexe<br />

in Mittel- und Osteuropa – und<br />

für Iveco der wichtigste Bus-Produktionsstandort<br />

in Europa.<br />

Der italienische Konzern ist ein wichtiger Arbeitgeber<br />

in der Tschechischen Republik. In Vysoké<br />

Mýto beschäftigt Iveco Bus mehr als 3.000<br />

Mitarbeiter. Rechnet man die zuliefernden Betriebe<br />

in der Region mit, dann kommen noch<br />

weitere 1.700 Arbeiter dazu. Und es sollen nach<br />

Ansicht von Pierre Lahutte, Präsident der Marke<br />

Iveco, noch mehr werden: „Wir sind sehr stolz<br />

darauf, dass wir heute in der Lage sind, mit dem<br />

120. Geburtstag auch noch ein kontinuierliches<br />

Wachstum zu feiern.“ 2<strong>01</strong>4 seien in Vysoké Mýto<br />

3.288 Omnibusse produziert worden. 94 Prozent<br />

der Fahrzeuge davon seien exportiert worden.<br />

Der größte Markt für den Bestseller namens<br />

Crossway ist aber laut Lahutte nach wie vor<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 8/2<strong>01</strong>5


MÄRKTE | Iveco-Bus-Standort in Tschechien [ 105 ]<br />

Frankreich. Zum Jubiläum wurde dann auch der<br />

120.000. an diesem Standort gefertigte Omnibus<br />

an einen Unternehmer aus Frankreich übergeben.<br />

Veränderungen bahnen sich womöglich an.<br />

Deutschland holt laut Lahutte immer mehr auf.<br />

Hier seien es vor allem die Großbestellungen,<br />

die ins Gewicht fallen würden. Platz drei belegt<br />

der Benelux-Raum, auch hier sei der Crossway<br />

mehr denn je gefragt, sagt Lahutte.<br />

Der Erfolg beruhe auf ständigen Investitionen,<br />

erklärte Lahutte. Besonders auf die kathodische<br />

Tauchlackierung ist man bei Iveco stolz.<br />

Doch nicht nur das: Wer die Fertigung vor Jahren<br />

schon einmal gesehen hat, dem fallen die<br />

vielen neuen computergesteuerten Arbeitsplätze<br />

auf. Und Sylvain Blaise macht als Bus-Chef<br />

von Iveco keinen Hehl daraus, dass so die Produktivität<br />

erhöht wurde, weil die Fertigung nun<br />

flexibler reagieren könne.<br />

Wer mit dem Standort in Tschechien nur die verschiedenen<br />

Crossway-Modelle in Verbindung<br />

bringt, der irrt. Der Urbanway wird zusätzlich<br />

zu Frankreich in Vysoké Mýto gefertigt. Und<br />

neben Omnibussen laufen auch Komponenten<br />

1 Im Design-Center lassen sich Ausstattungen<br />

für einen ersten Eindruck zusammenstellen.<br />

2 Von der Tauchlackierung bis zum Schweißroboter:<br />

am Standort ist alles vorhanden.<br />

3<br />

für andere Iveco-Fahrzeuge vom Band – vom<br />

einzelnen Bauteil bis zum Kabelbaum ist vieles<br />

möglich.<br />

Die größte Produktivität hat neben den Omnibussen<br />

aber die Abteilung der Fahrgastsitze.<br />

Waren es vor fünf Jahren 110.812 Fahrgastsitze,<br />

so sprang deren Anzahl im vergangenen Jahr<br />

auf 168.<strong>01</strong>2. Auch das ist zweifelsohne eine Leistung,<br />

die Iveco feiern kann. Im Mittelpunkt des<br />

„Der Erfolg der Fabrik in Vysoké Mýto und des<br />

Crossway beruht auf ständigen Investitionen“<br />

1<br />

Jubiläums stand aber die Crossway-Baureihe,<br />

die europaweit in ihrem Segment führend ist.<br />

Seit der Hersteller die Baureihe 2006 vorgestellt<br />

hat, konnte Iveco nach eigenen Angaben<br />

über 24.000 Fahrzeuge absetzen. Mittlerweile hat<br />

auch der Wettbewerb dieses Marktsegment für<br />

sich entdeckt, doch Iveco ist schon wieder einen<br />

Schritt vorausgeeilt. Kein anderer Hersteller kann<br />

in einem Überlandbus-Bereich mit fast 13 Metern<br />

auf zwei Achsen 63 Sitzplätze anbieten.<br />

Für den Antrieb stehen zwei Motoren bereit,<br />

die wahlweise mit einer Leistung von 235 kW<br />

(320 PS, Tector 7) oder 265 kW und 294 kW (360<br />

PS und 400 PS, Cursor 9) erhältlich sind. Dabei<br />

soll es aber nicht bleiben. Iveco hat einen<br />

Crossway mit Erdgasmotor angekündigt. Hier-<br />

2<br />

3 Jubiläumsfahrzeug: Der 120.000. Iveco<br />

Crossway geht an das französische<br />

Unternehmen Voyages Inglard.<br />

Ohne Herkunft keine Zukunft<br />

Interview: Sylvian Blaise, Leiter<br />

Global Bus bei CNH Industrial.<br />

Das Gespräch führte Rüdiger Schreiber.<br />

?: Iveco Bus vereint viele<br />

namhafte Unternehmen<br />

und Marken unter einem<br />

Dach. Welche Vorteile ergeben<br />

sich daraus für den<br />

Bau von Omnibussen?<br />

Blaise: Synergie! Denken<br />

Sie nur alleine an<br />

die forschungsintensive<br />

Motorentechnik.<br />

Hier profitieren alle<br />

CNH-International-Unternehmen<br />

von den großen<br />

Stückzahlen des ziehen bei den<br />

Blaise: „Nach-<br />

Gesamtkonzerns – sowohl<br />

in Sachen Tech-<br />

Spezialitäten.“<br />

nik als auch bei den Kosten.<br />

?: Fast 15 Jahre engagiert sich Iveco Bus in Tschechien.<br />

Welche Bedeutung hat der Standort Vysoké<br />

Mýto heute für die Marke Iveco Bus?<br />

Blaise: Vysoké Mýto ist als Produktionsstandort<br />

des Bestsellers Crossway ein unverzichtbarer<br />

Bestandteil der Busaktivitäten. Es ist zudem<br />

eines der modernsten Werke im Konzern.<br />

?: Seit 2006 haben Sie schon mehr als 24.000 Einheiten<br />

des Crossway in Tschechien gefertigt, seit<br />

Werksgründung sogar schon über 120.000 Busse.<br />

Was macht den Erfolg des Standortes aus?<br />

Blaise: Das ist die Modernität des Standorts,<br />

aber auch die schiere Größe und das über<br />

Jahrzehnte gewachsene Know-how der Belegschaft.<br />

Vysoké Mýto steht seit 120 Jahren<br />

für industrielle Produktion und für eine außerordentliche<br />

Expertise im Busbau.<br />

?: Die letzte Investition ist das eben vorgestellte<br />

Iveco Bus Design Center. Was kommt als Nächstes?<br />

Blaise: Iveco Bus verfügt derzeit über das<br />

wohl modernste Busprogramm in der Wettbewerbslandschaft.<br />

Wir müssen dieses Programm<br />

jetzt auch mit Spezialitäten bedienen,<br />

weil wir aufgrund der sehr guten Auftragslage<br />

zunächst die Volumenmodelle bedient haben.<br />

Aber Sie können sich vorstellen, dass wir<br />

bereits über die aktuelle Generation hinaus<br />

denken. Sowohl in Sachen Design als auch bezüglich<br />

künftig geforderter Antriebe.<br />

?: Vor 120 Jahren begann der Fahrzeugbau in<br />

Vysoké Mýto, seit 1928 werden am Standort Omnibusse<br />

gebaut. Wie sehen Sie die Zukunft für<br />

Iveco Czech Republic?<br />

Blaise: Vysoké Mýto ist und bleibt ein unverzichtbares<br />

Juwel in unserem europäischen<br />

Produktionsverbund. Auch die traditionell<br />

dem Busbau verbundenen Unternehmen<br />

in der Peripherie spielen dabei eine Rolle.<br />

Und nicht zuletzt zählt die Nähe zu vielen<br />

Märkten.


[ 106 ] MÄRKTE | Iveco-Bus-Standort in Tschechien<br />

2<br />

für wird man auf den 7,8-Liter-Cursor-8 mit 213<br />

kW (290 PS) zurückgreifen. Und weil alle Beteiligten<br />

bei der Geburtstagsfeier so guter Stimmung<br />

waren, gab es erste Informationen, dass<br />

die Baureihe weiteren Zuwachs erfahren werde.<br />

Ein Dreiachser sei schon in der Vorbereitung.<br />

Laut nachgedacht hätte man aber bisher<br />

nur über einen Hochdecker auf Crossway-Basis.<br />

Mit einem solchen Fahrzeug würde sich Iveco<br />

aber selbst Konkurrenz machen, denn in diesem<br />

Bereich ist man mit dem Magelys schon im Geschäft.<br />

Und der wird in Frankreich gebaut, in<br />

einem Werk, dass zwar nicht an die Zahlen des<br />

tschechischen Standorts herankommt, aber auch<br />

Wurzeln in der Vergangenheit des Busbaus hat.<br />

1<br />

3<br />

1 Osteuropäische Klassiker NO 80 (1961),<br />

Skoda RTO (1958), Karosa 11 (1968).<br />

2 Landauer von 1906: Josef Sodomka legte<br />

schon 1895 in Vysoké Mýto den Grundstein.<br />

3 Die Omnibusse der 700er-Baureihe waren<br />

mit 37.000 Exemplaren ein Bestseller.<br />

Die aerodynamischen Isobloc-Omnibusse von<br />

Joseph Besset wurden hier gefertigt.<br />

Um auf die Tradition des Bausbaus bei Iveco<br />

hinzuweisen, haben die Verantwortlichen auf<br />

dem tschechischen Werksparkplatz eine stattliche<br />

Zahl historischer Omnibusse versammelt:<br />

Sodomka, Skoda und Karosa – alles bedeutende<br />

Marken, die für den Standort Vysoké Mýto<br />

stehen. Seit 1895 steht hier laut Iveco die Wiege<br />

des modernen Omnibusses. 1928 wurde der<br />

erste Bus gebaut, damals noch unter der Marke<br />

Sodomka und auf einer Skoda-Basis.<br />

Was klein begann, wuchs mit politischer Unterstützung:<br />

So war VEB Karosa Sodomka dann<br />

im Jahr 1948 der einzige Hersteller von Omnibussen<br />

in der damaligen Tschechoslowakei. Anfang<br />

der 90er-Jahre wurde Karosa privatisiert und von<br />

Renault Véhicules Industriels übernommen. 1999<br />

wurde das Unternehmen dann Teil von Irisbus.<br />

Seit 2007 firmiert der Busfabrik in Vysoké Mýto<br />

als Iveco Czech Republic. 2<strong>01</strong>5 schließlich kann<br />

das Werk auf 120 Jahre zurückblicken. Pünktlich<br />

zum Geburtstag lässt Iveco die Sonderserie „120<br />

Jahre Vysoké Mýto“ des Crossway auflegen. ◼<br />

1<br />

1 Iveco Crossway Linie: je nach Länge 47 bis<br />

59 Sitzplätze. Die zweiflügelige Tür ist Option.<br />

2 Crossway Pro: Überlandausführung auch mit<br />

reisebustypischen Merkmalen.<br />

2<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 8/2<strong>01</strong>5


[ 108 ] FAHRZEUGE | Neuheiten vom UITP-Kongress 2<strong>01</strong>5<br />

STROMLINIE<br />

Messetrends: In der Weltausstellungsstadt Mailand traf sich der<br />

Weltverband der Verkehrsunternehmen. Elektroantriebe und Gasmotoren<br />

standen im Fokus der Hersteller und Busbetreiber.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER | FOTOS: TEMSA, VAN HOOL, VDL<br />

So ganz entscheiden können sich manche<br />

Hersteller nicht: Nutzen sie den vom internationalen<br />

Verband für öffentliches<br />

Verkehrswesen alle zwei Jahre veranstalteten<br />

Kongress nun als Messe oder schlicht als Kommunikations-<br />

und Netzwerk-Plattform mit Kunden<br />

und Presse? Gezeigt werden daher wenige<br />

Fahrzeuge und nur selten echte Weltpremieren,<br />

auch wenn die norditalienische Metropole derzeit<br />

die Weltausstellung beherbergt. Was nicht<br />

heißt, dass auf der Veranstaltung, die zudem<br />

noch viele Vorträge zu verschiedenenVerkehrsthemen<br />

bietet, nicht spannende<br />

Fahrzeuge zu sehen sind.<br />

Länge ist definitiv ein Trend<br />

dieses UITP-Kongresses. Der<br />

21 Meter lange Mercedes<br />

Capa-City-Vierachser (Heft<br />

1-2/2<strong>01</strong>5) bietet im Messetrimm<br />

fünf Türen und attraktives,<br />

optisches Beiwerk, das<br />

vor allem in Frankreich gerne<br />

gesehen und gekauft wird.<br />

Platz bietet der Lulatsch für rund 189 Fahrgäste.<br />

Im Heck werkelt noch ein Dieselmotor,<br />

auch wenn Daimler sein neues, mit 7,7<br />

Litern recht schlankes CNG-Aggregat mitgebracht<br />

hat, welches 302 PS sowie 1.200 Newtonmeter<br />

leistet. Obwohl der Trend zum Elektroantrieb<br />

auch in Mailand unverkennbar war,<br />

spielen die serienreifen und umweltfreundlichen<br />

Gasmotoren weiterhin eine nicht zu vernachlässigende<br />

Rolle. Neben Mercedes stellte<br />

auch Iveco seinen erst kürzlich renovierten<br />

Stadtbus Urbanway mit einem Gasmotor auf<br />

den Stand. Auch er ist als Cursor 8 mit 7,8<br />

Liter Hubraum eher kleinvolumig ausgelegt.<br />

Eine echte Neuheit hatte der niederländische<br />

Hersteller VDL im Gepäck. Den seit einigen<br />

Jahren verkauften Citea (Foto oben) zeigten<br />

die mit Hybridbussen erfolgreichen Niederländer<br />

in einer Gelenkbusversion im Tramdesign<br />

für die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB). Wie bei<br />

fast allen Herstellern üblich, ist die Elektroausrüstung,<br />

vor allem das Ladesystem, weitgehend<br />

frei konfigurierbar – schließlich gibt es in jeder<br />

Stadt andere Voraussetzungen und Präferenzen.<br />

In diesem Fall ist ein Schnellladesystem<br />

verbaut, das an der Endhaltestelle mittels Pantograf<br />

von Schunk nur rund zehn Minuten mit<br />

250 kW nachgeladen wird – eine Lösung, die sich<br />

vielerorts durchzusetzen scheint. Der elektrische<br />

Antrieb mit Zentralmotor von Siemens bedient<br />

sich eines 170-kW-Akkus. Der ganze Bus ist in<br />

ein windschnittiges, tramartiges BRT-Design gekleidet,<br />

ein weiterer Trend dieses Kongresses.<br />

Richtung BRT-Zuschnitt geht auch<br />

der belgische Hersteller Van<br />

Hool, der seinen zusammen mit<br />

Scania konzipierten Tram-Gelenkbus<br />

Equi-City in Italien zeigte,<br />

dort aber nicht mit 24 Metern,<br />

sondern in der 18,6 Meter langen<br />

Version, die über 100 Personen<br />

Temsa elektrifiziert den<br />

Allround-Midi MD9 und<br />

stattet ihn sehr peppig aus.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 8/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Neuheiten vom UITP-Kongress 2<strong>01</strong>5 [ 109 ]<br />

aufnehmen kann. Neben der triebkopfartigen<br />

Front stechen besonders die tief heruntergezogenen<br />

Seitenscheiben ins Auge, das Dachmittelteil<br />

ist verglast. Erstmals nach dem Piloteinsatz im<br />

Hybrid-Gelenkbus Mercedes Citaro verbaut mit<br />

Van Hool ein namhafter Bus-Hersteller die Elektroportalachse<br />

AVE 130, die momentan bei ZF<br />

weiterentwickelt wird. Im Innenraum gefällt der<br />

Van Hool geht mit seinem<br />

Exqui-City-Design stark in<br />

Richtung Straßenbahn.<br />

Belgier durch sein innovatives,<br />

wohnliches Sitzkonzept<br />

und dem<br />

überarbeiteten<br />

Arbeitsplatz<br />

mit großem<br />

Touchscreen. Ebenfalls<br />

Nutzer der ZF-Elektroportalachse – in<br />

zweifacher Ausführung – ist der Elektrobus-<br />

Newcomer Sileo S18, ein türkischer Gelenkbus<br />

mit Technik und Know-how von Bozankaya<br />

Business Consultant & Commerce (BC&C)<br />

in Wolfenbüttel. Der Bus mit rund 300 Kilometer<br />

Reichweite verfügt über ein raffiniertes<br />

Energie- und Lademanagement für die<br />

300 kW starke Batterie. Man darf gespannt sein,<br />

wie sich dieses zarte Pflänzchen weiterentwickelt.<br />

Etwas kleiner geraten ist der elektrische Midi-<br />

Stadtbus Temsa MD 9 Electri-City, dessen<br />

Modellbe-<br />

Der Exqui-City bietet einen mittig angeordneten<br />

Fahrerplatz und einen riesigen Touchscreen.<br />

zeich-<br />

nung ähnlich<br />

klingt wie ein Volvo-Projekt<br />

in Göteborg (siehe auch Seite 64).<br />

Der 9,50 Meter lange Stadtbus ist so etwas wie<br />

der Tausendsassa des türkischen Unternehmens<br />

– für den vollelektrischen Einsatz hat sich der<br />

Midi mit Platz für rund 45 Personen besonders<br />

schick gemacht. Über der asymmetrisch gestalteten<br />

Frontpartie prangt als Blickfang eine<br />

große blaue LED im Stile eines elektrischen<br />

Ein-Aus-Schalters. Geladen wird<br />

die 160 kW große Batterie per Schnelllader<br />

in rund einer Stunde oder konventionell<br />

über Nacht.<br />

Der Zentralmotor leistet maximal 200 kW<br />

und reisebusverdächtige 2.200 Newtonmeter<br />

Drehmonent, im Teilllastbereich schaltet er<br />

drei seiner sechs Phasen ab und gibt so nur die<br />

Hälfte seiner Power frei. Downsizing spielt also<br />

nicht nur beim guten alten Verbrenner eine<br />

Rolle. Manches Prinzip kann sich auch ins elektrische<br />

Zeitalter retten. Und das ist gut so. ◼<br />

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Der Mercedes<br />

unter den Achsen<br />

JOST Achsen Systeme<br />

Seit Anfang 2<strong>01</strong>5 werden die DCA-Achsen<br />

von der neuen JOST Achsen Systeme<br />

GmbH vertrieben.<br />

Eine Achse – viele Anwendungen<br />

• DCA Weightmaster<br />

• DCA Airmaster<br />

• DCA Steermaster<br />

• DCA Megamaster<br />

• DCA Pavemaster<br />

• DCA Railmaster<br />

DCA Family Baukasten<br />

• grenzenlose Vielfalt aus wenigen<br />

Komponenten<br />

Leichteste Achse ihrer Klasse<br />

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Home of Mercedes-Benz TrailerAxleSystems


[ 110 ] FAHRZEUGE | Mercedes Sprinter 319 CDI Bluetec<br />

IN ABRAHAMS SCHOSS<br />

Test: Die Redaktion war mit dem Mercedes Sprinter Kombi mit 190 PS, mittlerem<br />

Radstand, Hochdach und Platz für bis zu neun Personen unterwegs.<br />

TEXT: ANDREAS WOLF | FOTOS: KARL-HEINZ AUGUSTIN<br />

In Deutschland ist der Mercedes Sprinter die<br />

Nummer eins, in Europa spielt er weit vorne<br />

mit. Neben Iveco Daily, VW Crafter, Fiat Ducato,<br />

Ford Transit und Konsorten ist der Mercedes<br />

eine maßgebende Größe im Segment der<br />

3,5-Tonner. Besonders in Kombi-Ausführung<br />

zeigt er sich mit zwei Dachhöhen und drei Radständen<br />

als Multitalent. Sei es als Shuttle-Bus,<br />

Transporter für Arbeitstrupps und Reiseunternehmen<br />

in der Woche oder als Freizeitfahrzeug<br />

für Großfamilien am Wochenende.<br />

Der V6-Diesel mit drei Liter Hubraum leistet<br />

190 PS und entwickelt schon ab 1.400 Touren<br />

ein maximales Drehmoment von 440 Nm.<br />

Er überzeugt durch ein spontanes Ansprechverhalten<br />

bereits bei niedrigen Drehzahlen und<br />

bringt die leer immerhin 2.580 Kilogramm<br />

schwere Fuhre trotz langer Hinterachse über<br />

den gesamten Drehzahl bereich rasch in<br />

Schwung. Das Leergewicht dürfte auch die<br />

Abgasreinigungstechnik, die den Sprinter auf<br />

Euro 6 bringt, nach oben treiben. Mit dem<br />

zurückhaltend auftretenden Motor ist der Mercedes<br />

mehr als ausreichend motorisiert.<br />

In Verbindung mit der direkten Lenkung<br />

lässt sich der Hecktriebler agil über kurvige<br />

Landstraßen bewegen. Auf kurze Stöße reagiert<br />

er etwas sensibel, insgesamt wiegt der<br />

auf Wunsch mit Luftfederung und Niveauregulierung<br />

zu verfeinernde Kombi seine Fahrgäste<br />

aber wie in Abrahams Schoß. Selbst bei<br />

geringer Zuladung zeigt der Sprinter noch eine<br />

ausreichend komfortable Dämpfung. Die Übertragung<br />

von Leistung und Drehmoment auf die<br />

hinteren Räder übernimmt das flüssig schaltende<br />

Automatikgetriebe 7G-Tronic Plus mit sieben<br />

Gangstufen (2.062 Euro Aufpreis). Die Schaltvorgänge<br />

laufen kaum spürbar ab, Schaltgeräusche<br />

gibt es so gut wie keine. Im Vergleich zur früheren<br />

Füngang-Automatik verbessert es den Anzug<br />

im ersten Gang und reduziert mit Hilfe einer lang<br />

übersetzten siebten Fahrstufe (i = 0,728) den Verbrauch<br />

bei Autobahnfahrten. Der Zusatz Blue tec<br />

hinter der Typenbezeichnung steht für eine<br />

Abgasreinigung mit SCR-System entsprechend<br />

der Abgasnorm Euro 6.<br />

Im Innenraum zeigt der Sprinter-Kombi<br />

Eigenschaften, die sich sehr nahe an Pkw-Standards<br />

bewegen. Der Motor ist selbst bei Höchstgeschwindigkeit<br />

von knapp über 160 km/h<br />

kaum wahrnehmbar. Hier überwiegen Wind-<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 9/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Mercedes Sprinter 319 CDI Bluetec [ 111 ]<br />

1<br />

3<br />

2<br />

1 Die Dachklimaanlage gibt es auch mit<br />

einer Lackierung in Wagenfarbe.<br />

2 Die Bedieneinheit für die Front- und Fond-<br />

Klimatisierung sitzt in der Mittelkonsole.<br />

3 Ausströmer an der Decke verteilen die<br />

temperierte Luft in der Mitte und im Heck.<br />

Technische Daten<br />

MOTOR<br />

V6-Dieselmotor mit Common-Rail-Einspritzung,<br />

SCR-Abgasreinigung, Euro 6<br />

Hubraum 2.987 cm 3<br />

Leistung<br />

190 PS (140 kW) bei 3.800/min<br />

Drehmoment 440 Nm bei 1.400–2.400/min<br />

Getriebe<br />

Wandlerautomatik mit<br />

sieben Gangstufen<br />

Antrieb<br />

Heckantrieb<br />

Übersetzung HA 3,692<br />

ABMESSUNGEN UND GEWICHTE<br />

Länge/Breite/Höhe 5.926/2.426/2.663 mm<br />

Länge/Breite/Höhe Laderaum 3.265/1.780/1.820 mm<br />

Breite zw. den Radkästen 1.350 mm<br />

Radstand<br />

3.665 mm<br />

Wendekreis<br />

13,4 m<br />

Leergewicht<br />

2.580 kg<br />

Nutzlast<br />

920 kg<br />

Zul. Gesamtgewicht 3.500 kg<br />

geräusche an den A-Säulen und der optionalen<br />

Dachklimaanlage. Die Klimatisierung des<br />

Fahrzeugfonds ist mit dieser Anlage vorbildlich<br />

gelöst. Sie verteilt die temperierte Luft über die<br />

Ausströmer an der Decke.<br />

Bei den Materialien rund um den Fahrerarbeitsplatz<br />

bleibt der Nutzfahrzeugcharme<br />

des Transporters erhalten. Es überwiegt Hartplastik,<br />

das sich schnell abwischen und einfach<br />

reinigen lässt. Jede Menge Ablagen, unter<br />

anderem über der Windschutzscheibe und<br />

Mittelkonsole, bieten genügend Stauraum und<br />

schaffen Ordnung. Der Fahrgastraum profitiert<br />

von großflächigen, getönten Scheiben, die viel<br />

Licht, nicht aber neugierige Blicke hereinlassen.<br />

Das Angebot an Assistenzsystemen ist groß.<br />

Ohne Aufpreis gibt es das Fahrdynamik-Regelsystem<br />

Adaptive ESP, das bei Bremseingriffen<br />

den Beladungszustand berücksichtigt. Erweitert<br />

ist dieses System um die Funktionen Brakedisc-<br />

Wipe und Electronic Brake Prefill. Brakedisc-<br />

Wipe entfernt bei Nässe zyklisch den Wasserfilm<br />

von den Bremsscheiben und verkürzt damit<br />

den Bremsweg. Electronic Brake Prefill verkürzt<br />

die Reaktionszeit bei einer eventuellen Bremsung<br />

und somit zusätzlich auch den Bremsweg.<br />

Ebenfalls serienmäßig hat der Sprinter einen<br />

Seitenwindassistenten an Bord, der in Verbindung<br />

mit dem ESP arbeitet. Weiter stehen unter<br />

anderem Totwinkel-, Spurhalte- und Fernlicht-Assistenten<br />

in der Aufpreisliste. Alles im<br />

MESSWERTE<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong>- 10,6 l/100 km<br />

Verbrauchsrunde<br />

Testverbrauch min./max. 10,6/13,8, l/100 km<br />

Normverbrauch/CO 2 -Ausstoß 8,8 l/100 km/231 g/km<br />

Vmax<br />

162 km/h<br />

Effizienzklasse<br />

D<br />

BETRIEBSKOSTEN<br />

20.000 km/Jahr, 5 Jahre Nutzung 102,3 Ct/km<br />

40.000 km/Jahr, 3 Jahre Nutzung 67,2 Ct/km<br />

PREIS<br />

Grundpreis<br />

1)<br />

Preis ohne Mehrwertsteuer<br />

45.214 Euro<br />

Paket verkauft Mercedes für 1.005 Euro. Eine<br />

Rückfahrkamera gibt es für 549 Euro. Wer bei<br />

den Ausstattungsposten allerdings zu viele<br />

Kreuzchen setzt, der nähert sich schnell der<br />

50.000-Euro-Marke. <br />

◼<br />

1<br />

2<br />

1 Der Ein- und Ausbau der Sitze gestaltet sich<br />

dank der Schnellverschlüsse einfach.<br />

2 Mit dem drei Liter großen V6-Diesel ist der<br />

Sprinter Kombi hervorragend motorisiert.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 9/2<strong>01</strong>5


[ 112 ] FAHRZEUGE | Mercedes Intouro M<br />

MITTELFELD-<br />

SPIELER<br />

Test: Der Überlandbus Mercedes Intouro wildert im<br />

preiswerten Marktsegment und bringt ein paar<br />

Neuheiten mit. Dem Test stellt sich die M-Variante.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER | FOTOS: KARL-HEINZ AUGUSTIN<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 9/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Mercedes Intouro M [ 113 ]<br />

Nicht jeder Fußballer kann<br />

ein Goldjunge wie Bastian<br />

Schweinsteiger sein, der mit<br />

ausgewiesenen Qualitäten im Mittelfeld<br />

Mannschaft und Spiel zusammenhält<br />

und so auch mal den<br />

Weg zu einer Meisterschaft ebnet.<br />

Gerade deswegen ist das Mittelfeld<br />

alles andere als die Langeweile-Zone<br />

auf dem Spielfeld –<br />

hier werden Vorstöße ins gegnerische<br />

Feld ausbaldowert und nach<br />

hinten frühzeitig abgesichert. Oft<br />

wird schon hier die Arbeit von zuweilen<br />

als divenhaft wahrgenommenen<br />

Stürmern und Verteidigern<br />

geschickt vorbereitet. Das Mittelfeld<br />

ist Dreh- und Angelpunkt<br />

eines Spiels – solide Leistung in der<br />

Breite statt glamouröses Brillieren<br />

vor dem gegnerischen Tor!<br />

Eine wichtige Rolle im Spielfeld des<br />

europäischen Busmarktes spielt das<br />

Segment der preiswerten Doppelverdiener<br />

seit einigen Jahren. Hier<br />

tummeln sich entfeinerte Überland-<br />

Hochbodenwagen wie der Iveco<br />

Crossway, der MAN Lion’s Intercity<br />

oder der Setra UL business.<br />

Die Genannten sind alle mehr<br />

Arbeitspferde als Hingucker und<br />

Mercedes hat gleich zwei dieser<br />

Pferde im Stall: den Integro und<br />

den etwas darunter angesiedelten<br />

Intouro, der dem Setra UL wie<br />

aus dem Gerippe geschnitten ist<br />

(Test in Heft 5/2<strong>01</strong>5) und sich besonders<br />

in Frankreich großer Beliebtheit<br />

erfreut. Das mag auch an<br />

seinen Qualitäten als langer Zweiachser<br />

liegen, der mit 12,64 Metern<br />

und einem Wendekreis von etwas<br />

mehr als 22 Metern gerade noch<br />

wendig genug ist.<br />

Eine Podestverlängerung links<br />

und eine neue Türlage machen eine<br />

maximale Bestuhlung mit bis zu<br />

59 Sitzen möglich. Zudem können<br />

die Franzosen die technische Tragfähigkeit<br />

von über 19 Tonnen bereits<br />

voll nutzen – ein Privileg, auf<br />

das wir hierzulande noch etwas<br />

warten müssen.<br />

Der ebenfalls zweiachsige Bruder<br />

Intouro L bietet mit 13,32 Meter<br />

Länge nur eine Sitzreihe und einen<br />

knappen Kubikmeter mehr Kofferraum-Kapazität,<br />

bringt es aber<br />

auf einen immensen Radstand von<br />

7,26 Metern und einen daraus<br />

resultierenden unhandlichen Wendekreis<br />

von rund 24 Metern. Alternativ<br />

greift man hier doch besser<br />

zum Integro L, der nicht nur drei<br />

Achsen, sondern auch den stärkeren<br />

Motor OM 471 vorweisen<br />

kann, der zudem gerade in einer<br />

nochmals optimierten Version vorgestellt<br />

wurde (siehe S. 14).<br />

Dem großen Erfolg des Intouro<br />

in Frankreich, der dort rund<br />

600 Mal im Jahr verkauft wird (weltweit<br />

sind es rund 1.000 Busse und<br />

seit 2007 insgesamt 6.000 Einheiten),<br />

ist auch die spezielle Ausstattung<br />

des Testwagens ohne Klimaanlage<br />

und Automatik sowie durchgehender<br />

Vollbestuhlung zu verdanken.<br />

Auf üppigen Luxus verzichtet<br />

der Wagen fast völlig, sogar die<br />

hageren Spiegel an Metallstangen<br />

muss der Fahrer selbst manuell<br />

einstellen mangels elektrischer<br />

Helferlein. Beinahe wirkt der Wagen<br />

wie ein Gegenentwurf zum fast<br />

zeitgleich getesteten Setra S 415 UL<br />

business, dem es kaum an Ausstattung<br />

fehlte, und das bei einem moderaten<br />

Mehrpreis von gerade mal<br />

6.000 Euro laut Daimler-Datenblatt.<br />

Haben wir etwa eine kleine,<br />

versteckte Ecke der sonst perfekten<br />

Evobus-Zweimarken-Strategie<br />

entdeckt, die nicht ganz stimmig<br />

ist? Doch der Wagen ist gefällig<br />

und hat durchaus seine Daseinsberechtigung.<br />

Es gibt seit jeher<br />

genug Kunden, die besonderen<br />

Wert auf den Stern am Bug legen.<br />

Und dieser Bug kommt im Gegensatz<br />

zum eher biederen Integro recht dynamisch<br />

daher. Zwar bieten die als<br />

optisches Highlight ausgeprägten<br />

Scheinwerfer weder Xenon- noch<br />

Abbiegelicht, aber das besitzen die<br />

wenigsten Vertreter dieser Klasse,<br />

bei der es auf jeden Euro bei Kauf<br />

und Unterhalt ankommt.<br />

Das Heck wiederum wurde<br />

weitgehend an das des Integro angepasst.<br />

Die typischen Lüftungsgitter<br />

werden von den Rückleuchten<br />

der großen Reisebusse flankiert.<br />

Mit Euro 6 hielt der neue, kleinvolumige<br />

Sechszylinder OM 936 Einzug<br />

ins Heck, der gleich mit drei<br />

Getrieben gekoppelt werden kann.<br />

Neben dem Schalter und einem<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 9/2<strong>01</strong>5


[ 114 ] FAHRZEUGE | Mercedes Intouro M<br />

Technische Daten Mercedes Intouro M<br />

MOTOR<br />

Wassergekühlter, liegend eingebauter Reihensechszylinder-Dieselmotor<br />

(Mercedes-Benz OM 936) mit verstellbarer Auslassnockenwelle<br />

VCP (Variable Camshaft Phaser). Zweistufige Turboaufladung und<br />

Ladeluftkühlung, elektronisch gesteuerte Common-Rail-Direkteinspritzung<br />

mit hydraulischer Druckverstärkung. Vier Ventile pro<br />

Zylinder, Abgasrückführung, SCR-Technik mit Adblue-Einspritzung,<br />

Partikelfilter, Abgasstandard Euro 6.<br />

Bohrung/Hub<br />

110/135 mm<br />

Hubraum<br />

7.698 cm³<br />

Verdichtung 17,0 : 1<br />

Leistung<br />

260 kW (354 PS) bei 2.200/min<br />

Maximales Drehmoment 1.400 Nm bei 1.200/min<br />

KRAFTÜBERTRAGUNG<br />

Kupplung: wartungsfreie Trockenkupplung, Durchmesser 440 mm.<br />

Getriebe: Direktgang-Schaltgetriebe Mercedes GO-190-6 mit neuer<br />

Joystick-Schaltung im Armaturenträger.<br />

ÜBERSETZUNGEN<br />

1. Gang 8,17 4. Gang 1,81<br />

2. Gang 4,65 5. Gang 1,26<br />

3. Gang 2,79 6. Gang 1,0<br />

R.-Gang 7,68 Achsübersetzung<br />

i = 3,154<br />

(alternativ 3,500)<br />

FAHRWERK<br />

Vorne Einzelradaufhängung ZF RL-75/E mit Doppeldreieckslenkern,<br />

zwei Luftfederbälge, zwei Stoßdämpfer, Stabilisator, max.<br />

Radeinschlag innen/außen 58/46 Grad. Hinten einfach übersetzte<br />

Antriebsachse Mercedes RO 44, vier Luftfederbälge, vier Stoßdämpfer,<br />

zwei Längslenker, aufgelöster Dreieckslenker, Stabilisator.<br />

Reifengröße 295/80 R 22,5 mm, Michelin Multiway 3D XZE M+S.<br />

BREMSANLAGE/SICHERHEIT<br />

Elektronisch geregelte, pneumatische Zweikreis-Bremsanlage (EBS,<br />

Serie), innenbelüftete Scheibenbremsen rundum. ABS, ASR,<br />

Bremsassistent (alle Serie). ESP Serie. Wartungsfreier Voith-Sekundär-Wasserretarder<br />

SWR mit max. 3.500 Nm Bremsmoment, der<br />

Fußbremse vorgeschaltet oder Betätigung über Lenkstockhebel,<br />

Brandmeldeanlage im Motorraum. Spurassistent (SPA), AEBS (beides<br />

Serie nach ECE R107 in Klasse 2/3), TPMS (Reifendruckkontrolle, SA).<br />

LENKUNG<br />

Hydraulische Lenkung ZF Servocom 8098 mit variabler Übersetzung<br />

(17,0–21,0), max. Lenkeinschlag 58°, Lenksäule pneum. verstellbar.<br />

ELEKTRIK/MULTIMEDIA<br />

Spannung 24 Volt, zwei Drehstromgeneratoren à 150 A (mit<br />

Klimaanlage), zwei Batterien 12 V/220 Ah. Audio-Anlage Bosch<br />

Classic Line mit CD-Abspielgerät, USB-Anschluss, Telematikschnittstelle<br />

FMS 3.0 (SA) und Onboard-Diagnose<br />

HEIZUNG/LÜFTUNG/KLIMA<br />

Optionale Klimaanlage EvoCool Basis mit 32 kW Kälteleistung<br />

(nicht im Testagen verbaut) sowie Fahrerplatzklimatisierung (SA) mit<br />

Heizleistung 18 kW, Kälteleistung 8 kW. Warmwasserheizung für<br />

Fahrgastraum, Heizleistung 12 kW, vier Heizgebläselüfter (je 3,5 kW).<br />

Keine Konvektorenheizung verfügbar; Standheizung Spheros,<br />

Leistung 30 kW. Zwei elektrisch (SA) betätigte Dachluken sowie<br />

Klappfenster über die gesamte Fahrzeuglänge (Frankreich-Version).<br />

MASSE UND GEWICHTE<br />

Wendekreis<br />

22.248 mm<br />

Leergewicht/Testgewicht ca. 11.820/15.400 kg<br />

Zul./techn. Gesamtgewicht 18.000/19.100 kg<br />

Gepäckraum (mit/ohne Toilette) 5,7/9,6 m³<br />

Volumen Kraftstofftank ca. 340 l<br />

Volumen Adblue-Tank ca. 44 l<br />

DIE MESSWERTE<br />

Etappe 1<br />

Etappe 2<br />

Etappe 3<br />

Etappe 4<br />

Etappe 5<br />

Etappe 6<br />

Gesamte Strecke<br />

FAHRGASTPLÄTZE<br />

Sitzplätze (Testwagen/max.) 55/59 + 1<br />

Rundstrecke Solitude<br />

Gemischt<br />

Solitude–Bad Liebenzell<br />

B 295/B 296/B 463, gemischt<br />

Bad Liebenzell–Unterhaugstett<br />

Bergstrecke<br />

Unterhaugstett–Solitude<br />

Landstraße/B 295/Landstraße<br />

Solitude–Stuttgart-Schlossplatz<br />

Überland/Stadt, leicht<br />

Stuttgart/Schlossplatz–Solitude<br />

Stadt/Überland, schwer/Überland<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

CO 2<br />

/ g pro Personen-km*<br />

Verbrauch Adblue l<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

WERTUNG<br />

Sehr günstiger Verbrauch; wettbewerbsfähiger<br />

Einstiegspreis; sehr hohe Türen;<br />

einfache Bedienung; gute Sicherheitsausstattung;<br />

hohe Kapazität dank Zwischenlänge<br />

Relativ großer Wendekreis; weder<br />

Begleitersitz noch Konvektorenheizung<br />

erhältlich; einfach gehaltenes Design mit<br />

kleinen Verarbeitungsmängeln; Getriebe-/<br />

Achskombination ungünstig; kein ECE R66.02<br />

PREIS<br />

Testwagen (netto)<br />

12,2<br />

31,6<br />

50,9<br />

35,7<br />

27,2<br />

46,4<br />

3,5<br />

84,9<br />

43,4<br />

25,5<br />

27,5<br />

45,9<br />

23,3<br />

29,7<br />

39,5<br />

13,0<br />

39,6<br />

39,3<br />

113,2<br />

31,5<br />

14,8/30,7<br />

ca. 1,2<br />

44,1<br />

INNENGERÄUSCHE<br />

vorn Mitte hinten<br />

80/100 km/h, dB(A) 68,5/70 68/70,5 66,5/68,5<br />

BETRIEBSKOSTEN<br />

Kaufpreis Euro 184.000<br />

Feste Kosten pro Jahr Euro 57.078<br />

Feste Kosten pro km Cent 71,35<br />

Variable Kosten pro km Cent 51,32<br />

Gesamtkosten pro km Cent 122,67<br />

* Volle/halbe Auslastung inkl. Fahrer bei 55+1 Sitzen, Wetterbedingungen: trocken und weitgehend windstill, ca.<br />

15° C, ohne Klimaanlage ausgestattet, Parameter für die Dekra-Betriebskostenberechnung: Haftpflicht und Kasko<br />

100 Prozent, jährliche Laufleistung 60.000 km, Nutzungsdauer 72 Monate<br />

A<br />

C<br />

ABMESSUNGEN<br />

A Länge/Breite<br />

12.640/2.550 mm<br />

Höhe<br />

3.355 mm<br />

B Radstand<br />

6.580 mm<br />

C Überhang vorn/hinten 2.760/3.300 mm<br />

D Stehhöhe<br />

2.170 mm<br />

E Einstiegshöhe vorn/hinten 350/365 mm<br />

F Fußbodenhöhe 860/877 mm (Fahrer/Mittelgang)<br />

E<br />

D<br />

B<br />

A<br />

F<br />

C<br />

E<br />

184.000 Euro<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 9/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Mercedes Intouro M [ 115 ]<br />

2<br />

3<br />

Wandlergetriebe sogar mit der<br />

kongenialen Achtgang-Automatik<br />

GO 250-8. Auch wenn die zum<br />

eher preisgünstigen Flair des Busses<br />

nicht passt – die Fahrer werden<br />

es ihrem Chef trotzdem sicher danken.<br />

Immerhin: Das ZF Eco-Life-<br />

Getriebe ist der Daimler-Box fast<br />

ebenbürtig.<br />

Exakt gab sich das preiswerte<br />

Sechsgang-Schaltgetriebe GO 190-<br />

6 in der verbauten Konfiguration<br />

mit der langen Achse im Testbetrieb<br />

allerdings nicht. Dabei ist nicht der<br />

1<br />

neue Joystick im Überland-Cockpit<br />

mit dem jetzt farbigen Multifunktionsdisplay<br />

gemeint, der endlich<br />

den aus Großvaters Zeiten entlehnten<br />

Schaltstock der Flurschaltung<br />

ersetzt und um einiges besser durch<br />

Der Intouro ist fast baugleich mit<br />

dem Setra UL business und kaum<br />

billiger in der Basis-Ausstattung<br />

die Gassen flutscht als in den vergangenen<br />

Jahren.<br />

Die Leistung des stärkeren von<br />

zwei Motorvarianten (354 PS und<br />

299 PS) ist zwar durchaus gut,<br />

aber im oft gefahrenen Bereich<br />

zwischen 60 und 80 km/h ist selten<br />

ein passender Anschluss vom<br />

4<br />

1 Die Türöffnungen reichen bis ins<br />

Dach hinein und ermöglichen<br />

einen komfortablen Einstieg.<br />

2 Neu ist die verklebte Frontscheibe<br />

und eine Regenrinne<br />

vor der Gummilippe der Tür.<br />

3 Schick gestylte Scheinwerfer,<br />

leider ohne Xenon-Lampen oder<br />

Abbiegelicht.<br />

4 Im Heck ist noch Platz: Der neue<br />

7,7-Liter-Motor kommt in zwei<br />

Leistungsstufen.<br />

vierten in den fünften Gang zu finden.<br />

Unwillkürlich fällt der Fahrer<br />

in ner vige Pendelschaltungen. Der<br />

Grund lässt sich auf dem Sägezahn-<br />

Diagramm unschwer erkennen: Mit<br />

der langen Achse tut sich zwischen<br />

dem vierten und fünften Gang<br />

eine Drehzahlklippe von rund<br />

700 Umdrehungen auf.<br />

Abhilfe schafft eine alternative<br />

kürzere Achse oder das Eco-Life-<br />

Getriebe, das im getesteten Setra<br />

UL business mit einer kürzeren<br />

Übersetzung besser überzeugte.<br />

Die höhere Marschgeschwindigkeit<br />

und der Wandlerverlust sorgten<br />

beim Konzernbruder jedoch<br />

für einen um 1,5 Liter höheren Verbrauch.<br />

Mit 31,5 Litern im Durchschnitt<br />

fällt der beim Intouro trotz<br />

der lästigen Pendelschaltungen<br />

sehr gut aus. Das maximale Drehmoment<br />

von 1.400 Newtonmetern<br />

ist in den meisten Situationen<br />

ausreichend. Zudem gibt sich der<br />

Wagen gerade im Heck vergleichsweise<br />

ruhig.<br />

Für den Fahrer hat sich außer<br />

Schalthebel und Display kaum<br />

etwas geändert. Das Überlandcockpit<br />

ist gleichsam bedienungsfreundlich<br />

wie rustikal – so mancher gro-<br />

Anzeige<br />

Das Heck trägt die typischen Lüftungsgitter sowie Reisebusleuchten.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 9/2<strong>01</strong>5


[ 116 ] FAHRZEUGE | Mercedes Intouro M<br />

2<br />

3<br />

1 Der Innenraum ist auf Funktionalität<br />

statt Luxus getrimmt.<br />

2 Die Gepäckablagen sind<br />

üppig, aber hoch angebracht.<br />

3 Wie im Setra-Pendant stören<br />

die vorderen Radkästen die<br />

Entfaltung der Beinfreiheit.<br />

1<br />

ße Spalt zwischen Plastikteilen oder<br />

die teilweise sichtbare Verkabelung<br />

stören verwöhnte Augen.<br />

Nichts stört dagegen beim Blick<br />

durch die untere Scheibe der vorderen<br />

Tür, die wie die hintere auch bis<br />

ins Dach hoch reicht. Kollisionen<br />

sind so selbst bei groß gewachsenen<br />

Mittelfeld-Spielern weitgehend<br />

ausgeschlossen. Der Innenraum<br />

gibt sich sachlich und funktional,<br />

nur der Boden aus Holzimitat verleiht<br />

etwas Noblesse.<br />

Zwei störende Eigenarten teilt<br />

sich der Intouro mit seinem Setra-<br />

Pendant: Statt Konvektoren gibt es<br />

nur vier Heizgebläse und im vorderen<br />

Wagenteil ragen unschöne Radkästen<br />

rund 15 Zentimeter aus dem<br />

Boden, die den Füßen im Weg sind<br />

– das lässt sich besser lösen.<br />

Die Gepäckablagen sind mit<br />

einer lichten Höhe von 21 Zentimetern<br />

gut nutzbar, allerdings sind sie<br />

sehr hoch angebracht und mehr für<br />

Basketballer als wieselflinke, kurzgewachsene<br />

Außenverteidiger gedacht.<br />

Auf handfesten Einsatz sind<br />

auch die hauseigenen Sitze des Typs<br />

Inter Star Eco getrimmt. Deren robuste<br />

Haltegriffe aus Stahlrohr verengen<br />

zwar die Gangbreite auf<br />

46 Zentimeter, aber man kann sich an<br />

ihnen bequem und sicher durchs<br />

Fahrzeug hangeln. Allzu viel Komfort<br />

darf man vom Gestühl nicht<br />

erwarten – für den Trip in die Vorstadt<br />

reicht es aber allemal.<br />

Beim Thema Sicherheit spielt der<br />

Mercedes seine Trümpfe wieder aus.<br />

Zwar ist das Gerippe noch ohne<br />

ECE R66.02-Zertifikat, aber ESP ist<br />

genauso Serie wie der Spurassistent<br />

und der, bedingt durch die alte Elektronikarchitektur,<br />

etwas abgespeckte<br />

Notbremsassistent AEBS (Letzteres<br />

ist nur Serie bei Zulassung in<br />

Klasse 2 oder 3). Für ein Sonderangebot<br />

in der Mittelklasse ist der<br />

Sicherheitsstandard aber durchaus<br />

gut zu nennen.<br />

Mehr bietet kaum ein anderer<br />

Hersteller, der nicht gerade ein neues<br />

Auto am Start hat. Denn auch im<br />

entscheidenden Mittelfeld müssen<br />

nicht selten hohe Ablösesummen<br />

für die besten Spieler auf dem Platz<br />

aufgewendet werden. Da lässt man<br />

gerne mal erfahrene Spieler länger<br />

im Spiel.<br />

◼<br />

1 Klasse Ergonomie, teilweise<br />

laxe Verarbeitung – Licht und<br />

Schatten liegen eng beisammen.<br />

2 Sichtbare Verkabelungen zieren<br />

das sehr plastikhafte Cockpit.<br />

3 Annehmbare Sicht, günstige<br />

Ersatzteilpreise. Es müssen nicht<br />

immer Reisebusspiegel sein.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 9/2<strong>01</strong>5


SENSOREN<br />

AN SYSTEM<br />

GEFAHR VORAUS<br />

FAHRERASSISTENZ<br />

BREMSEN<br />

ANTRIEB<br />

UNFALL<br />

VERMEIDEN<br />

LENKUNG<br />

FAHRWERK<br />

INSASSENSCHUTZ<br />

FAHRT SICHER<br />

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KEINER VERNETZT MECHANISCHE UND DIGITALE SYSTEME INTELLIGENTER ALS ZF<br />

ZF.COM/TECHNOLOGIETRENDS


[ 118 ] FAHRZEUGE | Solaris Urbino 18<br />

SOLARIS STRECKT SICH<br />

Fahrbericht: Auf der IAA 2<strong>01</strong>4 wurde die neue Generation des Stadtbusses vorgestellt.<br />

Am Rande des UITP-Kongresses konnten wir nun die Gelenkbusversion erstmals bewegen.<br />

TEXT & FOTOS: THORSTEN WAGNER<br />

Die neue Generation eines Volumenträgers<br />

zu platzieren, ist eine große Aufgabe; erst<br />

recht für einen familiengeführten Mittelständler.<br />

Der polnische Hersteller Solaris, der<br />

Anfang 2<strong>01</strong>6 das 20-jährige Jubiläum begeht, tut<br />

aber gerade genau das und streckt sich dabei gewaltig<br />

in alle Richtungen: neue Vorstandsmitglieder,<br />

neue Werksgebäude und neue Modelle<br />

– noch dazu besonders lang gewachsene.<br />

Als einer der wenigen Hersteller wagt sich<br />

das Unternehmen aus Bolechowo bei Posen<br />

auch früh an Elektrobusse. Gerne wäre<br />

man so etwas wie der „Tesla der Busbranche“.<br />

Die Chancen stehen nicht schlecht und<br />

die Verkaufserfolge geben dem Unternehmen<br />

recht. Der erste von insgesamt 39 georderten<br />

Urbino neuen Typs wurde gerade ins Bayerische<br />

Glonn an die Firma Ettenhuber ausgeliefert.<br />

Und auch für Elektrobusse haben die Polen<br />

bereits 50 Bestellungen eingesammelt, die derzeit<br />

noch in altem Design vorfahren (siehe S. 7).<br />

Auf der Busworld in Kortrijk wird dann<br />

auch neben der LE-Version des Urbino der erste<br />

Elektrobus im neuen Design Premiere feiern –<br />

sicher eine schmackhafte Kombination für so<br />

manches Unternehmen. Das neue Design des<br />

Busses konnte unterdessen auch die iF-Award-<br />

Jury sowie die UITP-Teilnehmer überzeugen.<br />

Der Bus wurde jeweils für seine herausragende<br />

Gestaltung prämiert. Zu Recht!<br />

Am Rande des UITP-Kongresses eröffnete<br />

Solaris nun die Gelegenheit, auch den 18 Meter<br />

langen Gelenkbus zu bewegen. Äußerlich gibt<br />

sich der Lange eher konventionell. An extravaganten<br />

Themen – wie an einem überlangen<br />

Vierachser à la CapaCity – will sich der neue<br />

Vorstandschef Andreas Strecker derzeit lieber<br />

nicht verheben (siehe auch S. 64).<br />

Und doch gibt es einige Änderungen am Urbino 18.<br />

Er trägt zunächst einmal die gleiche schmucke<br />

und reparaturfreundliche Hülle wie sein kleiner<br />

Bruder. Dann wurde der vordere Radstand von<br />

Gelenk- und Solobus einander angeglichen und<br />

ist nunmehr fast identisch.<br />

Das Ergebnis ist ein sehr gut beherrschbares<br />

Fahrzeug, das sich wunderbar um Kurven zirkeln<br />

lässt. Angst, mit dem Nachläufer im Nacken<br />

etwas abzuräumen, muss man dagegen nicht<br />

haben. Wie im Solobus ist die Höhe des Wagens<br />

um rund 15 Zentimeter geschrumpft, ohne an<br />

Stehhöhe einzubüßen. Eine attraktive Dachrand-<br />

Landschaft für alle Modelle ist so entstanden.<br />

Angetrieben wird der um eine Tonne Speck<br />

erleichterte Urbino 18 von Euro-6-Motoren aus<br />

dem Hause DAF/Paccar in drei Leistungsstufen<br />

mit 290/326/370 PS und 1.200/1.400/1.600 Nm,<br />

deren mittelstarke Variante im Vorführer sehr<br />

leise zu Werke geht. Im Fahrwerk kommt die<br />

neueste Achsgeneration von ZF zum Einsatz:<br />

RL 82 EC vorne (optional ist auch eine hierzulande<br />

eher ungeliebte Starrachse erhältlich) und<br />

AV(N) 132 in der Mitte sowie hinten.<br />

Das Antischleuder-Programm ESP ist bei<br />

Solaris wie auch beim Wettbewerb derzeit für<br />

Gelenkbusse noch in Entwicklung. Dort ergänzen<br />

dafür analoge Sicherheitsfunktionen<br />

die elektronische Knicksteuerung des<br />

neuen Hübner-Gelenks Typ HNGK 19.5 Eco.<br />

Auch ungezügelte Fahrversuche durch Pylonengassen<br />

vermögen den Gelenkzug nicht aus der<br />

Ruhe zu bringen. Stoisch und präzise folgt der<br />

Wagen den Lenkbefehlen des Fahrers und erinnert<br />

in seiner Leichtigkeit fast an einen Solobus.<br />

1 An diesen Anbauteilen<br />

aus weicherem<br />

Stahl wird das<br />

Hübner-Gelenk<br />

angedockt.<br />

2 Drei Versionen des<br />

Armaturenträgers<br />

stehen für das<br />

moderne Cockpit<br />

zur Wahl.<br />

3 Im Heck finden<br />

ausschließlich<br />

DAF-Motoren in<br />

drei Leistungsstufen<br />

Verwendung.<br />

1<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 9/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Solaris Urbino 18 [ 119 ]<br />

1<br />

2<br />

1 Zum besonders<br />

freundlichen<br />

und<br />

hellen Am -<br />

biente trägt<br />

der durchsichtige<br />

Faltenbalg<br />

bei.<br />

2 Die immer<br />

beliebteren<br />

USB-Ladestationen<br />

finden<br />

sich im Urbino<br />

wieder.<br />

Verwöhnt werden Fahrer und Fahrgäste zudem<br />

mit einem hellen und freundlichen Interieur,<br />

wie es bislang selten im Stadtbus zum<br />

Tragen kam. Hochwertige Materialien und<br />

weitgehend perfekte Verarbeitung lassen den<br />

Aufenthalt zur Freude werden – zumal man<br />

im Prototyp auch noch sein Handy per USB-<br />

Stecker aufladen kann.<br />

Dass einige Plastikteile auf den sehr schlechten<br />

Landstraßen ein Eigenleben entwickeln, ist<br />

bei so frühen Fahrzeugen einer neuen Baureihe<br />

durchaus üblich. Leider auch die Position der<br />

Luftkessel über der vorderen, etwas verbreiterten<br />

Tür. So darf der Fahrer jeden Laut des Luftsystems<br />

vernehmen. Er findet ansonsten ein sehr<br />

ergonomisches Cockpit vor, das viel Platz und<br />

ausreichend Ablagen vorhält.<br />

Die Qual der Wahl stellt sich beim Armaturenträger:<br />

VDV einfach oder digital – oder doch<br />

das Solaris-eigene, digitale Touchscreen-Panel,<br />

mit dem ein Hauch von Star Trek in den Bus<br />

Einzug hält. Auch wenn unsere Erfahrungen mit<br />

dem futuristischen Armaturenträger bisher recht<br />

gut sind, empfehlen wir für den breiten Einsatz<br />

in Verkehrsbetrieben mit wechselnden Fahrern<br />

die digitale VDV-Variante. Hier sind die Uhren<br />

ein echter Hingucker und zugleich gut ablesbar.<br />

Apropos Hingucker: Löblich ist, dass Solaris-<br />

Designer Jens Timmich die asymmetrische Gestaltung<br />

der Fahrzeugfront beibehalten hat. Sie<br />

sorgt nämlich für gute Sicht auf die Haltestelle.<br />

Im Innenraum haben die Entwickler besonderen<br />

Wert auf Podestlosigkeit gelegt. Statt bisher<br />

17 sind nun 23 der 44 verbauten Sitze frei<br />

schwebend montiert. Zur besseren Gewichtsverteilung<br />

sind die Dieseltanks auf den Radkästen<br />

der zweiten Achse verbaut. Gespannt darf<br />

man sein, wann der erste Solaris-Urbino 18-<br />

Elektrobus zur Probefahrt vorfährt und welcher<br />

Antrieb langfristig das Rennen macht. ◼<br />

Solaris Urbino 18<br />

MOTOR<br />

Stehender Reihen-Sechszylinder-Dieselmotor DAF MX-<br />

11 mit Turbolader und variabler Turbinengeometrie und<br />

Ladeluftkühlung; Abgasreinigung SCR/AGR; Euro 6<br />

Hubraum<br />

10.800 cm³<br />

Leistung<br />

240 kW (326 PS) bei 1.650/min<br />

Drehmoment 1.400 Nm bei 1.000–1.650/min<br />

KRAFTÜBERTRAGUNG<br />

Automatisches Sechsgang-Wandlergetriebe ZF Eco-Life<br />

6AP mit topografieabhängiger Steuerung Topo-Dyn Life<br />

oder Voith-DIWA.6-Viergang-Getriebe mit Senso-Top<br />

FAHRWERK<br />

Vorne Einzelradaufhängung ZF RL 82 EC mit erhöhter<br />

Traglast von 8,2 Tonnen; Mitte: ZF AVN 132; hinten:<br />

ZF AV 132 (i = 5,77); optional adaptive Stoßdämpfer<br />

BREMSEN/SICHERHEIT<br />

Elektronsiches Bremssystem EBS 5 mit Scheibenbremsen<br />

rundum; Bremsassistent; elektronische Knickwinkelsteuerung<br />

des Gelenks; Haltestellenbremse; ECE R 66.02<br />

ABMESSUNGEN UND GEWICHTE<br />

Länge/Breite/Höhe 18.000/2.550/3.100 mm<br />

Radstand 1/2<br />

5.900/6.000 mm<br />

Wendekreis<br />

22.796 mm<br />

Überhang vorn/hinten 2.700/3.400 mm<br />

Einstiegshöhe vorn/hinten 320/320/320 mm<br />

Innenstehhöhe<br />

2.750 mm<br />

Tankvolumen Diesel/AdBlue 340/50 l<br />

Zul. Gesamtgewicht 24.000 kg<br />

SITZ-/STEHPLÄTZE<br />

Sitz-/Stehplätze 44/110<br />

PREIS<br />

2<br />

3<br />

Grundpreis<br />

(ausstattungsabhängig)<br />

ca. 300.000 Euro<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 9/2<strong>01</strong>5


LINIENERWEITERUNG<br />

Hintergrund: Rund zehn Millionen Euro investiert Solaris in den Ausbau der Produktionshallen<br />

sowie neue Bürogebäude. Grund genug, sich die vier Produktionsstandorte genauer anzusehen.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER<br />

FOTOS: THORSTEN WAGNER, SOLARIS<br />

Das Erste, was ich bei Solaris<br />

gelernt habe, war, dass das<br />

Wort ‚unmöglich‘ nicht zum<br />

Unternehmens-Wortschatz gehört“,<br />

erklärt Tomasz Baranski lachend,<br />

während er stolz „seine“ Busproduktion<br />

zeigt. Hier, auf zwei gewundenen<br />

Linien, werden Bus-<br />

Der Neubau am Gebäude vorn soll die Bus-Endfertigung beherbergen.<br />

gerippe aus Edelstahl der Norm<br />

EN 14003 im Vierstundentakt geschweißt.<br />

„Vor 15 Jahren haben<br />

wir einen Bus pro Woche fertiggestellt,<br />

heute sind es meistens mehr<br />

als vier pro Tag! Das ist ein gewaltiger<br />

Unterschied, der völlig andere<br />

Produktionsweisen benötigt“, sagt<br />

Baranski.<br />

Rund 300 gut ausgebildetete<br />

Schweißer sind in der großen Halle<br />

in Sroda Wielkopolska, rund 40<br />

Kilometer vom eigentlichen Unternehmenssitz<br />

in Bolechowo entfernt,<br />

beschäftigt. Es geht in der Produktion<br />

zu, wie in einem Bienenstock.<br />

Es brummt und zischt unentwegt.<br />

„Wir könnten hier sogar ICE-Waggons<br />

schweißen, wenn wir wollten.<br />

Unsere Schweißer haben alle<br />

nötigen Voraussetzungen dazu“,<br />

sagt Andreas Strecker, seit Juli Vorstandsvorsitzender<br />

von Solaris.<br />

Aus der kleinen Halle mit angedocktem<br />

Bürogebäude, in dem Krzysztof<br />

Olszewski 1996 zusammen mit<br />

Ehefrau Solange die Busfertigung<br />

begann, ist seitdem ein veritabler<br />

Produktionsverbund aus vier<br />

Standorten geworden. Neben Bussen<br />

entstehen dort seit 2009 auch<br />

Straßenbahnen für den polnischen<br />

und die internationalen Märkte.<br />

Seine Ursprünge hat das Unternehmen<br />

indes in Berlin, wo Olszewski<br />

für Neoplan arbeitete und<br />

Fahrzeuge der Marke nach Polen<br />

exportieren wollte. Vieles vom rührigen<br />

Geist des ehemals in Stuttgart<br />

ansässigen Busbauers lässt sich<br />

noch heute bei der Solaris-Mannschaft<br />

erspüren.<br />

Das unscheinbare Gebäude in<br />

Bolechowo, das den Firmensitz beherbergt<br />

und damit den Nukleus<br />

des Unternehmens darstellt, steht<br />

immer noch. Es wird aber seit einiger<br />

Zeit von einem beeindruckenden<br />

Neubau flankiert, der bald eine<br />

Erweiterung der Bus-Endfertigung<br />

sowie die Verwaltung beherbergen<br />

soll. Die rund zehn Millionen Euro<br />

schwere Investition soll noch in diesem<br />

Herbst seine Tore öffnen, aber<br />

erst zum Firmenjubiläum im März<br />

2<strong>01</strong>6 gebührend gefeiert werden.<br />

Die rund 7.500 Quadratmeter<br />

an neu entstandener Fläche sollen<br />

nicht zwingend in einer Kapazitätssteigerung<br />

münden (derzeit rund<br />

1.400 Fahrzeuge pro Jahr). Vielmehr<br />

will Solaris dort verstreut<br />

untergebrachte Abteilungen und<br />

Lager zentralisieren. „Es gab über<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 9/2<strong>01</strong>5


MÄRKTE | Fertigungsverbund von Solaris [ 121 ]<br />

1<br />

2<br />

1 Der Platz im Rohbau<br />

lässt sich für<br />

Gerippe mit vier<br />

Fahrzeugbreiten<br />

anpassen.<br />

2 In der neuen<br />

Hallenerweiterung<br />

findet das<br />

Finish sowie die<br />

Auslieferung<br />

neuen Platz.<br />

die Jahre doch einigen Wildwuchs<br />

auf dem Werksgelände“, erklärt<br />

Andreas Strecker, der mit seinen<br />

Vorstandskollegen ein großzügig<br />

verglastes Großraumbüro in der<br />

obersten Etage des Neubaus beziehen<br />

wird.<br />

1 Neue Methoden für den Urbino:<br />

verstärkte Anbindungspunkte.<br />

2 Die gesamte Seitenwand ist<br />

reparaturfreundlich unterteilt.<br />

3 Die Segmente werden in Schienen<br />

„skin-on-skin“ eingehängt.<br />

4 Die Türportale hat Solaris<br />

massiv verstärkt.<br />

1<br />

3<br />

Der Werksverbund berücksichtigt<br />

die Bedürfnisse und Auslastungsschwankungen<br />

der beiden Produkte<br />

Bus und Tram. Bevor die<br />

Gerippe geschweißt werden, fertigen<br />

120 Arbeiter in einer dritten<br />

Fabrik in Sroda Wielkopolska die<br />

Module für beide Fahrzeugtypen<br />

vor – auch hier mit hochmodernem<br />

Gerät wie 2-D- und 3-D-<br />

Laserschweißgeräten von Trumpf<br />

sowie einem Schweißroboter, der so<br />

schnell wie vier Arbeiter ist. Selbst<br />

die mehr als fünf Tonnen schweren<br />

Fahrgestelle für die Straßenbahnen<br />

werden hier produziert. Großen<br />

Wert legt die polnische Marke<br />

auf Qualitätssicherung. Die Nähte<br />

vieler Teile werden vierfach geprüft<br />

– bis hin zum Röntgentest.<br />

Die Endmontage der etwa 40<br />

Tonnen schweren Bahnen des Typs<br />

Tramino GT, von denen Solaris gerade<br />

mehrere Exemplare nach Leipzig<br />

verkauft hat, findet im vierten,<br />

angemieteten Werk in Junikowo bei<br />

Posen statt. Hier kommt es besonders<br />

auf die Expertise der Hochvoltelektriker<br />

und der Klebespezialisten<br />

an, die auch wechselweise in<br />

der Busproduktion eingesetzt werden.<br />

Solaris könnte sogar Busse und<br />

Trams bei Bedarf gemeinsam produzieren.<br />

Vor allem für die Elektrobusse ist<br />

diese Synergie wertvoll – auch wenn<br />

sie auf der gleichen Linie wie ihre<br />

Diesel-Kollegen gebaut werden. Der<br />

erste Urbino electric im neuen Design<br />

und mit neuer Produktionsmethode<br />

ist schon auf Band gelegt und<br />

weist deutlich in die elektrische Zukunft<br />

des Unternehmens, die gerade<br />

erst beginnt.<br />

◼<br />

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[ 122 ] MÄRKTE | Interview Solaris-Vorstand Dr. Strecker<br />

Das vollständige Interview<br />

finden Sie auf<br />

www.eurotransport.de/strecker<br />

FOTO: THORSTEN WAGNER<br />

VOLLE KONZENTRATION<br />

Interview: Dr. Andreas Strecker, der neue Vorstandsvorsitzende von Solaris Bus & Coach, hat<br />

das Aftersales-Geschäft sowie den Kundennutzen im Fokus. Das Gespräch führte Thorsten Wagner<br />

?: Welches sind die Herausforderungen, denen Sie<br />

sich bei Solaris gegenübersehen?<br />

Strecker: Das ist sicher die Aufgabe, im Tagesgeschäft<br />

die Führung zu übernehmen und den Mitarbeitern<br />

konkrete Orientierung zu geben. Hier<br />

möchte ich meinen Beitrag leisten und eine klare<br />

Priorisierung der wichtigsten Themen voranbringen.<br />

Solaris ist bei den Absatzzahlen schon<br />

immer gut gewesen, im Aftersales und bei der<br />

Ersatzteilversorgung vielleicht noch etwas verbesserungsbedürftig.<br />

Daran müssen wir an der<br />

einen oder anderen Stelle noch gezielt arbeiten.<br />

?: Was ist denn zum 20-jährigen Firmenjubiläum<br />

Anfang 2<strong>01</strong>6 geplant?<br />

Strecker: Wir werden das Jubiläum auf jeden Fall<br />

mit der Eröffnung unserer erweiterten Fabrikgebäude<br />

kombinieren. Hierfür haben wir zehn<br />

Millionen Euro in die Hand genommen. Und<br />

das weniger, um die Produktionskapazität zu<br />

erhöhen, sondern um das Werksgelände wieder<br />

besser zu strukturieren und Prozesse effizienter<br />

zu machen. Es wird auf jeden Fall größere<br />

Feierlichkeiten geben – natürlich auch für<br />

unsere Mitarbeiter.<br />

?: Welche Vertriebsthemen und Märkte stehen denn<br />

für Sie vor allem im Fokus derzeit?<br />

Strecker: Da wäre wie schon gesagt das Aftersales-Geschäft,<br />

das wir verbessern wollen, zudem<br />

können wir beim Auftragsabwicklungsprozess<br />

noch besser und vor allem schneller werden.<br />

Bei den Zielmärkten möchte ich gern in allen<br />

Ländern, in denen wir einmal historische Absatzspitzen<br />

verzeichneten, den langfristigen Absatzschnitt<br />

anheben. Allein dadurch könnten wir<br />

rund 250 Einheiten mehr als heute verkaufen.<br />

?: Wie sehen Sie die Finanzstrukturen des Unternehmens<br />

in der Zukunft? Käme zum Beispiel irgendwann<br />

eine Fusion in Frage?<br />

Strecker: Unsere Finanzierung auf Basis einer<br />

mittelständischen Bankenfinanzierung funktioniert<br />

sehr gut. Die Familie Olszewski hat die klare<br />

Absicht, das Unternehmen weiter zu halten.<br />

Für etwas anderes wäre ich auch nicht ins Unternehmen<br />

gekommen! Das sage ich ganz deutlich.<br />

Insofern ist ein Verkauf kein Thema. Wir werden<br />

zudem den Fokus auf das ÖPNV-Geschäft<br />

beibehalten und suchen daher auch keinen Partner<br />

im Reisebusmarkt. Die Firma ist komplex<br />

genug, alles andere würde nur ablenken. Wir<br />

wollen nämlich die Dinge, die wir tun, besonders<br />

gut machen.<br />

?: Womit verdienen Sie heute Geld? Nur mit dem<br />

Bus oder auch schon mit der Straßenbahn?<br />

Strecker: Solaris war profitabel in jedem einzelnen<br />

der vergangenen 19 Jahre, das habe ich genau<br />

analysiert. Momentan verdienen wir auf jeden<br />

Fall noch mehr Geld mit dem Bus. Die Tram­<br />

Aktivitäten sind noch im Aufbruchstadium.<br />

?: Welche Linie werden Sie denn in der Produktstrategie<br />

einschlagen? Haben Sie sich zum Beispiel im<br />

Bereich Hybrid nicht zu sehr verzettelt?<br />

Strecker: Gerade im Bereich Hybridbusse haben<br />

uns leider einige Komponentenhersteller<br />

im Stich gelassen. Das war definitiv keine Strategie<br />

unsererseits. Viele tolle Projekte wurden<br />

angekündigt und dann aber schnell der Stecker<br />

gezogen. Dafür konnte Solaris gar nichts. Dabei<br />

ist die Nachfrage weiterhin da. Vor allem in Polen<br />

erwarten wir hier noch einiges und wir müssen<br />

die Lücke füllen. Derzeit sprechen wir mit<br />

einem neuen Partner im Bereich Hybridbusse.<br />

Dabei kommt es natürlich sehr auf den politischen<br />

Willen an, ob dieses Thema dann wieder<br />

anzieht. Ob es letztlich in Richtung Hybrid- oder<br />

Elektroantrieb geht, das kann heute wohl niemand<br />

abschließend beantworten.<br />

?: Was ist Ihre Vision für die nächsten Jahre? 2.000<br />

Busse mit 2.000 Mitarbeitern zu bauen?<br />

Strecker: Es gibt noch viele Dinge, die wir tun<br />

müssen, um Visionen und Zahlen zu erreichen.<br />

Diese Zahlen stehen für mich nicht im Fokus<br />

derzeit. Ich mache lieber jetzt schnell die Dinge,<br />

an denen die Kunden ganz konkret sehen, dass<br />

sich etwas tut. Wir werden dieses Jahr nutzen,<br />

um die kurzfristigen, kundenrelevanten Themen<br />

anzugehen, und uns im nächsten Jahr dann um<br />

die langfristigen Ziele kümmern.<br />

◼<br />

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[ 124 ] FAHRZEUGE | Mercedes Sprinter City 65<br />

STILLE RESERVE<br />

FÜR DIE STADT<br />

Test: Der Mercedes Sprinter City 65 gilt als perfekte Ergänzung für Stadtbusflotten. Dabei zeigt<br />

der Minibus aus der Dortmunder Mercedes-Kleinbusschmiede durchaus Qualitäten.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 10/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Mercedes Sprinter City 65 [ 125 ]<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER | FOTOS: JACEK BILSKI<br />

Normalerweise wird die Stuttgarter Linie<br />

42 vom Schlossplatz zum Erwin-<br />

Schöttle-Platz mit Mercedes Citaro von<br />

12 bis 19,50 Meter Länge und zwei bis vier<br />

Achsen betrieben. Die Auslastung ist zu-<br />

meist sehr gut, doch nicht zu jeder Tages- und<br />

Wochenzeit ist es nötig, mit den größten Bussen<br />

wie dem Capa-City ins Rennen zu gehen. Oft<br />

tut es auch die „stille Reserve“ der Flotte mit<br />

bis zu 30 Plätzen und einem Rollstuhl- sowie<br />

Kinderwagenplatz. In diesem kleinen, aber<br />

doch stabilen Segment hat Mercedes mit seiner<br />

Minibus-Tochter in Dortmund, die im letzten<br />

Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum feierte, einiges<br />

zu bieten. Vorgestellt wurde die rund erneuerte<br />

Euro-6-Palette mit insgesamt 24 Modellen 2<strong>01</strong>4.<br />

„In diesem Jahr gilt es nun, Geld damit zu verdienen“,<br />

erläutert Bernd Hülsmann, Marketingleiter<br />

der Minibus-Sparte.<br />

Zum <strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong>-Test auf der Linie<br />

42 fährt die rund 7,7 Meter lange Version des<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 10/2<strong>01</strong>5


[ 126 ] FAHRZEUGE | Mercedes Sprinter City 65<br />

Technische Daten, Messwerte und Betriebskosten<br />

MOTOR<br />

Wassergekühlter Reihen-Vierzylinder-Dieselmotor (Mercedes-Benz<br />

OM 651 DE 22 LA) mit doppelter Turboaufladung mit variabler<br />

Turbinengeometrie (VTG) und Ladeluftkühlung, elektronisch<br />

gesteuerte Direkteinspritzung mit Common-Rail-System (Piezo-<br />

Injektoren) und 1.800 bar Systemdruck, SCR-System und Abgasrückführung,<br />

geschlossener Diesel-Partikel filter, Abgasstandard Euro 6.<br />

Bohrung/Hub<br />

83/99 mm<br />

Hubraum<br />

2.143 cm³<br />

Verdichtung 16,2 : 1<br />

Leistung<br />

120 kW (163 PS) bei 3.800/min<br />

Maximales Drehmoment 360 Nm bei 1.400–2.400/min<br />

KRAFTÜBERTRAGUNG<br />

Mercedes-Benz W7T700 (SA), Siebengang-Automatikgetriebe mit<br />

Wandler-Überbrückungskupplung, Joystick-Wählhebel. Einfach<br />

untersetzte Hinterachse. Achsübersetzung i = 4,364 (Serie;<br />

i = 4,7 SA); Z-Getriebe Oberaigner ULG 340 in Kardanwelle.<br />

ÜBERSETZUNGEN<br />

1. Gang 4,377 R.-Gang 3,416<br />

7. Gang 0,728<br />

FAHRWERK<br />

Vorne Einzelradaufhängung mit Dämpferbein-Vorderachse,<br />

GFK-Querblattfeder, zwei Stoßdämpfer, Stabilisator (Serie),<br />

zul. Achslast max. 2.000 kg. Hinten starre Antriebsachse, zwei<br />

Luftfederbälge, zwei Stoßdämpfer, verstärkter Drehstab-Stabilisator,<br />

zulässige Achslast 3.800 kg. Reifengröße 205/75 R 16 C auf<br />

Rädern 5,5 J x 16 H2. Luftfederung an der Hinterachse (Serie) mit<br />

elektronischer Niveauregulierung, Kneeling um 70 mm.<br />

BREMSANLAGE<br />

Hydraulische Zweikreis-Bremsanlage mit innenbelüfteten Scheibenbremsen<br />

rundum. Tandem-Bremskraftverstärker, beladungsabhängiges<br />

ESP mit integriertem ABS, ASR, elektronische Bremskraftverteilung,<br />

hydraulischer Bremsassistent löst adaptives Bremslicht<br />

aus. Telma-Retarder AE 30-35, Betätigung der Fußbremse<br />

vorgeschaltet und über Lenkstockhebel.<br />

LENKUNG<br />

Servo-Zahnstangenlenkung Thyssen-Krupp LZS 54 mit hydraulischer<br />

Unterstützung und variabler Übersetzung (3,3 Lenkrad-Umdrehungen),<br />

Lenksäule optional in Höhe und Neigung mechanisch<br />

verstellbar. Multifunktionsbedienung im Lenkrad (SA).<br />

ELEKTRIK<br />

Spannung 12 Volt, Drehstromgenerator 220 A mit elektronischem<br />

Generatormanagement, Starterbatterie 12 V/95 Ah, Zusatzbatterie<br />

12 V/95 Ah. Wartungsrechner „Assyst“ für Motor, CAN-Bus-Vernetzung<br />

und parametrierbares Sondermodul (PSM) für<br />

Omnibus elektrikumfänge.<br />

HEIZUNG/LÜFTUNG/KLIMA<br />

Dachlüfter im Heck, elektrisch betätigte Dachluke. Aufdach-Klimaanlage,<br />

Kälteleistung 8 kW (Testwagen), optional 11 kW, Konvektorenheizung<br />

mit Axiallüftern und Wärmetauscher an der Tür und im Heck.<br />

Separate Fahrerplatzklimatisierung, Kälteleistung 7 kW. Fahrerplatzheizung,<br />

Leistung 8 kW. Warmluft-Zusatzheizung elektrisch, Leistung<br />

1,8 kW, Fahrgastraum: Warmwasser-Konvektorenheizung, Leistung<br />

5 kW, optional 10 kW. Belüftung des Innenraumes über Dachlüfter<br />

und Klappfenster.<br />

MASSE UND GEWICHTE<br />

Wendekreis<br />

15.300 mm<br />

Leergewicht/Testgewicht 3.880/5.120 kg<br />

Zul. Gesamtgewicht 5.650 kg<br />

Böschungswinkel vo./hi. 26°/11°<br />

Volumen Kraftstofftank 75 L<br />

Volumen Adblue-Tank 18 L<br />

DIE MESSWERTE<br />

Etappe 1<br />

BETRIEBSKOSTEN<br />

Kaufpreis Euro 159.200<br />

Feste Kosten pro Jahr Euro – **<br />

Feste Kosten pro km Cent – **<br />

Variable Kosten pro km Cent – **<br />

Gesamtkosten pro km Cent – **<br />

Parameter für die Dekra-Betriebskostenberechnung: Haftpflicht und Kasko 100 Prozent, jährliche Laufleistung<br />

60.000 km, Nutzungsdauer 72 Monate<br />

* Volle/halbe Auslastung inkl. Fahrer<br />

** Aus technischen Gründen werden die Betriebskosten in der Ausgabe 11/2<strong>01</strong>5 nachgereicht.<br />

Wetterbedingungen: meist trocken und windstill, ca. 22° C, Klimaanlage 22° C<br />

A<br />

Etappe 2<br />

C<br />

ABMESSUNGEN<br />

A Länge/Breite<br />

7.716/1.993 mm<br />

Höhe<br />

2.900 mm<br />

B Radstand<br />

4.325 mm<br />

C Überhang vorn/hinten 1.020/2.371 mm<br />

D Stehhöhe vo./hi. 2.280/1.920 mm<br />

E Einstiegshöhe vorn 340 mm<br />

F Fußbodenhöhe vo./hi. 345/900 mm<br />

FAHRGASTPLÄTZE<br />

Sitzplätze/Stehplätze 13+1/9, 1 Rollstuhl (max. 30+1)<br />

PREIS<br />

Grundpreis/Testwagen<br />

Rundstrecke Solitude<br />

Gemischt<br />

Solitude–Stg.-Schlossplatz<br />

Landstraße, Stadtverkehr leicht<br />

Etappe 3 SSB-Linie 42<br />

Stg.-Schlossplatz–Erwin-Schöttle-Pl.<br />

Stadtverkehr schwer (SORT 1)<br />

Etappe 4 SSB-Linie 42<br />

Erwin-Schöttle-Pl.–Schlossplatz<br />

Stadtverkehr schwer (SORT 1)<br />

Etappe 5 Stg.-Schlossplatz–Schattenring–<br />

Solitude<br />

Stadtverkehr schwer, Überland<br />

Gesamte Strecke<br />

D<br />

125.500/159.200 Euro<br />

A<br />

B<br />

F<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

CO 2 /g /Personen-km*<br />

Verbrauch Adblue<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

E<br />

12,0<br />

12,7<br />

60,9<br />

23,2<br />

18,5<br />

41,8<br />

11,0<br />

30,2<br />

26,7<br />

10,4<br />

31,34<br />

24,9<br />

13,3<br />

20,5<br />

45,7<br />

69,9<br />

21,6<br />

21,0/40,6<br />

ca. 1,1 l<br />

37,4<br />

INNENGERÄUSCHE<br />

vorn Mitte hinten<br />

60/80 km/h, dB(A) 64,5/67,5 –/– 65,0/68<br />

D<br />

WERTUNG<br />

Attraktives und hochwertiges Design,<br />

busspezifischer Aufbau, komfortables<br />

Fahrwerk, vollwertige Stadtbusausstattung<br />

und praktische Detaillösungen, sparsamer<br />

Verbrauch, ausreichend starker Motor und<br />

effizientes Siebengang-Getriebe.<br />

Geringe Zuladung, fehlende Assistenzsysteme<br />

aus dem Kastenwagen, relativ hoher Preis,<br />

kein Start-Stopp-System erhältlich,<br />

Zielschildkasten ragt weit nach unten, keine<br />

elektrischen CADS-Türen verfügbar.<br />

C<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 10/2<strong>01</strong>5


1<br />

City 65 vor, die mit dem kurzen Serienradstand<br />

des Kastenwagens für einen kleinen Wendekreis<br />

von knapp über 15 Metern sorgt. Dank des<br />

eigens konstruierten Busaufbaus bietet der Wagen<br />

rund zehn Zentimeter mehr Innenbreite als<br />

der City 45 und tief heruntergezogene Panorama-Seitenscheiben.<br />

Statt der großen Front-Panoramascheibe<br />

wie in der Travel-Version (siehe<br />

Heft 10/2<strong>01</strong>4) kommt hier die Version mit Zielschildkasten<br />

und LED-Matrix-Anzeige zum Einsatz.<br />

Die Sicht- und Platzverhältnisse im modernen<br />

Cockpit sind beinahe perfekt, auch die<br />

Durchsicht zwischen rechter Tür und Seitenspiegel<br />

ist konstruktiv sehr gut gelöst. Der große<br />

Zubehörkasten neben dem Fahrer bietet Platz<br />

für eine Tasche sowie die Technik für das rechnergesteuerte<br />

Betriebsleitsystem, es gibt ihn aber<br />

auch in einer etwas kleineren Ausführung.<br />

Der helle und freundliche Innenraum erinnert<br />

an das Ambiente von Citaro und Co. Das<br />

fängt schon bei der 1,25 Meter breiten, doppelflügeligen<br />

Tür an. Leider gibt es für den Sprin-<br />

2<br />

1 Der Zielschildkasten<br />

ragt weit nach<br />

unten, die Sicht ist<br />

trotzdem sehr gut.<br />

2 Ablagen sind in<br />

ausreichender<br />

Anzahl vorhanden,<br />

aber leider kein<br />

Becherhalter.<br />

3 Mit sieben Gängen<br />

überzeugt das neue<br />

7G-Tronic-Getriebe<br />

voll und ganz.<br />

3<br />

1<br />

2<br />

1 Im hochwertigen<br />

Innenraum mit enormer<br />

Stehhöhe und großem<br />

Niederflurbereich<br />

erinnern viele Ausstattungsdetails<br />

an die<br />

großen Citaro-Brüder.<br />

2 Die breite Tür sorgt für<br />

schnellen Fahrgastfluss,<br />

sie könnte aber etwas<br />

schneller öffnen und<br />

schließen. Die<br />

Klapprampe ist Serie.<br />

ter 65 keine elektrischen CADS-Türen, die etwas<br />

schneller öffnen als die im Testwagen verbauten.<br />

Die sich dahinter anschließende Niederflurfläche<br />

von 3,6 Quadratmetern bietet im Testwagen<br />

Platz für einen Rollstuhlplatz mit drei Klappsitzen<br />

sowie einen Kinderwagenplatz.<br />

Das Kneeling um rund sieben Zentimeter<br />

und eine manuelle Klapprampe sorgen<br />

für beste Bedingungen beim Einsteigen.<br />

Auf der erhöhten hinteren Fläche – hier beträgt<br />

die Stehhöhe noch 1,92, vorne 2,28 Meter<br />

– sind im Testwagen 13 Sitze des Typs<br />

„City Star Eco“ mit einer Breite von 420 oder<br />

440 Zentimetern verbaut. Durch den Wegfall<br />

der hinteren Tür gibt sich der Innenraum aufgeräumt<br />

und übersichtlich. Ein hochwertiger<br />

Holzimitat-Fußboden und eine aufwendige<br />

Heizung sowie Klimatisierung komplettieren<br />

das Wohlfühlambiente.<br />

Zum angenehmen Transfer trägt ebenso das aufwendige<br />

Fahrwerk mit serienmäßiger Luftfederung<br />

an der Hinterachse und verstärken Stabilisatoren<br />

vorne und hinten bei. Das Fahrzeug<br />

federt gut, auch die Vorderachse mit ihrer Querblattfeder<br />

ist ausreichend stramm gedämpft –<br />

ein Aufschaukeln ist selten zu verzeichnen. Die<br />

Kombination aus drehmomentstarkem Vierzylinder-Diesel<br />

mit 163 PS, zwei Turboladern<br />

mit variabler Geometrie und Zwei-Massen-<br />

Schwungrad sowie dem neuen 7G-Tronic-Plus-<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 10/2<strong>01</strong>5


[ 128 ] FAHRZEUGE | Mercedes Sprinter City 65<br />

2<br />

1 Dank der tief heruntergezogenen Panoramascheiben<br />

und der neuen Sprinter-Nase<br />

wird aus dem Bus ein Hingucker. Die Aufdach-Klimaanlage<br />

leistet 8 oder 11 kW.<br />

2 Integrales Busheck aus GFK und Rückleuchten<br />

vom Citaro: So wird aus dem<br />

Kleinbus für maximal 30 Personen ein echter<br />

Mercedes-Stadtbus mit Charakter.<br />

die antiquierte, da energievernichtende Telma-<br />

Wirbelstrombremse lässt es beim Verzögern<br />

merklich durch die Gänge rucken.<br />

Beim Thema Geräusche hält sich der Mercedes<br />

angenehm zurück, der Luftkompressor<br />

ist rechts vor der Tür montiert und zeigt gute<br />

Manieren. Sehen lassen kann sich auch der<br />

Verbrauch des Mercedes Sprinter City 65. Mit<br />

21,6 Litern auf der gesamten Strecke rangiert er<br />

genau bei den von Daimler angegebenen SORT-<br />

Werten, die sich gegenüber Euro 5 um bis zu<br />

3,7 Prozent verbessert haben sollen. Der CO 2<br />

-<br />

Wert pro Fahrgast liegt mit 21 Gramm bei voller<br />

Auslastung in etwa auf dem Niveau eines<br />

halb besetzten Gelenkbusses, eine gute Voraussetzung<br />

beim Kosten-Nutzen-Vergleich.<br />

1<br />

Getriebe gibt sich auch im Stadtbus keinerlei<br />

Blöße, auch wenn die Sämigkeit des Sechszylinders<br />

nicht erreicht wird. Die Spreizung der<br />

Gänge ist auch im anspruchsvollen Stadtverkehr<br />

ausreichend, eine Haltestellenbremse nebst<br />

Anfahrhilfe vereinfacht die Abläufe. Lediglich<br />

Von den Segnungen der modernen Assistenzsyteme<br />

des Kastenwagens kann der Sprinter 65<br />

vorerst leider nicht profitieren, immerhin passt<br />

sich aber das ESP der Beladung an. Denn auch<br />

ein Kleinbus muss seine Fahrgäste jederzeit<br />

sicher bewegen.<br />

◼<br />

1 Der neue Euro-6-Motor gibt sich leiser als<br />

sein Vorgänger und ist obendrein sparsam.<br />

2 Gut geschützt im Niederflur-Triebstrang ist<br />

die Telma-Bremse, die immer noch Energie<br />

vernichtet, statt sie zu erzeugen.<br />

1<br />

2<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 10/2<strong>01</strong>5


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[ 130 ] FAHRZEUGE | VDL Doppeldecker FDD2<br />

HÖHERE MATHEMATIK<br />

Vorstellung: Mit dem Doppeldecker FDD2 der Futura-Familie schickt VDL einen spannenden<br />

Vertreter dieses Genres in einen hart umkämpften Markt. Aufgepasst Wettbewerber!<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER<br />

FOTOS: THORSTEN WAGNER, VDL<br />

Es ist noch nicht so lange her,<br />

da sah es so aus, als wenn es<br />

nicht mehr allzu lange Doppeldecker<br />

in Europa geben werde.<br />

Zu klein wurden die Reisegruppen,<br />

zu selten ging es ins ferne Ausland,<br />

zu herausfordernd schienen die gesetzlichen<br />

Anforderungen. 2<strong>01</strong>0 erreichte<br />

das über Jahre hinweg stabile<br />

Segment einen Tiefpunkt mit 171<br />

verkauften Bussen. Mit der Freigabe<br />

der nationalen Fernlinien in<br />

Deutschland stellt sich die Situation<br />

inzwischen gänzlich anders dar.<br />

Das Jahr 2<strong>01</strong>4 wurde mit einem<br />

Allzeithoch von 343 neu zugelassenen<br />

Doppeldeckern be-<br />

endet, bei einem Marktanteil in<br />

Westeuropa von rund 57 Prozent<br />

für Setra, während Neoplan leer<br />

ausging. Den Verantwortlichen<br />

beider Marken dürfte dies die<br />

Tränen in die Augen treiben – wenn<br />

auch aus verschiedenen Gründen.<br />

Van Hool und VDL rangierten<br />

bis vor Jahren noch unter „ferner<br />

liefen“, obwohl VDL-Marken wie<br />

Berkhoff und Jonckheere schon<br />

seit 1985 rund 850 Doppeldecker<br />

gebaut haben. Um den derzeitigen<br />

Marktanteil von rund neun<br />

Prozent für VDL auf 20 oder gar<br />

30 Prozent auszubauen, sei es jetzt<br />

höchste Zeit gewesen, den in die<br />

Jahre gekommenen Synergy zu ersetzen,<br />

sagt Pieter Gerdingh, Manager<br />

Sales Support & Product<br />

Management bei VDL während<br />

der Vorstellung des Busses. Was<br />

lag also näher, als den Synergy<br />

auf neue Räder zu stellen, und ihn<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 10/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | VDL Doppeldecker FDD2 [ 131 ]<br />

optisch der 2<strong>01</strong>0 gestarteten neuen<br />

Futura-Baureihe anzupassen?<br />

Fahrwerk und Triebstrang des<br />

Wagens, der auf der Busworld<br />

in Kortrijk seine Premiere feiern<br />

wird und ab dem ersten Quartal<br />

2<strong>01</strong>6 ausgeliefert werden soll, basieren<br />

technisch weiterhin auf dem<br />

Vorgänger. Was bei den verwendeten<br />

Zutaten – potenter DAF-Motor<br />

mit 510 PS und satten 2.500 Newtonmeter,<br />

ZF-Achsen rundum (die<br />

Nachlaufachse ist aber weiterhin<br />

zwangsgelenkt) sowie zwei verfügbare<br />

Fahrzeuglängen – durchaus<br />

kein Fehler ist.<br />

Die Qual der Längen-Wahl bietet<br />

derzeit sonst nur noch Van Hool.<br />

Ein um beinahe drei Meter kleinerer<br />

Wendekreis von 21,45 Meter beim<br />

kurzen FDD2-130 gegenüber seinem<br />

langen Bruder lässt die entfallende<br />

doppelte Sitzreihe je nach Einsatz<br />

durchaus verkraften. Der erwartbare<br />

Preisunterschied fällt dabei aber<br />

mit rund 6.000 Euro relativ gering<br />

aus, auch wenn sich VDL über den<br />

Gesamtpreis noch ausschweigt.<br />

Bei Design und Innenraumgestaltung<br />

ist kaum etwas beim Alten<br />

geblieben. Das „zurückhaltende<br />

nordeuropäische Design“, wie es<br />

Rik de Reuver, Geschäftsführer des<br />

Design-Büros Van der Veer bezeichnet<br />

(siehe Interview), richtet sich<br />

weitestgehend an dem seit 2<strong>01</strong>2<br />

angebotenen Hochdecker FHD2<br />

und dem seit 2<strong>01</strong>4 vertriebenen<br />

Mitteldeckern FMD2 aus. Wo es<br />

ging, verwendeten die Konstrukteure<br />

denn auch Gleichteile, so bei<br />

Seitenscheiben, Heckschürze und<br />

Scheinwerfern. Letztere tragen<br />

zur Familienähnlichkeit bei, wirken<br />

aber für die schmale Bugmaske<br />

etwas klobig.<br />

Spannend ist die modellierte<br />

Stirn über der oberen Frontscheibe:<br />

eine Metallapplikation ziert<br />

die markentypische, dreidimensionale<br />

Ausbuchtung, auf Wunsch<br />

wird sie von so genannten Skylights<br />

– skandinavisch inspirierten<br />

Zusatzscheinwerfern – flankiert.<br />

Auf sonstige, gewagte Spielereien<br />

zur optischen Verschmelzung von<br />

Ober- und Unterdeck etwa verzichten<br />

die Designer bewusst: „No drama<br />

please“ lautet das Motto des<br />

Meisters. Gänzlich undramatisch<br />

ist auch die schnurgerade B-Säule.<br />

Richtig spannend wird es im<br />

Innenraum des Großraum-Busses,<br />

dem VDL ein komplett neues<br />

Packaging verpasst hat. Die<br />

Kapazitäten wurden leicht erhöht,<br />

auf maximal 84 oder 96<br />

Personen, dies allerdings ohne Küche<br />

oder Toilette sowie höheren<br />

Sterneanspruch. Dazu passend<br />

wurde der Kofferraum um einen<br />

Kubikmeter auf 9,3 Kubik erweitert<br />

und von Einbauten befreit. Ein seitliches<br />

Unterflurstaufach steht immer<br />

zur Verfügung, beim Verzicht<br />

Bärenstarker DAF-MX13-Motor mit 510 PS in Euro-6-Qualität im Heck.<br />

2<br />

1 Modularität ist Trumpf: Die<br />

untere Hälfte der Heckverkleidung<br />

besteht aus baugleichen Teilen<br />

des Hochdeckers FHD2.<br />

2 Einladendes Ambiente: Nicht<br />

rekordverdächtig, aber doch um<br />

einen Kubikmeter gewachsen<br />

zeigt sich der geglättete<br />

Kofferraum.<br />

3 Der Trick mit dem Knick: Durch<br />

den um 25 Grad nach oben<br />

angewinkelten Zwischenboden<br />

hat der Fahrer perfekte Sicht<br />

auf die hoch angebrachten<br />

Spiegel und Ampeln.<br />

1<br />

3


Der rechte Teil des modernen Cockpits ist etwas abgesenkt und wurde neu gestaltet. Die Fußablage für den Begleiter ist etwas knapp geraten.<br />

Technische Daten<br />

Futura FDD2-130<br />

FAHRWERK<br />

Vorne Einzelradaufhängung ZF RL82 EC (max. Radeinschlag innen 52 Grad), Antriebsachse<br />

ZF A132, i = 2,93 (Serie), Nachlaufachse ZF RL82 EC adhäsionsgelenkt;<br />

SICHERHEIT<br />

Serie: Antiblockiersystem ABS/ASR; elektronsiche Stabilitätskontrolle ESP; Bremsassistent<br />

BA; Spurassistent (LDWS); Notbremsassistent (AEBS);<br />

Option: Abstandsgeregelter Tempomat ACC; Xenonscheinwerfer und Abbiegelicht;<br />

Zusatzscheinwerfer im Oberdeck; Aufkerksamkeitsassistent (ab 2<strong>01</strong>6)<br />

KLIMAANLAGE<br />

Eberspächer/Sütrak, Kühlleistung 44,6 kW,<br />

drei Verdampfer, Frontbox mit Klimatisierung,<br />

Futura FDD2-141<br />

MOTOR<br />

Reihensechszylinder Dieselmotor DAF/PACCAR MX13-375 mit Common-Rail-Einspritzung,<br />

VTG-Turbolader, AGR/SCR/DPF-Abgasreinigung, Abgasstandard Euro 6; automatisiertes<br />

12-Gang Schaltgetriebe ZF 12AS27<strong>01</strong>BO mit Anfahrhilfe und Rangiermodus<br />

Hubraum<br />

12,9 l<br />

Leistung<br />

375 kW (510 PS) bei 1.425-1.750 U/min.<br />

Drehmoment<br />

2.500 Nm bei 1.000-1.425 U/min<br />

ABMESSUNGEN UND GEWICHTE<br />

Länge/Breite/Höhe 13.085/2.550/4.000 mm 14.145/2.550/4.000 mm<br />

Radstand 1/2 6.195/1.500 mm 7.255/1.500 mm<br />

Wendekreis 21.450 mm 24.300 mm<br />

Überhang vorn/hinten<br />

2.280 / 3.110mm<br />

Stehhöhe unten/oben<br />

1.855 / 1.724 mm<br />

Gepäckraumvolumen<br />

9,3 m 3 (ohne Fahrerliege, inkl. Unterflur-Staufach)<br />

Tankvolumen Diesel/AdBlue 445 l (Serie), 205 l+250 l (Option)/90 l<br />

Zul. Gesamtgewicht<br />

26.000 kg<br />

FAHRGASTPLÄTZE<br />

Sitz-/Rollstuhlplätze max. 84+1+1/2 max. 96+1+1/2<br />

(ohne Küche/Toilette)<br />

(8 Sitze entfallen bei 2 Rollstuhlplätzen)<br />

auf die Zusatztanks mit 455 Liter<br />

sogar drei davon. Die bei VDL<br />

schon zum Markenzeichen avancierte<br />

Leichtbauweise aus Sandwichpanelen<br />

für das Dach und hier<br />

erstmals auch für den Zwischenboden<br />

spart nicht nur rund 280 Kilo<br />

am Fahrzeug, sondern ermöglicht<br />

auch die für einen Doppeldecker<br />

üppige Stehhöhe von mehr als 1,85<br />

Meter im Unterdeck – das schafft<br />

derzeit kein Mitbewerber. Oben ist<br />

sie zwar gegenüber dem Synergy<br />

um einen Zentimeter auf 1,72 Meter<br />

geschrumpft, was aber immer<br />

noch bis zu vier Zentimeter mehr<br />

ist als bei anderen Modellen. Trotz<br />

mangelnder Absenkung des Gangs<br />

bei der hinteren Treppe lässt sich<br />

der VDL also mit Fug und Recht<br />

als Stehhöhenwunder bezeichnen.<br />

Wundern wird sich auch der Fahrer,<br />

wenn er erstmal Platz genommen<br />

hat und die hervorragende Sicht bemerkt.<br />

Was ist passiert? VDL hat<br />

die von Neoplan bereits lange angewendete<br />

Idee der vorne ansteigenden<br />

Mitteldecke stringent weitergedacht<br />

und den Knick-Winkel<br />

auf rund 25 Grad erhöht. Der Effekt:<br />

Die mit einer Durchgangshöhe<br />

von über zwei Metern angebrachten<br />

Außenspiegel von Mekra<br />

sind genauso gut einsehbar wie<br />

auch Ampeln – und das ohne die<br />

für Doppeldecker bisher typische<br />

Verneigung des Fahrers. Eine gute<br />

Idee geschickt perfektioniert.<br />

Perfektioniert zeigt sich auch das<br />

Cockpit, das weitgehend dem der<br />

Hochdecker FHD und FMD entspricht.<br />

Aufwendig haben Designer<br />

und Techniker die Position<br />

von Fahrersitz zu Armaturenträger<br />

verbessert. Was dabei herauskam<br />

kann man getrost als Benchmark<br />

bezeichnen. Selten fühlt<br />

man sich hinter dem Steuer eines<br />

Doppeldeckers so schnell zu Hause.<br />

Dabei gibt es viele praktische<br />

Ablagen inklusive eines ausziehbaren<br />

Tablet-Halters für den Begleiter.<br />

Das Bedienfeld unterhalb<br />

des Seitenfensters ist aufgeräumt<br />

und beherbergt eine neue Klimasteuerung,<br />

die intuitiv zu bedienen<br />

ist. Gleiches gilt für die nach Prioritäten<br />

gruppierten Bedienelemente<br />

und das Multifunktionslenkrad.<br />

Bewusst wie ein Armaturenbrett<br />

ist auch der Abschluss vor der oberen<br />

ersten Reihe gehalten. Für mehr<br />

Sicherheit ist die vordere Brüstung<br />

gegenüber dem Synergy etwas<br />

nach oben gezogen, ein Mißbrauch<br />

als Fußablage erübrigt sich so. Die<br />

Frontscheibe wirkt jedoch dadurch<br />

deutlich kleiner als beispielsweise<br />

im Neoplan Skyliner, die Aussicht<br />

entspricht nicht ganz dem Panoramaformat<br />

dieses Busses.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 10/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | VDL Doppeldecker FDD2 [ 133 ]<br />

1<br />

Rik de Reuver, Designer und Eigner Büro<br />

Van de Veer Designers über den neuen FDD2<br />

2<br />

1 Die Fensterbrüstung unter der schmalen Frontscheibe wurde erhöht,<br />

der angewinkelte Boden eignet sich hervorragend als Fußablage.<br />

2 Im Oberdeck herrscht gediegene Atmosphäre. Die Stehhöhe ist mit<br />

1.724 Millimeter nicht ganz so üppig wie unten, stellt aber immer<br />

noch einen Klassenbestwert im Wettbewerb dar.<br />

3 Edle Materialien, besonders helles Ambiente und abgerundete Kanten<br />

erinnern ein wenig an eine Luxusyacht. Typisch Doppeldecker:<br />

Reserveradmulde im Gang und knappe Gepäckfächer unten.<br />

3<br />

?: Was genau verstehen Sie unter dem „nordeuropäischen Design”,<br />

das sie beim FDD2 angewendet haben?<br />

De Reuver: Diese Art von Designsprache ist eher zurückgenommen<br />

als übermäßig dramatisierend, wie es zum Beispiel in Italien<br />

und Spanien oft der Fall ist. Es ist nicht nur modisch, sondern<br />

eher zeitgemäß und zeugt von hoher Qualität. Dabei geht es nicht<br />

um ‚l’art pour l’art‘. Sondern das Design ist durch Funktionalität<br />

gekennzeichnet. Wenn die Funktionalität, die Qualität und die<br />

Materialien stimmen, dann ist es ein gutes Design.<br />

?: Was war die besondere Herausforderung, dieses große Fahrzeug an die<br />

VDL-Markensprache anzupassen?<br />

De Reuver: Mein Büro hat das Exterieur sowie das untere Stockwerk<br />

entworfen. Das Oberdeck stimmt fast mit dem Hochdecker FHD<br />

überein, außer dem Dashbord-artigen Abschluss in der ersten Reihe,<br />

das vom Büro „Hegge ID“ gestaltet wurde. Der Abschluss wurde<br />

besonders hoch gezogen, um ein gesteigertes Sicherheitsgefühl<br />

zu erreichen. Außerdem ist es uns besonders wichtig gewesen, im<br />

Unterdeck eine ganzheitliche Architektur zu schaffen. Das war nicht<br />

einfach, aber es ist uns gelungen. Das finde ich großartig.<br />

?: Worauf sind Sie besonders stolz bei dem Fahrzeug?<br />

De Reuver: Dass alles einfach wie aus einem Guss geworden ist. Ich<br />

habe es bisher noch bei keinem Fahrzeug einer anderen Marke so<br />

deutlich gesehen, dass alle Interieur-Bauteile von der Küchenzeile<br />

und den Treppen bis hin zum Elektrokasten so gut aufeinander<br />

abgestimmt sind.<br />

Anzeige<br />

Bleibt ein wichtiger Punkt, der<br />

zu einem echten Highlight des Wagens<br />

zählt: die Interieurgestaltung.<br />

Statt sich vorwiegend an „automotiver<br />

Dramatik“ zu orientieren,<br />

so Rik de Reuver, habe man sich<br />

mehr „von Yachten und hochwertigen<br />

Möbeln“ inspirieren lassen.<br />

Helle, einheitliche Farben, abgerundete<br />

Kanten und eine für einen<br />

frühen Prototypen fast makellose<br />

Verarbeitung lassen erahnen, was<br />

hinter diesem Konzept steckt. Die<br />

serienmäßig vor der Hinterachse<br />

montierte Küchen-/Toiletteneinheit<br />

ist nach Leichtbau-Prinzipien<br />

gefertigt und erfreulich kompakt.<br />

In Sachen Sicherheits- und Assistenzsysteme<br />

hat VDL nicht zuletzt<br />

aufgrund der Gesetzgebung<br />

massiv gegenüber den bisherigen<br />

Platzhirschen aufgeholt: neben<br />

Abstandsradar, Notbremsassistent<br />

und Spurassistent soll 2<strong>01</strong>6 auch<br />

Aufmerksamkeitsassistent und prädiktive<br />

Getriebesteuerung lieferbar<br />

sein. Da könnte die Mathematik<br />

des Doppeldecker-Marktes wohl<br />

kräftig durcheinander gewirbelt<br />

werden in den nächsten Jahren. ◼<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 10/2<strong>01</strong>5


[ 134 ] MÄRKTE | Daimler Buses in Indien<br />

INDISCHE WIEDERGEBURT<br />

Bus-Produktion: Daimler Buses startet in Indien mit neuen Modellen und einer Erweiterung<br />

des Lkw-Werks Chennai einen zweiten Versuch. Im Fokus steht der darbende Premiummarkt.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER<br />

FOTOS: THORSTEN WAGNER, DAIMLER<br />

Markus Villinger, Geschäftsführer<br />

von Daimler India<br />

Commercial Vehicles<br />

(DICV) hat sich viel vorgenommen.<br />

Bei der Eröffnung des Buswerks<br />

im südostindischen Chennai<br />

(früher Madras) meinte er: „Einer<br />

muss ja mal anfangen, den europäischen<br />

Gedanken von komfortablen<br />

und modernen Bussen auch in<br />

Indien umzusetzen“. Bisher sei es<br />

den Platzhirschen wie Tata Motors<br />

oder Ashok Leyland leichtgefallen,<br />

mit spartanisch ausgestatteten<br />

Frontmotor- und Hochbodenbussen<br />

„sich es in einer komfortablen<br />

ökonomischen Situation bequem zu<br />

machen.“<br />

In diesen Massenmarkt, der<br />

rund 88 Prozent des Gesamtmarktes<br />

ausmacht, wolle man mit der<br />

eigenen, hochwertigen Technologien<br />

aber nicht einsteigen. „Unser<br />

Ziel ist es, in den modernen Markt<br />

und vor allem ins Premiumsegment<br />

reinzukommen, denen wir die<br />

größten Zuwachsraten zutrauen,“<br />

sagt Villinger, der schon 2<strong>01</strong>2 den<br />

ersten Anlauf von Daimler Buses<br />

in Indien mit einer CkD-Produktion<br />

in Pune mit dem Partner MCV<br />

begleitet hat. Damals hatte man<br />

auf importierten Mercedes-Chassis<br />

Stadtbusse und Reisebusse gebaut<br />

– die Geschäftsidee funktionierte<br />

aber wohl wegen der hohen<br />

Kosten nicht. „Jetzt haben wir das<br />

richtige Konzept, das nicht mehr<br />

auf Import und CkD-Fertigung aufbaut,“<br />

ergänzt Hartmut Schick, Leiter<br />

von Daimler Buses.<br />

Noch werden für die dreiachsigen<br />

Reisebusse OC 500 Chassis aus<br />

dem größten Mercedes-Produktionswerk<br />

für Fahrgestelle in Brasilien<br />

angeliefert, aber das soll sich<br />

schnell ändern und die Teile überwiegend<br />

aus Indien kommen.„Lokalisieren“<br />

nennen das die Produktionsexperten.<br />

Die Buschassis<br />

werden sogar KTL-getaucht, was<br />

in dieser Region keine Selbstverständlichkeit<br />

ist.<br />

Warum Daimler in Indien ausgerechnet<br />

den derzeit fast nicht existenten<br />

Reisebusmarkt – dem man<br />

aber langfristig bis zu 1.000 Einheiten<br />

zutraut – in den Fokus nimmt,<br />

wird klarer, wenn man bedenkt,<br />

Der zehn Meter lange Schulbus befördert mit 140 PS rund 50 Fahrgäste.<br />

Auch im Semi-Premiumsegment ist 2+1-Bestuhlung keine Seltenheit.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 10/2<strong>01</strong>5


MÄRKTE | Daimler Buses in Indien [ 135 ]<br />

dass der Stadtbusmarkt massiv<br />

staatlich reglementiert ist. „Nach<br />

den ethischen und sonstigen Compliance-Forderungen<br />

des globalen<br />

Daimler-Konzerns stellt sich dieses<br />

Geschäft nicht einfach dar,“ drückt<br />

es Markus Villinger vorsichtig aus.<br />

Trotzdem behalte man es auf der<br />

strategischen Landkarte, ohne vorzupreschen.<br />

Mit zu verdanken hat Daimler den<br />

Neustart in Indien der Dynamik<br />

eines Politikers, der bei der Eröffnung<br />

des Bus-Werks seit etwa einem<br />

Jahr an der Regierung war:<br />

Ministerpräsident Narendra Modi,<br />

den man bei Daimler India als „sehr<br />

wirtschaftsfreundlich“ und gegenüber<br />

dem Ausland als „offen“ beschreibt.<br />

Er habe vieles angepackt<br />

und auf den Weg gebracht, was zuvor<br />

in der verzweigten und zur Lethargie<br />

neigenden, indischen Administration<br />

untergegangen sei. Bei<br />

seinem Antritt 2<strong>01</strong>4 als 15. Premier<br />

Indiens seit der Unabhängigkeit im<br />

Jahr 1947 wandelte sich die Stimmung<br />

in der Wirtschaft dann auch<br />

ins Positive. 2<strong>01</strong>5 wird ein Wirtschaftswachstum<br />

von 7,5 Prozent,<br />

2<strong>01</strong>6 sogar von 8,5 Prozent erwartet.<br />

Die Verkehrsverbindungen, vor<br />

allem solche auf dem Land, sollen<br />

schrittweise verdoppelt werden.<br />

Auch der Busmarkt (Grafik<br />

Seite 70) soll sich vom derzeitigen<br />

„All-Time-Low“ bis zum Jahr 2020<br />

mehr als verdoppeln. Zum 150.<br />

Geburtstag Mahatma Ghandis im<br />

Jahr 2<strong>01</strong>9 sollen einhundert „Smart<br />

Cities“ entstehen, die auch an die<br />

Straßeninfrastruktur angebunden<br />

sein müssen.<br />

Modi fördert das Daimler-Werk<br />

in Chennai, das nun mit einer Investition<br />

von 50 Millionen Euro für<br />

die Busproduktion erweitert wurde.<br />

Daimler-Vorstand Wolfgang<br />

Bernhard sagt dazu: „Wir haben<br />

ein komplettes Paket verhandelt,<br />

von dem wir auf Jahre hinaus profitieren.“<br />

Dafür soll das Werk sogar<br />

ausfallsicher mit Strom beliefert<br />

werden, keine Kleinigkeit in Indien.<br />

Der durfte wiederum nicht für<br />

Hartmut Schick,<br />

Leiter Daimler Buses:<br />

„Viele Hersteller haben versucht,<br />

in den indischen Premiummarkt vorzudringen, aber nur wenige<br />

haben es tatsächlich geschafft. Wir sehen uns mit unserem neuen Produktionskonzept<br />

und den neuen Modellen dafür bestens aufgestellt.“<br />

die dringend notwendige Klimatisierung<br />

auf der Eröffnungsveranstaltung<br />

genutzt werden: man<br />

improvisierte daher mit 15 Generator-Trucks,<br />

ohrenbetäubender Lärm<br />

inklusive. Hauptsache compliant.<br />

Seit 2<strong>01</strong>2 wurden bereits über 20.000<br />

Lkw der Marke Bharat-Benz produziert.<br />

Als stärkster Truck auf<br />

dem Subkontinent feierte der neue<br />

Schwer-Lkw 3143 sein indisches<br />

Debüt. Als robustes Minenfahrzeug<br />

soll er rund 2.000 Mal im Jahr verkauft<br />

werden. Das neue Bus-Werk<br />

in unmittelbarer Nähe der Lkw-<br />

Produktion umfasst rund 113.000<br />

Quadratmeter Fläche und hat eine<br />

Kapazität von 1.500 Fahrzeugen im<br />

Jahr, die auf bis zu 4.000 Einheiten<br />

ausgebaut werden kann.<br />

Bei der Produktion des Aufbaus<br />

vertraut Daimler aber nicht mehr<br />

auf den ägyptischen Hersteller<br />

MCV wie bisher, sondern auf den<br />

nordirischen Aufbauer Wright-Bus,<br />

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Das Bus-Programm von Mercedes in Indien<br />

Der ganze Stolz von Daimler India zur Werkseröffnung ist der neue Mercedes-Reisebus,<br />

der vorerst ausschließlich als 14,95 Meter langer Dreiachser<br />

geliefert werden soll und auf dem OC 500-Chassis baut. Der Aufbau<br />

von Wright-Bus aus geschraubten Aluminium-Profilen spart laut CEO Mark<br />

Nodder rund 800 Kilogramm gegenüber einem konventionellen Stahlgerippe.<br />

Die Mitarbeiter der 80 Servicestützpunkte seien bereits auf das<br />

neue Material geschult.<br />

Selten für Indien ist die Ausrüstung mit Scheibenbremsen rundum sowie<br />

ESP. Die serienmäßige Starrachse vorne ist laut Daimler optimal für<br />

die indischen Verhältnisse geeignet. Zu den sechs angebotenen Sitzlayouts<br />

mit bis zu 57 Sitzen vom indischen Hersteller Harita gehört<br />

auch die oft gewählte Konfiguration mit den vorderen fünf Reihen in<br />

2+1-Ausführung als „Erste Klasse“.<br />

Den Antrieb des Reisebusses übernimmt der Sechszylinder OM457 LA<br />

mit 354 PS, der die dortige Bharat- Stage-III-Abgasnorm erfüllt. Ihre<br />

Grenzwerte, die national seit 2<strong>01</strong>0 gelten, entsprechen etwa Euro 3.<br />

Die Schul-, Touristen- und Crewbusse im Neun-Tonnen-Segment bauen<br />

weitgehend auf Lkw-Chassis auf. Die ersten Busse werden noch 2<strong>01</strong>5<br />

auf den Markt kommen, für 2<strong>01</strong>6 sind bereits weitere Modelle im Segment<br />

über 16 Tonnen angekündigt.<br />

die<br />

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24. – 27. September 2<strong>01</strong>5<br />

messe karlsruhe<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 10/2<strong>01</strong>5


[ 136 ] MÄRKTE | Daimler Buses in Indien<br />

der schon seit 1980 in einem patentierten<br />

„Aluminium-Schraubverfahren“<br />

Busse aller Art produziert.<br />

Noch zu Beginn des Jahres hatte<br />

Daimler India 150 Frontmotorchassis<br />

nach Ägypten an den bisherigen<br />

Partner MCV geliefert.<br />

1 Das neue Buswerk in<br />

Chennai wurde auf<br />

einem Gelände von<br />

160 Hektar errichtet.<br />

2 Der nordirische<br />

Partner Wright-Bus<br />

produziert in separaten<br />

Hallen seine<br />

Aluminium-Aufbauten<br />

für die neuen Daimler-<br />

Busmodelle.<br />

Künftig wird Wright-Bus neben den<br />

300 Mercedes-Arbeitern für die<br />

Chassisproduktion im Endausbau<br />

rund 1.000 Mitarbeiter im neuen<br />

Werk beschäftigen. Ergänzend<br />

zum Mercedes-Reisebus SHD mit<br />

imposant gestalteter, dreidimensionaler<br />

Frontpartie und serienmäßigem<br />

ESP sollen auch preiswerte<br />

Bharat-Benz-Frontmotorbusse bis<br />

neun Tonnen für Schüler- und Touristenverkehre<br />

gebaut werden (siehe<br />

Kasten Seite 69).<br />

Damit ist Chennai das einzige<br />

Daimler-Werk weltweit, in dem<br />

Produkte für drei Marken produziert<br />

werden: Mercedes, Bharat-<br />

Benz und Fuso, wobei Mercedes<br />

hier ausnahmsweise die Rolle der<br />

Junior-Marke übernimmt. Der gesamte<br />

Service wird dagegen über<br />

das Netz der 80 Bharat-Benz Stützpunkte<br />

geleistet. Bei Bedarf sollen<br />

die Service-Trucks innerhalb von<br />

höchstens vier Stunden an jedem<br />

beliebigen Ort in Indien bei den<br />

Kunden sein.<br />

Durch die immer noch deutlich<br />

geringeren Löhne der einfachen Arbeiter<br />

kann Daimler die preissensiblen<br />

Märkte in Asien oder Afrika<br />

„ausschließlich von Indien aus<br />

bedienen, um vor allem chinesischen<br />

Herstellern die Stirn zu bieten“,<br />

sagt Markus Villinger. Chennai<br />

sei mithin der kostengünstigste<br />

Standort im Produktionsverbund<br />

von Daimler Buses. Dennoch seien<br />

insbesondere die Schweißer vor<br />

Ort hoch qualifiziert und entsprechend<br />

zertifiziert.<br />

Angesichts der hohen Temperaturen<br />

in der Region rund um das indische<br />

Buswerk zog Daimler-Chef Wolfgang<br />

Bernhard ein vorläufiges Fazit:<br />

„Jetzt fangen wir mal mit den<br />

Bussen an, am Horizont sehe ich eine<br />

Stückzahl von rund 1.000 Einheiten<br />

im Jahr. Um dahin zu kommen,<br />

müssen wir aber noch ganz schön<br />

schwitzen.“<br />

◼<br />

1<br />

2<br />

Hoffen auf die Wende im Omnibusmarkt<br />

Bei der Zulassung von Bussen liegt Indien weit hinter China: gerade<br />

einmal 300.000 Busse über acht Tonnen wurden von 2002 bis 2<strong>01</strong>2<br />

pro 1,2 Millarden Einwohner abgesetzt. In China waren es rund 1,1 Millionen<br />

Busse. Der Busmarkt im Jahr 2<strong>01</strong>4 war mit 34.000 verkauften<br />

Einheiten über acht Tonnen das schwächste Jahr seit 2006, 2<strong>01</strong>0 und<br />

2<strong>01</strong>2 wurden rund 50.000 Busse abgesetzt. Seit 2004 schrumpfte der<br />

Gesamtmarkt um ganze neun Prozent, das Luxussegment der Reisebusse,<br />

das ausschließlich von europäischen Herstellern bedient wird,<br />

ist fast vollständig zusammengebrochen und beschränkte sich auf 28<br />

Busse von Januar bis Mai 2<strong>01</strong>5.<br />

Der von Ministerpräsident Modi ausgelöste Modernisierungsschub und<br />

die robuste wirtschaftliche Entwicklung lässt Daimler India jedoch von<br />

einem stabilen Wachstum von rund sechs Prozent bis 2020 ausgehen.<br />

Die magische Grenze von 50.000 Fahrzeugen soll 2<strong>01</strong>7 wieder erreicht<br />

werden. Lichtblicke sind bereits im ersten Quartal 2<strong>01</strong>5 zu erkennen, in<br />

dem rund 22 Prozent mehr Busse als im Vorjahreszeitraum abgesetzt<br />

wurden. Der beliebte Markt bis neuen Tonnen, der vom Schulbussegment<br />

getrieben ist, wuchs sogar um satte 48 Prozent.<br />

Der Massenmarkt billiger Frontmotorbusse soll laut Daimler von 88 Prozent<br />

2<strong>01</strong>3 auf 55 Prozent 2020 sinken. Auf niedrigem Niveau werden<br />

davon vor allem der „moderne Markt“ mit einem Plus von 12 Prozent,<br />

der Semi-Premiummarkt mit 14 Prozent und der Premiummarkt mit sieben<br />

Prozent profitieren, so die Prognosen.<br />

Bunt und „zwangsbelüftet“ sind viele indische Busse unterwegs.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 10/2<strong>01</strong>5


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aufgenommen – ebenfalls europaweit. Wir wünschen erholsame Pausen!<br />

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[ 138 ] FAHRZEUGE | Setra S 515 MD<br />

EINSTEIGER MIT<br />

HECK-TRICK<br />

Test: Mit dem Mitteldecker S 515 MD bietet Setra<br />

einen besonders günstigen Einstieg ins Reisebussegment.<br />

Der erste Test beweist dessen Qualitäten.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 11/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Setra S 515 MD [ 139 ]<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER | FOTOS: JACEK BILSKI<br />

Nicht immer muss es die ganz große Nummer<br />

sein. Das gilt selbst im Reisebusbereich,<br />

in dem man sonst lieber klotzt als kleckert.<br />

Doch auch hier muss es nicht immer der ganz<br />

große Luxus sein – nicht mal bei Setra, der Marke,<br />

die wie kaum eine andere für Luxus steht.<br />

Aber clevere Lösungen und hochwertige Technik<br />

– ohne die geht es nun mal nicht. Auch dann<br />

nicht, wenn der Wagen als Einstiegsmodell ins<br />

Reich der Größtraumlimousinen konzipiert ist.<br />

Die Rolle des bisherigen GT-HD-Modells<br />

der 400er-Baureihe übernehmen dabei seit<br />

dem Wechsel zur 500er-Serie nun zwei „Mitteldecker“,<br />

die noch mehr als bisher im Reisesegment<br />

unterwegs sein sollen als der GT-HD (siehe<br />

Kaufberatung in <strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 8/2<strong>01</strong>4, Abruf<br />

über QR-Code S. 58). Äußerlich unterscheidet<br />

sich der mit einer Höhe von 3,56 Metern noch<br />

flacher als der GT-HD duckende Wagen kaum,<br />

sieht man einmal vom geradlinigen Auslauf der<br />

Fensterlinie nach hinten ab. Die HD-Kollegen<br />

bieten hier einen kecken Schwung nach unten,<br />

der eine spezielle und unverwechselbare Note<br />

verleiht.<br />

Weitere konzeptionelle Kniffe stecken eher unter<br />

dem Blech. Der Fußboden ist mit 1,16 Metern<br />

noch mal 16 Zentimeter tiefer eingezogen<br />

als beim GT-HD. Daraus ergibt sich im Inneren<br />

eine üppige Stehhöhe von 2,10 Metern wie bei<br />

den ausgewachsenen HD-Pendants.<br />

Aber schrumpft der Kofferraum – ein<br />

wichtiges Kriterium für einen echten Reisebus<br />

– nicht über Gebühr durch den niedrigen<br />

Boden? Grundsätzlich ja. Gegenüber dem<br />

Vorgänger schrumpft das Ladevolumen um<br />

rund einen auf 7,3 Kubikmeter. Abzüglich<br />

Toilette bleiben nur noch 6,1 Kubik.<br />

Um dieses bekannte Mitteldecker-Dilemma<br />

zu lösen, besinnt sich Setra alter Ideen, die bis in<br />

die 70er-Jahre hinein durchaus Standard waren:<br />

ein Heckeinstieg samt Hecktoilette. Heute ist das<br />

eine Seltenheit, bei Setra hat die Kon struktion<br />

jetzt Serienstatus und lässt sich aufpreisfrei ordern.<br />

Und siehe da, der durchgehende, fast<br />

fünfeinhalb Meter lange Kofferraum zwischen<br />

den Achsen fasst nun ganze zwei Kubikmeter<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 11/2<strong>01</strong>5


[ 140 ] FAHRZEUGE | Setra S 515 MD<br />

Technische Daten und Messwerte<br />

MOTOR<br />

Wassergekühlter R6-Dieselmotor (Mercedes OM 936) stehend im<br />

Heck. Abgasturbolader und Ladeluftkühlung, elektronisch gesteuerte<br />

Direkteinspritzung per Common Rail; vier Ventile pro Zylinder,<br />

verstellbare Auslassnockenwelle; Abgasrückführung, SCR-Technik mit<br />

Adblue-Einspritzung, Abgasstandard Euro 6.<br />

Bohrung/Hub<br />

110/135 mm<br />

Hubraum 7.698 cm 3<br />

Verdichtung 17,0:1<br />

Leistung<br />

260 kW (354 PS) bei 2.200/min<br />

Maximales Drehmoment 1.400 Nm bei 1.200/min<br />

KRAFTÜBERTRAGUNG<br />

Getriebe: Automatisiertes Achtganggetriebe Mercedes GO 250-8<br />

Powershift mit Lenkstockbedienung, wählbarem Dynamik-Schaltmodus<br />

und Manövriermodus vorwärts und rückwärts.<br />

ÜBERSETZUNGEN<br />

1. Gang 6,57 8. Gang 0,63<br />

R.-Gang 6,18 Achsübersetzung<br />

(altern.)<br />

Drehzahl bei 100 km/h 1.427/min<br />

FAHRWERK<br />

Vorne Einzelradaufhängung ZF RL 75 E mit Doppeldreieckslenkern,<br />

zwei Luftfederbälge, zwei Stoßdämpfer, Stabilisator, maximaler<br />

Radeinschlag innen 58 Grad. Hinten starre Antriebsachse Mercedes<br />

RO 440, zwei Längslenker, aufgelöster Dreieckslenker, vier<br />

Luftfederbälge, vier Stoßdämpfer, Stabilisator (Serie).<br />

Reifengröße rundum 295/80 R 22,5.<br />

MASSE UND GEWICHTE<br />

Wendekreis<br />

21.256 mm<br />

Leergewicht/Testgewicht 12.775/17.980 kg<br />

Zul. Gesamtgewicht 18.000 kg<br />

Zul. Achslast v/h<br />

7.500/11.500 kg<br />

Gepäckraum (Mittel-/Heckeinst.) 7,3/8,0 m 3<br />

Volumen Kraftstofftank 400 L<br />

Volumen Adblue-Tank 40 L<br />

i = 4,3<br />

(4,778)<br />

BREMSANLAGE<br />

Elektronisch geregelte Zweikreis-Druckluftbremsanlage mit<br />

innenbelüfteten Scheibenbremsen rundum, Dauerbremse Sekundär-Wasserretarder<br />

Voith, zweistufige Dekompressionsbremse,<br />

Dauerbremslimiter, ABS und ASR, Bremsassistent, elektronisches<br />

Stabilitätsprogramm ESP. Notbremsassistent AEBS (erkennt stehende<br />

Objekte, Serie) bzw. ABA3 (nur zusammen mit mit ART, beides SA).<br />

LENKUNG<br />

ZF-Kugelmutter-Hydrolenkung Typ 8098 Servocom mit variabler<br />

Übersetzung (17-21:1), Lenksäule in Höhe und Neigung verstellbar.<br />

ELEKTRIK/SICHERHEIT<br />

Spannung 24 Volt, drei Drehstromgeneratoren à 150 A,<br />

zwei Batterien 12 V/225 Ah (SA). Audioanlage Bosch Classic Line<br />

(keine Navigation und Bildschirme); ABS/ASR, Bremsassistent BA,<br />

Spurassistent (SPA), Frontalaufprallschutz (FCG), elektronische<br />

Reifendruckkontrolle (TPM), Sitzbelegungserkennung Fahrer-/<br />

begleitersitz; Regen-Licht-Sensor.<br />

HEIZUNG/LÜFTUNG/KLIMA<br />

Vollautomatische Heizungs-/Lüftungsanlage mit Dachklimaanlage,<br />

Kälteleistung 32 kW, Heizleistung 38 kW. Lufteintritt in den<br />

Fahrgastraum über verstellbare Düsenbelüftung, über schlitzförmige<br />

Ausströmer oberhalb der Seitenfenster sowie oberhalb der<br />

Gepäckablagen Richtung Mittelgang. Warmwasser-Konvektorenheizung<br />

im Fahrgastraum, Leistung 12 kW, Bugheizgerät Leistung<br />

18 kW. Separate Fahrerplatzklimatisierung, Kälteleistung 8 kW.<br />

Zwei elektrisch betätigte Dachluken (SA). Entlüftung im Einstieg vorn,<br />

Luftaustritt über die Vorderachse und hinten in den Gepäckraum.<br />

Standheizung Spheros, Leistung 30 kW.<br />

DIE MESSWERTE<br />

Etappe 1<br />

Etappe 2<br />

Etappe 3<br />

Etappe 4<br />

Etappe 5<br />

Etappe 6<br />

Gesamte Strecke<br />

FAHRGASTPLÄTZE<br />

Sitzplätze<br />

Testwagen (3 Sterne gbk) 48+1+1<br />

Rundstrecke Solitude<br />

Gemischt<br />

Solitude – Bad Liebenzell<br />

B 295/B 296/B 463, gemischt<br />

Bad Liebenzell – Unterhaugstett<br />

Bergstrecke<br />

Unterhaugstett – Solitude<br />

Landstraße/B 295/Landstraße<br />

Sindelfingen – Sulz AH*<br />

Autobahn A 8/A 81, mittel<br />

Sulz AH – Solitude*<br />

Autobahn A 81/A8, leicht<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

CO 2<br />

/Gramm pro<br />

Personenkilometer**<br />

Verbrauch Adblue L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

WERTUNG<br />

Sehr niedriger Kraftstoffverbrauch, laufruhiger<br />

Motor, nahezu perfekt schaltendes Getriebe,<br />

zahlreiche Sicherheitsfeatures, übersichtliche<br />

Bedienung und Instrumentierung, Geräuschniveau<br />

sehr niedrig<br />

Gehobenes Preisniveau, Design innen etwas<br />

„plastifiziert“, lauter und spät einsetzender<br />

Retarder; Motor mit wenig Drehmoment<br />

PREIS<br />

Testwagen<br />

11,9<br />

29,7<br />

54,6<br />

35,5<br />

29,8<br />

52,2<br />

3,3<br />

98,2<br />

38,4<br />

25,4<br />

30,6<br />

54,0<br />

62,5<br />

20,6<br />

89,5<br />

67,8<br />

17,7<br />

83,0<br />

206,4<br />

24,3<br />

12,8/24,6<br />

ca. 1,4<br />

69,5<br />

* ca. 5 km Baustelle mit 80 km/h Beschränkung, fließender Verkehr, **volle/halbe Auslastung inkl. Fahrer/Begleiter<br />

Wetterbedingungen: trocken und windstill, ca. 20º C, Klimaanlage 22º C<br />

INNENGERÄUSCHE<br />

vorn Mitte hinten<br />

80/100 km/h, dB(A) 63/64,5 59/65 61,5/65<br />

BETRIEBSKOSTEN<br />

Kaufpreis Euro 285.000<br />

Feste Kosten pro Jahr Euro 83.067<br />

Feste Kosten pro km Cent 83,06<br />

Variable Kosten pro km Cent 49,39<br />

Gesamtkosten pro km Cent 132,46<br />

Parameter für die Dekra-Betriebskostenberechnung: Haftpflicht und Kasko<br />

100 Prozent, jährliche Laufleistung 100.000 km, Nutzungsdauer 60 Monate<br />

A<br />

C<br />

ABMESSUNGEN<br />

A Länge/Breite<br />

12.295/2.550 mm<br />

Höhe<br />

3.560 mm<br />

B Radstand<br />

6.090 mm<br />

C Überhang vorn/hinten 2.890/3.315 mm<br />

D Stehhöhe<br />

2.100 mm<br />

E Einstiegshöhe vorn/hinten 370/370 mm<br />

F Fußbodenhöhe 1.160 mm<br />

E<br />

B<br />

A<br />

D<br />

F<br />

C<br />

E<br />

285.000 Euro<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 11/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Setra S 515 MD [ 141 ]<br />

1<br />

2<br />

1 Die üppigen Gepäckablagen unter der stoffbespannten<br />

Decke fassen 1,8 Kubikmeter.<br />

2 Leider sind die Luftdüsen der edlen<br />

Servicesets nur in einer Richtung verstellbar.<br />

Das Heckabteil lässt sich individuell ausstatten<br />

und bietet eine angenehme Stehhöhe.<br />

mehr, also stolze acht Kubik. Das ist schon fast<br />

Hochdecker-Format! Wem das nicht reicht und<br />

wer zudem einen um zwei Meter größeren Wendekreis<br />

akzeptiert (23,35 statt 21,25 Meter), greift<br />

aber besser zum 13-Meter-Wagen und vergrößert<br />

so das Unterflurabteil auf 9,7 Kubikmeter.<br />

Das Konzept des derart angepassten Heckeinstiegs<br />

führt dazu, den Innenraum von hinten<br />

nach vorn zu begutachten. Der breite Einstieg<br />

ist frei von Hindernissen, die Höhe der Tür ist<br />

für Menschen bis zu 1,80 Metern ausreichend<br />

bemessen, Kollisionsgefahr geht von ihr keine<br />

aus. Über eine kleine Stufe geht es hinauf zu Toilette<br />

und Küche; Letztere ist in zwei Versionen<br />

bestellbar. Bei der kleineren Version passen noch<br />

zwei Sitze direkt daneben, wirklich bequem ist<br />

das aber nicht. Die große Küche verdrängt dagegen<br />

bis zu vier Sitze.<br />

Die Stehhöhe beträgt im Heckbereich wie<br />

auch in der geräumigen Toilette 1,86 Meter, wobei<br />

vor der Tür eine Stoffbespannung der Mitteldecke<br />

einen harten Kopfkontakt wirksam abmildert.<br />

Dieser Stoffbezug lässt sich im Unterschied<br />

zur Unterseite der voluminösen Gepäckablagen<br />

(insgesamt 1,8 Kubikmeter Volumen) nicht individuell<br />

anpassen.<br />

Durch den etwas knapp geratenen Mittelgang<br />

mit einer Breite von 36 Zentimetern bahnen sich<br />

die Reisenden den Weg durch den wohnlichen<br />

Innenraum ohne Monitore ins Cockpit, wo wiederum<br />

ein kecker Trick der Ulmer Reisebusexperten<br />

zu entdecken ist.<br />

Ein Blick ins einfarbig gestaltete Basis-Cockpit<br />

macht klar: Weder das hochwertige Coach<br />

Media System von Bosch noch ein Navigationssystem<br />

ist an Bord. Dadurch spart der Kunde<br />

jedoch rund 5.000 Euro im Vergleich zum Top-<br />

Cockpit. Die riesige Ablage direkt neben der<br />

Klimabedienung ist ein wenig zerklüftet. Platz<br />

für allerhand Zubehör gibt es aber allenthalben.<br />

Alle wesentlichen Bedienelemente sind im Cockpit<br />

selbst und auf dem schicken Multifunktionslenkrad<br />

wohlsortiert. Da passt alles, die Bedienung<br />

geht lässig von der Hand, wie man das in<br />

einem Setra gewohnt ist. Das imposante Farbdisplay<br />

zwischen den fein gezeichneten Uhren<br />

ist nach wie vor beeindruckend. Nicht ganz so<br />

edel wie in der höherwertigen Cockpit-Version,<br />

die im HD ausschließlich verbaut wird, wirkt<br />

auch der Begleiterplatz. Neben dem nur als<br />

54-Liter-Variante lieferbaren Kühlschrank fällt<br />

die Abwesenheit von Luftdüsen auf.<br />

1<br />

1 Die Hecktür ist im<br />

großen Farbdisplay<br />

immer gut im Blick.<br />

2 Etwas zu tief sitzt das<br />

Radio in der Basis-<br />

Version des Cockpits.<br />

3 Im aufgeräumten und<br />

gewohnt bedienungsfreundlichen<br />

Cockpit<br />

finden sich viele<br />

praktische Ablagen.<br />

2<br />

3<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 11/2<strong>01</strong>5


[ 142 ] FAHRZEUGE | Setra S 515 MD<br />

1<br />

Die durchgehende, gerade Fensterlinie lässt den Setra-Mitteldecker auf Anhieb erkennen.<br />

Vorbildlich ist das Geräuschniveau im ganzen<br />

Fahrzeug: kaum Windgeräusche im Cockpit,<br />

niedrige Werte in der Mitte (es fehlt die Tür als<br />

Schallquelle) und im Heck. Rein subjektiv ist aber<br />

ein leichtes Grollen der Maschine im Heck nicht<br />

zu verleugnen, der Voith-Sekundär-Wasserretarder<br />

geht zudem nach zwei Gedenksekunden<br />

ebenso kräftig wie vernehmlich zu Werke.<br />

Ein weiterer Setra-Heck-Trick mit dem Namen<br />

OM 936 ist aus dem Citaro bereits bekannt.<br />

Dieser leichte Sechszylinder mit 7,7 Liter Hubraum<br />

ist nur in den beiden MD-Modellen zu<br />

haben. Er wartet allerdings nur mit 354 PS und<br />

1.400 Newtonmeter auf. Optional sind zwei<br />

OM-470-Motoren mit 360 oder 394 PS (1.700/<br />

1.900 Nm) zu bekommen, die jedoch auch das<br />

Leergewicht von rund 13 Tonnen weiter erhöhen.<br />

Auf der Testrecke gibt sich das Aggregat zwar<br />

dank relativ kurzer Achsübersetzung zumeist<br />

ausreichend quirlig, bei Reisegeschwindigkeit<br />

liegen aber immerhin stolze 1.427 Touren an. Gerade<br />

an Steigungen geht dem Motor bei Beladung<br />

zudem schon mal die Puste aus und das<br />

optionale Powershift-Achtgang-Getriebe muss<br />

fleißig schalten, um nicht zu viel Speed verpuffen<br />

zu lassen. Auch der Dynamikmodus der<br />

Schaltbox, der die Schaltdrehzahl um 200 Touren<br />

erhöht, kommt öfter zum Einsatz.<br />

Mit welchem Ergebnis? 24,3 Liter Dieselverbrauch<br />

sind ein sehr guter Wert. Allerdings liegt er<br />

nicht so weit weg vom S 515 HD in Euro 6 mit<br />

25,4 l/100 km (siehe <strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 7/2<strong>01</strong>3),<br />

wie man erwarten würde. Und das bei einer<br />

deutlich geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit.<br />

Wer also anspruchsvolle Topografie zum<br />

Ziel hat, greift besser zum großen Motor. Erwähnenswert<br />

sind auch die Fahreigenschaften und<br />

2<br />

3<br />

1 Die Batterien<br />

können alternativ<br />

übereinander<br />

montiert werden.<br />

2 Moderne Klarglasscheinwerfer<br />

mit<br />

optionaler LED-<br />

Technik.<br />

3 Trotz leichtem<br />

Versatz nach<br />

außen zeigen die<br />

Spiegel nicht das<br />

ganze Bild.<br />

das hohe Sicherheitsniveau des Setra. Das Fahrwerk<br />

gibt sich makellos und komfortabel, Stöße<br />

aus dem Untergrund dringen kaum nach oben<br />

durch. Die ZF-Servocom-Lenkung agiert sehr<br />

präzise, im Testwagen wirkt sie etwas zu straff.<br />

Der Einsteiger-Idee des Testwagens ist es geschuldet,<br />

dass nicht die volle Phalanx an Helferlein<br />

und Sicherheitssystemen an Bord anwesend<br />

ist. Den optionalen Abstandsregeltempomaten<br />

ART samt ABA3 vermissen wir schmerzlich. Serienmäßig<br />

sind seit Juni 2<strong>01</strong>5 der Spurhalte- und<br />

der Notbremsassistent AEBS an Bord, ein Aufmerksamkeitsassistent<br />

komplettiert den aktiven<br />

Schutz. Denn bei der Sicherheit wird bei Setra<br />

nie getrickst, auch nicht in der neuen Einsteiger-Liga<br />

der Mitteldecker. <br />

◼<br />

1<br />

2<br />

1 Genauso wie bei den HD-Modellen ist die<br />

Heckpartie beinahe skulptural gezeichnet.<br />

2 Dem kleinen 7,7-Liter-Motor fehlt es vor<br />

allem an Steigungen etwas an Schmackes.<br />

3 Vor der Hinterachse bietet der MD ein<br />

praktisches Fach für Werkzeug.<br />

Eine Kaufberatung zur gesamten<br />

Comfort-Class 500 finden Sie auf<br />

www.eurotransport.de/setra-kb<br />

3<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 11/2<strong>01</strong>5


DIE ZUKUNFT DER MOBILITÄT<br />

IST IN BEWEGUNG.<br />

Seit 1915 ist ZF zu einem weltweit führenden Technologiekonzern<br />

in der Antriebs- und Fahrwerktechnik sowie der aktiven und passiven<br />

Sicherheitstechnik mit 134.000 Mitarbeitern geworden. Künftig werden<br />

wir alle relevanten Technologien für die Megatrends der Zukunft aus<br />

einer Hand anbieten. Erfahren Sie mehr über automatisiertes Fahren,<br />

Sicherheit sowie Effizienz auf zf.com/technologietrends


[ 144 ] MÄRKTE | Vier Jubiläen bei Neoplan<br />

DIE SEELE DES BUSSES<br />

Historie: Gleich vier Jubiläen gab es Ende August in Pilsting zu begehen. 35 Jahre<br />

Megaliner, 50 Jahre Neoplan Doppeldecker, 75 Jahre Konrad Auwärter und 80 Jahre<br />

Gottlob Auwärter GmbH & Co. KG. Wenn das kein XXL-Busereignis ist!<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER | FOTOS: KARL-HEINZ AUGUSTIN, ANDREAS SCHNEIDER, THORSTEN WAGNER<br />

Was sollen denn die Leut’<br />

von uns denken, wenn<br />

wir jetzt kein Angebot machen!“<br />

Diesen Ausdruck schwäbisch-pietistischen<br />

Geschäftssinns<br />

schleuderte an einem grauen Apriltag<br />

des Jahres 1973 der Busbauer<br />

Gottlob Auwärter seinen<br />

beiden Söhnen entgegen. „Und<br />

dann war der Betrieb übernommen,“<br />

erzählt der jüngere der beiden<br />

Söhne, Konrad Auwärter, bei<br />

der feierlichen Enthüllung der Gedenkbüste<br />

des Vaters vor dem Pilstinger<br />

Rathaus. Die Geschichte des<br />

Werkes am Ortseingang des Marktfleckens<br />

im Niederbayerischen begann<br />

1946 und sollte eine wechselvolle<br />

werden: 1951 Übergang an die<br />

Firma Glas, 1967 kaufte BMW sich<br />

ein, ab 1969 wurden Eicher Traktoren<br />

gebaut, wenn auch nicht sehr<br />

lange. Den Rathausplatz ziert daher<br />

seit Ostern dieses Jahres bereits ei-<br />

Neoplan-Design gestern und heute: „Wir streben nach dem Besten“<br />

Interview: Michael Streicher verantwortet seit dem Jahr 2000 das Neoplan-Design bei MAN Truck and Bus.<br />

<br />

Das Gespräch führte Thorsten Wagner.<br />

?: Wie unterscheidet sich das heutige Neoplan-Design<br />

von dem des zwanzigsten Jahrhunderts?<br />

Streicher: Neoplan war schon jeher eine Marke,<br />

die für Innovation steht. Dieses Leitmotiv<br />

wurde und wird über das markante und<br />

unverwechselbare Design zum Ausdruck gebracht.<br />

Die Arbeitsweisen und die formalen<br />

Möglichkeiten haben sich im Laufe der Zeit<br />

zwar verändert, die Philosophie, im Design<br />

einen Schritt voraus zu sein, ist jedoch geblieben.<br />

Heute geht man mit der Gestaltung professioneller<br />

um als noch vor Jahren. In seiner<br />

grundlegenden Ausrichtung hat sich am Neoplan-Design<br />

aber nichts geändert: Wir streben<br />

früher wie heute danach, die Besten zu sein.<br />

?: Worin besteht für Sie die DNA des Neoplan- Designs,<br />

an der es weiterhin festzuhalten gilt, und gibt<br />

es Möglichkeiten der evolutionären Entwicklung?<br />

Streicher: Die Haupteigenschaft des Neoplan-<br />

Designs ist die positive Eigenständigkeit. Ein<br />

Neoplan-Bus beindruckt durch seine Präsenz<br />

und seine Erscheinung. Er soll mehr sein als ein<br />

Ding. Natürlich gibt es Merkmale, die bei Neoplan<br />

einzigartig sind, wie die geteilte Frontscheibe<br />

oder auch die dynamischen Proportionen.<br />

Diese Merkmale sind allerdings kein<br />

Selbstzweck, sondern unterstützen unter anderem<br />

eine gute aerodynamische Performance.<br />

Funktionalität ist bei Neoplan selbstverständlich<br />

die Grundlage für eine gute Gestaltung.<br />

Darüber hinaus soll ein Neoplan Bus innovativer<br />

als seine Mitbewerber sein.<br />

?: Wie sehr ist Fahrzeug-Design auch emotional<br />

mit Menschen verbunden – also denen, die es entwerfen,<br />

bauen oder kaufen?<br />

Streicher: Eine der Haupteigenschaften<br />

des Fahrzeug-Designs ist es, ein emotionale<br />

Verbindung zum Produkt zu schaffen.<br />

Für alle am Entstehungsprozess Beteiligten,<br />

aber auch bei allen Betrachtern und<br />

Benutzern soll diese Verbundenheit spürbar<br />

sein. Als Designer hat man selbstverständlich<br />

einen besonderen Bezug zu seinen<br />

Entwürfen. So sind mir die Neoplan-Busse<br />

fast wie eigene Kinder ans Herz gewachsen<br />

und ich freue mich, wenn andere<br />

Menschen diese Leidenschaft teilen.<br />

Daher gelingt es einem gutem Fahrzeugdesign<br />

über die pure Funktion hinaus zu<br />

wachsen. Gutes Design schafft ein Produkt mit<br />

emotionalem Mehrwert.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 11/2<strong>01</strong>5


MÄRKTE | Vier Jubiläen bei Neoplan [ 145 ]<br />

Mit dem ersten in Pilsting gebauten ND6, einem Vertreter des „Typ<br />

Hamburg“, zierte ein wichtiger Vertreter der Historie den Rathausplatz.<br />

ne Büste von Hans Glas samt einem<br />

liebevoll gestalteten Goggomobil,<br />

Meilenstein der Wirtschaftswunderjahre.<br />

Ein ebenso wichtiger Meilenstein<br />

war der ND 6 als ein Vertreter<br />

des Typs Hamburg, der erste in<br />

Pilsting gebaute Bus. Er basierte<br />

auf der Diplomarbeit von Albrecht<br />

Auwärter, dem älteren Bruder<br />

(<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 6/2<strong>01</strong>4), der 1994<br />

früh verstarb. Eigentlich nur für ein<br />

Jahr wollte der jüngere Bruder das<br />

neue „Werk 2“ in Niederbayern anleiten,<br />

länger könne man das wohl<br />

nicht durchhalten. Es blieb beim<br />

Vorsatz. Auwärter wohnt noch heute<br />

neben dem Werk, das mit Viseon<br />

wieder mal einen kurzlebigen Besitzer<br />

überdauert hat, nachdem sich<br />

MAN 2009 aus dem Projekt zurückgezogen<br />

hat.<br />

2<strong>01</strong>4 endeten dann rund 45 Jahre<br />

Busbau in Pilsting. „Hier gab es<br />

immer schon gutes Handwerk. So<br />

haben wir mit dem Telebus in den<br />

80er Jahren den Niederflurbus erfunden,<br />

und das hat mehr mit Kön-<br />

Ein Großteil der Familie Auwärter wohnte dem Festtag in Pilsting bei.<br />

Konrad Auwärter wird 75<br />

Kein Anderer ist so eng mit dem ehemaligen Neoplan Werk 2 in Pilsting<br />

verbunden wie Konrad Auwärter, 1940 als jüngerer Bruder von Albrecht<br />

Auwärter, Neoplan-Chef bis 1994, geboren. Und auch dem Thema Doppeldecker<br />

ist er wie kein Anderer verpflichtet. Schon seine Diplomarbeit<br />

an der Hamburger Wagenbauschule, wo er in den 1960ern studierte,<br />

nahm sich der Entwicklung eines besonders leichten Doppeldecker, den<br />

Do-Bus, an. 1973 übernahm er die Leitung des Werkes Pilsting – bis<br />

Konrad Auwärter lebt auch mit 75 das<br />

Bus-Erbe seines Vaters mit großer<br />

Begeisterung weiter.<br />

heute lebt er in dem niederbayerischen<br />

Marktflecken,<br />

der ihm 2000<br />

die Ehrenbürgerwürde<br />

verliehen hat. Im Jahr<br />

2000 bekam er für sein<br />

strategisches Engagement<br />

für alternative und<br />

umweltfreundliche Antriebe<br />

zudem die Ehrendoktorwürde<br />

der TU München<br />

verliehen. Außerdem<br />

kümmert er sich im Neoplan-Verwaltungsrat<br />

um<br />

Projekte wie Ghana, USA,<br />

China und die neuen Bundesländer.<br />

Seit dem Verkauf<br />

von Gottlob Auwärter GmbH und Co. KG an MAN Nutzfahrzeuge AG<br />

im Jahr 2000 kümmert sich Auwärter in aufopferungsvoll um das Erbe<br />

des eigenen Unternehmens und der deutschen Busindustrie als Ganzes.<br />

Im historischen Omnibusverein sind rund 600 Mitglieder mit rund 1.200<br />

Oldtimern organisiert, das vierte europäische Treffen fand im April 2<strong>01</strong>4<br />

in Sinsheim statt. Zusammen mit seiner Frau Christa engagiert sich der<br />

Busliebhaber zudem stark in der Lokalpolitik und im VDA.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 11/2<strong>01</strong>5


Für ein Wochehende drehte<br />

sich die Neoplan-Auwärter-<br />

Welt rund um Pilsting.<br />

NON-PLUS ULTRA<br />

Fahreindruck: Vierachsige Solobusse sind heute eine Seltenheit in Deutschland.<br />

Wir haben die einmalige Chance genutzt und sind zwei davon gefahren.<br />

In Pilsting fährt eine einmalige Mischung aus doppelstöckigen<br />

und vierachsigen Neoplan-Bussen<br />

auf. „So viele XXL-Neoplan auf einem Haufen –<br />

einmalig!“, schwärmt Andreas Schneider, der wohl<br />

das umfangreichste Neoplan-Archiv weltweit führt.<br />

Grund genug, uns die letzten für Deutschland gebauten<br />

Megaliner und Megashuttle vorzunehmen.<br />

Stammfahrer Patrick Wesolek räumt mit sichtlichem<br />

Unbehagen den Platz am Steuer des vierachsigen<br />

Megashuttles, der als Schulbus jahrelang im<br />

Bayerischen von Unternehmer Lobmeyer eingesetzt<br />

wurde und heute rund 200.000 Kilometer auf der<br />

Uhr hat. Erst vor wenigen Monaten hat der Unternehmer<br />

Hans-Jürgen Ach von Tempelhofer Reisen<br />

den Großraumbus Baujahr 1996 mit einer Kapazität<br />

von rund 120 Personen erworben und aufwendig<br />

instandgesetzt. Der Stadtbus, der auf dem 50.<br />

UITP Kongress 1993 in Sydney ausgestellt wurde,<br />

ist mit MAN D0826 und einem halbautomatischen<br />

ZF-AVS-Getriebe ausgestattet. Es gab sogar Versionen<br />

mit drei Treppen. Das typische, geschwungene<br />

Armaturenbrett der 90er Jahre stammt aus dem Neoplan-Baukasten<br />

und ist identisch auch im Megaliner<br />

der Firma Nies aus Selm verbaut, den wir zum Vergleich<br />

ebenfalls bewegen.<br />

Die Seltenheit und der Imagegewinn für das eigene<br />

Unternehmen waren eine wichtige Motivation,<br />

die auch bei Juniorchef Dennis Nies zu verspüren<br />

ist. Lange hat er nach einem Megaliner gesucht.<br />

Sein Wagen mit OM 442 Euro-2-Maschine und 523 PS<br />

ist mit einem typischen Doppel-H-Achtgang-Schaltgetriebe<br />

ausgerüstet. Die kurze Ausfahrt mit beiden<br />

Bussen beeindruckt. Gerade in Kreisverkehren sind<br />

die 15 Meter langen und bis zu 32 Tonnen schweren<br />

Gefährte einfacher zu handhaben als ein moderner<br />

Dreiachser gleicher Länge. Kein Wunder, alle Achsen<br />

sind gelenkt. Geradeauslauf und Fahrverhalten erinnern<br />

schon mehr an ein Schienenfahrzeug, so stabil<br />

und stoisch ziehen die Dinos ihre Runden und<br />

ernten erstaunte Blicke der Passanten.<br />

Bis zu 91 Personen können<br />

mühelos in diesem Megaliner<br />

befördert werden.<br />

nen als mit Wollen zu tun“, referiert<br />

Auwärter stolz. Einen der<br />

Telebusse hat er zur rollenden<br />

Kommandozentrale ausgebaut, die<br />

am Nachmittag die Doppeldecker-<br />

Prozession auf geschätzten 60 Achsen<br />

ins Auwärter-Museum nach<br />

Landau anführt.<br />

Der Tag steht ganz im Zeichen<br />

des Neoplan-Doppeldeckers und<br />

seiner Spielarten, der 2<strong>01</strong>5 den 50.<br />

Jahrestag begeht. „Nach dem Telebus<br />

kamen Skyliner, Megaliner und<br />

Jumbocruiser. Das waren seinerzeit<br />

die größten Busse der Welt und sie<br />

wurden in Pilsting gebaut und sonst<br />

nirgendwo,“ erzählt Auwärter.<br />

Zu sehen sind während der Ausfahrt<br />

exponierte Vertreter aller jener<br />

Großraumbusse, deren Zeit<br />

spätestens seit 2004 vorüber ist.<br />

Neben dem letzten für einen deutschen<br />

Kunden gebauten Megaliner<br />

Baujahr 2000 sowie dem letzten Mega-Shuttle<br />

als Stadtbus ist auch der<br />

einzige „Longliner“ als Schubgelenkbus<br />

vor Ort, wenn auch im Inneren<br />

in unausgebautem Zustand.<br />

Er soll von der Schrotthalde gerettet<br />

worden sein.<br />

Der letzte Neoplan Geschäftsführer<br />

Bob Lee staunt nicht schlecht<br />

„über die Zwischenstufe zum Megaliner“<br />

und lässt sich eine Begehung<br />

nicht nehmen. Das Fahrzeug<br />

erwies sich laut Lee damals jedoch<br />

als „nicht unkritisch im Hochgeschwindigkeitsbereich“.<br />

Die glorreichen Zeiten gingen<br />

zu Ende, Neoplan wurde nicht nur<br />

fahrzeugtechnisch auf Normalmaß<br />

zurechtgestutzt, die Marktanteile<br />

in Deutschland rangieren aktuell<br />

bei rund vier Prozent, mit einem<br />

erfreulichen Aufwärtstrend im Jahr<br />

2<strong>01</strong>5. Aus dem Mund von Konrad<br />

Auwärter hört sich das so an:<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 11/2<strong>01</strong>5


Viel bestaunt auch ein anderes Pilstinger Gewächs: Glas Goggomobil.<br />

„Auch wenn MAN die Firma 20<strong>01</strong><br />

gekauft hat, Neoplan lebt weiter!“<br />

Nebenbei fasst Auwärter so eben<br />

die ehemaligen polnischen Neoplan-Vertreter<br />

der heutigen Solaris<br />

Bus, die schon seit 1995 selbstständig<br />

sind, sowie die China-Modelle<br />

als Neoplan-Veteranen zusammen.<br />

Heute dreht sich eben einfach alles<br />

um die Marke, die Pilsting und<br />

Stuttgart zu einem weltweiten Ruf<br />

verholfen hat.<br />

Wie lange will Auwärter noch das<br />

rastlose Leben zwischen Oldtimern,<br />

Vereinstagungen und ehemaligen<br />

Kunden führen? „So lange<br />

es geht. Ich habe den Busschein<br />

auf jeden Fall einmal um fünf Jahre<br />

verlängert. Mit 70 hatte ich geplant,<br />

ihn nach fünf Jahren abzugeben,<br />

und wahrscheinlich werde<br />

ich das gleiche auch wieder zum 80.<br />

Geburtstag sagen“, lacht er.<br />

Was war denn das Geheimnis<br />

des Neoplan-Erfolges? Auwärter<br />

erläutert melancholisch: „Busleidenschaft<br />

auf beiden Seiten, also<br />

auch beim Kunden, der von uns<br />

immer als Partner wahrgenommen<br />

wurde.“<br />

Jeder Bus habe eine Seele, und wenn<br />

man diese zusammen im Kunden-<br />

Lieferanten-Verhältnis pflege, dann<br />

sei das eine runde Sache.<br />

Den Wahrheitsgehalt dieser<br />

Worte erkennt man auch in der E-<br />

Mail des 21-jährigen Patrick Lenz<br />

aus Berlin, Neoplan-Fan und <strong>lastauto</strong><br />

<strong>omnibus</strong>-Leser seit Kindesbeinen:<br />

„Kennst du das – plötzlich<br />

sieht man einem Neoplan und<br />

weiß, dass es einfach nur ein Neoplan<br />

ist, der das Herz höher schlagen<br />

lässt?“ Dieses Gefühl ließ sich<br />

Ende August in Pilsting einmal<br />

mehr deutlich erleben. ◼<br />

Der Doppeldecker ist die<br />

Krone des Busbaus<br />

Thorsten Wagner,<br />

Testredakteur<br />

Welch ein Anblick, welche geballte Busfaszination!<br />

Selten tummelten sich im Marktflecken<br />

Pilsting so viele übergroße Neoplan-Busse und<br />

ehemalige Mitarbeiter zu einer Veranstaltung<br />

wie zu diesem Vierfach-Jubiläum am 22. August<br />

2<strong>01</strong>5. Alleine die Aufreihung der rund<br />

20, zumeist doppelstöckigen und oft vierachsigen<br />

Busse aus Stuttgarter oder Pilstinger<br />

Produktion in der Hauptstraße sorgte für rund<br />

1.000 staunende Besucher und wehmütige<br />

Neoplaner-Herzen. So wurde auch zünftig gefeiert und so manche<br />

Story aus alten Zeiten aufgewärmt. Nach dem vorzeitigen Auslaufen<br />

der Design-Ikone Starliner 2, der der finanzielle Erfolg versagt blieb,<br />

liegt es nun vor allem beim neuen Doppeldecker Skyliner, die Zukunft<br />

der 80 Jahre alten Premiummarke als verkannte 13. Marke des<br />

Volkswagen-Konzerns mit der schillernden Vergangenheit zu verbinden.<br />

Das Zeug zum echten Neoplan-Highlight hat er wohl, alleine das<br />

Vertrauen der Kunden in die Marke muss jetzt wiedergewonnen werden.<br />

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<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 11/2<strong>01</strong>5


[ 148 ] FAHRZEUGE | Busworld Kortrijk<br />

EIN KESSEL<br />

BUNTES<br />

Messevorschau: Die Busworld im belgischen Kortrijk ist der angestammte Platz für Neuheiten. In diesem Jahr<br />

stechen dabei eher die kleinen Hersteller mit ihren Innovationen heraus.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER | FOTOS: THORSTEN WAGNER,<br />

DAIMLER, MAN, SOLARIS, VOLVO BUSES<br />

1<br />

Der Druck auf die Hersteller ist groß: Eine<br />

A-Messe ohne Neuheiten mag für den<br />

Kunden gerade noch durchgehen, bei der<br />

Presse aber kommt das gar nicht gut an. Das<br />

Image einer Marke könnte spürbar leiden. Die<br />

Produktzyklen der Busbauer richten sich daher<br />

nach dem jährlichen Reigen der Ausstellungen.<br />

Allerdings ist auch eine gegenläufige Tendenz<br />

zu erkennen, wonach immer mehr etablierte Unternehmen<br />

Neuheiten außerhalb einer Messe zeigen,<br />

um die Aufmerksamkeit dann ganz für sich<br />

allein zu haben. So hat VDL den Doppeldecker<br />

FDD2 bereits vorgestellt (siehe <strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong><br />

10/2<strong>01</strong>5). Auch MAN hat seine bedeutendste<br />

Neuheit, den Überlandbus Lion’s Intercity, schon<br />

im Frühjahr im Werk Ankara gezeigt (<strong>lastauto</strong><br />

<strong>omnibus</strong> 5/2<strong>01</strong>5). Bleibt noch die behutsame, auf<br />

2<br />

1 Setra zeigt den eher für<br />

Ausschreibungen optimierten<br />

Überlandbus S 418 LE<br />

business.<br />

2 Ulrich Bastert, Vertriebschef<br />

von Daimler Buses, stellt<br />

den leistungsgesteigerten<br />

Reisebusmotor OM 471 vor.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 11/2<strong>01</strong>5


1<br />

1 MAN zeigt den optimierten Lion’s City, der jetzt<br />

segmentierte Seitenwände und auch eine neue<br />

Bugmaske bietet.<br />

2 Neoplan kommt mit zwei exklusiv in Plauen<br />

ausgestatteten Fahrzeugen, die alles bieten,<br />

was das Herz des Buskäufers begehrt.<br />

2<br />

Effizienz ausgerichtete Modellpflege des Stadtbusses<br />

Lion’s City und zwei edle Neoplan-Modelle,<br />

die im Bus Modification Center (BMC) in<br />

Plauen ausgebaut wurden.<br />

Auch Marktführer Daimler hat nach dem<br />

Neuheiten-Feuerwerk der vergangenen Jahre<br />

eine kleine Verschnaufpause eingelegt. Die<br />

Neuheiten wurden in mehreren Terminen bereits<br />

im Laufe des Jahres vorgestellt: zum einen der<br />

überarbeitete Reisebusmotor OM 471, der durch<br />

Feinschliff nochmals acht Prozent Diesel sparen<br />

soll und 20 bis 25 kW mehr Leistung bereitstellt,<br />

zum anderen der OM 936 mit 7,7 Liter Hubraum<br />

als NGT-Erdgasversion mit 222 kW und einer<br />

CO 2 -Einsparung bis zu 80 Prozent, sofern mit<br />

Biogas betrieben. Letzterer wurde im Solobus<br />

der aktuellen Generation mit neuer Elektronikplattform<br />

gezeigt, aber er soll sogar ausreichend<br />

fit für Gelenkbusse sein.<br />

Ein paar pikante Seitenhiebe gönnte sich<br />

Technikchef Gustav Tuschen in Richtung Hybridantriebe,<br />

die zu teuer seien und die versprochenen<br />

Einsparungen teilweise schuldig blieben.<br />

Kein Wort verlor er aber zu den eigenen<br />

schmerzlichen Erfahrungen mit dieser aussterbenden<br />

Gattung.<br />

Bei Setra debütieren LED-Scheinwerfer für<br />

die Top-Class und der Clubbus S 511 HD sowie<br />

der S 418 business als längster Vertreter der robusten<br />

Multi-Class, der mehr als 60 Personen<br />

sitzend befördern kann und vor allem auf Ausschreibungen<br />

zugeschnitten ist.<br />

Solaris zeigt den neuen Elektro-Urbino im exakt identischen Design wie seine Dieselbrüder.<br />

Volvo startet mit der dynamischen Lenkung,<br />

die das Fahrverhalten elektronisch stabilisiert.<br />

Auch aus Skandinavien kommt weitgehend Bekanntes:<br />

Scania zeigt den Überland-Parallelhybrid,<br />

einen Higer Touring mit SCR-only Maschine,<br />

und betont seine 30-jährige Ethanol-Kompetenz.<br />

Volvo stellt die Serienversion des Electri-City-<br />

Stadtbusses vor (<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 8/2<strong>01</strong>5) sowie<br />

die seit 2<strong>01</strong>3 im Truck verfügbare dynamische<br />

Lenkung, die nun auch im Bus für stabileres<br />

Fahrverhalten sorgen soll. Ein aktiver, elektronischer<br />

Eingriff der Assistenzsysteme in die Lenkung<br />

steht wohl auch unmittelbar bevor, auch<br />

wenn sich noch kein Hersteller so recht traut.<br />

Der polnische Hersteller Solaris stimmt seit<br />

Langem in das Lied der Elektrifizierung ein<br />

und zeigt nach bereits 50 verkauften Strombussen<br />

den Elektro-Urbino, der zuerst im Dreierpack<br />

nach Hannover geht und hochflexibel mit<br />

diversen Traktionssystemen ausgerüstet werden<br />

kann. Er bietet die neueste, leistungsstärkere<br />

Version der elektrischen Achse AVE 130 von<br />

ZF. Außerdem wird das neue, spannende Design<br />

auf die Low-Entry-Variante angewandt.<br />

Die italienische Marke Iveco zeigt den angepassten<br />

Reisebus Magelys Pro sowie eine elektrische<br />

Version des Kleinbusses Tourys auf Daily-Basis.<br />

Echte Knallerneuheiten bieten eher<br />

die Importeure und Außenseiter. So VDL mit<br />

dem spannenden Doppeldecker. Außerdem<br />

bringen die Holländer gleich zwei Elektrobusse,<br />

einen Hybridbus und den neuen Berliner<br />

Doppeldecker für die BVG mit. Auch Temsa<br />

mischt mit: Neben einer nochmals kompakteren<br />

Midibusvariante MD7 (siehe Seite 66) stellt der<br />

Hersteller mit dem Maraton einen völlig neuen<br />

Reisebus vor, hüllt sich dazu aber noch in<br />

Schweigen. Denn auch das gehört zuweilen<br />

zum beliebten Spiel der Messeneuheiten: Ein<br />

paar Pfeile müssen bis zuletzt im Köcher bleiben,<br />

um die Spannung zu erhalten. ◼<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 11/2<strong>01</strong>5


[ 150 ] FAHRZEUGE | Die Neuheiten der Busworld Europe<br />

SCHÖNER<br />

SCHEINEN<br />

Rückblick: Wie auf jeder Messe<br />

werden ein paar Perlen bis zum<br />

Schluss aufgehoben. Wir haben uns<br />

die spannendsten davon etwas<br />

genauer angesehen.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER | FOTOS: THORSTEN WAGNER,<br />

BYD, SCANIA, SOLARIS, TEMSA, VOLVO, YUTONG<br />

Klappern gehört zum Handwerk, das hat sich<br />

auch bis zu den kleineren Busherstellern her -<br />

umgesprochen. Beweis dafür ist nicht zuletzt<br />

die aufwendige und emotionale Show von<br />

Irizar. Die Basken inszenierten die Enthüllung<br />

des neuen Flaggschiffs i8 (Bild oben) auf der Busworld<br />

in Kortrijk mit Gesang und Seilakro batik.<br />

20 Millionen Euro habe man investiert, erklärte<br />

Firmenchef José Manuel Orcasitas. Alleine die<br />

Hälfte habe man in moderne Sicherheitstechnologien<br />

investiert. Die neuen i8 tragen stolz das<br />

neue „Integral“-Logo gleich unterhalb der edlen<br />

Abschlussleiste der vorderen Seitenfenster.<br />

Seit 2009 hat Irizar sich vom Aufbauer zum<br />

Bushersteller gemausert. Das neue Flaggschiff<br />

wird es vorerst in 13,22 und 15 Meter Länge geben.<br />

Neu ist das V-artige Designelement, das<br />

sich überall am Fahrzeug findet – auch in den<br />

neuen, exklusiven Irizar-Sitzen mit Dreipunktgurten.<br />

Überhaupt haben die Basken dem Interieur<br />

und der Elektrik des Wagens viel Aufmerksamkeit<br />

geschenkt, der äußerlich eher wie<br />

ein exzessives Facelift erscheint.<br />

Beinahe Pkw-artig und sehr edel schwingt<br />

sich der Arbeitsplatz sanft um den Fahrer. Der<br />

riesige Elf-Zoll-Multimedia-Touchscreen ist<br />

gut erreichbar, liegt aber etwas flach. Bedient<br />

1<br />

2<br />

1 Mit dem Superhochdecker<br />

Maraton darf<br />

man sich wieder an<br />

ein neues Temsa-<br />

Gesicht gewöhnen.<br />

2 Betont auffälliges<br />

Design bietet der<br />

Hochdecker HTC 12<br />

von Yutong, der es<br />

aber so schnell nicht<br />

nach Deutschland<br />

schaffen wird.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 12/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Die Neuheiten der Busworld Europe [ 151 ]<br />

Volvo bleibt stur auf Kurs<br />

In einer<br />

Sekunde<br />

werden mehrere<br />

Tausend Regelungsvorgänge<br />

veranlasst.<br />

Der elf Zoll große Touchscreen ist im edlen Irizar-Cockpit etwas zu flach verbaut.<br />

1 Ungewöhnlich für Mitteleuropa ist der Temsa<br />

MD 7 auf Frontmotorchassis mit Blattfedern.<br />

2 Auch Solaris wildert im Midi-Segment und<br />

überträgt sein bekanntes Markengesicht.<br />

1<br />

2<br />

wird er über einen Dreh-Drück-Steller mit fünf<br />

Direktzugrifftasten. Die meisten anderen Funktionen<br />

sind in einem Panel links vom Lenkrad<br />

versammelt und hintergrundbeleuchtet.<br />

Erstmals kommt zumindest vorne ein 22-Zoll-<br />

HD-Monitor zum Einsatz. Beim Antrieb vertraut<br />

Irizar auf ZF-Achsen, hier die neue RL 82 EC-<br />

Einzelradaufhängung, sowie den DAF-MX13-<br />

Motor mit 460 und 510 PS. Auch wenn der<br />

Aufbau der Vertriebsorganisation in Deutschland<br />

noch ganz am Anfang steht, ist das baskische<br />

Flaggschiff durchaus dazu angetan, um<br />

erfolgreich in der dünnen Luft der luxuriösen<br />

Superhoch decker bestehen zu können.<br />

Von diesem Traum noch weit entfernt ist der chinesische<br />

Hersteller Yutong, der einen gefälligen,<br />

12,24 Meter langen Reisebus-Protoypen<br />

nach Kortrijk mitgebracht hat, um die europäischen<br />

Reaktionen auszutesten. Der Elektrobus<br />

E 12 mit Aluminiumaufbau und Zentralmotor<br />

wiederum geht pünktlich zum Klimagipfel in<br />

Paris in eine längere Testphase bei RATP. Langfristig<br />

denke Yutong sogar über eine CKD-Produktion<br />

in Europa nach, heißt es.<br />

Gute Chancen für einen schnellen Start in<br />

Mitteleuropa hat der Temsa Maraton, ein ausschließlich<br />

zweiachsiger Superhochdecker<br />

von 3,90 Meter Höhe und 12,40 beziehungsweise<br />

13,08 Meter Länge. Die abermals neu gestaltete<br />

Frontpartie lässt den Wagen kaum als<br />

Temsa erkennen, das Heck wiederum erinnert<br />

doch sehr an den Neoplan Skyliner. Spannend<br />

zeigt sich das sehr aufgeräumte Cockpit<br />

mit moderner Zenec-Radiobedieneinheit und<br />

einem programmierbaren, digitalen Display.<br />

Motorisiert ist der Maraton mit einer 440 starken<br />

PS-DAF-MX11-Maschine.<br />

Auch am entgegengesetzten Ende der Gattung,<br />

bei den Midibussen, weiß Temsa zu überraschen.<br />

Auf einem kleinen, blattgefederten<br />

Frontmotor-Fahrgestell bietet der Hersteller<br />

einen, modern dreinschauenden Mini von 7,75<br />

Meter Länge und 2,40 Meter Breite sowie 180-<br />

PS-Mittelmotor hinter der vorderen Starrachse.<br />

Mit dem schicken Cockpit des MD 9 sowie einem<br />

Heckeinstieg und 4,4 Kubikmeter Stauraum bietet<br />

sich der robuste Winzling für Kleingruppen<br />

bis zu 33 Personen an. Auch ein Hublift für Rollstühle<br />

ist zu bekommen, ebenso wie eine Überland-Version<br />

mit Low-Entry-Bereich im Heck. ▸<br />

Elektronische Helferlein gehören immer häufiger<br />

auch zum Alltag eines Busfahrers. Jetzt<br />

greifen solche Systeme erstmals auch direkt<br />

ins Steuer ein, und das nicht bei irgendwem,<br />

sondern bei Volvo, der Marke die wie<br />

kaum eine andere für Sicherheit steht. Die<br />

Schweden haben es sich zum Ziel gesetzt, in<br />

absehbarer Zeit ihre Flotte unfallfrei nennen<br />

zu können. Bereits seit zwei Jahren im Lkw<br />

erprobt, geht jetzt Volvo Dynamic Steering<br />

(VDS) auch im Bus an den Start – und zwar<br />

auf Wunsch in allen europäischen Komplettbussen.<br />

Der Aufbau ist denkbar einfach: an<br />

der Lenkspindel der mechanischen Lenkung<br />

ist ein Servomotor angeflanscht, der<br />

bei laufend elektronisch festgestelltem Bedarf<br />

den Fahrer dann unterstützt. Bei einer<br />

ersten Ausfahrt überzeugte VDS mit extrem<br />

guter Manövierbarkeit bei langsamen Tempo<br />

genauso wie mit einem sehr ruhigen Geradeauslauf.<br />

Lediglich die subjektiv hohen<br />

Rückstellkräfte bedürfen einer längeren<br />

Eingewöhnungsphase. Auf die Frage, wann<br />

denn auch der Spurassistent mit dem aktiven<br />

Lenkeingriff verknüpft wird, schweigt<br />

Projektleiter Mats Nilsson lächelnd. Genau<br />

das ist nämlich der logische zweite Schritt<br />

auf dem Weg zum unfallfreien Fahren mit<br />

dem Reisebus und würde Volvo sehr gut zu<br />

Gesicht stehen.<br />

Alle Reisebusse von Volvo können mit<br />

der neuen VDS-Lenkung bestellt werden.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 12/2<strong>01</strong>5


[ 152 ] FAHRZEUGE | Die Neuheiten der Busworld Europe<br />

1<br />

2<br />

1 Mit dem hochflexiblen Interlink startet<br />

Scania eine Überlandbaureihe, die auch mit<br />

Erdgasantrieb zu haben ist.<br />

2 Im Parallelhybrid Scania Citywide wachsen<br />

die Haltestangen grün zum Dachhimmel.<br />

Der Preis für das gelungenste Innenraumkonzept<br />

geht damit nach Schweden!<br />

Auch Solaris macht mit dem schlicht „Konzeptbus“<br />

genannten Midi erste Gehversuche auf diesem<br />

Gebiet. Mit 10- oder 12-Tonnen-Frontmotor-Chassis<br />

von DAF (152 bis 213 PS und ZF<br />

AS-Tronic!) und 8,20 oder 9,60 Meter Länge will<br />

man den Markt testen. Auch die Elektrovariante<br />

des neuen Urbino mit ZF Elektroachse und<br />

hauseigenen 240 kW starker High-Energy-Batterien<br />

feierte Premiere, bevor die ersten Busse<br />

zur Üstra nach Hannover gehen. Erfolgversprechend<br />

dürfte auch die LE-Variante des neuen<br />

Urbino sein, die mit hochgezogenen Scheiben im<br />

Heckbereich und dem neuen Continental VDV-<br />

Armaturenträger gezeigt wurde.<br />

Mit dem Interlink schickt Scania eine komplett<br />

neue und sehr flexible Baureihe auf den Markt<br />

1<br />

1 Den Otokar Gelenkbus<br />

Kent C gibt es<br />

auch als 18,75-<br />

Meter-Version.<br />

2 Der chinesische<br />

Hersteller BYD<br />

ergänzt das Angebot<br />

an elektrischen<br />

Bussen mit einem<br />

18-Meter-Gelenkzug<br />

mit bis zu 220 Kilometer<br />

angegebener<br />

Reichweite.<br />

2<br />

Eine andere bedeutende Neuheit im Überlandbereich<br />

kommt mit dem sehr flexiblen Modell<br />

„Interlink“ von Scania und war bis zuletzt<br />

ein gut gehütetes Geheimnis. Zu haben sind drei<br />

Höhen (LD, MD, HD) und verschiedene Längen<br />

von 11 bis 15 Meter sowie Diesel-, Ethanolund<br />

Gasantriebe.<br />

Der im finnischen Lahti gebaute Wagen sei<br />

nun „auf den ersten Blick als Scania zu erkennen“,<br />

sagt Scania-Buschef Klas Dahlberg. Der Innenraum<br />

profitiert von niedrigerer Podest höhe,<br />

größeren Scheibenflächen und einer flexiblen<br />

Türlage hinten. Selbstverständlich ist heute die<br />

Erfüllung der neuen Umsturzrichtlinie ECE R<br />

66.02 bei weitgehender Gewichtsneutralität.<br />

Weitere Neuheiten im Stadtbusbereich bietet<br />

Volvo mit der Serienversion des 7900 electric<br />

(ausführlicher Bericht in einem der nächsten<br />

Hefte) und das Volvo-Dynamic-Steering-System<br />

(VDS) für den Reisebus (siehe Kasten).<br />

Der chinesische Hersteller BYD zeigte rein<br />

elektrische Versionen des 18-Meter- Gelenkbusses,<br />

eines acht Meter langen Midibusses sowie<br />

eines Doppeldeckers für London. Auch Otokar<br />

wagt sich mit seinem Gelenkbus Kent C in der<br />

Länge von bis zu 18,75 Metern ins Stadtgetümmel.<br />

Auf niedrigem Niveau hat der Hersteller<br />

hierzulande im ersten Halbjahr 2<strong>01</strong>5 um 50 Prozent<br />

zugelegt. Denn nicht immer ist der lauteste<br />

Auftritt auch der erfolgreichste im Markt. ◼<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 12/2<strong>01</strong>5


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KOMPAKTER TAUS<br />

Fahrbericht: Der Midibus MD9 ist der Allrounder im Programm des türkischen Herstellers Temsa. Wir sind die<br />

Reisebusversion mit Heckeinstieg gefahren, die in Kortrijk auch in einer kürzeren Version gezeigt werden soll.<br />

TEXT & FOTOS: THORSTEN WAGNER<br />

Es kommt selten vor, dass ein<br />

Hersteller gleich drei Segmente<br />

mit einem einzigen Modell<br />

bedient. Zu spezifisch sind die Anforderungen<br />

der unterschiedlichen<br />

Bereiche Stadt-, Überland- und Reiseverkehr.<br />

In jeder dieser Bereiche<br />

ist jedoch die Länge unter zehn Metern<br />

kaum besetzt und auch tech-<br />

nisch nicht auf einfachem Wege<br />

lösbar. Entweder lassen die auf<br />

Transportern basierende Minibusse<br />

die gewünschte Nutzlast vermissen<br />

oder vom Reisebus abgeleitete<br />

Modelle sind mit rund zehn Metern<br />

noch zu lang und auch zu teuer.<br />

Was liegt also näher, diese kleine,<br />

aber lukrative Marktlücke mit<br />

einem von Haus aus kompakten<br />

Allrounder zu besetzen, der ebenso<br />

durch Eigenständigkeit wie durch<br />

Wendigkeit zu überzeugen weiß?<br />

Der türkische Hersteller Temsa,<br />

der sich im vergangenen Jahr in<br />

Deutschland neu aufgestellt hat,<br />

setzt mit dem kompakten, 2<strong>01</strong>1 auf<br />

Kiel gelegten MD9 auf genau diese<br />

Strategie.<br />

Auf Basis dieser Plattform bietet<br />

Temsa Stadt- und Überlandvarianten<br />

in Hochboden- oder in Low-Entry-Bauweise<br />

und auch eine ausgewachsene<br />

Reisevariante. Zudem hat<br />

der Hersteller auf dem UITP-Kongress<br />

eine Elektroversion namens<br />

Electri-City vorgestellt. Hinter der<br />

Baureihe MD9 verbirgt sich also ein<br />

kleiner, flexibler Fuhrpark, der auf<br />

den gleichen Namen hört.<br />

Ähnlich wie Setra bei den MD-<br />

Modellen der Comfort-Class setzt<br />

Temsa bei seinem Midi auf den früher<br />

so beliebten Heckeinstieg, um<br />

das Kofferraumvolumen in nutzbare<br />

Bereiche zu katapultieren.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 11/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Temsa MD9 Euro 6 [ 155 ]<br />

In diesem Falle sind es fünf Kubikmeter,<br />

die bei einem möglichen Passagieraufkommen<br />

bis zu 39 Personen<br />

auch nötig sind.<br />

Bei einem Leergewicht des Edelstahlgerippes<br />

von rund zehn Tonnen<br />

und dem erhöhten zulässigen<br />

Gesamtgewicht von 14,4 Tonnen<br />

bleiben neben 100 Kilogramm<br />

pro Fahrgast sogar noch mindestens<br />

400 Kilo Nutzlast fürs Gepäck<br />

übrig. Das lässt sich in dem aufgeräumten<br />

Kofferraum auch gut<br />

verstauen. Damit wurde ein Kritikpunkt<br />

am Vorgänger ausgebügelt.<br />

Dieser Verdienst gebührt der Mercedes-Hinterachse,<br />

die jetzt 400<br />

Kilo mehr tragen kann als vorher.<br />

Die neue einzelradaufgehängte<br />

Vorderachse von ZF,<br />

deren Abstimmung und Fahrverhalten<br />

um einiges besser zu gefallen<br />

weiß als ihr exotischer Vorgänger<br />

von Voith, passt gut mit der<br />

ZF-Lenkung zusammen. Subjektiv<br />

ist diese sogar etwas zu leichtgängig<br />

ausgelegt. Zusammen mit<br />

dem kurzen Radstand von 4,6 Metern<br />

wird es hierdurch nicht eben<br />

zum Kinderspiel, eine gerade Spur<br />

in den Asphalt zu ziehen.<br />

Der positive Aspekt dieses Arrangements:<br />

ein phänomenaler<br />

Wendekreis von rund 17 Metern.<br />

Der Midi zeigt sich gewissermaßen<br />

als smart unter den Bussen, auch<br />

wenn es zum Quereinparken noch<br />

nicht ganz reicht.<br />

Nicht quer, sondern längs ist der<br />

kleine MAN-Diesel im Heck eingebaut.<br />

Auch hier hat Temsa dazugelernt<br />

und bietet nunmehr für<br />

die Reiseversion serienmäßig die<br />

stärkere 290-PS-Variante an. Gepaart<br />

ist dieser Motor in Euro-6-<br />

Güte zudem mit einem Allison-<br />

Wandlergetriebe mit sechs Gängen,<br />

gegen einen Minderpreis von 5.000<br />

Euro ist auch ein ZF-Schaltgetriebe<br />

verfügbar. Wer aber einmal das Automatikgetriebe<br />

erlebt hat – flottes<br />

und zugkraftunterbrechungsfreies<br />

Schalten der Gänge – wird sich dies<br />

noch einmal gut überlegen. Zumal<br />

das modernisierte Allison-Getriebe<br />

eine neue, adaptive „Prognostikfunktion“<br />

und zwei verschiedene<br />

Schaltprogramme bietet, die im<br />

Service angepasst werden können.<br />

ENDSASSA<br />

1 Mit fünf Kubikmeter Volumen<br />

ist der Kofferraum ausreichend<br />

groß bemessen.<br />

2 Erfreulich ist die Höhe der Tür<br />

im Heck von fast zwei Metern.<br />

2<br />

1


[ 156 ] FAHRZEUGE | Temsa MD9 Euro 6<br />

Aufgrund des knappen Radstands von 4,6 Metern erfreut sich der Midi eines kleinen Wendekreises von rund 17 Metern.<br />

Temsa MD9 Euro 6<br />

MOTOR<br />

Wassergekühlter R6-Zylinder MAN D 0836 LOH 72, stehend im Heck, zweistufiger<br />

Abgasturbolader und Ladeluftkühlung, elektronisch geregelte Einspritzung per Common<br />

Rail. Vier Ventile pro Zylinder. Abgasreinigung SCR-System, Abgasrückführung und Diesel<br />

Partikelfilter, Abgasstufe Euro 6.<br />

Hubraum<br />

6.871 cm³<br />

Bohrung/Hub<br />

108/125 mm<br />

Leistung<br />

213 kW (290 PS) bei 2.300/min<br />

Drehmoment<br />

1.100 Nm bei 1.200–1.700/min<br />

KRAFTÜBERTRAGUNG<br />

Wandler-Automatikgetriebe Allison T 325 R mit sechs Schaltstufen und Übersetzungen<br />

3,49-0,65, Wandler-Überbrückungskupplung ab Stufe 2. Einfach untersetzte Hinterachse<br />

Mercedes HO4, Übersetzung 3,909, alt. 4,3 (bei Schaltgetriebe ausschl. 3.583)<br />

FAHRWERK<br />

Vorne Einzelradaufhängung ZF RL 55 EC, doppelte Dreieckslenker, zwei Luftfederbälge,<br />

zwei Stoßdämpfer, Stabilisator, zul. Achslast 5,0 t. Hinten starre Hypoidachse Mercedes<br />

HO4, zwei Längslenker, aufgelöster Dreieckslenker, vier Luftfederbälge, vier Stoßdämpfer,<br />

zul. Achslast 9,44 t. Reifengröße 265/70 R 19,5.<br />

BREMSEN/LENKUNG<br />

Zweikreis-Druckluftanlage mit innenbelüfteten Scheibenbremsen rundum, elektronisch<br />

geregeltes Bremssystem EBS mit ABS, ASR, ESP. Retarder. AEBS und Spurassistent (lieferbar<br />

ab 4/2<strong>01</strong>6) Lenkung ZF 8098 Servocom. Max. Radeinschlag Vorderachse 52–54 Grad.<br />

Die Leistung des bayerisch-amerikanischen<br />

Antrieb-Duos kann sich<br />

durchaus sehen lassen, auch wenn<br />

der Niederdruck-Turbolader des<br />

Testwagens aufgrund einer Fehlfunktion<br />

nicht den vollen Druck<br />

aufbauen konnte und so nicht<br />

volle Leistung lieferte. Auch wenn<br />

bei Tempo 100 satte 1.700 Touren<br />

anliegen, ist die Geräuscharmut im<br />

eigens gestalteten, ergonomisch optimierten<br />

Cockpit erstaunlich. Im<br />

Heck dagegen dürfte eine etwas aufwendigere<br />

Dämmung des Motors<br />

Die großzügige Vollausstattung<br />

hat Temsa zum Prinzip erhoben<br />

dem Komfort zugutekommen. Dies<br />

tun die serienmäßigen Inova-Agile-Sitze<br />

schon sehr gut, die seitlich<br />

stark ausgeformten Kopfteile laden<br />

zum ausgedehnten Nickerchen ein,<br />

während der Midi quirlig um die<br />

Ecken wieselt. Überhaupt scheint<br />

das Erfolgsprinzip des Herstellers<br />

immer noch die großzügige<br />

Vollausstattung zu sein: angefangen<br />

von der Küche im Einstieg,<br />

der Hecktoilette, Xenon-Scheinwerfern,<br />

24-kW-Klimaanlage bis<br />

hin zur Audioanlage samt 19-Zoll-<br />

ABMESSUNGEN UND GEWICHTE<br />

Länge/Breite/Höhe (inkl. Klimaanl.) 9.380/2.400/3.330 mm<br />

Radstand<br />

4.600 mm<br />

Wendekreis<br />

16.950 mm<br />

Überhang vorn/hinten<br />

1.900/2.880 mm<br />

Fußbodenhöhe über Fahrbahn 1.146 mm<br />

Innenstehhöhe<br />

1.910 mm<br />

Volumen Kofferraum 5,0 m³<br />

Tankvolumen Diesel<br />

280 l<br />

Zul. Gesamtgewicht<br />

14.400 kg<br />

SITZPLÄTZE<br />

Testwagen/max.<br />

PREIS<br />

Grundpreis/Testwagen<br />

32/39+1+1 (drei Sterne)<br />

159.000/169.000 Euro<br />

Der kleine MAN-Motor wird in Serie in der 290-PS-Version angeboten.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 11/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Temsa MD9 Euro 6 [ 157 ]<br />

1<br />

1 Ablage und Kühlmöglichkeiten<br />

sind ähnlich wie in einem<br />

ausgewachsenen Bus.<br />

2 Alles im Blick und im Griff hat der<br />

Fahrer im modernen Cockpit, das<br />

durch seine Geräuscharmut gefällt.<br />

2<br />

1<br />

2<br />

3<br />

1 Im Heck kommt die Toilette<br />

unter, die Küche dagegen ganz<br />

klassisch im Einstieg.<br />

2 Stehhöhe und Volumen der<br />

Gepäckablagen gehen für den<br />

Midibus durchaus in Ordnung.<br />

3 Auch der Begleiterplatz bietet<br />

ausreichend Platz und Komfort<br />

für einen entspannten Job.<br />

Monitor ist alles an Bord. Noch bis<br />

April 2<strong>01</strong>6 soll es dagegen dauern,<br />

bis die grundlegende Sicherheitsausstattung<br />

um die ab November<br />

2<strong>01</strong>5 gesetzlich vorgeschriebenen<br />

Systeme Notbremsassistent<br />

und Spurassistent ergänzt werden.<br />

Der Aufpreis dafür soll minimal<br />

ausfallen. Der Preis für die<br />

„Luxus-Version“ des Busses mit<br />

nur 32 Sitzen, Toilette und Küche<br />

wurde gegenüber 2<strong>01</strong>1 sogar um<br />

10.000 Euro auf rund 170.000 Euro<br />

gesenkt, der Einstiegspreis liegt<br />

bei 160.000 Euro, inklusive der<br />

entspannenden Allison-Automatik.<br />

Wohl nicht nur deswegen freut sich<br />

der Temsa-Vertrieb auf rund 60 Verkäufe<br />

in Deutschland in diesem<br />

Jahr. Denn schließlich macht der<br />

kleine, flexible Tausendsassa einen<br />

Gutteil der Verkäufe in Deutschland<br />

aus. Da lohnt es sich, die kleine<br />

Marktnische weiterhin im Fokus zu<br />

behalten und breit zu bedienen. Das<br />

dürfte den Start des auf der Busworld<br />

in Kortijk erstmals gezeigten<br />

kleineren, rund sieben Meter langen<br />

Bruders MD7 unter einem guten<br />

Stern stehen lassen. ◼<br />

Anzeige<br />

Oberhalb der kompakten Heckscheibe sitzt die Rückfahrkamera.


[ 158 ] FAHRZEUGE | Mercedes Tourismo L<br />

LANGSTRECKEN LÄUFER<br />

Test: Obwohl nicht mehr ganz taufrisch, ist der Mercedes Tourismo ein Kandidat für Jubiläen<br />

und Verkaufserfolge. Zum Zehnjährigen fährt ein waschechter Fernlinienwagen zum Test vor.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER | FOTOS: KARL-HEINZ AUGUSTIN<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 12/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Mercedes Tourismo L [ 159 ]<br />

Dieser Bus ist ein echtes Phänomen auf<br />

Europas Straßen. Obwohl weder aufregender<br />

Hingucker noch vielgelobter Innovationsträger,<br />

eilt er seit 1994 von Erfolg zu<br />

Erfolg und von Jubiläum zu Jubiläum. Nach über<br />

20.000 gebauten Bussen der Baureihe folgten<br />

2<strong>01</strong>4 die vorerst letzten Highlights der Reifung:<br />

Neben der Einführung von Euro 6 wurde die<br />

Sicherheitsausstattung weiter aufgewertet: So<br />

sind zwar aus konstruktiven Gründen weder<br />

„Front Collision Guard“ (FCG) noch der erweiterte<br />

Notbremsassistent ABA3 an Bord, aber<br />

das ab Ende 2<strong>01</strong>5 gesetzlich vorgeschriebene<br />

AEBS-System sowie der Spurassistent sind<br />

bereits ab Sommer serienmäßig zu haben.<br />

Der ersten Travego-Generation dank identischer<br />

Scheinwerfer wie aus dem Gesicht geschnitten,<br />

wagt der kleine Bruder Tourismo nur mit einem<br />

kecken Schwung vom Dach hinab zur A-Säule<br />

eine kleine optische Extravaganz. Alles in<br />

allem ist der Marathonläufer aus dem türkischen<br />

Hosdere – das gerade ebenfalls sein 20-jähriges<br />

Jubiläum als Produktionswerk feierte – aber<br />

durch und durch bodenständig sowie frei von<br />

jeglichen Allüren. Und genau das ist es, was vie-<br />

len Unternehmern in ganz Europa so an ihm<br />

gefällt.<br />

Der Testwagen in dezentem „Florett-Silber“,<br />

der auf der <strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong>-Strecke antritt,<br />

hat dazu eine ganz besondere Bestimmung,<br />

nämlich die als Fernlinienvariante. Die<br />

Bedürfnisse dieses neuen Geschäftsfeldes, das<br />

im dritten Jahr seiner Existenz zum Glück immer<br />

noch in der Boom-Phase steckt, treffen sich nahezu<br />

idealtypisch mit denen des Tourismo: Effizienz,<br />

maximale Kapazität und hoher Nutzwert.<br />

Nicht umsonst verweist Daimler stolz auf einen<br />

Marktanteil von rund 50 Prozent im Segment.<br />

Mit den 52 Sitzen des Typs Travel Star Eco<br />

ist die volle Kapazität des rund 14 Meter langen<br />

Dreiachsers noch nicht mal ausgereizt. Die<br />

läge bei 59 Sitzen ohne Toilette. Deutlich spiegelt<br />

der Innenraum auch eine kommende Regelung<br />

wider: Wie im Personenbeförderungsgesetz<br />

ab 2<strong>01</strong>6 für Fernbusse vorgeschrieben, bietet<br />

der Hochdecker zwei Rollstuhlplätze an Bord.<br />

Zur Realisierung des zwar aufwendigen,<br />

aber sicherheitsbetonten Konzepts (man stelle<br />

sich nur einen Notfall mit einem Lift in<br />

der hinteren Treppe vor) treibt Mercedes einen<br />

enormen konstruktiven Aufwand mit ei-<br />

1<br />

2<br />

3<br />

1 Üppiger Kofferraum dank langem Radstand<br />

und praktische Staufächer über den Achsen.<br />

2 Die typischen Euro-6-Lüftungsgitter im Heck<br />

verleihen etwas mehr optische Spannung.<br />

3 Leider kommt der OM 470 vorerst nicht in den<br />

Genuss der jüngsten Überarbeitung.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 12/2<strong>01</strong>5


[ 160 ] FAHRZEUGE | Mercedes Tourismo L<br />

Technische Daten und Messwerte<br />

MOTOR<br />

Wassergekühlter R6-Dieselmotor (Mercedes OM 470) stehend im<br />

Heck. Abgasturbolader und Ladeluftkühlung, elektronisch gesteuerte<br />

Direkteinspritzung per Common Rail mit Druckverstärkung X-Pulse.<br />

Vier Ventile pro Zylinder, Abgasrückführung, SCR-Technik mit<br />

Adblue-Einspritzung, Abgasstandard Euro 6.<br />

Bohrung/Hub<br />

125/145 mm<br />

Hubraum 10.677 cm 3<br />

Verdichtung 17,6 : 1<br />

Leistung<br />

315 kW (428 PS) bei 1.800/min<br />

Maximales Drehmoment 2.100 Nm bei 1.100/min<br />

KRAFTÜBERTRAGUNG<br />

Getriebe: Automatisiertes Achtganggetriebe Mercedes GO 250-8<br />

Powershift mit Lenkstockbedienung, Dynamikmodus und Rangiermodus<br />

vorwärts und rückwärts.<br />

ÜBERSETZUNGEN<br />

1. Gang 6,57 8. Gang 0,63<br />

R.-Gang 6,18 Achsübersetzung<br />

i = 3,58<br />

Spreizung 10,38<br />

(altern.) (3,91)<br />

Drehzahl bei 100 km/h ca. 1.280/min<br />

FAHRWERK<br />

Vorne Einzelradaufhängung ZF RL 75 E mit Doppelquerlenkern, zwei<br />

Luftfederbälge, zwei Stoßdämpfer, Stabilisator, maximaler<br />

Radeinschlag innen 58 Grad. Hinten starre Antriebsachse Mercedes<br />

RO 440, zwei Längslenker, aufgelöster Dreieckslenker, vier<br />

Luftfederbälge, vier Stoßdämpfer, Stabilisator. Aktiv hydraulisch<br />

gelenkte Nachlaufachse ZF RL 75 EC mit Einzelradaufhängung, max.<br />

Radeinschlag 13 Grad. Reifengröße 295/80 R 22,5.<br />

BREMSANLAGE<br />

Elektronisch geregelte Zweikreis-Druckluftbremsanlage mit<br />

innenbelüfteten Scheibenbremsen rundum, Dauerbremse Sekundär-<br />

Wasserretarder Voith, Betätigung Lenkstockhebel und der Fußbremse<br />

vorgeschaltet, Dauerbremslimiter, ABS und ASR, Bremsassistent,<br />

elektronisches Stabilitätsprogramm ESP. Notbremsassistent AEBS.<br />

LENKUNG<br />

ZF-Kugelmutter-Hydrolenkung Typ 8098 Servocom mit variabler<br />

Übersetzung (22,2–26,2), Lenksäule in Höhe und Neigung<br />

pneumatisch verstellbar.<br />

DIE MESSWERTE<br />

Etappe 1<br />

Etappe 2<br />

Etappe 3<br />

Etappe 4<br />

Etappe 5<br />

Etappe 6<br />

Gesamte Strecke<br />

Rundstrecke Solitude<br />

Gemischt<br />

Solitude–Bad Liebenzell<br />

B 295/B 296/B 463, gemischt<br />

Bad Liebenzell–Unterhaugstett<br />

Bergstrecke<br />

Unterhaugstett–Solitude<br />

Landstraße/B 295/Landstraße<br />

Sindelfingen–Sulz AH*<br />

Autobahn A 8/A 81, mittel<br />

Sulz AH–Kreuz Stuttgart**<br />

Autobahn A 81/A8, leicht<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch L/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

Strecke km<br />

Verbrauch l/100 km<br />

CO 2<br />

/Gramm pro<br />

Personenkilometer***<br />

Verbrauch Adblue l/100 km<br />

Geschwindigkeit km/h<br />

* Zwei Baustellen insgesamt 3,5 km mit 80 km/h, ** Wegen Stau im Kreuz Stuttgart Messung verkürzt,<br />

*** volle/halbe Auslastung; Wetterbedingungen: leicht bewölkt, 16º C trocken<br />

12,1<br />

37,6<br />

56,0<br />

35,8<br />

37,2<br />

55,0<br />

3,6<br />

113,6<br />

39,2<br />

25,6<br />

35,0<br />

48,1<br />

63,3<br />

23,2<br />

94,5<br />

64,1<br />

21,5<br />

93,8<br />

204,5<br />

29,0<br />

14,1/27,2<br />

ca. 1,7<br />

72,0<br />

INNENGERÄUSCHE<br />

vorn Mitte hinten<br />

80/100 km/h, dB(A) 61,0/66,0 62,5/65,5 63,5/66,0<br />

BETRIEBSKOSTEN<br />

Kaufpreis Euro 335.000<br />

Feste Kosten pro Jahr Euro 90.481<br />

Feste Kosten pro km Cent 113,10<br />

Variable Kosten pro km Cent 59,16<br />

Gesamtkosten pro km Cent 172,26<br />

Parameter für die Dekra-Betriebskostenberechnung: Haftpflicht und Kasko<br />

100 Prozent, jährliche Laufleistung 100.000 km, Nutzungsdauer 60 Monate<br />

ELEKTRIK<br />

Spannung 24 Volt, drei Drehstromgeneratoren à 150 A, zwei<br />

Batterien 12 V/225 Ah.<br />

A<br />

D<br />

HEIZUNG/LÜFTUNG/KLIMA<br />

Vollautomatische Heizungs-/Lüftungsanlage mit Dachklimaanlage.<br />

Lufteintritt über Düsenbelüftung, über Schlitze oberhalb der<br />

Seitenfenster sowie Schlitze unterhalb sowie oberhalb der<br />

Gepäckablagen Richtung Mittelgang. Elektrisch betätigte Dachluken.<br />

Entlüftung vorne im Mittelgang, Luftaustritt über die Vorderachse.<br />

Konvektorenheizung im Fahrgastraum, Leistung 12,5 kW,<br />

Bugheizgerät Leistung 20 kW. Kälteleistung Dachklimaanlage 35 kW,<br />

Fahrerplatz 8 kW. Heizleistung Dachanlage 38 kW. Standheizung<br />

Spheros, Leistung 30 kW.<br />

MASSE UND GEWICHTE<br />

Wendekreis<br />

23.138 mm<br />

Leergewicht/Testgewicht 16.550/21.400 kg<br />

Zul. Gesamtgewicht 24.000 kg<br />

Zul. Achslast v/m/h<br />

7.500/11.500/5.750 kg<br />

Gepäckraum (mit/ohne Toilette) 11,0/12,2 m 3<br />

Volumen Kraftstofftank 475 l<br />

Volumen Adblue-Tank 40 l<br />

C<br />

ABMESSUNGEN<br />

A Länge/Breite<br />

13.990/2.550 mm<br />

Höhe<br />

3.620 mm<br />

B Radstand<br />

7.110 + 1.350 mm<br />

C Überhang vorn/hinten 2.760/2.770 mm<br />

D Stehhöhe<br />

2.100 mm<br />

E Einstiegshöhe vorn/hinten ca. 348/ca. 322 mm<br />

F Fußbodenhöhe 1.330 mm<br />

FAHRGASTPLÄTZE<br />

Sitz-/Rollstuhlplätze 52 + 1 + 1 / 2<br />

B<br />

E<br />

A<br />

B<br />

F<br />

WERTUNG<br />

Sehr niedriger Kraftstoffverbrauch, nahezu<br />

perfekt schaltendes Getriebe, übersichtliche<br />

Bedienung, Geräuschniveau sehr niedrig,<br />

optimale Fernbusausstattung.<br />

Preisniveau etwas hoch, Design sehr<br />

zurückhaltend, lauter und spät einsetzender<br />

Retarder, Motor mit wenig Reserven für<br />

Dreiachser, nicht alle Sicherheitsfeatures<br />

verfügbar.<br />

PREIS<br />

Testwagen<br />

C<br />

E<br />

335.000 Euro<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 12/2<strong>01</strong>5


FAHRZEUGE | Mercedes Tourismo L [ 161 ]<br />

1<br />

1 In Deutschland bisher eher die Ausnahme ist<br />

der Alkotester zur Entsperrung der Zündung.<br />

2 Auch der Begleiter kann die Mediaports gut<br />

erreichen, große Ablage für Handy und Co.<br />

3 Aufgeräumt zeigt sich der nicht mehr topaktuelle<br />

Arbeitsplatz des Reisebusses.<br />

2<br />

3<br />

ner Schlagtür rechts hinter der Vorderachse<br />

und einem Kassettenlift im Kofferraum. Die<br />

Folge: Bis zu acht Sitzplätze fallen weg. Auch<br />

deshalb bevorzugt Mercedes die 14 Meter lange<br />

L-Variante für diesen Einsatzzweck und nicht<br />

etwa den 13-Meter-Dreiachser, der sich zwar<br />

durch einen wesentlich kleineren Wendekreis,<br />

jedoch auch entsprechend knapperen Kofferraum<br />

auszeichnet. Im elf Kubikmeter großen<br />

Abteil des Testwagens fallen der Kassettenlift<br />

und das auf 150 Liter vergrößerte Wasservolumen<br />

der Heavy-Duty-Toilette dagegen kaum<br />

nennenswert ins Gewicht.<br />

Der äußeren optischen Zurückhaltung angepasst,<br />

zeigt sich auch das Cockpit, das weitgehend<br />

dem der Überland-Baureihen von Daimler<br />

entspricht. Es zeigt sich nüchtern mit dem einen<br />

oder anderen sichtbaren Schraubenkopf. Zudem<br />

ist die Bedienung des Displaymenüs ohne die<br />

heute schon fast selbstverständlichen Lenkradtasten<br />

etwas umständlich, der Tachograf sitzt zudem<br />

sehr tief unterhalb des Schalthebels. Wer mit<br />

derlei Petitessen leben kann, findet aber einen<br />

erstklassigen, gut bedienbaren Arbeitsplatz vor,<br />

der viel Platz und gute Rundumsicht bietet.<br />

Der Begleiter kommt in den Genuss von<br />

gut erreichbaren Media-Ports sowie eines großen<br />

Stauschranks neben der Tür, die im Gegensatz<br />

zum hinteren Pendant stolze 2,20<br />

Meter lichte Höhe bietet. Die Stehhöhe von<br />

etwas über zwei Metern ist ebenso ausreichend<br />

wie die 28 mal 31 Zentimeter großen Ablagefächer.<br />

Das im Testwagen verbaute Sitzmodell<br />

Travel Star Eco aus eigener Fertigung lässt sich<br />

neuerdings auch durch eine Variante mit ausziehbaren<br />

Kopfstützen ersetzen, die Daimler<br />

erstmals auf der Busworld gezeigt hat.<br />

Eines der stärksten Verkaufsargumente für einen<br />

Mercedes-Benz war schon jeher der robuste<br />

und moderne Antriebsstrang, so ist es auch<br />

beim Tourismo. Zwar kommt der Langläufer<br />

nicht in den Genuss des großen OM 471, der<br />

gerade aufwendig auf noch mehr Effizienz getrimmt<br />

wurde. Aber auch mit der größten Version<br />

des OM 470 mit 428 PS und 2.100 Newtonmeter<br />

an maximalem Drehmoment ist der Wagen<br />

von sprichwörtlicher Sparsamkeit. So liefert er<br />

in der Euro-6-Version sogar den gleichen guten<br />

Verbrauch von rund 29 Litern auf 100 Kilometer<br />

wie ein von <strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> getesteter Zwei-<br />

1<br />

2<br />

1 Die Vernetzungstechnik für Fleetboard<br />

und Co. versteckt sich in den vorderen<br />

Staukästen der großen Gepäckablagen.<br />

2 Angenehme Stehhöhe und serienmäßige<br />

Podeste lassen den Aufenthalt im Inneren<br />

auch auf der Fernlinie entspannt genießen.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 12/2<strong>01</strong>5


[ 162 ] FAHRZEUGE | Mercedes Tourismo L<br />

achser mit 408 PS und 1.900 Newtonmetern in<br />

Euro-5-Motorisierung – und das bei rund drei<br />

Tonnen höherem Testgewicht.<br />

Alle Achtung, hier haben die Schwaben wirklich<br />

ihre Hausaufgaben gemacht! Wer noch sparsamer<br />

unterwegs sein will, muss dann doch zum<br />

Travego mit dem überarbeiteten OM 471 und 476<br />

PS greifen, der bis zu 2.300 Newtonmeter und<br />

einige andere Features zusätzlich bietet.<br />

Berg und Tal sind freilich nicht die größten<br />

Freunde des Tourismo L – allzu schnell versickert<br />

das aufgebaute Tempo an Steigungen<br />

im Drehmomentkeller. Das perfekt schaltende<br />

automatisierte Achtgang-Getriebe hat dann zuweilen<br />

Mühe und sollte ab und an in den eingebauten<br />

Dynamikmodus wechseln dürfen, um<br />

alle Reserven zu mobilisieren.<br />

Zu guter Letzt kommt es aber auch beim Marathonläufer<br />

mehr auf die Ausdauer an als auf<br />

üppig wuchernde Muskelberge. Und sparsame<br />

Ausdauer zeigt der Tourismo bei sanften 1.300<br />

Touren bei Marschtempo durchaus. Das bewährte<br />

Fahrwerk und die zurückhaltende Geräuschkulisse<br />

geben derweil keinen Anlass zum<br />

Mäkeln. Mit dem Wagen ist jederzeit gut Staat zu<br />

machen – bei Fahrer und Fahrgästen. Gerade im<br />

Cockpit herrscht angenehme Stille. Lediglich der<br />

1<br />

2<br />

1 Eine zwar aufwendige, aber sehr sichere<br />

Lösung für den Einbau zweier Rollstuhlplätze,<br />

die ab 2<strong>01</strong>6 Vorgabe für Fernbusse sind.<br />

2 Mittels Airline-Schienen lassen sich bis zu<br />

vier Sitzreihen ausbauen. Nur wo lagern? Das<br />

wird sich so mancher Betreiber fragen.<br />

etwas spät einsetzende Wasserretarder, der deftig<br />

zupackt, ist dann aber auch gut hörbar.<br />

Insgesamt geht der Tourismo also sehr gereift<br />

ins zehnte Produktionsjahr. Das nächste Jubiläum<br />

kam denn auch schneller als gedacht: Statt<br />

des von dem einen oder anderen Experten erwarteten<br />

neuen Modells stand auf der Busworld<br />

in Kortrijk eine edel anmutende Sonderedition<br />

mit dem stolzen „10.000th Edition“-Emblem.<br />

Derart geadelt läuft der Bus weiter und weiter<br />

und weiter – wohl auch noch bis zum nächsten<br />

Jubiläum.<br />

◼<br />

Fernbusboom bringt Reisebusse auf technologisches Spitzenniveau<br />

Nicht nur die schnell erkennbare Ausrüstung<br />

des Testwagens mit zwei Rollstuhlplätzen lässt<br />

ihn flugs als Fernlinienspezialist erkennen, auch<br />

viele andere Details haben sich seit dem Boom<br />

Statt konventioneller Küche bietet der Testwagen<br />

einen Snackautomaten im Einstieg.<br />

des preiswerten innerdeutschen Busverkehrs<br />

weitgehend durchgesetzt.<br />

So sind 220-Volt-Steckdosen in diesem Tourismo<br />

an jedem Platz (leider an der Wand und<br />

nicht für die Fahrgäste praktikabler zwischen<br />

den Sitzen) ebenso Standard wie schnelles<br />

WLAN via flottem LTE. Per Fleetmanagement-<br />

Software Fleetboard kann die Zentrale zudem<br />

jederzeit verfolgen, wo sich der Wagen gerade<br />

befindet und wie es um sein technisches Wohlergehen<br />

bestellt ist. Eher seltener zu finden<br />

und wohl mehr eine skandinavische Anlehnung<br />

ist der Alkoholtester zum Starten des Wagens.<br />

Statt einer konventionellen Küche findet sich<br />

im hinteren Einstieg ein Snackautomat, den es<br />

ebenfalls mit Heißgetränkeabteilung gibt. So weit<br />

Ohne Steckdosen für das mitgebrachte<br />

Handy oder Tablet geht heute nichts mehr.<br />

die Pflicht auf der Fernlinie, die Kür beginnt beim<br />

stillen Örtchen, bisher mehr pro forma an Bord,<br />

nunmehr ein durchgehend frequentiertes Heavy-<br />

Duty-Bauteil. Metallarmaturen statt Kunststoffteile,<br />

formatfüllende Spiegel und elektrische<br />

Handtrockner sind ebenso notwendig wie vergrößerte<br />

Volumina für Frisch- und Abwasser. Beim<br />

Testwagen sind es jeweils rund 150 Liter, die<br />

Zugänge sind gut und praktikabel im sehr üppig<br />

bemessenen Kofferraum zu erreichen.<br />

Vom ehemals „stillen Örtchen“ wurde die<br />

Toilette zum Heavy-Duty-Bauteil an Bord.<br />

<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 12/2<strong>01</strong>5


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1 Die Bugmaske<br />

des Lion’s City ist<br />

nicht ganz aktuell,<br />

trägt aber stolz<br />

den Welfenlöwen.<br />

2 Die Originalfarbe<br />

der Stossstangen<br />

war ebenfalls Blau.<br />

1<br />

2<br />

An einigen Tagen im Jahr durfte der tiefblaue<br />

Büssing BS 110 V-R dann doch vom tristen<br />

Linien-Standard abweichen. Da wurde<br />

seine Dachkante festlich geschmückt mit den<br />

Fähnchen der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ),<br />

der Stadt Zürich und der Eidgenossenschaft. So<br />

zum Beispiel zum traditionellen „Sechseläuten“<br />

oder „Sächsilüüte“, einer Art Frühlingsfest, das<br />

Mitte April stattfindet und das Ende des Winters<br />

verkündet.<br />

Ein Pappmaschee-Schneeman, der „Böögg“,<br />

wird seit 1902 als Höhepunkt der Festivitäten<br />

auf dem zentralen Sechsläutenplatz im Beisein<br />

der 26 Züricher Zünfte zeremoniell verbrannt.<br />

„Es gibt jährlich sieben oder acht Gelegenheiten,<br />

an denen wir unsere Fahrzeuge<br />

so beflaggen, aber zahlen müssen das jeweils<br />

die Veranstalter, der Kanton rechnet da etwas<br />

anders als die Stadt“, berichtet Patrick Renner,<br />

Leiter Instandhaltung Bus bei den VBZ<br />

und schon seit zehn Jahren im Unternehmen.<br />

Und der Kanton finanziert die Verkehrsbetriebe.<br />

Das war wohl auch einer der Gründe<br />

dafür, warum die VBZ seit rund zehn Jahren die<br />

kleine Flotte von Oldtimern der Marken Saurer,<br />

FBW und Giraf nach und nach an Museen<br />

im Land abgegeben hat. Verblieben war nur ein<br />

Saurer von 1939 mit Holzaufbau – und der Standardüberlandbus<br />

(StÜLB) Büssing BS 110 V-R.<br />

Dabei läutete die Beschaffung der 88 Busse in Zürich<br />

Anfang der 70er-Jahre eine neue Ära ein, die<br />

UNGLEICHE<br />

LÖWENBRÜDER<br />

Vergleichsfahrt: Der Büssing BS 110 hat kaum mehr gemeinsam mit<br />

einem MAN Lion‘s City G als den Löwen auf dem Bug.<br />

TEXT: THORSTEN WAGNER | FOTOS: KARL-HEINZ AUGUSTIN,<br />

THORSTEN WAGNER, OMNIBUSSPIEGEL<br />

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FAHRZEUGE | Büssing und MAN [ 165 ]<br />

111 Jahre Büssing-Busse<br />

Die sogenannten Trilex-Räder des Büssing<br />

waren eine Schweizer Technik-Spezialität.<br />

mit einem enormen politischen Echo einhergegangen<br />

sei, erinnert sich Urs Kern, Teamleiter Service<br />

Support bei MAN in Otelfingen, der damals<br />

bei den VBZ in der Instandhaltung arbeitete. „Die<br />

relativ preiswerten Wagen sollten ohne große<br />

Revisionen maximal acht Jahre laufen, das war<br />

ein echter Paradigmenwechsel damals.“<br />

Weil sich die Busse aber als robust und zuverlässig<br />

zeigten, ließ man sie dann doch ihre 10<br />

bis 12 Jahre mit einer durchschnittlichen Kilometerleistung<br />

von rund 45.000 Kilometern laufen –<br />

freilich nicht ganz ohne Überholungen. Den Zuschlag<br />

erhielt Büssing als erster ausländischer<br />

Lieferant vor allem wegen des neuartigen Konzepts<br />

mit dem Unterflur-Heckmotor sowie der<br />

seltenen Bereitschaft, Dreitürer zu liefern.<br />

Abgesehen von dieser Extravaganz zeigt<br />

sich der Büssing-Elf-Meter-Solowagen voll der<br />

Norm der ersten VÖV-Standardbus-Generation<br />

verschrieben, inklusive der stark gewölbten<br />

Frontscheibe (auch Werkspoor- oder Jukebox-<br />

Scheibe). Der Raumeindruck in der sehr hoch<br />

angebrachten Fahrerkanzel ist durch diese Ei-<br />

1 Ungewöhnlicher Luxus im Gelenkbus: Stehtische,<br />

Teppichboden und Espressomaschine.<br />

2 Die Dokumentation wurde bei Büssing groß<br />

geschrieben. In drei dicken Ordnern findet<br />

sich jede Information über den Oldtimer.<br />

Zum ausgesuchten Erscheinungsbild des MAN<br />

Lion’s City gehören natürlich Alcoa-Alufelgen.<br />

genart sehr gut, die Blendwirkung der Transistor-Innenbeleuchtung<br />

wird hierdurch und durch<br />

eine massive Blende unterhalb der Scheibe stark<br />

vermindert.<br />

Der Wagenboden ist bis auf die vorderen Radkästen<br />

podestfrei, diese sind jedoch geschickt mit<br />

Querbänken verdeckt, die dem Vorderwagen einen<br />

luftigen Eindruck verschaffen. Der generelle<br />

Eindruck hat mit einem Niederflurbus kaum<br />

etwas gemein. Man fühlt sich eher wie in einem<br />

Hochboden-Überlandwagen, auch wenn sich die<br />

Gesamthöhe von drei Metern nicht wesentlich<br />

vom modernen MAN Lion‘s City unterscheidet.<br />

Eine kleine Fahrt von Otelfingen, wo der Wagen<br />

mehr als 25 Jahre nach seinem letzten Einrücken<br />

restauriert worden war, zum Betriebshof<br />

der VBZ lässt die Anstrengungen der Fahrer<br />

damals erahnen, auch wenn diese den „robusten<br />

und einfachen Bus“ sehr goutierten, so Kern.<br />

Zwar gibt sich der Büssing-Motor mit 186 PS<br />

ohne Aufladung nicht gerade als Rennwagen zu<br />

erkennen, aber er hält den maximal 15,5 Tonnen<br />

2<br />

Mit Doppeldeckern („Deckbussen“) für<br />

London wurde Büssing schnell bekannt.<br />

Noch elf Jahre vor MAN begann Heinrich<br />

Büssing (1843–1929) in Braunschweig<br />

Busse zu bauen und selbst auf Linie unter<br />

schwersten Bedingungen zu testen. Der<br />

berühmte „Wendeburg-Bus“, der 1904 seinen<br />

Dienst nördlich von Braunschweig antrat,<br />

steht immer noch als Replika im ehemaligen<br />

Werk 2 in Salzgitter-Watenstedt. Der<br />

Braunschweiger<br />

Welfen-Löwe findet<br />

sich noch heute als<br />

MAN-Löwe auf dem<br />

Fahrzeug-Bug.<br />

Sehr früh steigt<br />

Büssing ins Englandgeschäft<br />

ein<br />

und lieferte so<br />

viele Doppedecker<br />

nach London, dass<br />

man 1906 bereits<br />

eine Lizenz vergab.<br />

Später lieferte man<br />

auch Chassis für<br />

Erst mit fast 60<br />

Jahren stieg Heinrich<br />

Büssing in den Nutzfahrzeug-Bau<br />

ein.<br />

Doppeldecker an Berlin und spezialisierte<br />

sich auf schwere Dreiachser. Die erste VÖV-<br />

Standardlinienbus-Generation sollte auch<br />

die letzte für Büssing sein. Statt Namen wie<br />

„Konsul“ und „Senator“ bekam das Modell<br />

die Bezeichnung BS 110. Er war einer der<br />

letzten Busse, der noch ohne MAN-Einfluss<br />

entstand, der sich 1970 mit der Übernahme<br />

von Büssing dann schnell festigte.<br />

1<br />

Ein ähnlicher Büssing BS 110 im Jahr<br />

1979 vor dem Züricher Hauptbahnhof.<br />

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[ 166 ] FAHRZEUGE | Büssing und MAN<br />

Übergabe-Protokoll<br />

schweren Wagen mit bis zu 51 Sitzen immer unter<br />

Dampf – das auch im Sinne der Geräuschentwicklung.<br />

Eine Servolenkung war damals<br />

noch nicht an Bord, wohl aber eine Voith-Dreigang-Automatik,<br />

deren Manövrierpräzision im<br />

Rückwartsgang noch sehr zu wünschen übrig<br />

zu 30 Prozent steigen soll, sagt VBZ-Mann Renner.<br />

Derzeit sind allerdings nur noch 14 Lion‘s<br />

City M im Dienst sowie 63 Neoplan Centroliner,<br />

die Ende des Jahrzehnts zur Erneuerung anstehen.<br />

Sogar der letzten erkennbaren Zuckung der<br />

VDV-Standardisierung hat sich der Lion‘s City<br />

MAN-Vorstand Dr. Carsten Intra gönnte<br />

sich eine Probefahrt nach der Übergabe.<br />

Die konzertierte Aktion hat den letzten<br />

Büssing-Standardlinienbus der Züricher Verkehrsbetriebe<br />

(VBZ) wohl vor dem Schicksal<br />

der Schrottpresse bewahrt. Anfang der 70er-<br />

Jahre wurden in der Schweizer Großstadt<br />

88 dieser Busse „im großen Stil beschafft“,<br />

wie Patrick Renner von der VBZ sagt, eingesetzt<br />

wurden sie bis 1990. Im Zuge der Reduzierung<br />

des Oldtimerbestandes wuchs der<br />

Druck, den letzten Vertreter seiner Art aufs<br />

eidgenössische<br />

Altenteil zu schicken.<br />

Fürs Museum<br />

bot sich der<br />

Wagen noch nicht<br />

so recht an, also<br />

fragte man bei<br />

MAN in Otelfingen<br />

an. Dort restaurierten<br />

sechs Auszubildende<br />

den<br />

Wagen von Grund<br />

auf. Es folgte die<br />

Nach über 400.000<br />

Kilometern im Liniendienst<br />

verlässt der<br />

Büssing die VBZ.<br />

Übergabe an MAN-Produktionsvorstand Dr.<br />

Carsten Intra in München. „Das war eine<br />

einmalige Gelegenheit für die Lehrlinge, eine<br />

Restaurierung eigenverantwortlich und ohne<br />

feste Vorgaben durchzuführen“, sagt Peter<br />

Sterchi, MAN-Werkstattleiter. In rund 300<br />

Mannstunden wurde die komplette Technik,<br />

aber auch Seitenbleche und anderes aufwendig<br />

überarbeitet.<br />

„Standard“ ist ein Fremdwort für den modernen<br />

MAN-Gelenkzug, „Coffee to ride“ dagegen nicht<br />

lässt. Aber es soll auf unserer Fahrt durch Zürich<br />

vorwärtsgehen, und das gelingt durchaus zügig.<br />

Besonders der direkte Kontakt zur Straße und<br />

die unvermittelte Rückmeldung des lauten Motors<br />

an den Fahrer lässt die Straße in Verbindung<br />

mit einem straffen Fahrwerk deutlich verspüren.<br />

Fast fühlt es sich nach einer Art Verschmelzung<br />

über die Jahrzehnte hinweg an. Vorerst soll das<br />

aber seine letzte Fahrt in Zürich gewesen sein,<br />

fast 40 Jahre nach der Jungernfahrt. In seiner<br />

neuen Heimat München trifft der Büssing auf<br />

einen weitläufigen Verwandten, mit dem er so<br />

gar nichts gemein hat.<br />

„Standard“ ist ein Fremdwort für den MAN Lion‘s<br />

City GL, „Coffee to ride“ dagegen nicht. „Wir<br />

wollten mit diesem exklusiven Fahrzeug einfach<br />

mal zeigen, was auch im Stadtbusbereich<br />

alles möglich ist“, erläutert Stefan Sahlmann,<br />

bei MAN für das Produktmarketing Stadtbusse<br />

zuständig. Dazu gehört neben technischen<br />

Extravaganzen wie der Länge von 18,75 Metern,<br />

die von fünf Türen unterbrochen wird, transluzentem<br />

Faltenbalg oder neuer elektronischer<br />

Knickwinkelsteuerung so einiges, was einen<br />

die Augen reiben lässt: edler, farblich passender<br />

Teppichboden, ein eleganter Stehtisch im<br />

Perron und – man staune – eine veritable<br />

Espressomaschine! So schlecht würde das Konzept<br />

auch für die VBZ gar nicht passen. Man<br />

plane mithin nur noch Gelenkbusanschaffungen,<br />

da bis 2030 das Fahrgastaufkommen um bis<br />

entledigt, seit 2004 wird er meistens mit der hauseigenen<br />

„Pille“ geliefert, auch alle anderen Hersteller<br />

kochen seitdem ihr eigenes Süppchen. Im<br />

Cockpit herrscht gediegene Ruhe und schlichte<br />

Aufgeräumtheit. Man schwebt abgehoben über<br />

1 Der Büssing U 11 D-Motor begnügt sich mit<br />

11,6 Liter Hubraum und 186 PS Leistung.<br />

2 Im Heck des MAN gehen die 360 PS des zehn<br />

Liter großen D20-Motors kräftiger zu Werke.<br />

1<br />

2<br />

Das Team von MAN in Otelfingen hat den<br />

Büssing-Oldtimer aufwendig restauriert.<br />

Bevor das Niederflurprinzip sich durchgesetzt hatte, wurde der Standardbus 1 breit eingesetzt.<br />

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1<br />

2<br />

1 Im VÖV-Standardbus hatten gute Sicht und<br />

einfache Bedienbarkeit höchste Priorität.<br />

2 Das MAN-Armaturenbrett hat sich mittlerweile<br />

gegen die VDV-Variante durchgesetzt.<br />

den Dingen, genau wie beim Fahren. Der 360 PS<br />

starke MAN D20 tut weit weg und kaum vernehmlich<br />

sein drehmomentstarkes Werk. Zu<br />

keinem Augenblick wirkt der 28-Tonner überfordert.<br />

Im Gegensatz zum Bremshey-Fahrersitz<br />

im Büssing mit „Dralon-Plüsch geripptem“<br />

Bezug vermittelt der Isri ProActive 2 das Gefühl<br />

von Abrahams Schoß.<br />

Auch das Fahrgefühl des zweiteiligen<br />

Lounge-Liners, der bis zu 156 Fahrgästen jederzeit<br />

Platz und öfter mal Espresso bieten kann,<br />

scheint wie von einer anderen Welt. Flüssig, mühelos,<br />

gediegen und sicher – das sind Attribute,<br />

die dem Fahrer am Steuer durch den Kopf schießen.<br />

Das verbaute ZF Ecolife-Sechsganggetriebe<br />

scheint mit dem Motor eine symbiotische Einheit<br />

zu bilden, so behände wechseln die Schaltstufen<br />

beim Beschleunigen. Auch die Überlänge<br />

tut der Wendigkeit kaum Abbruch, beinahe lässt<br />

sich der Lulatsch wie ein Solobus bewegen. Und<br />

so gleiten wir fast lautlos vor das MAN-Busforum<br />

in Dachau, wo auch der brave Büssing BS<br />

110 V-R, Baujahr 1973, seine neue Heimat gefunden<br />

hat. Eines ist ihm wohl sicher: Hier wird ihn<br />

niemand mehr Standardbus nennen. ◼<br />

Um diese Leuchten-Phalanx im Auge zu haben,<br />

muss man nicht von der Straße wegschauen.<br />

Diese Verkleidung an der A0-Säule verhindert<br />

ungewollte Reflexionen in den Scheiben.<br />

Stolz trägt der MAN Lion’s City GL 100 Jahre MAN-Busgeschichte auf seiner Außenhaut.<br />

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