Magazin Naturfreund - Naturfreunde Schweiz
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Fotos: Ticino Turismo<br />
UNTERWEGS<br />
Rasa/Bordei<br />
Verlassene Bergweiler zum Leben erweckt<br />
Die Terra Vecchia blüht<br />
An der Bahnlinie zwischen Locarno und Domodossola, respektive<br />
durchs Centovalli, liegt die Station Verdasio. Von dort<br />
weg bringt einem eine Seilbahn aus dem engen Tal in die<br />
Höhe, nach Rasa. Es erwartet einem eine Welt, die Wert legt<br />
auf Gemeinschafts-Werk.<br />
Vor gut 40 Jahren ruhte Terra Vecchia<br />
hoch oben im Centovalli im Dornröschenschlaf,<br />
gestrüppüberwuchert, bewohnt<br />
nurmehr von Eidechsen und anderem<br />
Kleingetier. Die Menschen waren schon im<br />
17. Jahrhundert ausgezogen. Als Hafenarbeiter<br />
im italienischen Livorno zu Wohlstand<br />
gekommen, hatten sie ihr Dorf in der<br />
schattigen Senke aufgegeben, um wenig<br />
oberhalb auf dem sonnigen Bergrücken ein<br />
neues zu bauen: Rasa, wie das alte Dorf ein<br />
Ort der Stille und Abgeschiedenheit, erreichbar<br />
allein auf Schusters Rappen oder,<br />
seit 1957, mit einer kleinen Seilbahn.<br />
Terra Vecchia, die «alte Erde», verfi el<br />
nach und nach. Zuletzt blieben vom ehemaligen<br />
Bergweiler noch Ruinen übrig. Die interessierten<br />
keine Menschenseele – bis 1969<br />
Im Centovalli, unweit von Ascona, aber still und abgeschieden: Rasa.<br />
14 NATURFREUND 3/2012<br />
einem 18-jähriger Berner ein Zeitungsartikel<br />
über das «verwunschene» Dorf Terra Vecchia<br />
in die Hände kam. Das passte genau zu<br />
seiner Vision: Jürg Zbinden aus Guggisberg<br />
wollte mit sozial gefährdeten Kindern,<br />
Jugendlichen und gemeinsam mit Gleichgesinnten<br />
ein Dorf aufbauen und eine<br />
Lebensgemeinschaft bilden.<br />
Der angehende Sozialarbeiter reiste sogleich<br />
ins Tessin. Nach etlichen Verhandlungen<br />
war es soweit: Für 5000 Franken<br />
Erspartes gehörte Terra Vecchia nun Jürg<br />
Zbinden. Fast gleichzeitig konnte er ein paar<br />
Häuser erwerben in Bordei, einem aussterbenden<br />
Weiler gegenüber von Terra Vecchia,<br />
am Berghang ennet des Baches.<br />
Schon im Jahr darauf gründete Zbinden<br />
zusammen mit einem Freund die Arbeitsge-<br />
meinschaft Terra Vecchia, die 1973 unter<br />
Federführung des Berner Pfarrers, Dichters<br />
und Politikers Klaus Schädelin zu einer<br />
<strong>Schweiz</strong>erischen Stiftung werden sollte. Vom<br />
ersten Tag an verfolgte die Arbeitsgemeinschaft<br />
den Zweck der künftigen Stiftung:<br />
Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen,<br />
die in der Auseinandersetzung mit sich und<br />
der heutigen Umwelt bedroht sind, zu helfen<br />
und gleichzeitig Terra Vecchia wieder<br />
aufzubauen und Bordei vor dem endgültigen<br />
Zerfall zu retten.<br />
1970 diente Bordei zunächst als «Basislager».<br />
Die ersten kräftigen Hände machten<br />
sich an die Arbeit. Bald entstand ein dichtes<br />
Netzwerk von Beziehungen, Freundschaften<br />
und Sponsoren. Erwachsene und Jugendliche,<br />
Schulklassen aus der Deutschschweiz,<br />
Fachleute – oft einheimische – und freiwillige<br />
Helfer von überall her trieben den Wiederaufbau<br />
unermüdlich voran, reparierten<br />
und restaurierten über ein Dutzend typische<br />
Steinhäuser und zwei Kirchen. Gemeinsam<br />
befreiten sie die alten Gemäuer vom brüchigen<br />
Mörtel, kratzten die Fugen frei, verputzten<br />
neu. Daneben und dazwischen schufen<br />
sie Neues, in angestammter regionaler