Foto: hg. UNTERWEGS Bergbahnen Ein Lieblingsberg? Regelmässig gerate ich ins Stocken, wenn ich nach meinem Lieblingsberg gefragt werde. Denn am liebsten würde ich antworten, ich habe keinen Lieblingsberg! Warum denn nicht? Ganz einfach: es sind so viele. Als ich vor über einem Dutzend Jahre zum Direktor von Seilbahnen <strong>Schweiz</strong> gewählt wurde, habe ich mit meiner Frau ausgemacht, dass wir uns fortan an jedem Wochenende – sozusagen als privates Einführungsprogramm – mit einer Seilbahn auf einen immer anderen Berg fahren lassen, um anschliessend eine ausgiebige Wanderung unter die Füsse nehmen. Die Serie wurde leider immer häufi ger durch andere Umstände (extremes Hudelwetter, berufl iche Abwesenheiten oder schlicht wegen Sonntagsarbeiten am Schreibtisch) unterbrochen. Dennoch, die gemachten Erfahrungen wirken noch heute nach und das Programm ist längst nicht abgeschlossen. Auf diesen Wanderungen habe ich nicht nur einzelne Berge und Täler, das vielfältige Seilbahnangebot als Kunde, die bequemen Zubringer-Möglichkeiten mit dem öV, sondern überhaupt die enormen Schönheiten und die Vielfalt unseres Landes kennen gelernt. Auf einen Städter ist sozusagen der «Fan-Virus» Bergwandern übergesprungen und hat mich in meiner berufl ichen, politischen und privaten Tätigkeit nicht mehr los- gelassen. Der Einsatz für das Tourismusland <strong>Schweiz</strong> wurde damit richtiggehend zur Mission. Von nicht wenigen Landschafts- und Naturschützern wie auch von <strong>Naturfreund</strong>en wurde ich im Laufe meiner Tätigkeit bei «Seilbahnen <strong>Schweiz</strong>» immer wieder mit den Problemen und negativen Folgen der Erschliessungen fast unberührter Gebiete mit Seilbahnen konfrontiert. Man spürte dabei echte Sorgen, welche auch mich umtrieben. Leider gab oder gibt es einige unerfreuliche, meist sogar spektakuläre Beispiele: sozusagen die Sündenfälle der Branche. Die gehören ruhig an den Pranger gestellt. Doch die überwiegende Mehrheit der Anlagen kann sich in vielerlei Beziehung – ohne schlechtes Gewissen – sehen lassen. Ganz abgesehen von den qualifi zierten Arbeitsplätzen und den Verdienstmöglichkeiten als Nebenerwerb von Bergbauern, den Ausbildungsstätten für qualifi zierte Berufsbildungen auch in abgelegenen Regionen. Ich war sogar stolz auf eine Branche, welche ohne zu «murren», den massiv ausgebauten Aus- und Weiterbildungsbereich solidarisch Seilbahnen in der <strong>Schweiz</strong>, hier auf die Ebenalp im Säntisgebiet: «Da sind wir doch echt privilegiert!» 6 NATURFREUND 3/2012 * Peter Vollmer (1946), Soziologe und Ökonom, ist ein passionierter Berg- und Stadtwanderer. Bis 2011 arbeitete er als Direktor des Verbands Seilbahnen <strong>Schweiz</strong>. Politisch tätig war er u.a. als Stadtrat, Grossrat und Nationalrat (1989–2007). mitfi nanziert hat, Richtlinien in Absprache mit Umweltspezialisten angewendet hat, welche eine ökologische Baubegleitung sicherstellt oder die Aufnahme der Notwendigkeit eines direkten öV-Anschlusses in den Konzessionsbestimmungen akzeptiert hat. Es ist in der Tat so, dass die landschafts- und umweltzerstörenden Faktoren weniger durch die leisen und äussert energieeffi zienten Seilbahnen verursacht werden, als durch die langen Anreisen mit dem Auto und die dafür notwendigen Parkplatzfl ächen bei den Talstationen. Die Sensibilität für den Erhalt von vielfältigen Natur- und Kulturlandschaften wie auch die Wahrnehmung einer Verantwortung für die Schönheit des alpinen Raumes erfolgt in der Regel nicht nur durch Bücherlesen und Wahlplakate, sondern gerade hier braucht es ein eigenes Erleben und ein persönliches Erfahren. Und genau das wird für Viele nur dank den touristischen Transportanlagen überhaupt möglich gemacht. Wer bringt sie denn hin, hinauf und hinein! Zusammen mit dem öV sind die Seilbahnen und das Wandern sozusagen Zwillinge geworden. <strong>Naturfreund</strong>e und Wanderer sollten deshalb vom öV noch viel stärker als Verbündete – im Kampf für eine nachhaltige Mobilität und für den Erhalt der Schönheit unseres Landes – anerkannt werden. Das Angebot, welches den Zugang zu den Naturschönheiten für alle ermöglicht, ist wohl in keinem Land so gross und vielfältig wie bei uns. Dabei gilt es besonders diejenigen Destinationen zu entdecken, die eher im Schatten der hochprofessionell vermarkteten «Leuchttürme» stehen, aber für das Gesamterlebnis nicht weniger bieten. Ich denke dabei an viele Seilbahnen und Bergerlebnisse in der Zentralschweiz, im Freiburgerland oder auch in der Ostschweiz, aber nicht zuletzt an den Berg vor der eigenen Haustüre, welchen es für einen grossen Teil der Bevölkerung in unserem Land gibt. Da sind wir doch echt privilegiert! Peter Vollmer*
Und immer wieder … … lockt die Königin der Berge Was an der Rigi vor gut 150 Jahren lanciert wurde, setzte Massstäbe, auch im internationalen Vergleich. Die Angebote waren neuartig, sensationell. Die Texter krönten die Rigi zur Königin der Berge. Seither hat sich vieles verändert. Aber wandern auf der Rigi, das ist noch immer Schauen, Hören, Entdecken, und viel Fernsicht auf Fremdes und Eigenes. Foto: Michael Buholzer