2014-01
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Gesellschaft<br />
DER ENKEL<br />
In Deutschland gestrandet oder angekommen?<br />
Mit seinem Namen erinnert der dreieinhalb jährige<br />
Ibrahim an Abraham, den biblischen Stammvater,<br />
der vor 4.000 Jahren ins heutige Palästina<br />
einwanderte. Von dort wurden Ibrahims Großeltern vor 66<br />
Jahren (1948) vertrieben und leben seitdem als Flüchtlinge<br />
in Syrien. Ibrahims Eltern mussten sie, die jetzt Alten, in<br />
dem durch jahrelange Konflikte verwüsteten Land zurücklassen,<br />
um sein Leben, das seines kleineren Bruders und das<br />
eigene Leben zu retten.<br />
Ihre Flucht endete nach sieben Monaten (vorläufig) in<br />
einer Burbacher Notunterkunft, in der ehemaligen Siegerlandkaserne.<br />
Hier lebt Ibrahim im Januar <strong>2<strong>01</strong>4</strong> mit seinen<br />
Eltern in geheizten Räumen. Es gibt Strom, Trinkwasser,<br />
medizinische Versorgung und auch außerhalb des Lagerzauns<br />
viele hilfsbereite Menschen. Damit hat Ibrahim, wie<br />
schon Abraham, ein „Gelobtes Land“ erreicht. Aber immer<br />
wieder gibt es die Geräusche von Flugzeugen die Ibrahim in<br />
Furcht versetzen, und die Silvesterknallerei löste Panik bei<br />
ihm aus. Neben den auf der Flucht erlittenen psychischen<br />
Verletzungen leidet der Kleine unter einer rheumatischen<br />
Erkrankung und benötigt eine orthopädische Behandlung.<br />
VdK Soziale Sicherheit in einer<br />
großen Gemeinscha"<br />
Kreisverband<br />
Siegen-Olpe-Wi!genstein<br />
57072 Siegen Morleystr.15-17<br />
Tel.: 02 71 / 30 38 29-0<br />
Fax: 02 71 / 30 38 29-18<br />
e-mail: kv-siegen@vdk.de<br />
www.vdk.de/kv-siegen-olpe-wi!genstein<br />
Falls Sie mehr über den VdK wissen möchten,<br />
wenden Sie sich an den Kreisverband oder direkt<br />
an den für Sie zuständigen Ortsverband<br />
Autorenfoto<br />
Meine Besuche in der Burbacher Notunterkunft galten<br />
hauptsächlich älteren Erwachsenen, die dort zurzeit als<br />
Flüchtlinge/Asylsuchende leben. Welche Hoffnungen und<br />
Erwartungen haben sie für die Enkelgeneration und welche<br />
Hoffnungen setzen sie dabei auf Deutschland? Wie leben<br />
alte Menschen in den Herkunftsländern, ohne familiäre Unterstützung,<br />
ohne die für uns selbstverständliche Sicherheit,<br />
ohne Renten- oder Krankenversicherung? Wie erleben sie<br />
die Trennung von ihren Angehörigen, von den Enkeln? Wie<br />
sieht deren Lebensweg aus, nachdem sie in Gesichter der<br />
Gewalt gesehen und diese erlebt haben?<br />
Wir, die jetzt in Deutschland lebenden älteren Erwachsenen,<br />
haben als letzte Generation noch Erinnerungen an<br />
die Not der Kriegs- und Nachkriegszeit. Viele von uns haben<br />
Erinnerungen an Flucht und Vertreibung, Erinnerungen<br />
an Gewalt im sozialen Umfeld, im Beruf, in der Schule und<br />
Familie. Oft als besondere, lebenslange Belastung. Vielleicht<br />
sind wir, die jetzt Alten, besonders herausgefordert<br />
(oder befähigt?), uns an der Suche nach Wegen zu beteiligen,<br />
wie der Geist, die Logik und die Praxis der Gewalt<br />
überwunden werden kann. Ohne die Hoffnung auf wohlfeile<br />
Rezepte. Aber immerhin können wir dazu beitragen,<br />
dass in Deutschland nicht nur gut ausgebildete Fachleute<br />
willkommen sind - womöglich als Pflegepersonal für uns<br />
selbst - sondern auch schutzbedürftige Kinder, Alte und<br />
Kranke.<br />
Erich Kerkhoff<br />
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