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Alla Breve Nr. 36

Magazin der Hochschule für Musik Saar

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Immanuel Kant: Kunstwerke werden<br />

von „ästhetischen Ideen“ getragen.<br />

ginativen Spielraum durch eine auf Eindeutigkeit gerichtete<br />

Interpretation blockiert. Aus dieser Perspektive lässt sich in<br />

der gegenwärtigen Theaterpraxis beobachten, dass die Regiearbeit<br />

häufig missverstanden wird.<br />

Viele Regisseure entwickeln Konzepte, die die Werkidee missachten<br />

und durch eine von außen an das Werk herangetragene,<br />

nicht selten ideologisch motivierte Idee ersetzen. Die<br />

Intention des Autors tritt dabei völlig in den Hintergrund. Die<br />

Rede ist vom sogenannten "Regietheater“.<br />

Diese Regisseure rechtfertigen ihre Konzepte damit, das Publikum<br />

kritikfähig machen zu wollen, eine häufig von Arroganz<br />

begleitete Einstellung, die die Urteilskraft der Adressaten<br />

ignoriert. Ihre Strategie wird zudem durch das Argument gestützt,<br />

die der Vergangenheit angehörenden Werke bedürften<br />

der Aktualisierung, um dem Publikum von heute verständlich<br />

zu werden. Selbstverständlich müssen Kunstwerke der Vergangenheit<br />

durch einen Dialog mit den Menschen von heute<br />

zu neuem Leben erweckt werden. Dies aber bitte nicht durch<br />

aufgesetzte aktualisierende Spielereien.<br />

Die Inszenierung sollte die<br />

Bewunderung des Regisseurs für<br />

das Kunstwerk wiederspiegeln<br />

Das von Gadamer entwickelte Modell des hermeneutischen<br />

Zirkels mit dem Ziel einer Horizontverschmelzung von Vergangenheit<br />

und Gegenwart kann für die Regiearbeit hilfreich<br />

sein. Das Bemühen des Regisseurs um ein dialogisierendes<br />

Verständnis muss auf die Aktivierung der Einbildungskraft<br />

des Rezipienten statt auf einseitige Steuerung gerichtet sein.<br />

Eine Horizonterweiterung des Publikums ist eher durch Konfrontierung<br />

mit Fremdem zu erreichen als durch forcierte Aktualisierung.<br />

Die Inszenierung sollte die Bewunderung des Regisseurs für<br />

das Kunstwerk widerspiegeln. Ein Regisseur, der dem von ihm<br />

bearbeiteten Gegenstand keine Sympathie entgegenbringen<br />

kann, sollte sich dieser Aufgabe nicht stellen. Das bedeutet<br />

nicht, dass er dem Werk kritiklos begegnet. Werktreue heißt<br />

nicht, sich jeder Kritik zu enthalten. Das Bemühen um einen<br />

dialogisierenden Verstehensprozess schließt Kritik am Werk<br />

ein. Sie darf indessen nicht zu Überfremdung führen, wie es<br />

im "Regietheater" häufig geschieht.<br />

Besondere Sensibilität ist bei der Regie des Musiktheaters aufzubieten.<br />

Die Oper als Gesamtkunstwerk fordert auf zu konstruktiver<br />

Zusammenarbeit zwischen dem Regieführenden und<br />

dem musikalisch verantwortlichen Dirigenten. In jüngster Zeit<br />

mehren sich die Stimmen, die Defizite im Zusammenwirken<br />

der für die Präsentation Verantwortlichen beklagen, insbesondere<br />

dann, wenn Regisseure ohne Musiktheater erfahrung<br />

inszenieren. (Vgl. dazu: Axel Brüggenann, Die Oper ist kein<br />

Quickie! In: Crescendo, Okt.-Nov.2014, S. 44 ff.)<br />

Die Opernbühne darf nicht zur<br />

Spielwiese selbstbezogener<br />

Regisseure werden<br />

Für die Entwicklung von musiktheatralischen Regiekonzepten<br />

ist eine Zusammenarbeit von Regisseur und Dirigent von<br />

Beginn an einzufordern. Sie darf nicht durch organisatorische<br />

oder terminliche Schwierigkeiten auf Seiten der Beteiligten in<br />

Frage gestellt werden.<br />

Der für die musikalische Umsetzung Verantwortliche muss<br />

darauf achten, dass der Regisseur Anweisungen vermeidet,<br />

die die Gesangsleistungen der Interpreten beeinträchtigen.<br />

Ein guter Opernregisseur wird ein Gespür dafür entwickeln,<br />

wann sich die Entrümpelung eines antiquierten Librettos<br />

empfiehlt und wann er in dieser Hinsicht Zurückhaltung üben<br />

sollte. Es ist ein Unterschied, ob dramaturgische Eingriffe<br />

in Donizettis "Regimentstochter" erfolgen oder in Wagners<br />

"Tristan und Isolde". Die Opernbühne darf nicht zur Spielwiese<br />

selbstbezogener Regisseure werden, die keine innere<br />

Beziehung zur Musik haben. Schließlich dominiert in der Oper<br />

immer noch das begriffslose Wesen der Musik.<br />

Finale<br />

<strong>Alla</strong><strong>Breve</strong><br />

Magazin der Hochschule für Musik Saar<br />

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