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Cruiser im Oktober 2016

Queere Sprache oder vom Versuch, politisch korrekt zu sein. Neu kochen wir im Cruiser! Uhuuuhnd: Gelebte Toleranz in Zug.

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Thema<br />

LGBTTIQ – und wer bist du?<br />

7<br />

Denkmuster aufbrechen und Diskr<strong>im</strong>inierung<br />

sichtbar machen. Insofern macht es<br />

Sinn, <strong>im</strong>mer wieder darauf zu beharren,<br />

dass sich korrekt ausgedrückt wird.<br />

Sprache soll nicht ausgrenzen<br />

Genderkorrekte Sprache, gerade weil kompliziert<br />

und ungewohnt, weist auf bestehende<br />

Missstände in der Gesellschaft hin und<br />

macht Menschen in der Öffentlichkeit sichtbar,<br />

die noch <strong>im</strong>mer gesellschaftlich ausgegrenzt<br />

werden. Leider ist es so, dass es be<strong>im</strong><br />

Lesen und Schreiben unbequem ist. Und wo<br />

es unbequem wird, wird gemeckert oder sich<br />

sogar verweigert.<br />

Auch LGBT* birgt weitere Problematiken.<br />

Erstens die, dass die Abkürzung beliebig<br />

erweiterbar ist: LGBTQueerIntersexAllies*<br />

ist nur eine der kürzeren Versionen. Ich mache<br />

hier deshalb zur Sicherheit nochmal ein<br />

Sternchen dran. (Wer an einer äusserst erheiternden<br />

Auseinandersetzung mit einer dieser<br />

Langversionen Spass hat, dem sei der Artikel<br />

«The Queer Acronym Alphabet» auf www.<br />

pride.com empfohlen). Zweitens die Problematik,<br />

dass das T für Transmenschen steht.<br />

Diese werden damit einer Szene zugeordnet,<br />

die sich über sexuelle Präferenzen definiert,<br />

während die Geschlechtsidentität erst einmal<br />

nichts mit der Sexualität zu tun hat, und jemand,<br />

der Transmensch ist, vielleicht einfach<br />

seiner empfundenen Geschlechtsidentität<br />

entsprechend ziemlich heteronormativ leben<br />

möchte. Ein Grund, weswegen Verbände für<br />

Transmenschen sich gegen das Wort transsexuell<br />

aussprechen (transgender-network.ch).<br />

Transmenschen haben, sofern sie nicht auch<br />

noch schwul, lesbisch oder bi sind, nicht<br />

zwangsläufig etwas mit der LGB-Szene zu<br />

tun. Vielmehr erinnert dieser Eintopf an Zeiten,<br />

in denen man eben alles, was in Bezug auf<br />

«Geschlecht» irgendwie «nicht normal» war,<br />

mit der Existenz eines sogenannten dritten<br />

Geschlechts abgetan hat.<br />

«Transmenschen haben nicht<br />

zwangsläufig etwas mit der<br />

LGB-Szene zu tun.»<br />

Ein ganz anderes Problem tut sich also<br />

auf in der Definition, die sich bewusst von<br />

der Heteronormativität als «das Andere»<br />

abgrenzt. Immer wieder auf den Unterschied<br />

hinzuweisen, macht nicht heteronormativ<br />

lebende Menschen zwar als grössere<br />

Interessensgruppe sichtbar und rückt<br />

sie in den gesellschaftlichen Diskurs, zugleich<br />

definiert man sie damit aber <strong>im</strong>mer<br />

noch in Abhängigkeit von der Heteronormativität<br />

– als ihr Negativ. Das ist zwar irgendwie<br />

Punk und subversiv – den Dialog<br />

aber fördert es nicht unbedingt, markiert es<br />

doch permanent und extra das «wir sind<br />

anders». Richtig ist deswegen auch in dem<br />

Glossar des rainbowprojects definiert, dass<br />

binäre Oppositionen nie gleichwertig sind,<br />

dass <strong>im</strong>mer eines, das sich vom anderen als<br />

negativ abgrenzt, untergeordnet wird.<br />

Während man also kontinuierlich darum<br />

bemüht ist, die Binarität von Mann/Frau<br />

abzuschaffen, schafft man eine neue, stärkere,<br />

nämlich die von hetero und anders. So<br />

bestätigt die Definitionswut ungewollt auch<br />

<strong>im</strong>mer wieder den Heterosexismus.<br />

Ich frage mich inzwischen, wie viele<br />

von euch Lesern mir bis zu diesem Punkt gefolgt<br />

sind – und wen es selbst hier, wo man<br />

meinen sollte, der Diskurs ginge jeden etwas<br />

an, einfach nur nervt. Ich als Ally habe jedenfalls<br />

eine Menge dazugelernt, als ich die<br />

Glossare gewälzt habe.<br />

Cis-Sexuell zu sein, das ist zum Beispiel<br />

eine ganz tolle sprachliche Erfindung des Sexualforschers<br />

Volkmar Sigusch: Hier wurde<br />

nicht der Versuch unternommen, eine<br />

Randgruppe korrekt zu definieren, sondern<br />

<strong>im</strong> Gegenteil der Mainstream seiner Selbstverständlichkeit<br />

beraubt: Es bezeichnet diejenigen<br />

Menschen, deren biologisches Geschlecht<br />

mit dem empfundenen Geschlecht<br />

zusammenfällt, also Menschen mit Penis, die<br />

sich als Mann definieren, und Frauen mit Vagina,<br />

die sich als Frauen definieren. Normal<br />

also – würde man jetzt unbedarft kommentieren.<br />

Aber mit der Unbedarftheit ist es dann<br />

eben vorbei. Cis markiert, dass man es bitteschön<br />

nicht als normal hinnehmen soll. Soll<br />

sich doch mal der Mainstream neu definieren,<br />

das finde ich eigentlich eine gute Idee. Bis<br />

wir da angekommen sind, dass diese Diskussionen<br />

in das sprachliche Unterbewusstsein<br />

gesickert sind und alle Menschen sichtbar<br />

sein dürfen, ohne anders sein zu müssen,<br />

werden wir uns weiterhin um-, neu- und<br />

dazu-definieren. Habt Nachsicht mit allen,<br />

die sich bemühen, aber mit dem Wandel nicht<br />

schritthalten können, sonst sind alle nur genervt<br />

und die Nachricht landet bei Max*Mustermann<br />

<strong>im</strong> Spam. To be continued …<br />

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