SPORTaktiv Skitourenguide 2016
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MATERIAL<br />
Der Experte<br />
JOSEF PRAMSTALLER ist staatlich geprüfter<br />
Skiführer, Hobby-Tourengeher<br />
und Inhaber von Sport Seppl mit<br />
SPORT-2000-Fachgeschäften in Gries<br />
und Kühtai, Tirol.<br />
WEB: sport-seppl.at<br />
Handhabung im Fall des Falles schon<br />
ausreichen, um das Schlimmste zu<br />
verhindern, erteilt der ausgebildete<br />
Skiführer eine deutliche Absage: „Ein<br />
Airbagrucksack allein ist noch keine<br />
Sicherheitsausrüstung. Auch LVS-Gerät,<br />
Sonde und Schaufel gehören beim<br />
Tourengehen unbedingt dazu, weil<br />
die Zeit, bis ein Verschütteter entdeckt<br />
wird und befreit werden kann,<br />
über Leben und Tod entscheidet.“<br />
AUSWAHL GROSS WIE NIE<br />
Dass sich der Skitourensport österreichweit<br />
seit Jahren deutlich steigender<br />
Beliebtheit erfreut, spiegelt sich<br />
auch im Umfang der aktuellen Produktpaletten<br />
der Hersteller von Lawinenairbags<br />
wider. „Wie bei Skiern, Stöcken<br />
und Bindungen geht der Trend<br />
bei Airbagrucksäcken in Richtung<br />
Leichtigkeit. Derzeit stehen Carbonstatt<br />
der sonst üblichen Stahlkartuschen<br />
hoch im Kurs. Logisch: Keiner<br />
will schleppen, was er nicht unbedingt<br />
braucht“, sagt Fachhändler Pramstaller,<br />
der in seinen Filialen auf Modelle<br />
von Mammut, ABS und Scott setzt.<br />
Die bisher fünf großen Airbaghersteller,<br />
zu denen neben den<br />
eben genannten auch Black Diamond<br />
(gemeinsam mit Konzerntochter<br />
Pieps) und BCA zählen, bekommen<br />
heuer Konkurrenz von Ortovox,<br />
Arcteryx und Arva, die erstmals ein<br />
eigenes Airbagsystem auf den Markt<br />
gebracht haben (siehe Seite 68). Andere<br />
Rucksackspezialisten wie beispiels-<br />
weise Deuter oder Vaude kaufen ihre<br />
Auslösesysteme hingegen zu.<br />
VERSCHIEDENE SYSTEME<br />
Die Technik hinter den Sicherheitssystemen<br />
ist von Anbieter zu Anbieter<br />
verschieden. Marktführer ABS setzt<br />
wie die meisten Hersteller auf Druckgaspatronen<br />
und sein Twinbag-System,<br />
das auch bei den Rucksäcken von<br />
Deuter zum Einsatz kommt. Alleinstellungsmerkmal<br />
sind dabei die zwei<br />
separaten Airbags. Mit dem aktuellen<br />
P.RIDE von ABS gibt es zudem erstmals<br />
einen Lawinenairbag am Markt,<br />
der serienmäßig per Funk auch von<br />
Begleitern ausgelöst werden kann.<br />
Ortovox wiederum verspricht für<br />
seinen ersten Rucksack mit selbst entwickeltem<br />
Lawinenairbag, den neuen<br />
Avabag, ein auslöseoptimiertes Design.<br />
Das mit einem ISPO-Award ausgezeichnete<br />
Sicherheitssystem wiegt außerdem<br />
gerade einmal 640 Gramm bei<br />
einem Volumen von bloß 1,8 Litern.<br />
Die sogenannte JetForce-Technologie,<br />
ein wiederaufladbares elektronisches<br />
System mit Düsenstrahl-Befüllung,<br />
kommt bei Black Diamond<br />
zum Einsatz. Sie ist das Ergebnis der<br />
langjährigen Zusammenarbeit mit<br />
LVS-Gerät- und Sondenspezialist<br />
Pieps, der bei seinen Rucksack-Modellen<br />
auf ebendiese Technologie zurückgreift.<br />
Mit diesem System kann der<br />
Airbag beliebig oft ausgelöst und so<br />
auch für den Ernstfall trainiert werden.<br />
Lawinengefahr<br />
Zahlen und Fakten zum Risiko<br />
LAWINENAIRBAGS verringern bei einem<br />
Lawinenabgang erwiesenermaßen<br />
das Risiko, verschüttet zu werden, um<br />
rund 50 Prozent. Voraussetzung dafür<br />
ist, dass man den richtigen Umgang<br />
beherrscht und im Ernstfall auch unter<br />
Stress in der Lage ist, sein Equipment<br />
ordnungsgemäß zu bedienen.<br />
90 PROZENT ALLER LAWINEN, bei denen<br />
Menschen verschüttet werden,<br />
werden von diesen bzw. ihren Begleitern<br />
selbst ausgelöst. Trotz besserer<br />
Überlebenschancen darf man sich<br />
keinesfalls nur auf sein Airbagsystem<br />
verlassen, sondern muss sich vor dem<br />
Antritt einer Tour entsprechend informieren,<br />
auf seinen gesunden Menschenverstand<br />
hören und sollte keine<br />
unnötigen Gefahren auf sich nehmen.<br />
BEREITS NACH 30 MINUTEN liegt die<br />
Überlebenschance eines Verschütteten<br />
bei nur noch 40 Prozent. Auch<br />
wenn Lawinenairbags nicht immer<br />
gänzlich davor schützen, verschüttet<br />
zu werden, sorgen sie in jedem Fall<br />
dafür, dass man verhältnismäßig weniger<br />
tief verschüttet wird. Bis externe<br />
Hilfe einlangt, vergehen meist 40 Minuten,<br />
was die „Kameradenrettung“<br />
umso wichtiger macht. Daher sollte<br />
jedes Gruppenmitglied entsprechend<br />
ausgestattet sein und mit LVS-Gerät,<br />
Sonde und Schaufel auch in der Praxis<br />
umgehen können.<br />
WO MAN DEN richtigen Umgang mit<br />
seinem Sicherheitsequipment sowie<br />
eine objektive Beurteilung von Gefahrensituation<br />
erlernen und üben kann,<br />
das liest du ab Seite 72.<br />
FOTOS: Mammut, kk<br />
66<br />
<strong>SPORTaktiv</strong>-<strong>Skitourenguide</strong> <strong>2016</strong>/2017