Taxi Times International - Januar 2015 - Deutsch
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VERANSTALTUNG<br />
VERANSTALTUNG<br />
BZP-Präsident Michael Müller (Mitte oben)<br />
diskutierte beim Kongress <strong>Taxi</strong>-Zukunft mit<br />
Vertretern aus der Industrie, von Organisationen<br />
und mit Politikern. Im Uhrzeigersinn:<br />
Dirk Breuer, Michael Schreckenberg, Lars<br />
Klingbeil, Marcus Gawron, Markus Lienkamp,<br />
Michael Nielsen, Eileen Mandir, Otmar Lell,<br />
Thomas Jarzombek, Tom Kirschbaum.<br />
„EINEN<br />
MARKT, DEN<br />
WIR NICHT<br />
BESETZEN,<br />
BESETZEN<br />
ANDERE“<br />
Beim Kongress um die Zukunft des <strong>Taxi</strong>s wurden Probleme<br />
offen angesprochen – und nach Lösungen gesucht.<br />
Ist ein <strong>Taxi</strong>tarif wirklich zu teuer, nur<br />
weil sich ein Fahrgast darüber bei<br />
einem Politiker beschwert? Nutzt der<br />
Fahrgast künftig nur noch eine App, bei<br />
der sämtliche Varianten des ÖPNV angeboten<br />
werden? Lohnt es überhaupt noch,<br />
sich über die zukünftigen Antriebsarten<br />
bei den Fahrzeugen Gedanken zu machen,<br />
wenn Autos sowieso bald autonom fahren?<br />
Und wann kommt dieses Bald?<br />
Beim vom <strong>Taxi</strong>bundesverband BZP in<br />
Berlin veranstalteten Kongress <strong>Taxi</strong>-Zukunft<br />
wurden spannende Thesen kon trovers diskutiert.<br />
Insgesamt drei Schwerpunkte<br />
(Panels) wurden von Experten in circa<br />
zehnminütigen Kurz referaten beleuchtet,<br />
ehe Moderator und BZP Präsident Michael<br />
Müller nach jedem Panel mit den Referenten<br />
und den rund 80 Kongressbesuchern<br />
in die Diskussion ging. Über all dem<br />
schwebte die große Frage, in welche<br />
Zukunft eine stetig digitalisierte Welt steuert.<br />
„Die Digitalisierung wird zu Veränderungen<br />
führen“, leitete Müller die<br />
Veranstaltung ein und schickte gleich eine<br />
Ermahnung an das <strong>Taxi</strong>gewerbe hinterher.<br />
„Wer sich nicht mitverändert, der wird verändert<br />
– in der Regel schlechter, als wenn<br />
er selbst mitgestaltet.“<br />
Also bekamen die Zuhörer von den<br />
Experten Anregungen für Veränderungen,<br />
zum Beispiel bei der richtigen Wahl der<br />
zukünftigen Antriebsart. Volkswagen propagiert<br />
dabei die emissionsfreie und<br />
lautlose Elektromobilität. Der erste<br />
Zwischenschritt ist hier mit dem Passat<br />
GTE bereits gemacht. Das Plug-in-<br />
Modell fährt benzingetrieben und mit<br />
Batterie. Die schafft derzeit aber nur eine<br />
Reichweite von 50 Kilometern, die restlichen<br />
950 Kilometer ohne Tankstopp bleiben<br />
konventionell. „Wir brauchen keine<br />
Fahrzeuge mit 1 000 Kilometern Reichweite“,<br />
stellte ein Teilnehmer in der anschließenden<br />
Podiumsdiskussion richtig.<br />
300 Kilometer würden für einen Schichteinsatz<br />
völlig reichen.<br />
PLUG-IN HAT KEINE ZUKUNFT<br />
Für den Hybrid- und Wasserstoffexperten<br />
Dirk Breuer von Toyota hat dagegen der<br />
FOTOS: <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
Plug-in keine Zukunft. In seinem Konzern<br />
seien in drei Jahren nur 80 000 Plug-in-<br />
Fahrzeuge verkauft worden. Dem steht eine<br />
Produktionszahl von fast vier Millionen<br />
Hybridautos gegenüber. Toyota setzt bei der<br />
Entwicklung emissionsfreier Fahrzeuge auf<br />
Wasserstoff. Der Mirai ist das weltweit erste<br />
in Serie produzierte Wasserstofffahrzeug<br />
und es soll in einem ersten Feldversuch in<br />
Hamburg, später auch in München getestet<br />
werden (auch als <strong>Taxi</strong>).<br />
Was für den Mirai in Hamburg Zukunft<br />
sein wird, ist für EVA in Singapur bereits<br />
Gegenwart. EVA ist das erste ausschließlich<br />
für den <strong>Taxi</strong>-Einsatz konzipierte Elektrofahrzeug.<br />
Dessen Geburtshelfer Professor<br />
Dr. Lienkamp von der technischen Universität<br />
München berichtet von einer Reichweite<br />
von 260 Kilometern pro Schicht und<br />
520 Kilometern am Tag. Das <strong>Taxi</strong> muss alle<br />
sechs Stunden zum Schnellladen an die<br />
Steckdose. Noch sind die Batteriekosten<br />
sehr hoch, aber Professor Lienkamp<br />
prophezeit, dass EVA in vier Jahren wirtschaftlich<br />
und serienreif sein wird. Einem<br />
schnellen Einsatz steht dann nichts im<br />
Wege. „Dann müssen wir das Fahrzeug nur<br />
noch vom Rechts- zum Linkslenker<br />
um bauen.“<br />
Oder man braucht gar kein Lenkrad<br />
mehr, wenn die Prognosen zutreffen sollten,<br />
dass schon 2020 die Fahrzeuge<br />
autonom fahren. Professor Michael Schreckenberg<br />
von der Universität Duisburg-Essen<br />
warnte allerdings davor, automatisiertes<br />
Fahren mit autonomem Fahren gleichzusetzen.<br />
Noch seien die Anforderungen zu komplex.<br />
„In den nächsten 49 Jahren wird es<br />
keine autonomen Autos geben“, zitierte der<br />
Professor einen Mercedes-Vorstand.<br />
MOBILITÄTSPORTALE SIND TEIL<br />
EINER VERTRIEBSLEISTUNG<br />
Verlassen sollte man sich darauf allerdings<br />
nicht. Digitale Revolutionen passieren heute<br />
rasant schnell. Um das zu belegen, genügt<br />
ein Blick auf die Smartphone-Oberfläche,<br />
über die jeder mittlerweile mindestens<br />
sechs bis sieben Mal wischen muss, bis er<br />
bei der App gelandet ist, die er gerade<br />
nutzen will.<br />
Noch dazu, wenn im Bereich der Mobilität<br />
regional unterschiedliche Anbieter um<br />
die vorderen Positionen auf dem Smartphone<br />
konkurrieren. Weniger wird bald<br />
mehr sein. Das zumindest glauben schon<br />
von Berufs wegen die beiden Referen <br />
ten des zweiten Themenpanels: Dr. Tom<br />
Kirschbaum (ally) und Dr. Eileen<br />
Mandir (moovel). Beide sind mit einer<br />
Mobilitäts App auf dem Markt, die dem<br />
Nutzer alle verfügbaren Fortbewegungsarten<br />
aufzeigen, um von A nach B zu kommen.<br />
Natürlich soll in diesem Angebotsmix<br />
auch das <strong>Taxi</strong> als Alternative angezeigt werden.<br />
Kommt dann ein Auftrag zusammen,<br />
wird dem <strong>Taxi</strong>partner eine Vermittlungsgebühr<br />
in Rechnung gestellt. Dr. Kirschbaum<br />
warb dafür um Verständnis: „Es ist Teil<br />
einer Vertriebsleistung – und die darf auch<br />
Geld kosten.“ Wenn man stattdessen auf<br />
einem Plakat werben würde, müsste man<br />
dafür auch bezahlen.<br />
Das <strong>Taxi</strong>gewerbe wird sich dieser<br />
Portale nicht verweigern dürfen. Da waren<br />
sich schnell alle Diskutanten einig. „Wenn<br />
wir nicht teilnehmen, wird die Zukunft<br />
trotzdem stattfinden – aber ohne uns.<br />
Einen Markt, den wir nicht besetzen,<br />
besetzen andere“, mahnte Müller. Und<br />
Michael Nielsen, Vertreter der <strong>International</strong><br />
Road Union (IRU), der in seinem Vortrag<br />
vom rasanten Wachstum des Global<br />
<strong>Taxi</strong> Network (GTN) berichtet hatte, erinnerte<br />
daran, dass „dann eben andere mitmachen“.<br />
Letztlich gibt es aus Nielsens Sicht für<br />
die <strong>Taxi</strong>branche auch gar keinen Grund,<br />
sich zu verweigern. Wichtig sei, führte er<br />
aus, dass die Branche offensiv an die<br />
Herausforderungen herangehe, indem sich<br />
immer mehr <strong>Taxi</strong>zentralen und Unternehmen<br />
zu einem großen Netzwerk zusammenschließen.<br />
„GTN wächst auch deshalb<br />
so schnell, weil sich die Teilnehmer selbst<br />
verpflichtet haben, untereinander keine<br />
Gebühren zu verlangen, wenn einer vom<br />
anderen profitiert“, erklärte Kongressteilnehmer<br />
Hermann Waldner, der mit taxi.eu<br />
Gründungsmitglied des GTN ist.<br />
Je stärker die Position der <strong>Taxi</strong>-Industrie,<br />
desto einfacher wird es, sich an den<br />
Den Mobilitäts-Apps wird sich die <strong>Taxi</strong>branche nicht verweigern können – waren sich alle<br />
Teilnehmer des zweiten Panels einig. Von links nach rechts: Dr. Tom Kirschbaum (ally),<br />
Dr. Eileen Mandir (moovel), Moderator Michael Müller (BZP) und Michael Nielsen (IRU).<br />
16 JANUAR / 2016 TAXI<br />
TAXI JANUAR / 2016<br />
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