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Hof & Markt | Fleisch& Markt 02/2016

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Seite 8, 2/<strong>2016</strong><br />

Interview<br />

&<br />

<strong>Hof</strong> <strong>Markt</strong><br />

„Auf hohe Qualität setzen“<br />

Interview mit Nationalrat Erwin Preiner (SPÖ), Sprecher für Landwirtschaft und ländlichen Raum<br />

und Obmann des UNESCO Welterbevereins Fertö-Neusiedler See.<br />

Von Katrin Schedler<br />

Wie wird Direktvermarktung<br />

innerhalb des<br />

UNESCO Welterbe-Gebiets<br />

gefördert?<br />

Im Welterbegebiet selbst ist als<br />

Hauptnaturprodukt seitens der<br />

Landwirtschaft der Wein natürlich<br />

im Vordergrund stehend. Bereits<br />

die Kelten haben das Weinkeltern<br />

in die Region gebracht. Im Seewinkel<br />

– also im Großteil des Welterbegebietes<br />

– hat der Weinbau<br />

jedoch erst Mitte der 50er Jahre<br />

begonnen. Es waren die größeren<br />

Gemeinden wie Podersdorf<br />

und Apetlon, die den Weinbau<br />

flächenmäßig in einer größeren<br />

Dimension betrieben haben und<br />

dann Ende der 50er Jahre begonnen<br />

haben, Selbstvermarktung in<br />

Flaschen zu betreiben. Über Jahrzehnte<br />

hat man auf zwei Schienen<br />

gesetzt: Quantität primär und<br />

dann Qualität. Der Weinskandal in<br />

den 80er Jahren bewirkte schließlich<br />

ein totales Umdenken. Bei den<br />

Winzern zwangsweise, aber auch<br />

bei den Konsumenten und auch<br />

im Marketing. Seither setzt man<br />

zu 100 Prozent auf Qualität. Dass<br />

das Management des Welterbegebiets<br />

die Direktvermarktung<br />

dezidiert forciert, ist nur in einem<br />

eingeschränkten Maße der Fall. Es<br />

gibt auf internationaler Ebene das<br />

sogenannte ViTour-Projekt. Wir<br />

sind gerade dabei, dieses Projekt<br />

mit Partnern auf neue Beine zu<br />

stellen.<br />

Zur<br />

Person<br />

Erwin Preiner lebt in Winden<br />

am See/Burgenland und ist seit<br />

1997 Bürgermeister der Gemeinde.<br />

Er war Mitglied des österreichischen<br />

Bundesrates und ist<br />

bis dato Abgeordneter zum Nationalrat<br />

(SPÖ). Seit der letzten<br />

Nationalratswahl ist Preiner als<br />

Sprecher für Landwirtschaft und<br />

ländlichen Raum im Nationalrat<br />

tätig. Zudem ist er Obmann<br />

des UNESCO Welterbe Vereins<br />

Fertö-Neusiedler See. „Regionale<br />

Produkte müssen immer<br />

den Vorzug haben gegenüber<br />

Produkten, die von irgendwoher<br />

kommen“, so Preiner.<br />

Welche Rolle spielt<br />

Obst und Gemüse in<br />

der Region?<br />

Die Gegend um Wallern, Pamhagen,<br />

Tadten und St. Andrä gilt als<br />

die Gemüsekammer Österreichs.<br />

Auch der Obstanbau in kleineren<br />

Bereichen nimmt immer<br />

mehr überhand und nach wie<br />

vor wird auch der Getreideanbau<br />

im Seewinkel forciert. Mangalitzaschweine<br />

und Rinderherden,<br />

die sich auf den entsprechenden<br />

Weideflächen herumtoben, prägen<br />

das Landschaftsbild und<br />

tragen unter anderem auch sehr<br />

dazu bei, dass die Touristen das<br />

Gebiet um den Neusiedler See<br />

entdeckt haben. Gemüse wird<br />

während des ganzen Jahres gezogen,<br />

das hat es bis vor 20 Jahren<br />

nicht gegeben. Da kommen die<br />

diversen Fördermöglichkeiten<br />

der Europäischen Union den<br />

Landwirten direkterweise zu<br />

Gute und das ist auch vernünftig<br />

so, denn Gemüse aus der Region<br />

ist eine Win-win-Situation. Es gibt<br />

Ansätze, dass Direktvermarktung<br />

und Regionalität immer stärker<br />

gefördert werden aber in der<br />

praktischen Umsetzung kommt<br />

diese Fördermöglichkeit noch zu<br />

kurz.<br />

Die Zusammenarbeit<br />

zwischen Direktvermarktern,<br />

Gastronomie<br />

und Tourismus funktioniert<br />

im Seewinkel<br />

vorbildlich gut. Wie kam<br />

es dazu?<br />

Gerd W. Sievers<br />

NR Erwin Preiner<br />

Es gibt immens starke landwirtschaftliche<br />

Unterschiede zwischen<br />

West- und Ostösterreich.<br />

Wir haben den größten Teil<br />

Österreichs bedeckt mit alpinen<br />

Flächen, wo Getreide, Obst und<br />

Gemüse bei Weitem nicht in dem<br />

Ausmaß gedeihen wie beispielsweise<br />

im klimatisch sehr bevorzugten<br />

Gebiet um den Neusiedler<br />

See. Zudem ist der See bis zum<br />

heutigen Tage ein Tourismusanziehungspunkt.<br />

Seitens der Gastronomie<br />

hat man erst in den vergangenen<br />

Jahren verstärkt den<br />

Schritt zu den regionalen Produzenten<br />

gesetzt. Mit der St. Martins<br />

Therme & Lodge und der<br />

Vila Vita sind zentrale Abnehmer<br />

dieser regional erzeugten<br />

landwirtschaftlichen Produkte<br />

hochgekommen.<br />

Wie kann man andere<br />

Hotel- und Gastronomiebetriebe<br />

dazu motivieren,<br />

diesem Beispiel<br />

zu folgen?<br />

Neben der Eigeninitiative ist auch<br />

die Politik gefordert. Es ist mir<br />

gelungen, einen Antrag einzubringen,<br />

in dem die Zusammenarbeit<br />

zwischen Direktvermarktern,<br />

Gastronomie und Tourismus<br />

noch verstärkt durchgeführt werden<br />

soll. Die Kooperationsmöglichkeiten<br />

müsste auch insofern<br />

intensiviert werden, dass die<br />

regionalen Tourismusverbände<br />

aktiver sein und offensiver in die<br />

Vermarktung hineingehen müssen.<br />

Für Obst- und Gemüsesorten<br />

genauso, wie das bereits mit den<br />

Weinen gemacht wird. Es wird<br />

gegenwärtig das Programm der<br />

ländlichen Entwicklung evaluiert,<br />

wo 3,9 Milliarden Euro Fördergelder<br />

von der Europäischen Union<br />

in das gesamte Bundesgebiet<br />

fließen, mit 50-prozentiger Kofinanzierung.<br />

Das heißt, die Kofinanzierung<br />

seitens des Bundes,<br />

der Länder und der Gemeinden<br />

macht wieder 3,9 Milliarden Euro<br />

aus. Diese Gelder sind dazu da,<br />

dass sie eben auch für eine intensivere<br />

Kooperation eingesetzt werden<br />

müssen. Denn es ist wesentlich,<br />

dass man Arbeitsplätze auch<br />

in der Landwirtschaft nachhaltig<br />

schafft.<br />

Welche Fördermöglichkeiten<br />

gibt es für<br />

Direktvermarkter?<br />

Es gibt im Programm der ländlichen<br />

Entwicklung die Möglichkeit,<br />

dass es eine Förderung für<br />

Erzeugergenossenschaften gibt.<br />

Eine Mindestanzahl von Landwirten,<br />

Gastronomie- und Tourismusbetrieben<br />

können eine<br />

Erzeugergenossenschaft bilden.<br />

Dann gibt es auch für Marketingmaßnahmen<br />

eine entsprechende<br />

Förderung. In der Phase der<br />

Evaluierung des Programms der<br />

ländlichen Entwicklung müsste<br />

man mehr Fördergelder auch<br />

dafür bereitstellen. Wesentlich ist<br />

auch, dass der Ausbau mit Breitbandinternet<br />

in den ländlichen<br />

Regionen schneller stattfindet.<br />

Gelder sind vorhanden, diese<br />

müssten zielgerichtet eingesetzt<br />

werden.<br />

Wir haben im Regierungsprogramm<br />

der laufenden Periode<br />

auf nationaler Ebenen dezidiert<br />

verschriftlicht, dass ein Masterplan<br />

für die ländlichen Regionen<br />

erstellt werden muss. Dieser<br />

beinhaltet unter anderem,<br />

welche Möglichkeiten man im<br />

Zuge der Direktvermarktung<br />

hat und welche verstärkten Fördermöglichkeiten<br />

es im Bereich<br />

der Landwirtschaft, auch für<br />

den biologischen Landbau, gibt.<br />

Genauso wesentlich ist es, dass<br />

wir gentechnikfrei im Anbau in<br />

der Saatgutverwendung sind und<br />

ich sage, es ist auch notwendig,<br />

dass wir in nächster Zeit GVOfrei<br />

in der Futtermittelverwendung<br />

werden müssen.<br />

Nachdem die beiden Dinge<br />

sehr schwierig nachzuprüfen<br />

sind, bin ich gegenwärtig auch<br />

ein entschiedener Gegner, was<br />

die TTIP betrifft.<br />

Immer mehr Direktvermarkter<br />

bieten ihre<br />

Waren nicht nur auf<br />

Märkten an, sondern<br />

bieten auch gleichzeitig<br />

Gastronomie an. Ist<br />

dies eine Möglichkeit<br />

zur Wertsicherung der<br />

eigenen Produkte?<br />

Als Landwirt sollte man auch<br />

den Gedanken darauf legen,<br />

dass man innovativ ist. Man hat<br />

nur dann eine Chance, wenn<br />

man nicht auf Massenware oder<br />

Quantität setzt, sondern wenn<br />

man sich spezialisiert oder versucht<br />

Nischen herauszukristallisieren.<br />

Es genügt nicht, nur ein qualitativ<br />

hochwertiges Produkt zu<br />

haben, sondern ich sollte auch<br />

schauen, wie ich meine Produkte<br />

möglichst gewinnbringend an<br />

den Konsumenten bringen kann.<br />

Würden Sie den Betrieben<br />

raten, den Weg der<br />

Internationalität zu<br />

gehen? Wie wird sich<br />

der Stellenwert von<br />

Direktvermarktung in<br />

den nächsten Jahren<br />

entwickeln?<br />

Ich hoffe, er wird sich insofern<br />

verändern, dass sich auch die<br />

Nachfrage der Menschen, die in<br />

der Region wohnen und nicht<br />

nur der Menschen, die Gast in<br />

der Region sind, verstärken wird.<br />

Sodass die Direktvermarkter, so<br />

hoffe ich, positive Zukunftsperspektiven<br />

und Aussichten haben.<br />

Wir sind ein kleines Land und<br />

ich bin davon überzeugt, dass die<br />

Landwirtschaft in Österreich nur<br />

dann eine Chance hat, wenn wir<br />

auf hohe Qualität setzen, wenn<br />

wir uns spezialisieren und das<br />

heißt auch, dass wir über die nationalen<br />

Grenzen hinwegschauen<br />

müssen. Sich trauen aus der engeren<br />

Umgebung hinauszufahren,<br />

zum Beispiel auf Märkte, die in<br />

Wien oder außerhalb Wiens liegen.<br />

Klar ist natürlich auch, dass<br />

ich was investieren muss, bevor<br />

ich einen Input habe. Man muss<br />

nur ein bisschen darüber nachdenken,<br />

was man machen kann<br />

und dann einfach probieren und<br />

umsetzen.

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