SPORTaktiv Winterguide 2016
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Kurz vor dem Start erhalte ich<br />
meine Anweisungen über<br />
Funk: „Monika, denk dran:<br />
Den Oberkörper nach vorne<br />
neigen und so eng du kannst an den<br />
Torstangen vorbeifahren. Konzentrier<br />
dich und gib Gas. Strecke frei!“<br />
Ich stoße mich kräftig ab und versuche,<br />
die Torstangen mit Körperkontakt<br />
zu erwischen. Doch die Ski rattern<br />
und rumpeln über die Piste und<br />
schon in der zweiten Kurve entwickeln<br />
sie ein Eigenleben – ich gehe anstatt<br />
mit den Slalomstangen mit dem<br />
Schnee auf Tuchfühlung.<br />
Ja, man hat schnell „Aha-Erlebnisse“<br />
im Racecamp. Zum Glück geht<br />
es den anderen Teilnehmern nicht<br />
viel besser. Wir sind sieben ambitionierte<br />
Hobbyskifahrer. Das Ziel lautet,<br />
unsere Skitechnik zu verbessern<br />
– und ein Renncamp soll dafür eine<br />
perfekte Schule sein. Doch vor der<br />
Verbesserung steht eben offenbar die<br />
Ernüchterung.<br />
Das Tal liegt noch im Schatten,<br />
das Thermometer zeigt minus 15 Grad<br />
und die Rennstrecke ist mit vereisten<br />
Querrillen, die die Pistenraupe in den<br />
Schnee gefräst hat, durchzogen. Das<br />
Team des „Race Centers Benni Raich“<br />
legt Wert auf solch schwierige Pistenverhältnisse.<br />
Wie bei den Profis wurde<br />
die Strecke künstlich vereist und<br />
die Rillen sorgen für zusätzlichen Anspruch.<br />
„Bei der nächsten Abfahrt<br />
gibst du mehr Druck auf die Ski und<br />
lehnst dich nach vorne“, höre ich Florian<br />
aus dem Funkgerät. Ich hab die<br />
Fernsehbilder der Profis im Kopf, die<br />
scheinbar mühelos und der Schwerkraft<br />
trotzend zwischen den Toren<br />
ihre Spuren ziehen. Hier Rennluft zu<br />
schnuppern, ist jedenfalls mindestens<br />
so spannend, wie vor dem TV-Gerät<br />
Chips knabbernd ein Olympiarennen<br />
anzuschauen ...<br />
Fünf Tage Technik-, Riesenslalomund<br />
Slalom-Training, Videoanalyse,<br />
Trainingstipps und Skipräparieren<br />
stehen während meines Intensivkurses<br />
auf dem Programm. Kinder und<br />
Jugendliche mit Rennambitionen, sowie<br />
FIS-Rennläufer werden zeitgleich<br />
mit uns – aber natürlich in getrennten<br />
Kursen unterrichtet. Bereits 1998 hatten<br />
Benni Raich und sein Bruder Florian<br />
die Idee, eine Skischule für besondere<br />
Ansprüche zu gründen. Seither<br />
Sieben Hobbyskifahrer und ein Vollprofi: Florian Raich (re.), der mit<br />
seinem berühmten Bruder das „Race Center Benni Raich“ betreibt.<br />
steht die Skirennschule unter der Leitung<br />
von Florian und profitiert von<br />
der Erfahrung des Olympiasiegers<br />
und Weltmeisters Benni. Und sie steht<br />
für professionelle Rennvorbereitung.<br />
Doch auch ambitionierte Hobbyskifahrer<br />
wie wir können von dem Training<br />
profitieren. Das beginnt für uns<br />
lange, bevor die Sonne über die Gipfel<br />
lugt und die anderen Urlaubsgäste die<br />
Pisten besiedeln.<br />
HINTER MIR DIE STAUBWOLKE<br />
Um 8.30 Uhr geht es täglich los. Ich<br />
fahre mit meinen Campkollegen –<br />
drei Männern und drei Frauen aus<br />
Deutschland, Österreich und Südafrika<br />
– mit der Gondel der Riffelsee-Bahn<br />
hinauf, die uns zur Sunna Alm auf<br />
2.300 m bringt. Weiter Richtung Muttenkopf,<br />
kurz einfahren, dann steckt<br />
Florian 25 Tore im Abstand von 24 Metern<br />
auf der roten Piste zur Talstation<br />
der Mutten kopf-Bahn aus. Ein perfekt<br />
gleichmäßiger Riesentorlauf.<br />
Nach der Streckenfreigabe über<br />
Funk versuche ich, hart auf der Kante<br />
um die Tore zu carven, doch in Wahrheit<br />
rutsche ich um jede Kurve und<br />
ziehe eine dicke Schneestaubwolke<br />
hinter mir her. „Carven bringt Tempo,<br />
rutschen kostet Zeit“, erfahren wir<br />
dann von Benni Raich. Und wie er auf<br />
diesen Hängen das Skifahren von seinem<br />
Vater gelernt und mit vier Jahren<br />
sein erstes Rennen absolviert hat.<br />
Mehr als 10.000 Tore hat er während<br />
seiner Karriere alljährlich bereits vor<br />
Saisonstart passiert – „jetzt will ich<br />
was von meinem Wissen und meiner<br />
Erfahrungen an euch weitergeben“.<br />
Am Nachmittag, bei der Videoanalyse,<br />
habe ich auch das Gefühl, heute<br />
schon Tausende von Toren durchfahren<br />
zu haben, denn meine Beine wollen<br />
eigentlich nur noch eins: ruhen.<br />
In einem Raum mit Klassenzimmer-<br />
Atmosphäre betrachten wir unsere<br />
Fehler in Zeitlupe. Sich zu verstecken<br />
ist sinnlos. Für uns Freizeit-Skiläufer<br />
folgt die nächste Ernüchterung:<br />
„Monika, du musst mit dem Oberkörper<br />
mehr nach vorne, das sieht ja aus,<br />
als könnte man einen Stuhl unter deinen<br />
Hintern stellen. Markus, dir muss<br />
ich die X-Bein-Stellung austreiben.<br />
Die bremst und ist ein eher frauentypischer<br />
Fehler.“ Markus schaut etwas<br />
betreten zu Boden.<br />
HILFE, FREIHÄNDIG!<br />
Der nächste Skitag fühlt sich zu Beginn<br />
gleich noch unsicherer an – doch<br />
Überraschung: „Das ist gut“, verkündet<br />
Florian, „denn nur so ändert man<br />
einen eingefahrenen, falschen Stil.“<br />
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