Snowtimes-2011-Saanenland
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
22<br />
Warum so viel Leidenschaft<br />
für das Unternehmertum?<br />
Text: artikuliert.ch<br />
Foto: IVE<br />
Dr. Hans Ulrich Pestalozzi war lange Zeit im Ausland<br />
als Wirtschaftsanwalt und danach als Unternehmensführer<br />
einer international tätigen Handelsfirma in der Schweiz<br />
aktiv. 2004 errichtete er die gemeinnützige Stiftung<br />
IVE – Institut für wertbezogenes Unternehmertum. Ihm liegt<br />
vor allem am Herzen die Förderung einer jungen Generation,<br />
welche verantwortungsbewusst und wertebezogen<br />
Führungspositionen übernimmt als Jungunternehmer,<br />
als Manager oder gar als Nachfolger in einem Unternehmen.<br />
Jetzt sucht er selber einen operativen Nachfolger für<br />
die Stiftung.<br />
Herr Pestalozzi, ist Loslassen die<br />
schwierigste Handlung einer Führungspersönlichkeit?<br />
Loslassen ist überall immer schwierig. Jeder<br />
macht diese Erfahrung. Leider ziehen viele<br />
nicht die notwendige Konsequenz. Die goldene<br />
Regel lautet: acht Jahre in derselben<br />
Funktion ist genügend. Zwei Jahre zum Lernen,<br />
drei Jahre innovatives und kreatives<br />
Wirken, um mit weiteren drei Jahren zu konsolidieren.<br />
Verharrt man länger in der Funktion,<br />
beginnt man nach dem bekannten Rezept<br />
«das haben wir immer so gemacht» zu<br />
verwalten.<br />
Mittlerweile führen Sie selber bereits<br />
sechs Jahre das IVE mit Erfolg ...<br />
Deshalb Grund genug, sich nach einem<br />
Nachfolger für die Leitung des Institutes<br />
umzusehen.<br />
Was hat Sie zur Gründung des IVE<br />
überhaupt motiviert?<br />
Einerseits waren meine Kurse «Leadership<br />
aus der Sicht eines Praktikers» an der Universität<br />
immer überbelegt. Andererseits ist<br />
in mir als im christlichen Glauben fest verankerte<br />
Person die feste Überzeugung herangereift,<br />
dass die in den letzten Jahren<br />
praktizierte Unternehmensführung in vielen<br />
Fällen nach dem Motto «Was kann das Unternehmen<br />
für mich tun» anstelle der Frage<br />
«Was kann ich für das Unternehmen tun»<br />
der falsche Ansatz ist.<br />
Das ist eine provokative Aussage. Wie<br />
verstehen Sie das?<br />
Ich meine, dass wir die Finanzkrise und die<br />
folgende Wirtschaftskrise hätten vermeiden<br />
können, wenn wir uns als Führungskräfte<br />
auf die Verantwortung in der Erzielung des<br />
Gewinnes zurückbesonnen hätten, wie dies<br />
unsere Vorfahren praktizierten. Es ist richtig,<br />
dass das Unternehmen Gewinn erzielen<br />
muss. Damit sichere ich die finanzielle Unabhängigkeit<br />
ab, durch Investitionen die<br />
Nachhaltigkeit der Firma und sorge für Arbeitsstellen.<br />
Behaupten Sie damit, dass in den<br />
vergangenen Jahren verantwortungslos<br />
gehandelt worden ist?<br />
Jede Strategie zur Zweckerfüllung eines bestimmten<br />
Unternehmens richtet sich nach<br />
dessen Vision. Als Führungsperson stellt<br />
sich deshalb immer die Frage, wie ich den<br />
notwendigen Gewinn zur Verwirklichung<br />
der Vision erziele. So beinhaltet die Frage<br />
«wie» immer ein wertebehaftetes Verhalten.<br />
Die Führungsverantwortung hat deshalb<br />
nach meiner Erfahrung vier Dimensionen:<br />
die soziale Dimension betrifft die Beziehung<br />
zu den Mitarbeitern und der Gesellschaft<br />
/ Staat allgemein, die wirtschaftliche<br />
Dimension bezieht sich auf den Kunden,<br />
den Markt und die zu verkaufenden Produkte,<br />
die oekologische Dimension erschliesst<br />
die Ressourcen und die Umwelt,<br />
die finanzielle Dimension den Gewinn.<br />
Sie betonen das wertebehaftete Verhalten<br />
einer Person ...<br />
Erstaunt Sie das? Jede Handlung beinhaltet<br />
Werte. Und ich denke, gerade die Vorkommnisse<br />
im Finanzbereich der letzten zwei Jahre<br />
unterstreichen diese Feststellung. Es ist<br />
deshalb nicht erstaunlich, dass die jungen<br />
Menschen, Studierende an Hochschulen,<br />
nach Werten hungrig sind. Entscheidend ist<br />
die Grundlage der gelebten Werte. Und da<br />
gibt es keinen Zweifel: es sind die der christlich<br />
– abendländischen Kultur. Diese Kultur<br />
ist die einzige, welche den industriellen Unternehmer<br />
hervorgebracht hat. Er schuf den<br />
grossen Reichtum im Westen, dank dessen<br />
viele Staaten in Entwicklung einen Markt<br />
für ihre Rohstoffe überhaupt finden können.<br />
Erst die Globalisierung bringt grundsätzlich<br />
den industriellen Unternehmer auch in andere<br />
Kulturen.<br />
«Die Jungen sind hungrig nach Werten»<br />
– ihre Bilanz nach dem ersten Jahr in<br />
Ihrem Institut. Gilt das auch heute<br />
noch?<br />
Mehr denn je. Rund 900 Absolventen haben<br />
unseren Workshop «Was ein Jungunternehmer<br />
wissen muss» in Lausanne, Fribourg,<br />
Bern, Zürich oder St. Gallen besucht und<br />
dabei einen Businessplan ausgearbeitet. So<br />
will ich unter anderem zusammen mit dem<br />
Stiftungsrat und den Unterrichtenden, alles<br />
Praktiker, über das IVE Institut die Studierenden<br />
sensibilisieren auf jene Grundwerte,<br />
die einst unser Wirtschaftswachstum<br />
prägten. Die Nachfrage ist gross. Denn wo<br />
können sie diese Werte heute noch lernen?<br />
Dies ist der Grund, weshalb von Studierenden<br />
verschiedener Hochschulen die IVE<br />
Aktivitäten angefordert werden. IVE schlägt<br />
auf diese Weise die Brücke zwischen Hochschulen<br />
und der Praxis.<br />
Werte – dieser Begriff ist derzeit in aller<br />
Munde. Sie aber propagieren ihn seit<br />
Gründung Ihres Institutes und waren<br />
damit einer der ersten, als praktisch<br />
niemand davon sprach. Was sehen Sie<br />
im Vordergrund, wenn Sie von Werten<br />
sprechen?<br />
Es geht um das Führen mit Werten, das ist<br />
zentral. Darum geht es. Im Mittelpunkt steht<br />
die oben angesprochene Verantwortung.<br />
Verantwortung kann man abschieben…<br />
Eben nicht. Wo ich handle, bin ich dafür<br />
verantwortlich. Wo ich delegiere, bin ich<br />
mitverantwortlich. Darum herum komme<br />
ich nicht. Nur, die Praxis sieht in vielen Fällen<br />
anders aus. Geradestehen ist oft an kleiner<br />
Stelle im Gegensatz zur Beschuldigung<br />
anderer.<br />
Was zeichnet dann für Sie eine vorbildliche<br />
Persönlichkeit aus?<br />
Der Umgang mit Verantwortung. Zur Wahrheit<br />
stehen, Respekt für den Andern, Zuhören<br />
können, Geduld, mündliche und schriftliche<br />
Verpflichtungen einhalten, sich in der<br />
Sache engagieren. Jim Collins 1 sagt: «ein<br />
echter Leader will aus Leidenschaft etwas