Energie und Baudenkmal 3 Haustechnik
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Der <strong>Energie</strong>ausweis der Kantone GEAK<br />
Mit dem Gebäudeenergieausweis der Kantone hat die<br />
öffentliche Hand für die Schweiz ein Instrument zur<br />
einheitlichen Beurteilung <strong>und</strong> zum direkten Vergleich<br />
der energetischen Qualität der Gebäudehülle <strong>und</strong> der<br />
Anlagetechnik geschaffen.<br />
Der GEAK geht für Gebäude vom berechneten Bedarf<br />
aus <strong>und</strong> verwendet die gemessenen Werte (effektiver<br />
Verbrauch) nur zu Kontrollzwecken. Als Berechnungsgr<strong>und</strong>lage<br />
dient den GEAK-Experten das SIA-Regelwerk,<br />
die Normen 380/1 <strong>und</strong> 380/4. Der Vergleich zwischen<br />
berechnetem Bedarf <strong>und</strong> gemessenem Verbrauch<br />
zeigt immer wieder beachtliche Unterschiede zugunsten<br />
des effektiven Verbrauchs (siehe Kap. <strong>Energie</strong>bedarf<br />
<strong>und</strong> <strong>Energie</strong>verbrauch).<br />
Beispiel Schlossscheune Jegenstorf:<br />
Ist-Zustand rechnerisch (Wärmebedarf): 490 MJ/m 2<br />
Ist-Zustand effektiver Verbrauch: 237 MJ/m 2<br />
Die Abweichung beträgt bei diesem Beispiel mehr als<br />
100%. Diese enorme Differenz mag teilweise mit dem<br />
Nutzerverhalten zusammenhängen. Für die Berechnung<br />
des Wärmebedarfs bestehender Bauten müssen aber<br />
auch Annahmen getroffen werden. Das <strong>Baudenkmal</strong><br />
ist eine inhomogene Konstruktion (z.B. inhomogenes<br />
Bruchsteinmauerwerk, mehrschichtige, nicht genau<br />
bekannte Dachboden- oder Wandaufbauten).<br />
Die ebenfalls im Ausweis vorgeschlagenen Massnahmen<br />
(«GEAK light» sogar online im Internet), die nur die<br />
energetischen Aspekte, nicht aber die denkmalpflegerischen<br />
<strong>und</strong> architektonischen berücksichtigen, können<br />
fatale Folgen haben <strong>und</strong> das Denkmal gefährden. Der<br />
GEAK dient offiziell der Standortbestimmung, als<br />
Erfolgskontrolle nach einer Sanierung, der verbesserten<br />
Vermietbarkeit (Nebenkosten) <strong>und</strong> als Beleg beim<br />
Liegenschaftenkauf. Für die kleine Gebäudegruppe der<br />
Baudenkmäler ist er jedoch zu wenig aussagekräftig,<br />
andere Werte als die <strong>Energie</strong>effizienzklasse treten für<br />
eine gute Vermietbarkeit <strong>und</strong> einen guten Verkaufspreis<br />
in den Vordergr<strong>und</strong> – so etwa der historische <strong>und</strong> der<br />
Liebhaberwert.<br />
Gemessener <strong>Energie</strong>ausweis<br />
Das SIA-Merkblatt 2031 (2009) definiert eine Methode<br />
für die <strong>Energie</strong>bewertung auf der Gr<strong>und</strong>lage des gemessenen<br />
Jahresverbrauchs aller vom Gebäude gebrauchten –<br />
<strong>und</strong> allenfalls zurückgelieferten – <strong>Energie</strong>träger. Die<br />
Messperiode muss mindestens drei ganze aufeinanderfolgende<br />
Jahre umfassen. Wenn das gemessene Gebäude<br />
aber nur teilweise oder nur während gewisser Jahreszeiten<br />
benutzt wird, kann kein gemessener <strong>Energie</strong>ausweis<br />
erstellt werden. Dem Ausweis kommt in der Praxis leider<br />
wenig Bedeutung zu, weil sowohl baurechtliche Belange<br />
wie auch Förderbeitragsgesuche auf Bedarfsberechnungen<br />
nach SIA 380/1 abgestützt werden.<br />
3.3 Instationärer Wärmedurchgang<br />
Vermindert ein Wärmestrom das Temperaturgefälle an<br />
einer Stelle nach <strong>und</strong> nach oder wird durch äussere Einflüsse<br />
eine Änderung des Temperaturgefälles erzwungen,<br />
so ist die Wärmeleitung instationär, der Wärmestrom ist<br />
nicht mehr konstant.<br />
Diese Verminderung des Temperaturgefälles eines Wärmestroms<br />
hängt erstens mit der Wärmespeicherfähigkeit<br />
von Massivbauten zusammen. Zum Zweiten sind es Temperaturänderungen<br />
im Tagesverlauf oder infolge Änderung<br />
der Witterung, welche Veränderungen im Temperaturgefälle<br />
erzwingen. Die Tagesschwankungen werden<br />
von der speicherfähigen Aussenwand teilweise aufgefangen.<br />
Die Innentemperatur bleibt dadurch mehr oder<br />
weniger konstant. Wir sprechen daher von isothermen<br />
Bedingungen. Bei nicht speicherfähigen Wänden greifen<br />
die Aussentemperaturschwankungen als Schwankungen<br />
der Innentemperatur durch. Die Innentemperatur gleicht<br />
sich viel rascher den Aussentemperaturschwankungen<br />
an. Wir sprechen hier vom adiabatischen Zustand.<br />
Die entsprechenden Wärmedurchgansgkoeffizienten<br />
oder dynamischen U-Werte heissen Temperaturdurchgriffskoeffizient<br />
I für isotherme <strong>und</strong> Temperaturdurchgriffsquotient<br />
II für adiabatische Verhältnisse.<br />
Massive Wände können beträchtliche freie Wärmemengen<br />
von innen <strong>und</strong> aussen aufnehmen <strong>und</strong> bei veränderten<br />
Temperaturbedingungen phasenverschoben <strong>und</strong><br />
amplitudengedämpft wieder in Richtung des tieferen<br />
Temperaturniveaus abgeben. Damit haben sie zunächst<br />
eine ausgleichende Wirkung in Bezug auf die täglichen<br />
Temperaturschwankungen, <strong>und</strong> sie verbessern die<br />
Ausnutzung solarer Einträge sowohl des Gebäudeinneren<br />
(Einträge durch die Fenster) wie auch des Äusseren<br />
(Einträge durch opake Bauteile).<br />
Das Temperaturamplitudenverhältnis ist das Mass der<br />
Amplitudendämpfung einer Wärmewelle, also der<br />
Verkleinerung der Temperaturdifferenz (Schwankung<br />
zwischen Tagesminimum <strong>und</strong> -maximum) im Inneren<br />
gegenüber den Schwankungen aussen. Die Phasenverschiebung<br />
ist die Zeit, die zwischen dem Auftreffen der<br />
Wärme auf der Fassadenoberfläche bis zu ihrer Abgabe<br />
an die Innenraumoberfläche verstreicht.<br />
lll <strong>Haustechnik</strong><br />
<strong>Energie</strong> <strong>und</strong> <strong>Baudenkmal</strong> – <strong>Haustechnik</strong> – V1 – 2014<br />
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