GAB März 2017
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MUSIK<br />
Sie hat den Ehrgeiz, Beyoncé und Lady Gaga gleichzeitig beerben zu wollen. Sie ist eine junge blonde<br />
neunzehnjährige Frau, die nicht daran denkt, sich nur auf eben diese Attribute beschränken zu lassen.<br />
Und manche nennen sie einen „Man Hater“,<br />
worüber Zara Larsson nur laut lachen kann<br />
– denn es trifft zu. Erstens ist es ja nicht so,<br />
dass es diesen speziellen Männern wehtut,<br />
wenn sie so etwas sagt, auch wenn diese<br />
getroffen aufjaulen. Und zweitens ist es<br />
sogar einfach nötig, diesen altbackenen<br />
Machttypen, die glauben, Verfügungsgewalt<br />
über (nicht nur) weibliche Körper zu haben,<br />
die denken, bestimmen zu können, wer<br />
mit wem schläft oder wer wen heiraten<br />
sollte oder wer welchen Wert hat, und die<br />
sich sicher sind, dass es nur recht und billig<br />
ist, dass sie ihre gestrige, konservative<br />
Weltsicht weiterhin über jeden anderen<br />
Menschen stülpen können, die Grenzen<br />
ihres Einflusses aufzuzeigen. „Es sollte<br />
eine Selbstverständlichkeit sein, wichtige<br />
Themen anzusprechen und eine Meinung zu<br />
haben“, bemerkt Zara nonchalant. Dass sie<br />
jedenfalls keine Angst<br />
hat, sich gegen diese<br />
Art Männer durchzusetzen,<br />
sieht man<br />
schon daran, dass die<br />
Schwedin bereit ist,<br />
sich in dem noch immer<br />
von solchen Typen<br />
dominierten Musikgeschäft<br />
durchzuarbeiten.<br />
Sie hat einfach keine<br />
Angst, ihre Klappe aufzumachen.<br />
Dass sich alle Augen<br />
auf sie richten, ist<br />
genau das, was Zara<br />
sich wünscht, vielleicht<br />
sogar braucht. Schon immer suchte sie die<br />
Aufmerksamkeit ihrer Umwelt, und an eine<br />
Zeit, in der sie nicht gesungen hat, kann sie<br />
sich nicht einmal erinnern. Auch zu Hause<br />
als Kind war sie bereits immer auf einer<br />
Bühne. „Für mich wurde ein besonderer<br />
Bereich markiert, wo ich tanzen und singen<br />
konnte. Meine jüngere Schwester und ich<br />
veranstalteten Shows für meine Eltern und<br />
ihre Gäste.“ Doch das hat ihr nicht gereicht.<br />
Als Zara erst zehn Jahre war, bewarb sie<br />
sich 2008 – nachdem sie endlich ihre Eltern<br />
davon überzeugt hatte, sie zu lassen – bei<br />
der schwedischen Variante der „... Got<br />
Talent“-Shows. Man muss das Video, in<br />
dem das kleine Mädchen mit selbstverständlichem<br />
Selbstbewusstsein „One Moment in<br />
Time“ singt, gesehen haben, um zu glauben,<br />
was sie schon damals für eine Stimme hatte.<br />
Dann wundert man sich auch nicht, dass<br />
sie gewonnen hat.<br />
FOTOS: DENNIS LEUPOLD<br />
Aber bis zum ersten Album sollte es noch<br />
dauern und es war höllisch schwer für<br />
Zara, diese Geduld aufzubringen. Erst 2013<br />
erschienen endlich die ersten EPs und dann<br />
2014 auch das erste Album „1“, das wenig<br />
überraschend Nummer eins in den schwedischen<br />
Charts wurde. Der Rest der Welt<br />
wurde auf ihr Talent aber erst ein Jahr später<br />
aufmerksam, als die Single „Lush Life“<br />
europaweit zum Hit wurde und demnächst<br />
wohl eine halbe Milliarde Views bei YouTube<br />
erreichen dürfte – was so ziemlich genau die<br />
Größenordnung ist, in der Zara denkt.<br />
Deshalb passte es auch wie die Faust aufs<br />
Auge, dass sie die Stimme für „This One’s<br />
for You“ wurde, den EM-Song 2016. Zusammen<br />
mit David Guetta durfte sie bei der<br />
Eröffnungs- und auch bei der Abschlussveranstaltung<br />
der Fußball-Europameisterschaft<br />
in Frankreich vor 80.000 Fans im Stade de<br />
France und vor abermillionen Menschen vor<br />
den Fernsehern und Livestreams beweisen,<br />
dass sie sich auch von so einem Event<br />
nicht einschüchtern lässt. Im Gegenteil<br />
– es scheint, als blühe sie unter solchen<br />
Umständen erst richtig auf. Plötzlich war sie<br />
auch international an der Chartspitze. Dass<br />
sie im letzten Jahr für ihr Vorbild Beyoncé<br />
den Support im Rahmen der „Formation“-<br />
Welttournee in London übernehmen durfte,<br />
war da nur noch das Sahnehäubchen.<br />
Einen bessere Zeitpunkt für das zweite<br />
Album als jetzt kann es also kaum geben –<br />
und auf „So Good“ arbeitet sie leichtfüßig<br />
weiter daran, ihren Platz unter den Weltstars<br />
zu finden. Der Sound ist dabei überwiegend<br />
bestimmt durch die aktuell erfolgreiche,<br />
treibende Mischung aus R ’n’ B, Dancehall,<br />
UK House und EDM. „Es ist ganz klar<br />
Pop, aber es gibt auch einige rhythmische<br />
Songs, einige Dance-Songs und einige<br />
Balladen. Ich versuche nicht, den Leuten zu<br />
beweisen, dass ich schon super erwachsen<br />
bin, so im Sinne von: ‚Hey, schaut her, ich<br />
kann echt sexy Songs machen.‘ Die Musik<br />
zeigt einfach nur, wer ich bin und was ich<br />
mag.“ Anbiedernd oder einfach sind die<br />
Tracks nicht geworden, und gleichzeitig ist<br />
es irgendwie wieder typisch Schweden –<br />
großartige Popsongs scheinen dort eine<br />
Selbstverständlichkeit zu sein.<br />
Natürlich geht es in den Liedern von Zara dabei<br />
nicht um Hass – egal auf wen –, sondern<br />
um Liebe: „Das ist das Thema, das immer<br />
wieder auftaucht“, erklärt sie. „Man kann<br />
auf viele verschiedene Arten über Liebe schreiben.<br />
Es gibt glückliche Liebe, eifersüchtige<br />
Liebe, sogar Selbstliebe. Der Song ‚What<br />
They Say‘ handelt davon, an sich selbst zu<br />
glauben und nicht auf<br />
den Bullshit zu hören,<br />
denn du bist großartig.<br />
Es ist eine starke,<br />
positive Botschaft, ohne<br />
cheesy zu sein.“<br />
Zara weiß, dass sie auf<br />
einem gradlinigen Weg<br />
zu sein scheint, ihre<br />
Ziele zu erreichen, aber<br />
sie will so viel mehr.<br />
Niemand sollte ihren<br />
Ehrgeiz unterschätzen<br />
und auch nicht mit<br />
Arroganz verwechseln.<br />
„Ich möchte Stadien<br />
ausverkaufen. Ich<br />
möchte Multiplatin-<br />
Alben machen. Ich möchte, dass die<br />
Menschen meine Musik lieben und sich mit<br />
ihr identifizieren können. Und ich möchte<br />
ihnen etwas von dieser Liebe zurückgeben.<br />
Ich möchte große Dinge erreichen. Ich bin in<br />
meinem Leben noch nie mit etwas zufrieden<br />
gewesen, möglicherweise wird mir das auch<br />
mit meiner Musik passieren. Ich werde nicht<br />
eines Morgens aufwachen und denken:<br />
‚Jetzt bin ich glücklich und setze mich zur<br />
Ruhe.‘ Ich denke, ich werde immer hungrig<br />
nach mehr sein. So bin ich ganz einfach.“<br />
Das neue Album könnte also die Geburt<br />
einer neuen, großen Diva sein – einer neuen<br />
Kylie, vielleicht irgendwann auch einer<br />
neuen Gaga – und bei Zaras Einstellung ist<br />
es wirklich nicht ausgeschlossen, dass sie<br />
in einigen Jahren auf Augenhöhe mit Queen<br />
Bey ist. •fis