GAB März 2017
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FILM<br />
„... bei der<br />
Schauspielerei<br />
geht es um<br />
Wahrhaftigkeit<br />
und<br />
ums Fehlermachen<br />
...“<br />
Interview<br />
CORENTIN FILA<br />
Keine Frage: Corentin Fila ist die spannendste<br />
Kino-Neuentdeckung der Saison.<br />
Der 28-jährige Sohn einer Französin<br />
und eines aus dem Kongo stammenden<br />
Dokumentar-Regisseurs gibt nach ein<br />
paar Jahren als Model sein Leinwanddebüt<br />
in dem schon auf der Berlinale 2016<br />
gefeierten Drama „Mit siebzehn“. Darin<br />
erzählt Regisseur André Téchiné, eine<br />
Legende des schwulen Kinos, von der<br />
Romanze der beiden Mitschüler Damien<br />
(Kacey Mottet Klein) und Thomas (Corentin<br />
Fila). Für die emotional wie körperlich<br />
freizügige Rolle wurde Fila für den<br />
französischen Filmpreis César nominiert<br />
– und durfte sich prompt auf jede Menge<br />
neue Projekte stürzen: Bereits abgedreht<br />
hat er eine Fernsehserie mit dem schwulen<br />
Filmemacher Gabriel Aghion sowie<br />
eine Komödie mit Karin Viard und Anne<br />
Dorval.<br />
CORENTIN, „MIT SIEBZEHN“ IST DEIN AL-<br />
LERERSTER FILM. WIE LANGE HAST DU<br />
VON DER SCHAUSPIELEREI GETRÄUMT?<br />
Noch nicht so lange, ehrlich gesagt.<br />
Dieser Weg hat sich in meinem Leben<br />
einigermaßen spät ergeben. Ich habe<br />
erst Wirtschaft studiert, außerdem habe<br />
ich zwei Jahre als Model gearbeitet, was<br />
mir allerdings nicht sonderlich viel Spaß<br />
gemacht hat. Aber dann habe ich 2013<br />
in das Theaterstück „The Suit“ von Peter<br />
Brook gesehen, aufgeführt ausschließlich<br />
mit schwarzen Schauspielern. Das<br />
hat alles verändert.<br />
VON HEUTE AUF MORGEN?<br />
Ja, von dem Moment an wusste ich:<br />
Das will ich machen. Ich habe dann<br />
die Aufnahmeprüfung an einer sehr<br />
renommierten und wählerischen Schauspielschule<br />
geschafft, die auch viele<br />
berühmte französische Schauspieler<br />
besucht haben. Innerhalb meines ersten<br />
Jahres dort hatte ich einen Agenten –<br />
und das erste Casting, zu dem er mich<br />
schickte, war „Mit siebzehn“.<br />
HAT DIE MODEL-ERFAHRUNG BEI DER<br />
SCHAUSPIELEREI GEHOLFEN?<br />
Wenn überhaupt, dann nur, weil man als<br />
Model lernt, wie man die Aufmerksamkeit<br />
auf sich zieht: Cool sein, das Alpha-<br />
Männchen geben – mit so einem Bullshit<br />
kann man beim Casting als Model<br />
auffallen. Das kann auch beim Film nicht<br />
schaden, wenn man sich für eine Rolle<br />
ins Spiel bringen will. Aber wenn die<br />
Kamera einmal läuft, sind Attitüde und<br />
perfekte Pose das Letzte, was dir hilft,<br />
denn bei der Schauspielerei geht es um<br />
Wahrhaftigkeit und ums Fehlermachen.<br />
WARST DU NERVÖS, ALS DU FÜR ANDRÉ<br />
TÉCHINÉ VORGESPROCHEN HAST? DER<br />
IST IMMERHIN EINE LEGENDE DES FRAN-<br />
ZÖSISCHEN KINOS ...<br />
Ich hatte natürlich schon mal von<br />
Téchiné gehört, aber ein genaues Bild<br />
davon, wer er eigentlich ist, hatte ich<br />
ehrlich gesagt nicht. Dadurch hielt sich<br />
meine Nervosität in Grenzen. Außerdem<br />
war ich damals gedanklich von morgens<br />
bis abends mit dem Leiter unserer<br />
Schauspielschule beschäftigt, der eine<br />
Art Guru der französischen Theaterwelt<br />
ist. Ein ziemlich einflussreicher Typ, der<br />
seine Studenten komplett in der Hand<br />
hat. Er bringt jeden zum Heulen, ob man<br />
will oder nicht! Verglichen mit der Arbeit<br />
mit ihm konnte alles andere nur ein<br />
Kinderspiel sein.<br />
DU WIRKST NICHT, ALS HÄTTEST DU<br />
VIEL MIT TOM GEMEINSAM, DEN DU<br />
IN „MIT SIEBZEHN“ SPIELST. KONNTEST<br />
DU MIT DER ROLLE AUF ANHIEB ETWAS<br />
ANFANGEN?<br />
Stimmt, ich bin viel weniger verschlossen<br />
und still als Tom. Und ich stehe auf<br />
Mädchen. Aber das Drehbuch und die<br />
Rolle habe ich trotzdem auf Anhieb<br />
geliebt. Dieser nachdenkliche Grübler,<br />
allein in den Bergen – unglaublich cool!<br />
Außerdem erinnert mich Tom an mich<br />
selbst, vor einer langen Zeit.<br />
TATSÄCHLICH?<br />
Ja, ich war früher schüchtern. Und hatte<br />
die gleiche Aggression in mir wie er.<br />
Ich habe mich als Kind ganz schön viel<br />
geprügelt. Im Grunde sieht man in „Mit<br />
siebzehn“ den 26-jährigen Corentin, wie<br />
er den 12-jährigen Corentin spielt.<br />
NICHT JEDER JUNGE SCHAUSPIELER<br />
WÜRDE EINE SCHWULE ROLLE ALS SEINE<br />
ERSTE WÄHLEN, SEI ES AUS ANGST, DA-<br />
RAUF FESTGELEGT ZU WERDEN, ODER<br />
AUS ANGST, DIE ZUSCHAUER WÜRDEN<br />
ROLLE UND DARSTELLER VERWECHSELN.<br />
HATTEST DU IRGENDWELCHE BEDEN-<br />
KEN?