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GAB März 2017

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MUSIK<br />

ALEXA<br />

FESERS<br />

ZUSTAND DES AUFBRUCHS<br />

FOTO: S. SINDT<br />

„Ich habe eigentlich überhaupt keinen<br />

musikalischen Hintergrund“, lacht<br />

Alexa Feser, als wäre genau das die<br />

beste Grundsituation, um Sängerin zu<br />

werden. Abgesehen von ihrem Großvater,<br />

der Jazz spielte, war ihre Umgebung<br />

eine normale Familie, die zwar selber<br />

keine Kunst machte, aber ihre Tochter<br />

doch nachdrücklich in diese Richtung<br />

schubste. „Meine Eltern wollten einfach,<br />

dass ich etwas Musisches mache – ich<br />

glaube, sie waren da sehr ambitioniert.“<br />

Klar hatte sie anfangs keinen Bock darauf<br />

und wollte lieber draußen spielen, aber<br />

trotzdem war Alexa dann doch recht konsequent<br />

darin, den Wünschen ihrer Eltern<br />

zu folgen – neben dem Ballett auch<br />

mit der Musik. „Ich konnte nie Noten<br />

lesen, ich habe nach Gehör gelernt. Aber<br />

dann habe ich schon früh meine eigenen<br />

kleinen Instrumentale gemacht, für mich<br />

– zu Hause, als kleines Mädchen. Das<br />

Texten kam dann mit 13 hinzu.“<br />

Aber das bedeutete nicht, dass sie zwanghaft<br />

versuchte, erfolgreich zu werden<br />

– oder überhaupt eine Karriere in dieser<br />

Richtung anzupeilen. „Wenn man jung<br />

ist, stellt man sich die Frage ja nicht. Erst<br />

wenn man aufs Abitur zuläuft und die Leute<br />

fragen, was man denn eigentlich danach<br />

machen will.“ Doch selbst dann ließ sie<br />

sich nie auf etwas festnageln. „Ich habe<br />

das Leben als offenen Weg gesehen: Mal<br />

schauen, wo es einen hintreibt.“ Was erst<br />

einmal leichter klingt, als es in Wirklichkeit<br />

ist. Man verzichtet bei dieser Art, durch das<br />

Leben zu gehen, auf jede Art von Sicherheit<br />

– aber anderseits will Alexa diese Sicherheiten<br />

auch nicht. Gerade nicht zu wissen,<br />

was das kommende Jahr, der kommende<br />

Monat oder auch nur die kommende<br />

Woche bringt, ist für sie das Richtige. „Das<br />

ist bestimmt für viele befremdlich, dass<br />

ich keinen Plan gemacht habe, aber so<br />

habe ich nie gelebt. Ich wollte vor allem<br />

im Jetzt sein … was, je älter man wird,<br />

immer schwerer wird. Wenn einen andere<br />

in Verantwortung nehmen wollen, Verträge<br />

abgeschlossen werden und man genötigt<br />

ist, sich Gedanken über die Zukunft zu machen.<br />

Was ich irrsinnig finde. Das zerstört<br />

die Energie des Moments und den Zustand<br />

des Aufbruchs.“<br />

Daher ist ihr Leben auch durch Ruhelosigkeit<br />

gekennzeichnet – im besten Sinne.<br />

Länger hält es sie nie an einem Ort. So<br />

wohnt sie erst seit einiger Zeit direkt<br />

am Berliner Alexanderplatz, praktisch im<br />

Herzen des Chaos, da wo Menschen aller<br />

Art aufeinandertreffen, im Guten wie im<br />

Schlechten. Es ist keiner der schönen Orte<br />

der Stadt, keine der gefragten Wohnlagen.<br />

Doch Alexa Feser wollte mittendrin sein.<br />

Ihre Lieder entstehen auch nicht in Klausur,<br />

sondern genau aus diesem Leben – und<br />

dessen Geschichten. Mit ihrem letzten<br />

Album „Gold von morgen“ ist es ihr darum<br />

auch gelungen, Aufmerksamkeit zu erregen,<br />

inklusive einer ECHO-Nominierung.<br />

Das neue Album „Zwischen den Sekunden“<br />

setzt genau da an.<br />

Nehmen wir das Lied „Inventur“ als<br />

Beispiel, in dem sie eine Bestandsaufnahme<br />

eines Abends und damit eines Lebens<br />

gemacht hat. „… dass du von so einem<br />

Abend zurückkommst, mit einer völligen<br />

Leere und alles aufzählen kannst – wie viele<br />

Drinks du hattest, wie viele Visitenkarten<br />

du bekommen hast, wen du getroffen hast,<br />

wie oft du auf Toilette gegangen bist. All<br />

diese Gegebenheiten, und man wünscht<br />

sich so sehr, dass diese eine Sache,<br />

wenn sie da wäre, all die anderen Sachen<br />

uninteressant machen wird. Denn wenn<br />

sie fehlt, bringen die anderen Dinge auch<br />

nichts. Das ist die Dramatik eines solchen<br />

Morgens.“ Eine kleine essenzielle Krise,<br />

die jeder kennt. „Manchmal ist man so leer,<br />

dass man einfach nur etwas fühlen möchte.<br />

Und das muss nicht mal eine zwischenmenschliche<br />

Sache sein wie Liebe, es<br />

kann auch Leidenschaft sein zu Musik oder<br />

zum Schreiben … etwas, in dem du völlig<br />

aufgehst.“<br />

Was uns wieder zu ihrer Art zu leben<br />

bringt, denn darin liegt auch ein bewusster<br />

Umgang mit diesen Gefühlen und Sehnsüchten.<br />

„Ich finde, wenn man sich von<br />

allem ein bisschen löst – auch von Dingen,<br />

von denen man glaubt, sie zu brauchen –,<br />

hat man letztlich mehr.“ In genau so einer<br />

Phase befindet sie sich wieder. Berlin wird<br />

sie nicht mehr lange halten, neue Ziele<br />

und Orte werden kommen. „Ich verkaufe<br />

und verschenke gerade wieder ganz viele<br />

Sachen.“ Mit dieser Flexibilität gibt es<br />

keine praktischen Grenzen, die sie davon<br />

abhalten könnten, ihrer inneren Unruhe<br />

und dem ständigen Suchen nach Neuem<br />

nachzugeben. „Ich brauche sehr wenig.<br />

Essen, Trinken ein Piano zum Spielen und<br />

meinen Kopf. Und gute Menschen um mich<br />

herum.“ •fis

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