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Cruiser im Maerz 2017

Gays fordern überall Toleranz. Aber: Wie tolerant sind wir selbst eigentlich in unseren eigenen Reihen? Ausserdem: Vor noch nicht all zu langer Zeit hatten es junge Schwule in Erziehungsheimen alles andere als leicht. Cruiser wirft einen Blick zurück in ein eher düsteres Kapitel der Pädagogik. Ausserdem: Cruiser guckte beim Training der einzigen Rugby Mannschaft - den RASCALS - zu.

Gays fordern überall Toleranz. Aber: Wie tolerant sind wir selbst eigentlich in unseren eigenen Reihen? Ausserdem: Vor noch nicht all zu langer Zeit hatten es junge Schwule in Erziehungsheimen alles andere als leicht. Cruiser wirft einen Blick zurück in ein eher düsteres Kapitel der Pädagogik. Ausserdem: Cruiser guckte beim Training der einzigen Rugby Mannschaft - den RASCALS - zu.

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12<br />

Kultur<br />

Buchtipp<br />

Adoption – irgendwie ein<br />

Dauerbrenner<br />

In Jasper Nicolaisens Roman «Ein schönes Kleid»<br />

wird ein schwuler Dauerbrenner thematisiert:<br />

Das Ergattern eines Kindes für ein schwules Paar.<br />

Von Birgit Kawohl<br />

J<br />

asper Nicolaisen, Jahrgang 1979,<br />

deutsch, schwul, Übersetzer und Autor<br />

(bisher) von Fantasyliteratur,<br />

n<strong>im</strong>mt eigene Erlebnisse mit der Aufnahme<br />

eines Pflegekindes als Ausgangspunkt für seinen<br />

Roman, der – so stellt der Autor gleich <strong>im</strong><br />

Vorwort klar – nicht als Ratgeber verstanden<br />

werden will. Ebenso wird betont, dass die<br />

Figuren keine realen Personen seien, aber angelehnt<br />

an ebensolche dargestellt würden.<br />

Nicolaisen will also unterhalten, warum<br />

nicht, in meinem Kopf entwickelten sich<br />

schnell absurde Szenerien rund um das Thema<br />

schwule Beziehung und «Kinderglück».<br />

Das schwule Paar Jannis und Levi<br />

Winter will nach langen Jahren einer funktionierenden<br />

Beziehung ein Kind zur Dauerpflege<br />

aufnehmen. Nach dem Ausfüllen<br />

komplexer Formulare und nach mehreren<br />

Terminen be<strong>im</strong> Jugendamt gelingt dies auch,<br />

der kleine Valentin darf bei ihnen einziehen.<br />

Schnell wurden die Erwartungen an<br />

eine unterhaltsame Lektüre auf den Boden<br />

der Tatsachen bzw. des Romans heruntergeholt.<br />

Die Beziehung von Jannis – offenbar<br />

das Alter Ego des Autors – und Levi, vormals<br />

eine Frau, jetzt ein Mann, bleibt ebenso blass<br />

und flach wie die Figuren selbst. Von Levi<br />

erfährt der Leser kaum etwas, ab und zu<br />

fungiert er als Stichwortgeber, <strong>im</strong> Mittelpunkt<br />

steht eindeutig Jannis. Das wäre prinzipiell<br />

auch okay bzw. dies könnte gelingen,<br />

wäre denn diese Figur plastischer ausgeformt.<br />

Man erfährt meist Klischees und erlebt<br />

das Paar in Standardsituationen, welche<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong><br />

zudem nicht besonders komisch geschildert<br />

sind, aber so wirken wollen. Wenn z. B.<br />

Jannis <strong>im</strong> Bus den Gurt des Kinderwagens<br />

nicht öffnen kann, haben sich die Mundwinkel<br />

der <strong>Cruiser</strong>-Buch-Rezensentin nicht<br />

zu einem Grinsen verzogen …<br />

Geradezu verstörend wirkte, dass der<br />

Hund des Paares, der zum Glück ziemlich<br />

schnell stirbt (bitte nicht missverstehen: wir<br />

alle lieben ja Hunde – also eigentlich),<br />

spricht, denn Jannis ist so einfühlsam, dass<br />

er Hunde und noch nicht sprechfähige<br />

Kleinkinder sprechen hören und verstehen<br />

kann. Da gab es doch mal einen Film mit<br />

John Travolta und Kirstie Alley, in dem das<br />

irgendwie besser unterhielt.*<br />

Hinzu kommen die <strong>im</strong> Roman eingestreuten<br />

Fragen des Jugendamtes bezüglich<br />

der Eignung der Pflegeeltern und das darauffolgende<br />

Gejammer über die Gemeinheit,<br />

dass man als schwules Paar solche Fragen<br />

beantworten müsse.<br />

Liebe Männer, die ihr Männer liebt, ihr<br />

mögt es kaum glauben, aber auch Hetero-<br />

Paare müssen sich einem solchen Fragenkatolog<br />

vom Jugendamt stellen. Ihr werdet hier –<br />

ausnahmsweise – nicht extra benachteiligt.<br />

Fazit: Hier wurde ein vielversprechendes<br />

(schwul-queeres) Thema verschenkt, da<br />

der Autor offenbar selbst zu wenig Distanz<br />

hatte, um locker mit diesem umgehen zu<br />

können. Schade.<br />

*Gemeint ist «Look who’s talking» von 1989.<br />

Buchtipp<br />

Jasper Nicolaisen: Ein schönes Kleid. Roman<br />

über eine queere Familie.<br />

Preis CHF 21.90<br />

ISBN 9783896562470

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