stahlmarkt 01.2017 (Januar)
Aus dem Inhalt: Steel International / Euroblech / Messen, Prüfen, Inspizieren - Qualität / Bauen mit Stahl / Aus den Unternehmen
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Steel International K 7<br />
China bedient sich kräftig am<br />
europäischen Buffet<br />
Unfaire Wettbewerbsbedingungen nähren das Land<br />
Düsseldorf. Die Handelsbeziehungen zwischen Europa und China verschlechtern sich immer weiter. Während die<br />
Chinesen scheinbar ungehindert ein europäisches Unternehmen nach dem anderen kaufen, verharren Europas<br />
Investitionen in China auf niedrigem Niveau. Eine Besserung erwarten Experten erst nach den Neuwahlen in der<br />
Volksrepublik Ende 2017. Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in China, fand klare Worte für<br />
das bestehende Ungleichgewicht.<br />
»Wir brauchen faire Wettbewerbsbedingungen<br />
und eine Art und Weise, in der<br />
Europa und Deutschland es schaffen, ihre<br />
eigenen Industrien zu schützen, ohne in Protektionismus<br />
zu verfallen«.<br />
Europa wünsche sich zwar weitere In -<br />
vestitionen aus China, fordere aber auch<br />
entsprechende Investitionschancen in der<br />
Volksrepublik. Da diese aktuell nicht existierten,<br />
sondern »nur eine Autobahn nach<br />
Europa und ein kleiner dürrer Pfad nach<br />
China seien«, müssten endlich die bereits<br />
früher zugesagten Reformen umgesetzt<br />
»<br />
China ist komplex, China ist wie<br />
ein Kontinent.<br />
werden. Wuttke geht allerdings davon aus,<br />
dass dies frühestens im Frühjahr 2018 erfolgen<br />
werde.<br />
Künstliches Wirtschaftswachstum<br />
Während der internationalen Jahrestagung<br />
»STAHL 2016 – Orientierung in unsicheren<br />
Zeiten« Anfang November 2016 in Düsseldorf<br />
beschrieb der Präsident der Europäischen<br />
Handelskammer in China weitere<br />
Missstände. Mit großer Sorge betrachtet er<br />
das künstliche Anheizen der chinesischen<br />
Wirtschaft durch die Herausgabe von hohen<br />
Krediten. Zwar komme so die Wirtschaft<br />
wieder etwas in Gang und bereits stillgelegte<br />
Stahlunternehmen würden wieder<br />
eröffnet. Allerdings werde das meiste Geld<br />
benötigt, um die Kredite zu bedienen. Während<br />
in den Jahren 2006 und 2007 eine<br />
Investition von einem Euro noch zu einem<br />
Zuwachs des chinesischen Bruttosozialproduktes<br />
in gleicher Höhe geführt hätte,<br />
»<br />
Zweistellige Wachstumszahlen in<br />
China sind nicht mehr zu erwarten.<br />
Extrapolation gibt‘s nicht mehr.<br />
»<br />
China steht 2017 vor Wahlen.<br />
Bis Ende des Jahres wird‘s keine<br />
Öffnung mehr geben.<br />
wachse dies aktuell nur noch um 0,20 €.<br />
»Die Schulden in China sind gewaltig«, sagte<br />
Wuttke. Die Regierung müsse sich mit<br />
diesem Thema sehr schnell befassen.<br />
Der Geschäftsführer und Generalbevollmächtigte<br />
der BASF China warnte zudem<br />
vor zu großen Wachstumserwartungen.<br />
China sei zwar immer noch ein Entwicklungsland<br />
und habe in vielen Regionen großen<br />
Nachholbedarf. Die Wirtschaft werde<br />
aber nicht mehr so schnell wachsen wie in<br />
den Jahren bis 2014. Lineare Hochrechnungen<br />
der bisherigen Entwicklung liefern seiner<br />
Einschätzung zufolge unrealistische<br />
Werte. »Die zweistelligen Wachstumsraten<br />
sind vorbei«, prognostizierte er.<br />
Mit dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation<br />
WTO hatte die Zentralregierung<br />
sehr schnell den Markt für ausländische<br />
Investoren geöffnet, setzte aber nur ein<br />
paar Reformen um und verharrte dann jahrelang<br />
auf dem Erreichten. Wuttke geht<br />
davon aus, dass China zwar immer noch auf<br />
einem hohen Niveau wächst, die wirtschaftliche<br />
Entwicklung aber einem »L« gleicht.<br />
Zunächst geht es steil abwärts, anschließend<br />
folgt eine parallele Weiterentwicklung.<br />
Große und bereits länger in China ansässige<br />
Unternehmen bekommen Wuttkes An -<br />
gaben zufolge seit geraumer Zeit kräftigen<br />
Gegenwind. Die Chinesen wollen künftig<br />
höherwertige Erzeugnisse als bisher produzieren<br />
und sehen die europäischen Unternehmen<br />
als große Konkurrenten. »Am besten<br />
geht es Unternehmen, die weniger als<br />
fünf Jahre am Markt sind und weniger als<br />
500 Mitarbeiter beschäftigen«, sagte er.<br />
Ungelöst ist auch das Problem der Überkapazitäten.<br />
Die Handelskammer hat Chi nas<br />
Regierung bereits im Jahr 2009 diverse Vorschläge<br />
unterbreitet und stellte nun fest,<br />
dass es in der Stahl-, Chemie-, Zement- und<br />
Glasindustrie nicht besser, sondern schlechter<br />
geworden ist. Meist liegt dies an der<br />
Struktur. So bilden beispielsweise staatseigene<br />
Unternehmen den Löwenanteil der<br />
chinesischen Stahlindustrie. Für Wuttke ist<br />
dies ein »intransparentes Gewebe, das<br />
garantiert keine marktwirtschaftlichen Verhältnisse<br />
widerspiegelt«. (sm 170104428) K<br />
<strong>stahlmarkt</strong> 1.2017