08.03.2017 Aufrufe

O+P Fluidtechnik 3/2017

O+P Fluidtechnik 3/2017

O+P Fluidtechnik 3/2017

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

SIMULATION<br />

keitsprofil). Ein mögliches Verfahren wird als modellbasierte Vorsteuerung<br />

mit sollwertoptimierender Bewegungstrajektorie bezeichnet. Es<br />

dient der Ermittlung der modellbasierten Vorsteuerung durch Eingabe<br />

der gewünschten Geschwindigkeitstrajektorie. Der Einsatz dieses Verfahrens<br />

empfiehlt sich auch im Marktsegment des Druckgießens.<br />

Als Sollwerteingang dient die bereits erwähnte Sollwerttrajektorie<br />

v(t), also die Geschwindigkeit über die Zeit t. Als Ausgang erhält<br />

man die system- bzw. modellabhängige Vorsteuerung ff(t), die die<br />

Stellgröße der hydraulischen Ventile darstellt. Der modellbasierten<br />

Vorsteuerung wird ein PI-Regler überlagert, um auf ungenaue<br />

Systembetrachtungen im Modell oder auch Einflüsse und Wechselwirkungen<br />

der Prozess- und Umgebungsbedingungen adäquat reagieren<br />

zu können. Bei einer optimalen Modellerstellung wird der<br />

eingesetzte Regler somit überflüssig.<br />

Das Strukturbild der modellbasierten Vorsteuerung mit überlagertem<br />

PI-Regler ist in Bild 06 zu erkennen.<br />

Weiterhin können anhand von Simulationen die Grenzen des<br />

elektrohydraulischen Systems ermittelt werden, um die Sollwerttrajektorie<br />

entsprechend anzupassen. Nicht erreichbare Systemgrenzen<br />

spiegeln sich in vermeidbaren Regelfehlern und somit in<br />

überflüssigen Ungenauigkeiten des Regelkreises wider. Eine höhere<br />

Regelgenauigkeit führt zu einer Effizienzsteigerung der Regelung<br />

und hieraus resultierend zu einer erhöhten Prozessstabilität.<br />

Zur Ermittlung der modellbasierten Vorsteuerung ff(t) bedarf es<br />

der genauen Modellabbildung der verwendeten hydraulischen Ventile,<br />

des Aktuators sowie externer Einflüsse. Dies stellt eine deutliche<br />

Erweiterung der zuvor verwendeten Vorsteuerung mit geschwindigkeits-abhängiger<br />

Adaption dar. Speziell bei dynamischen Applikationen,<br />

wie dem Verfahren des Druckgießens, führen bereits geringe<br />

Modellungenauigkeiten zu großen Regelabweichungen.<br />

Im Rahmen der Modellentwicklung muss zunächst die Übertragungsfunktion<br />

G(s) des Gesamtsystems erstellt werden. Das<br />

Strukturbild des in Bild 02 gezeigten schematischen Aufbaus eines<br />

beispielhaften hydraulischen Systems fünfter Ordnung im Marksegment<br />

des Druckgießens ist in Bild 07 dargestellt.<br />

Bei dem hier gezeigten hydraulischen System handelt es sich um<br />

ein nichtlineares, elektrohydraulisches Systemmodell mit zwei Eingängen<br />

und einem Ausgang. Somit muss das Modell zuerst in ein<br />

handhabbares lineares Modell überführt werden. Die vereinfachte<br />

Übertragungsfunktion des hier gezeigten Systems fünfter Ordnung<br />

wird in Gleichung 2 beschrieben.<br />

b1<br />

G() s =<br />

Gl. 2<br />

a ⋅ s + a ⋅ s + a ⋅ s + a ⋅ s + a ⋅s<br />

5 4 3 2<br />

5 4 3 2 1<br />

Nach Erstellung der Übertragungsfunktion G(s) des Systems muss<br />

das inverse Modell G -1 (s) abgeleitet werden. Weiterhin wird das<br />

inverse Modell in seine Koeffizienten zerlegt und in den Zeitbereich<br />

U(t) überführt. Man erhält somit nach Gleichung 3 und durch<br />

Einsetzen der Geschwindigkeitstrajektorie v(t) die Ventilöffnung y<br />

bzw. die Ventilspannung U über die Zeit t, die als Ausgang der<br />

modellbasierten Vorsteuerung den Eingang des Regelventils bildet.<br />

U<br />

() t<br />

5<br />

4 3 2<br />

= ⎡ dx(t) d x(t) dx(t) d x(t) dx(t)<br />

⎢a5 ⋅ + a<br />

5 4<br />

⋅ + a<br />

4 3⋅ + a<br />

3 2<br />

⋅ + a<br />

⎤<br />

2 1<br />

⋅<br />

dt dt dt dt dt<br />

⎥<br />

⎣<br />

⎦<br />

Gl.3<br />

Einen Vergleich zwischen der modellbasierten Vorsteuerung und<br />

der ursprünglichen Regelmethodik zeigt Bild 08. Dieser ist an einer<br />

Druckgießmaschine mit einer maximalen Geschwindigkeit von<br />

3 m/s durchgeführt.<br />

Der bisherige Lösungsansatz (oben) zeigt einen deutlichen Überschwinger<br />

der Ist-Geschwindigkeit (blau) aufgrund eines zu groß<br />

gewählten Proportionalanteils des Reglers. Eine Verringerung des<br />

Proportionalanteils würde zwar den Überschwinger minimieren,<br />

jedoch das Ausregeln externer Störeinflüsse wie Temperatur- oder<br />

Formwiderstandsschwankungen reduzieren.<br />

Die Messungen im Rahmen des modellbasierten Ansatzes (unten)<br />

stellen die Modellgeschwindigkeit sowie die reale, an der Druckgießmaschine<br />

gemessene Geschwindigkeit bei Vorgabe der Solltrajektorie<br />

und der daraus berechneten modellbasierten Vorsteuerung<br />

gegenüber. Die vorgegebene, an die Grenzen des Systems angepasste<br />

Geschwindigkeitstrajektorie (rot) wird durch die im Modell errechnete<br />

Vorsteuerung (grün) nahezu ideal verfolgt. Die Modellgeschwindigkeit<br />

(schwarz) und die aktuelle Geschwindigkeit an der reellen<br />

Maschine (türkis) stimmen ebenfalls nahezu überein.<br />

Im Vergleich zur klassischen, linearen Regelungstechnik erhält<br />

man somit eine deutliche Verbesserung der Regelgenauigkeit, wobei<br />

das System rein gesteuert verfahren wird und der überlagerte PI-Regler<br />

nicht aktiv ist. Dieser würde die Regelgenauigkeit weiter erhöhen<br />

und den Einfluss von Modellungenauigkeiten sowie externer Störeinflüsse<br />

minimieren. Die Gegenüberstellung der beiden Lösungsansätze<br />

sowie die Ergebnisse der Messungen bestätigen die Güte des erstellten<br />

Modells und damit einhergehend das entwickelte Verfahren.<br />

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK<br />

Insbesondere im hier dargestellten, hochdynamischen Druckgießprozess<br />

zeigen sich die praktischen Grenzen der klassischen, linearen<br />

Regelungstechnik und begründen somit die Forderung nach<br />

einem modellbasierten Regelungskonzept. Im nächsten Schritt gilt<br />

es nun, dieses Konzept in die nächste Generation der Regelverfahren<br />

im Druckgießprozess serienreif zu implementieren. Um den<br />

Ansprüchen an eine konkurrenzfähige Produktion sowie den gestiegenen<br />

Anforderungen an die eingesetzten Produktionsmaschinen<br />

bezüglich Verfügbarkeit und Effizienz gerecht zu werden,<br />

sollten modellbasierte Regelungskonzepte genutzt werden, die zur<br />

Verbesserung der Regelgenauigkeiten beitragen und adäquat auf<br />

Einflüsse und Wechselwirkungen der Prozess- und Umgebungsbedingungen<br />

reagieren können.<br />

Darüber hinaus kann das für die modellbasierte Vorsteuerung<br />

bereits erstellte Simulationsmodell auch im Bereich des modernen<br />

Instandhaltungsmanagements, dem sogenannten Predictive Maintenance,<br />

weitergehend verwendet werden und damit einen wichtigen<br />

Beitrag zu Industrie 4.0 leisten. Die Erstellung eines cyber<br />

physical systems im Bereich der Instandhaltung wird perspektivisch<br />

einen wesentlichen Faktor bilden, um eine Fehlersuche<br />

dezentral und online durchzuführen und eine Minimierung der<br />

Instandhaltungskosten zu erzielen, Mitarbeiterressourcen einzusparen<br />

und somit sowohl die Anlagen- als auch übergreifend die<br />

Unternehmenseffizienz zu steigern.<br />

www.parker.com<br />

Autor: M. Eng. Christian Gummich, Parker Hannifin GmbH, 41564 Kaarst<br />

Literaturverzeichnis:<br />

[Din01] DIN IEC 60050-351:2014-09, Internationales Elektrotechnisches<br />

Wörterbuch . Teil 351: Leittechnik.<br />

[Gev06] Handbuch der Mess- und Automatisierungstechnik,<br />

Professor Dr.-Ing Hans-Jürgen Gevatter, Springer-Verlag Berlin,<br />

Heidelberg, 1999.<br />

[Mur01] Servohydraulik - geregelte hydraulische Antriebe,<br />

Hubertus Murrenhoff, 3., neu überarbeitete Auflage,<br />

Shaker Verlag GmbH, Aachen, 2008.<br />

[Sie01] Siemens, Applikationen und Tools - PID - Regelung mit<br />

arbeitspunktabhängiger Parametersteuerung (Gain-Scheduling)<br />

und PID-Tuning, Projektierbeispiel, Beitrags-ID: 38755162,<br />

Oktober 2009.<br />

<strong>O+P</strong> <strong>Fluidtechnik</strong> 3/<strong>2017</strong> 49

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!