O+P Fluidtechnik 3/2017
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SIMULATION<br />
keitsprofil). Ein mögliches Verfahren wird als modellbasierte Vorsteuerung<br />
mit sollwertoptimierender Bewegungstrajektorie bezeichnet. Es<br />
dient der Ermittlung der modellbasierten Vorsteuerung durch Eingabe<br />
der gewünschten Geschwindigkeitstrajektorie. Der Einsatz dieses Verfahrens<br />
empfiehlt sich auch im Marktsegment des Druckgießens.<br />
Als Sollwerteingang dient die bereits erwähnte Sollwerttrajektorie<br />
v(t), also die Geschwindigkeit über die Zeit t. Als Ausgang erhält<br />
man die system- bzw. modellabhängige Vorsteuerung ff(t), die die<br />
Stellgröße der hydraulischen Ventile darstellt. Der modellbasierten<br />
Vorsteuerung wird ein PI-Regler überlagert, um auf ungenaue<br />
Systembetrachtungen im Modell oder auch Einflüsse und Wechselwirkungen<br />
der Prozess- und Umgebungsbedingungen adäquat reagieren<br />
zu können. Bei einer optimalen Modellerstellung wird der<br />
eingesetzte Regler somit überflüssig.<br />
Das Strukturbild der modellbasierten Vorsteuerung mit überlagertem<br />
PI-Regler ist in Bild 06 zu erkennen.<br />
Weiterhin können anhand von Simulationen die Grenzen des<br />
elektrohydraulischen Systems ermittelt werden, um die Sollwerttrajektorie<br />
entsprechend anzupassen. Nicht erreichbare Systemgrenzen<br />
spiegeln sich in vermeidbaren Regelfehlern und somit in<br />
überflüssigen Ungenauigkeiten des Regelkreises wider. Eine höhere<br />
Regelgenauigkeit führt zu einer Effizienzsteigerung der Regelung<br />
und hieraus resultierend zu einer erhöhten Prozessstabilität.<br />
Zur Ermittlung der modellbasierten Vorsteuerung ff(t) bedarf es<br />
der genauen Modellabbildung der verwendeten hydraulischen Ventile,<br />
des Aktuators sowie externer Einflüsse. Dies stellt eine deutliche<br />
Erweiterung der zuvor verwendeten Vorsteuerung mit geschwindigkeits-abhängiger<br />
Adaption dar. Speziell bei dynamischen Applikationen,<br />
wie dem Verfahren des Druckgießens, führen bereits geringe<br />
Modellungenauigkeiten zu großen Regelabweichungen.<br />
Im Rahmen der Modellentwicklung muss zunächst die Übertragungsfunktion<br />
G(s) des Gesamtsystems erstellt werden. Das<br />
Strukturbild des in Bild 02 gezeigten schematischen Aufbaus eines<br />
beispielhaften hydraulischen Systems fünfter Ordnung im Marksegment<br />
des Druckgießens ist in Bild 07 dargestellt.<br />
Bei dem hier gezeigten hydraulischen System handelt es sich um<br />
ein nichtlineares, elektrohydraulisches Systemmodell mit zwei Eingängen<br />
und einem Ausgang. Somit muss das Modell zuerst in ein<br />
handhabbares lineares Modell überführt werden. Die vereinfachte<br />
Übertragungsfunktion des hier gezeigten Systems fünfter Ordnung<br />
wird in Gleichung 2 beschrieben.<br />
b1<br />
G() s =<br />
Gl. 2<br />
a ⋅ s + a ⋅ s + a ⋅ s + a ⋅ s + a ⋅s<br />
5 4 3 2<br />
5 4 3 2 1<br />
Nach Erstellung der Übertragungsfunktion G(s) des Systems muss<br />
das inverse Modell G -1 (s) abgeleitet werden. Weiterhin wird das<br />
inverse Modell in seine Koeffizienten zerlegt und in den Zeitbereich<br />
U(t) überführt. Man erhält somit nach Gleichung 3 und durch<br />
Einsetzen der Geschwindigkeitstrajektorie v(t) die Ventilöffnung y<br />
bzw. die Ventilspannung U über die Zeit t, die als Ausgang der<br />
modellbasierten Vorsteuerung den Eingang des Regelventils bildet.<br />
U<br />
() t<br />
5<br />
4 3 2<br />
= ⎡ dx(t) d x(t) dx(t) d x(t) dx(t)<br />
⎢a5 ⋅ + a<br />
5 4<br />
⋅ + a<br />
4 3⋅ + a<br />
3 2<br />
⋅ + a<br />
⎤<br />
2 1<br />
⋅<br />
dt dt dt dt dt<br />
⎥<br />
⎣<br />
⎦<br />
Gl.3<br />
Einen Vergleich zwischen der modellbasierten Vorsteuerung und<br />
der ursprünglichen Regelmethodik zeigt Bild 08. Dieser ist an einer<br />
Druckgießmaschine mit einer maximalen Geschwindigkeit von<br />
3 m/s durchgeführt.<br />
Der bisherige Lösungsansatz (oben) zeigt einen deutlichen Überschwinger<br />
der Ist-Geschwindigkeit (blau) aufgrund eines zu groß<br />
gewählten Proportionalanteils des Reglers. Eine Verringerung des<br />
Proportionalanteils würde zwar den Überschwinger minimieren,<br />
jedoch das Ausregeln externer Störeinflüsse wie Temperatur- oder<br />
Formwiderstandsschwankungen reduzieren.<br />
Die Messungen im Rahmen des modellbasierten Ansatzes (unten)<br />
stellen die Modellgeschwindigkeit sowie die reale, an der Druckgießmaschine<br />
gemessene Geschwindigkeit bei Vorgabe der Solltrajektorie<br />
und der daraus berechneten modellbasierten Vorsteuerung<br />
gegenüber. Die vorgegebene, an die Grenzen des Systems angepasste<br />
Geschwindigkeitstrajektorie (rot) wird durch die im Modell errechnete<br />
Vorsteuerung (grün) nahezu ideal verfolgt. Die Modellgeschwindigkeit<br />
(schwarz) und die aktuelle Geschwindigkeit an der reellen<br />
Maschine (türkis) stimmen ebenfalls nahezu überein.<br />
Im Vergleich zur klassischen, linearen Regelungstechnik erhält<br />
man somit eine deutliche Verbesserung der Regelgenauigkeit, wobei<br />
das System rein gesteuert verfahren wird und der überlagerte PI-Regler<br />
nicht aktiv ist. Dieser würde die Regelgenauigkeit weiter erhöhen<br />
und den Einfluss von Modellungenauigkeiten sowie externer Störeinflüsse<br />
minimieren. Die Gegenüberstellung der beiden Lösungsansätze<br />
sowie die Ergebnisse der Messungen bestätigen die Güte des erstellten<br />
Modells und damit einhergehend das entwickelte Verfahren.<br />
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK<br />
Insbesondere im hier dargestellten, hochdynamischen Druckgießprozess<br />
zeigen sich die praktischen Grenzen der klassischen, linearen<br />
Regelungstechnik und begründen somit die Forderung nach<br />
einem modellbasierten Regelungskonzept. Im nächsten Schritt gilt<br />
es nun, dieses Konzept in die nächste Generation der Regelverfahren<br />
im Druckgießprozess serienreif zu implementieren. Um den<br />
Ansprüchen an eine konkurrenzfähige Produktion sowie den gestiegenen<br />
Anforderungen an die eingesetzten Produktionsmaschinen<br />
bezüglich Verfügbarkeit und Effizienz gerecht zu werden,<br />
sollten modellbasierte Regelungskonzepte genutzt werden, die zur<br />
Verbesserung der Regelgenauigkeiten beitragen und adäquat auf<br />
Einflüsse und Wechselwirkungen der Prozess- und Umgebungsbedingungen<br />
reagieren können.<br />
Darüber hinaus kann das für die modellbasierte Vorsteuerung<br />
bereits erstellte Simulationsmodell auch im Bereich des modernen<br />
Instandhaltungsmanagements, dem sogenannten Predictive Maintenance,<br />
weitergehend verwendet werden und damit einen wichtigen<br />
Beitrag zu Industrie 4.0 leisten. Die Erstellung eines cyber<br />
physical systems im Bereich der Instandhaltung wird perspektivisch<br />
einen wesentlichen Faktor bilden, um eine Fehlersuche<br />
dezentral und online durchzuführen und eine Minimierung der<br />
Instandhaltungskosten zu erzielen, Mitarbeiterressourcen einzusparen<br />
und somit sowohl die Anlagen- als auch übergreifend die<br />
Unternehmenseffizienz zu steigern.<br />
www.parker.com<br />
Autor: M. Eng. Christian Gummich, Parker Hannifin GmbH, 41564 Kaarst<br />
Literaturverzeichnis:<br />
[Din01] DIN IEC 60050-351:2014-09, Internationales Elektrotechnisches<br />
Wörterbuch . Teil 351: Leittechnik.<br />
[Gev06] Handbuch der Mess- und Automatisierungstechnik,<br />
Professor Dr.-Ing Hans-Jürgen Gevatter, Springer-Verlag Berlin,<br />
Heidelberg, 1999.<br />
[Mur01] Servohydraulik - geregelte hydraulische Antriebe,<br />
Hubertus Murrenhoff, 3., neu überarbeitete Auflage,<br />
Shaker Verlag GmbH, Aachen, 2008.<br />
[Sie01] Siemens, Applikationen und Tools - PID - Regelung mit<br />
arbeitspunktabhängiger Parametersteuerung (Gain-Scheduling)<br />
und PID-Tuning, Projektierbeispiel, Beitrags-ID: 38755162,<br />
Oktober 2009.<br />
<strong>O+P</strong> <strong>Fluidtechnik</strong> 3/<strong>2017</strong> 49