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Fach 2, Seite 650<br />
Vertragsstrafen<br />
Allgemeines Zivilrecht<br />
Verschuldensgrad berücksichtigen. Im Gegensatz zu einem festen Vertragsstrafeversprechen darf das<br />
Gericht seine eigene Ermessensentscheidung nicht an die Stelle derer des Gläubigers setzen. Es ist also<br />
an die Bestimmung des Betrags durch den Gläubiger gebunden, sofern diese nicht unbillig ist.<br />
Hinweis:<br />
Kommt es zum Verstoß, so ist Bemessung nach Umständen des Einzelfalls, wie z.B. Art, Umfang, Schwere<br />
und Folgen der Zuwiderhandlung und Verschuldensgrad, erforderlich. Um dem gerecht werden zu können,<br />
ist es im Regelfall ratsam, den Schuldner vor der Bemessung der Vertragsstrafe dazu aufzufordern, Auskunft<br />
über Art und Umfang der Rechtsverletzung zu geben und die Umstände anzugeben, die aus seiner Sicht für<br />
eine niedrige Vertragsstrafe sprechen. Da die Zuwiderhandlung eine vertragliche Pflichtverletzung darstellt,<br />
hat der Gläubiger gem. §§ 242, 259 BGB einen sog. unselbstständigen Auskunftsanspruch über alle ihm<br />
unbekannten Umstände, die ihm eine billige Festsetzung der Vertragsstrafe ermöglichen.<br />
Die Festsetzung der angemessenen Vertragsstrafe erweist sich immer wieder als Stolperstein für die<br />
Gläubiger. Häufig liegt dies daran, dass der Gläubiger die Bestimmung der Vertragsstrafe überhastet,<br />
nämlich vor der Kenntnis sämtlicher Umstände des Einzelfalls, die er seine Ermessensentscheidung<br />
einbezieht trifft. Darüber hinaus stellt sich die Ermessensentscheidung auch deshalb als problematisch,<br />
weil es nur schwer einzuschätzen ist, von welchem Orientierungsrahmen auszugehen ist und welches<br />
Gewicht hierbei welchem Faktor zukommt. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit sollte die<br />
Parteien dazu veranlassen, zumindest bei individuell ausgehandelten Vertragsstrafeklauseln über die<br />
Vereinbarung von Kriterien nachzudenken, die die spätere Vertragsstrafebestimmung leiten können.<br />
V. Prozessuale Durchsetzung des Vertragsstrafeanspruchs<br />
1. Zuständiges Gericht<br />
Mit einem Hinweisbeschluss vom 19.10.2016 (WRP 2017, 179) hat der BGH die seit langem schwelende<br />
Streitfrage geklärt, ob sich die sachliche Sonderzuständigkeit der Landgerichte für Streitigkeiten im<br />
Wettbewerbs-, Marken-, Design- und Patentrecht auch auf Vertragsstrafeansprüche erstreckt, zugunsten<br />
der Zuständigkeit der Landgerichte geklärt. Dies spricht dafür, dass insoweit auch die Sondervorschriften für<br />
die örtliche Zuständigkeit Anwendung finden; der fliegende Gerichtsstand des § 14 Abs. 2 UWG sollte also<br />
auch für den Anspruch auf Vertragsstrafe bestehen (LG Frankfurt/M., Urt. v. 10.2.2016 – 2-06 O 344/15,<br />
WRP 2017, 250). Ferner ist aus gleichen Gründen in Wettbewerbs-, Patent-, Design- und Markensachen von<br />
der Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen auszugehen (OLG Schleswig GRUR-RR 2015, 358, 359).<br />
2. Prozessuale Vorgehensweise<br />
Im Falle der Geltendmachung einer Vertragsstrafe nach Hamburger Brauch kann sich der Gläubiger<br />
nicht darauf beschränken, auf Bestimmung der Vertragsstrafe zu klagen. Vielmehr ist die Vertragsstrafe<br />
im Wege der Zahlungsklage geltend zu machen.<br />
Praxishinweis:<br />
Um das Risiko einer Teilabweisung zu vermeiden, ist es sinnvoll, den Schuldner zur Auskunftserteilung<br />
aufzufordern und – sofern keine oder keine vollständige Auskunft erfolgt – zunächst eine reine Auskunftsklage<br />
zu erheben. Erfahrungsgemäß ist es im Rahmen des so initiierten Verfahrens möglich, einen<br />
Anhaltspunkt für eine aus Sicht des Gerichts realistische Vertragsstrafe zu bekommen und auf diese Weise<br />
den Streit gütlich beizulegen.<br />
VI. Fazit<br />
Vertragsstrafeverfahren sind für den Gläubiger kein leichtes Spiel, sondern verlangen eine realistische<br />
Einschätzung und eine umsichtige Vorgehensweise. Auch wenn Gläubigern regelmäßig zur Vereinbarung<br />
einer „festen Vertragsstrafe“ geraten wird, sprechen gute Gründe dafür, einer Vertragsstrafevereinbarung<br />
nach neuem Hamburger Brauch den Vorzug zu geben.<br />
308 <strong>ZAP</strong> Nr. 6 15.3.2017