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Faust II

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verlangt beispielsweise den Karneval und sorgt sich mehr um seine Narren denn um<br />

seine Untertanen. Die Würdenträger gehen nicht mehr ihrer Arbeit nach, jeder verfährt<br />

nach eigenem Willen (Vers 4784–4786). In diesem Chaos entfaltet sich eine Welt des<br />

Irrsinns, alle Regeln und Normen, was sich gehört und gebührt, lösen sich auf. Der<br />

Kaiser erscheint ohnmächtig und sein Handeln als Farce. In Verschwendungssucht und<br />

Geldmangel manifestiert sich das Übel.<br />

In den 70er Jahren hatte diese Szene auf neomarxistische Interpretationen großen<br />

Einfluss: Der Reichtum der Feudalgesellschaft beruhe auf Raub und nicht auf Arbeit.<br />

Und Plünderung ist in dieser Szene ja durchaus ein Motiv. Die Szene erschöpft sich<br />

jedoch nicht nur in einem Negativbild der Feudalgesellschaft, es geht nicht nur um eine<br />

ästhetische Allegorie der feudalen Gesellschaft. Vielmehr ist sie eine Kritik an einem falschen<br />

Verhältnis der feudalen Gesellschaft zur Natur – ein Motiv das prägend ist für den<br />

gesamten ersten Akt.<br />

Mummenschanzszene<br />

Goethe war als Zeremonienmeister mit den Maskenzügen der Mummenschanz-Zeit,<br />

eine Periode der Verstellung, Erotik und vorgehaltenen Spiegel, sehr vertraut. Neben persönlichen<br />

Erfahrungen greift er aber auch auf Beschreibungen zurück. Zum Beispiel die<br />

des italienischen Dichters Grazzini – dessen komische Literatur, Gedichte mit satirischen<br />

und burlesken Inhalten, kannte Goethe gut. Außerdem hatte Goethe den Karneval in<br />

Rom sehr aufmerksam verfolgt und in der Italienischen Reise beschrieben. Goethe nimmt<br />

soziologische Befunde des Maskenzuges vor, er beschreibt, was im Betrachter vorgeht,<br />

nämlich die Aufhebung zwischen Reich und Arm, Hoch und Niedrig.<br />

In der Szene finden sich durchaus Elemente des Volkfestes, das sich abgrenzt von den<br />

feudalen und geistlichen Festen. Auch dies beobachtete Goethe in Italien. Das Volk war<br />

unmittelbar beteiligt und nur hier, im Wahnsinn des Karnevals, konnten Freiheit und<br />

Gleichheit realisiert werden.<br />

Die Szene bezieht sich allerdings nicht nur auf die Italienische Reise, sondern auch auf<br />

Andrea Mantegnas Bilderzyklus Triumphzug Caesars. Aus dem Zyklus von Mantegna,<br />

ein berühmter italienischer Maler, der sich durch seine starken Farben und würdevollen<br />

Figuren auszeichnet, entnahm Goethe die Idee einer dramatischen Form, die erhabenste<br />

Stoffe mit trivialen Materialien verschränkt. Die Gestaltenvielfalt des römischen Volksfestes<br />

wird so zur eigenen Poesie.<br />

Übergeordnetes, ökonomisches Thema dieser Szene ist aber die Balance von Reichtum,<br />

Verschwendung und Sparsamkeit. Denn in der feudalen Kultur lässt sich durchaus<br />

von einer Verschwendungsästhetik sprechen. Eine Ästhetik, die sich in der Mummenschanzszene<br />

beim höfischen Fest mit dem Volk als Zaungast spiegelt. Die Herold-Figur<br />

übernimmt dabei die Rolle des Festordners und Interpreten der Allegorien. Hier findet<br />

sich eine weitere Parallele zu Goethes Lebensabschnitt als Festordner in der Weimarer<br />

Hofgesellschaft. Dem nachempfunden, dürfen weitere Personen und Gruppen (Gärtnerinnen<br />

und Gärtner, Mütter, Kinder, etc.) im höfischen Welttheater nicht auftreten, weil<br />

es den Anstand verletzten würde. Das Trinklied gen Ende sprengt dann aber doch noch<br />

die Grenzen des höfischen Theaters.<br />

Die Figur des Knaben (Lenker)<br />

Die Figuren des ersten Aktes sind allesamt Allegorien, die die Fülle des Lebens verdeutlichen<br />

sollen. Der Knabe ist eine Allegorie auf die Poesie. In der Mummenschanzszene<br />

kommen vielfältige Kunsttheorien zur Sprache. Pluto wird vom Knaben (Lenker) ge-<br />

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