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Faust II

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ineinander über, Zeit und Geschichte hören auf, beziehungsweise werden überwunden<br />

(Vers 9563). Eine solche Vorstellung von Arkadien lehnt sich auch an Vergils Schilderung<br />

des Goldenen Zeitalters an. Allerdings ist diese Wunschprojektion bei Goethe nur<br />

im Moment möglich, wodurch die Diesseitigkeit der Welt betont wird. Die Romantik<br />

wiederum repräsentiert eine moderne Unendlichkeit und steht hier diametral zur Antike,<br />

da die Endlichkeit sich selbst genügt.<br />

Diese imaginierte Antike ist auch für die Person <strong>Faust</strong> eine Möglichkeit der Kompensation<br />

seiner Rastlosigkeit, Ungenügsamkeit – letztere sind beide Kennzeichen der<br />

Moderne. <strong>Faust</strong>s Ungenügsamkeit führt dazu, dass er die Vereinigung mit Helena nur<br />

im Moment genießen kann und sie somit Utopie bleiben muss. Begründung dafür sind<br />

dynamische Energien, die <strong>Faust</strong> weiterdrängen, was auf den vierten und fünften Akt<br />

verweist. Der moderne Unmensch wäre in seiner Rastlosigkeit nur für einen Augenblick<br />

und nicht auf Dauer zu heilen.<br />

Die ästhetischen, kunsttheoretischen Merkmale des Helena-Aktes ließen sich an den<br />

Versmaßen festmachen, können aber an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden.<br />

Der vierte Akt<br />

Gerade der vierte Akt, den Goethe als letzten vor seinem Tod verfasst hat (der fünfte<br />

war schon zu Beginn fertig), ist von Gesprächen mit Eckermann, Goethes Sekretär und<br />

befreundeter Schriftsteller, geprägt. Die einzelnen Themenbereiche im <strong>Faust</strong> <strong>II</strong> müssten<br />

Goethe nach diesen Gesprächen deutlich geworden sein. Doch insgesamt sollte <strong>Faust</strong> <strong>II</strong><br />

(besonders der vierte Akt) bezüglich Themenvielfalt und Aussagekraft inkommensurabel,<br />

sprich unvergleichbar, bleiben. Das gesamte Werk sollte den Menschen zur wiederholten<br />

Betrachtung immer wieder anlocken.<br />

Die kleinen Weltenkreise des vierten Akts gehören einem anderen Bereich an als in<br />

den anderen Akten. Die früheren Interpretationen sprechen von einem abrupten Übergang<br />

vom dritten zum vierten Akt; ein Wechsel aus der ästhetischen in eine ethische<br />

Sphäre. Die ästhetische Sphäre wäre die jugendliche Phase, die nunmehr durch eine<br />

philosophische Phase abgelöst wird. In der heutigen Forschung geht man jedoch nicht<br />

mehr von einer so strikten Trennung aus. Dass im vierten und fünften Akt verschiedene<br />

Lebensstufen durchlaufen werden, wird abgelöst durch die Interpretation, dass <strong>Faust</strong><br />

verschiedene Lebensbereiche abschreitet. Wilhelm Emrich, der sich mit der Symbolik<br />

in <strong>Faust</strong> <strong>II</strong> befasste, spricht von einem »Kampf mit der ewigen unfruchtbaren Wiederholung<br />

sinnlos gleicher Kräfte«, gekennzeichnet durch das Fehlen eines aufgeklärten<br />

Fortschrittsmodells. Als »die Rettung ewiger beständiger Taten im ewigen Kreislauf der<br />

Dinge« umschreibt Emrich das eigentliche Thema des fünften Aktes.<br />

<strong>Faust</strong>s Taten sollen in dieser Interpretation nicht an moralischen Maßstäben gemessen<br />

werden, nicht als unmoralisch, sondern vielmehr als fern aller Moral, amoralisch gesehen<br />

werden. Im dritten Akt gibt es bereits einen Ausblick auf ein latent überdauerndes<br />

Sein der Kunst am Beispiel der Antike. Im vierten Akt wechseln dann, so Emrich, die<br />

Weltenkreise, die Gebiete, auf denen der Kampf von Tat und Tod stattfindet. Es geht<br />

nicht mehr um die ethische, moralische Bewertung der Tat, sondern um die Vermittlung<br />

von Tat und Tod.<br />

Diese Interpretation erklärt einige Widersprüche im Text, die bisher in der Forschung<br />

nicht vereinbart werden konnten. So vermutete die Forschung, Goethe sei indifferent<br />

beziehungsweise gleichgültig gegenüber <strong>Faust</strong>s Taten und deren Folgen, da er sie nicht<br />

ethisch bewertet habe. <strong>Faust</strong>s Expansionsbestrebungen stünden demnach aufklärerischen<br />

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