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Faust II

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an der Laokoongruppe aufzeigt. Es geht um die Fragen der realistischen Darstellung bzw.<br />

der Darstellung eines Ideals. Der Schmerz des Körpers und die Größe der Seele werden<br />

in der Laokoongruppe in Balance gehalten, die Affekte und Gefühle werden gebändigt,<br />

was ein Hinweis auf die stoische Ruhe ist.<br />

Goethe stilisiert in dieser Weise Helenas Seelengröße und Geistesstärke, die ihr helfen,<br />

den Affektsturm in Anbetracht der Lebensbedrohung durch Menelaos zu beherrschen.<br />

Weiters zeichnet Helena das Schickliche, das sich Geziemende aus, das die stoische<br />

Haltung ebenso kennzeichnet. Ein Beispiel für das sich Geziemende, worin sich<br />

Parallelen zu Iphigenie finden, sind etwa im Auftrittsmonolog Helenas zu finden (Vers<br />

8604 ff). Ihre Haltung zeigt Würde und auch Distanz zum Geschehen. Ethische Haltung<br />

und ästhetische Vollendung sind die Komponenten des Ideals, das Helena verkörpert.<br />

Der Schauplatz der dritten Szene ist Arkadien, eine Landschaft im Zentrum der Peloponnes.<br />

Es trägt Züge einer Innerlichkeit, die poetisch überhöht ist und einen idyllischen<br />

Rückzugsort darstellt. Euphorion ist eine allegorische Figuration der subjektivistischen<br />

Poesie, in der eine Betonung und hohe Bewertung der dichterischen, künstlerischen und<br />

menschlichen Subjektivität liegt. Für Goethe liegt hier in der neuen romantischen Poesie<br />

ein Höhepunkt, eine Grenzüberschreitung dieser Entwicklung.<br />

Zu Euphorion<br />

Euphorion ist gezeichnet von einer tragischen Hybris, dem Nichterkennen von eigenen<br />

Grenzen, die Goethe mit seinen eigenen Reminiszenzen an den Urfaust in der Sturm<br />

und Drang Zeit verbindet, so z.B. an den Werther (Vers 9691 ff.). Euphorion wäre die<br />

allegorisierte Romantik. Der Chor ist gestaltet als charakterlicher Wankelmut, damit<br />

verbunden verkörpert der Chor die Stimme eines Modepublikums.<br />

Die Romantik erscheint wie eine radikalisierende Wiederkehr eines übersteigerten<br />

Subjektivismus. Dies zeigt sich auch an Euphorions hoffnungsloser Verfallenheit an sich<br />

selbst, er ist einer übersteigerten Egozentrik zum Opfer gefallen. Auch die musikalischen,<br />

gefühlsbetonten Aspekte der Romantik finden sich in <strong>Faust</strong> <strong>II</strong> wieder. Das sich Bändigen,<br />

das in Bezug auf Euphorion häufiger relevant ist, setzt sich deutlich vom Urfaust und von<br />

den Motiven der Sturm und Drang Zeit ab. Im Gegensatz zur Romantik soll man sich<br />

die der Antike in einer produktiven Neuaneignung im humanistisch-ästhetischen Sinne<br />

neu zu Eigen machen. Vieles im Helena-Akt weist auf die beiden letzten Akte hin, die<br />

Sphären des zivilisatorischen Fortschritt und seiner zerstörerischen Dimensionen.<br />

Szene Innerer Burghof<br />

Allgemein zeigt sich der Helena-Akt als eine Verbindung des griechisch-humanistischen<br />

Ideals, das das ethisch Gute und das Schöne zum Edlen vereint. Wobei das Edle mit ritterlichen<br />

Idealen gepaart ist. An dieser Stelle wird die aristokratisch-höfische »Großheit«<br />

in Helena mit <strong>Faust</strong>, dem Vertreter der ritterlich-höfischen Würde, neu verbunden. Als<br />

Fürst tritt <strong>Faust</strong> Helena entgegen. Die höfische aristokratische Kultur sieht Goethe nicht<br />

kritisch, sondern als ein Medium der Verbindung und Begegnung.<br />

In der Szene Innerer Burghof begegnen sich thematisch Moderne und Antike, außerdem<br />

kommt es zu einer Vollendung der Kultur sowie der Gewinnung idealer Natur. Die<br />

Szene handelt vom Ethos und ist dabei stark beeinflusst von der antiken Stoa und von<br />

Winckelmanns Schriften. Der Rückgriff auf die Stoa, mit dem Ideal der Mäßigung und<br />

Bändigung, ist die Grundlage für das Ideal. So entwirft die Chorführerin in Vers 9127<br />

bis 9134 ein Gegenbild zu Helena, in dem Helena selbst allerdings schon angedeutet<br />

wird. Das stoisch grundierte Ideal beinhaltet eine große innerliche Unabhängigkeit, die<br />

Laokoon: Priester aus Troja, der seine<br />

Mitbürger vor dem Trojanischen Pferd<br />

warnte. Doch zwei riesige Schlangen<br />

töteten ihn und seine zwei Söhne. Die<br />

Trojaner nahmen daraufhin das Pferd<br />

in die Stadt. Die Laokoongruppe ist<br />

eine von drei antiken Künstlern aus<br />

Rhodos geschaffene Statue, die eben<br />

an jene Geschichte erinnert. [WWM]<br />

Menelaos: Jüngerer Bruder Agamemnons,<br />

bekommt den Thron<br />

von Sparta und heiratet die schöne<br />

Helena. Nach deren Entführung tut<br />

sich Menelaos im Trojanischen Krieg<br />

im Zweikampf mit Paris hervor und<br />

kehrt erst nach achtjähriger Irrfahrt<br />

von der Eroberung Trojas zurück.<br />

[WWM]<br />

Iphigenie: Tochter von Agamemnon,<br />

die von ihrem Vater als Buße der<br />

Göttin Artemis geopfert werden soll.<br />

Doch die Göttin entführt das Mädchen<br />

nach Tauris. Dort muss Iphigenie<br />

ihr fortan als Priesterin dienen<br />

und ihr alle Fremden, die die Insel<br />

betreten, opfern. [WWM]<br />

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