12.12.2012 Aufrufe

Faust II

Faust II

Faust II

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

mit Helena, näher – somit auch durch die Konfrontation mit den Monstern. Als nächste<br />

Station folgt dann der Fluss Peneios.<br />

Das leitende Bild ist jenes des Traums. Das Thema des Traums lässt sich auf den<br />

gesamten zweiten Akt übertragen und somit ließe sich der Akt als Versuch <strong>Faust</strong>s, ein<br />

Leben wieder zu finden, das ihn an einen Traum erinnert hat, interpretieren.<br />

Die darauf folgende Chiron-Passage wird in der Forschung durchaus als ironisch gesehen,<br />

die der Naivität der Anbetung des Südens durch die Romantiker entgegengesetzt<br />

wird.<br />

Rolle der Musik<br />

Die Szenenangaben beinhalten stets Vermerke zur Musik. So soll Musik erklingen, die<br />

das Arkadien idyllisch untermalen soll. Musikangaben finden sich auch bei den Sphinxen<br />

und den singenden Sirenen, wobei die Wirkung des Gesangs der Sirenen bei Mephisto<br />

nicht bis zum Herzen vordringt. Es wird erneut deutlich, dass Mephisto kein<br />

Recht im antiken Kosmos hat. Denn die Musik ist dem Schönen verbunden, gleichsam<br />

verführerisch und außerdem ist sie ein Antipode zur Erstarrung. Im Text wird also eine<br />

Opposition zwischen dem Granit, Material der Sphinx und Symbol der Bewahrung, und<br />

der Musik, dem Verführerischen, Verflüssigenden und trotzdem Beruhigenden sowie Lebenserweckenden,<br />

deutlich.<br />

Prinzip der Behaglichkeit – Neptunismus<br />

Im Alterswerk <strong>Faust</strong> <strong>II</strong> zeigt sich Goethes Lust am Fabulieren. Dies führt dazu, dass<br />

Wichtiges von seiner Sinnschwere befreit werden soll. In zweideutigen Szenen kommt<br />

zum Beispiel das Verschmitzte deutlich zum Vorschein. Eine solche Interpretation wird<br />

durch Selbstäußerungen Goethes gestützt. In der Frage nach der ästhetischen Funktion<br />

der Kunst für die Gesellschaft, die seit der Aufklärung relevant ist, hat Goethe etwa<br />

seine Anforderungen im Alter durchaus zurückgenommen. Dadurch wird die These der<br />

Behaglichkeit Goethes weiter gestützt, er zeigt diese Distanz von überspannten Erwartungen<br />

im gesamten <strong>Faust</strong> <strong>II</strong>. Behaglichkeit tritt an die Stelle des Pathos, Gelassenheit an<br />

die Stelle des (gesellschaftlichen) Kämpferischen. Hegel hat diese Liberalität und den Altershumor<br />

unter dem Stichwort des »objektiven Humors« zusammengefasst, womit eine<br />

Haltung der Versöhnlichkeit gegenüber den Widrigkeiten der bürgerlichen Gesellschaft<br />

gemeint ist. Die Walpurgisnacht lässt also Gelassenheit und Heiterkeit erkennen.<br />

Im Text hat aber das seismische Beben nicht nur die geologische Welt verändert,<br />

sondern auch die soziale und politische Welt der klassischen Walpurgisnacht (Vers 7875).<br />

Das gegenseitige Vernichten, dieser darwinistische Kampf (Vers 7884-7947), in dem<br />

kurzzeitig die Stärkeren siegen und schließlich eine Macht von außen ein Ende setzt,<br />

ließe sich als Allegorie der Französischen Revolution bis zur Machtübernahme Napoleons<br />

deuten. Der Kampf zwischen Kranichen und Pygmäen würde dann auf den Kampf<br />

zwischen Neureichen aus dem dritten Stand, die Revolutionsgewinner, und Anhängern<br />

der französischen Monarchie anspielen. Und die Freisetzung des Goldes aus dem Boden<br />

wäre eine Allegorie für die gewaltsame Kapitalisierung von Grund in Boden im Verlauf<br />

der Revolution. Goethe war von diesen unausweichlichen Vorgängen der Revolution<br />

fasziniert wie von einem Naturereignis. Auch Napoleon übte auf Goethe eine große<br />

Faszination aus. Er traute ihm eine ungeheure Kraft in der Umgestaltung Europas zu.<br />

Die Klassenkämpfe der Französischen Revolution sind Folgen einer Umwälzung, die an<br />

sich produktiv ist, die aber zerstört wird durch die moralische Wendung zum Schlechten.<br />

Die Akteure sind dem Geschehen moralisch schlichtweg nicht gewachsen. Zerstörend<br />

Chiron: In der griechischen Mythologie<br />

ein weiser, menschenfreundlicher<br />

Kentaur, sprich Pferdemensch. Erzieher<br />

großer Helden wie zum Beispiel<br />

des Achilleus. [WWM]<br />

Georg Wilhelm Friedrich Hegel:<br />

(1770–1831) Deutscher Philosoph,<br />

der in die Phänomenologie des Geistes<br />

(1807) den Bildungsgang des<br />

menschlichen Geistes vom Bewusstsein<br />

zum spekulativen Denken der<br />

Philosophie verfolgt. In den posthum<br />

veröffentlichen Schriften Vorlesungen<br />

über Ästhetik (1835–1838) wird der<br />

Anspruch gestellt, nicht nur die Geschichte<br />

der Kunst, sondern auch die<br />

Idee des Kunstschönen systematisch<br />

zu erfassen. Auffallend ist an den<br />

Schriften die Idealisierung antiker<br />

Kunst, besonders der Plastiken sowie<br />

der Dramen, sprich der Tragödien.<br />

Prosa stünde dagegen im Zeichen<br />

des sich abzeichnenden »Ende der<br />

Kunst«. [MLK]<br />

23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!