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Faust II

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dige Folge von mehr Bildung und einer Emanzipation des Volkes. Mephisto rühmt dagegen<br />

eine feudale Gesellschaft und den Spätfeudalismus. <strong>Faust</strong> meint daraufhin jedoch,<br />

dass die Tat wichtiger als Ruhm sei (Vers 10187). Wichtig ist diese Stelle im Vergleich zu<br />

<strong>Faust</strong>s erstem Monolog in <strong>Faust</strong> I, wo es heißt: »Die Tat ist alles…«. Dieses Reflektieren<br />

des Tat-Motivs ist natürlich auch ein Mittel, um das Drama zu einem dramaturgisch<br />

schlüssigen Abschluss zu bringen.<br />

Motiv der Landgewinnung<br />

<strong>Faust</strong> hat die Absicht, Selbstbestimmung zu erreichen, was ein durchaus aufklärerisches<br />

Streben darstellt. Dieses Ziel will er mit dem Griff nach Herrschaft und Eigentum verwirklichen.<br />

Mephisto nennt das »die Grillen <strong>Faust</strong>s«, sprich seine Spinnereien. Doch<br />

<strong>Faust</strong> hat große Angst vor einer sinnleeren Naturgewalt, die durch die Meereswoge symbolisiert<br />

wird und im Gegensatz zum Gebirge steht (Vers 10212). <strong>Faust</strong>s Bestreben ist<br />

es der Natur standzuhalten und er hat mit den Landgewinnungsplänen nicht die Absicht<br />

sich zu bereichern oder gute Werke zu tun, sondern sein Wille ist das Begrenzen<br />

und Einengen des Elements. Die Begriffe des Eigentums, der Tat und der Herrschaft<br />

an diesen Textstellen ermöglichen nicht nur eine antikapitalistische Deutung, sie sind<br />

auch ambivalent – sowohl Begriffe der Plünderer als auch Symbole für <strong>Faust</strong>s Selbstbehauptung<br />

gegenüber einem sich ständig wiederholenden Zerstörungsszenario der Natur.<br />

Von Relevanz ist auch der ästhetische Aspekt der freien Sicht, die durch die Hütte von<br />

Philemon und Baucis verstellt ist.<br />

Das Hochgebirge ist im vierten Akt Symbol einer Potenz der Schöpfung, es ist ein<br />

absoluter Standpunkt, der ebenso göttlich wie teuflisch ist, schließlich spricht Mephisto<br />

ja von einem nach oben gestülpten Abgrund. Das Gebirge steht für das Starre und Unbewegliche,<br />

dem die Bewegungen des Meeres entgegengesetzt werden. Das Meer ist demnach<br />

Symbol des Lebendigen. In vielrezipierte Thesen kommen Literaturwissenschaftler<br />

nun zur Vermutung, dass sich <strong>Faust</strong> eine Verbindung zwischen dem absoluten Leben<br />

(Meer) und der absoluten Lebensferne (Gebirge) schaffen will. Hierin liegt der Sinn der<br />

Landnahme: <strong>Faust</strong> will ein Drittes gewinnen, das an beiden absoluten Elementen Teil<br />

hat. Somit wird im <strong>Faust</strong> <strong>II</strong> ein Ausgleich von Realität und Idealität, von Besonderem<br />

und Allgemeinem angestrebt.<br />

Kritik an der Gesellschaft<br />

Chaos und Anarchie brechen im Reich des Kaisers aus, in weiterer Folge wird ein Gegenkaiser<br />

gewählt und bedrängt den rechtmäßigen Kaiser mit seinem Heer. <strong>Faust</strong> und<br />

Mephisto helfen dem Kaiser mit der Modernisierung des Kriegsgeräts, womit auf einen<br />

real-historischen Hintergrund Bezug genommen wird. Die Konstellation Kaiser und<br />

Gegenkaiser ist historisch orientiert an der Erhebung der Tiroler gegen die Habsburger.<br />

Die Tiroler sind hier Vorlage für das Bergvolk in der zweiten Szene des vierten Aktes.<br />

Mephisto stellt eine Geisterarmee auf, womit Goethe dem deutschen Widerstand<br />

mit veraltetem Kriegsgerät gegen Napoleon spottet. Das Volk wird mit verächtlichen<br />

Begleitkommentaren als dumm dargestellt, es kann zu allem manipuliert werden (Vers<br />

10403–10406). Jene militärischen Konflikte sieht Goethe zynisch, an der Darstellung<br />

der politischen Kräfte verdeutlicht sich seine Sichtweise. Denn wenn sich Vertreter des<br />

Volkes individualisieren, werden egoistische Ziele verfolgt und das Volk tritt roh, gemein<br />

und raffgierig auf, wie auch an den sprechende Namen »Habebald«, »Haltefest« etc. zu<br />

erkennen ist.<br />

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