FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL - 1|2017 - Sonderbeilage in der Süddeutschen Zeitung
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»Meine Währung sind die Medien« | Klaus Westrick<br />
Tauschhandel modern:<br />
Um im Bartergeschäft<br />
erfolgreich zu sein,<br />
braucht Klaus Westrick<br />
vor allem drei Dinge –<br />
Kontakte, Kontakte<br />
und Kontakte. Dazu<br />
profunde Medienkenntnis,<br />
professionelles<br />
Markt- und<br />
Branchenwissen und<br />
ein lücken loses Netzwerk.<br />
Sein Handel von<br />
Produkten gegen freie<br />
Werbeflächen in den<br />
Medien floriert.<br />
müssen unter Umständen sogar<br />
abgeschrieben werden. Zugleich<br />
aber möchte das Unternehmen<br />
seine neuen Geräte bewerben.<br />
XLS erwirbt die Geräte zum Großhandels<br />
preis und bezahlt sie mit<br />
Werbezeiten einer Sendergruppe,<br />
bei der das Unternehmen davon<br />
ein größeres Kontingent besitzt.<br />
Der Hersteller hat nun die alten<br />
Geräte verkauft und kann Werbung<br />
für die neuen Geräte schalten,<br />
für die ihm sonst die liquiden<br />
Mittel gefehlt hätten.<br />
Nun wiederum muss XLS die<br />
Geräte verkaufen, ohne seinem<br />
Kunden zu schaden oder ihm<br />
auf dem Markt Konkurrenz zu<br />
machen. Da kommen die guten<br />
Kontakte von Klaus Westrick zu<br />
den Importeuren von Autos ins<br />
Spiel. Die TV-Geräte werden<br />
einem Autoimporteur verkauft,<br />
der diese Geräte für eine Werbeaktion<br />
nutzen will. Er bezahlt XLS<br />
nur zum Teil mit Geld, den anderen<br />
Teil bilden Fahrzeuge, die<br />
auch eingesetzt werden, um die<br />
Werbeaktion des Importeurs im<br />
Radio und auf Plakaten zu finanzieren.<br />
Am Ende profitiert auch<br />
der TV-Produzent, weil durch die<br />
Autowerbung auch seine Marke<br />
öffentlich stärker wahr genommen<br />
wird.<br />
Nicht alle Tauschgeschäfte<br />
sind so komplex wie die gerade<br />
dargestellten. Eine Molkerei, die<br />
ungenutzte Kapazi täten für die Herstellung von Yoghurt hatte, bezahlte<br />
eine großangelegte nationale Plakatwerbeaktion mit diesem Produkt,<br />
das wiederum von XLS an Gefängnisse geliefert wurde. Solche Geschäfte<br />
kommen immer wieder zustande, weil Hersteller von Konsumgütern<br />
häufig Überhänge haben, die Lager blockieren und Kapital binden:<br />
Das betrifft vor allem Saisonware oder Produkte mit einem schnellen<br />
Innovations zyklus wie beispielsweise Unterhaltungselektronik. Sie<br />
möchten die Waren auf anderen Wegen in den Markt bringen, auf jeden<br />
Fall so, dass sie damit dem neueren Produkt keinen Schaden zufügen.<br />
Zugleich haben diese Unternehmen auch einen Bedarf an Media präsenz,<br />
um die neuen Waren zu bewerben.<br />
Die Kernkompetenz von XLS sind die Medien. Diese Kompetenzen<br />
sind durch die intensive Zusammenarbeit mit den Media agenturen<br />
im Laufe der Jahre gewachsen<br />
und heute wesentlich für das<br />
Geschäfts modell. Die Interessen<br />
der Medien am Barter geschäft<br />
hätten ebenfalls mit Überangebot<br />
zu tun, erklärt Klaus Westrick.<br />
»Alle Medien haben freie Kapazitäten«,<br />
sagt er, »und das ist die<br />
Grundlage unseres Geschäfts:<br />
Media ist ein handel bares Gut.<br />
Werbe zeiten und - flächen verfallen,<br />
wenn sie nicht genutzt<br />
werden. Sie sind auch substituierbar:<br />
Eine Zielgruppe kann man bei<br />
RTL genauso erreichen wie bei<br />
ProSiebenSat 1. Deshalb haben die<br />
Medien ein Interesse an unserer<br />
Tätigkeit. Wir handeln mit Werbeflächen<br />
und ermöglichen unseren Kunden, dafür mit Ware zu bezahlen.<br />
Dadurch werden zusätzliche Werbebudgets generiert, was den Interessen<br />
der Medien entspricht.« Es geht also darum, die freien Kapazitäten<br />
der Medien zu vermarkten, und für den Medieneinsatz bis dahin<br />
brachliegendes Kapital zu mobilisieren. Durch die Kunden, die mit<br />
Ware bezahlen, entsteht die begehrte zusätzliche Auslastung.<br />
Westrick kennt sich mit dem Geschäft der Medien aus. Er arbeitet<br />
eng zusammen mit den Medienhäusern, die das Plus an Vermarktung<br />
ihrer Werbeflächen durchaus begrüßen. Die persönlichen und vertraulichen<br />
Kontakte sind über Jahre gewachsen, und so sind Geschäftsmodelle<br />
ent standen, die allen Beteiligten Vorteile bieten. Das war in der<br />
Berufs biographie Westricks nicht vorgezeichnet. Ursprünglich kommt<br />
er aus der Finanzwelt, genau genommen vom Aktien handel. 1996 ist er<br />
dann in den Werbezeiten-Handel eingestiegen, und das war die Initialzündung<br />
für die Entwicklung des neuen Geschäftsmodells.<br />
Seine Tätigkeit erfordert Expertise auf gleich drei Gebieten: im<br />
Bereich der Medien, der Konsumgüter produzierenden Industrie<br />
und der Märkte, auf denen die als Gegenleistung für Mediapräsenz<br />
erworbenen Güter veräußert werden. Diese letztere Aufgabe ist<br />
besonders heikel und erfordert viel Phantasie. Denn der Verkauf darf<br />
nicht zur Selbstkannibalisierung des Kunden führen, er darf den ohnehin<br />
schon gesättigten Markt auf keinen Fall überschwemmen und ihn<br />
noch enger machen. Die Verwertung wird deshalb sorgfältig mit dem<br />
Kunden abgestimmt. Dafür in Frage kommen aus ländische, bis dahin<br />
unbearbeitete Märkte oder geschlossene Kreisläufe, wie innerbetriebliche<br />
Bonusprogramme, Preisausschreiben oder auch Werbeaktionen<br />
wie im Falle der Fernseher für Autokäufer.<br />
Die Zukunftschancen seines Unternehmens sieht Westrick sehr<br />
optimistisch. Durch die Digitalisierung würde die Brutto-Werbefläche<br />
schnell weiter wachsen, während die Netto-Werbebudgets der Unternehmen<br />
eher stagnierten. »Da wir Budgets mobilisieren, Waren kapitalisieren<br />
und so zusätzliche Gelder für die Werbebudgets heben, bleiben<br />
wir für die Mediapartner weiterhin sehr interessant«, erklärt er. Der<br />
Kampf um die Werbegelder werde täglich stärker, ebenso der Bedarf<br />
der Kunden, die Budgets zu optimieren. »Durch unsere Arbeit ist die<br />
Gesamt akzeptanz auf diesem kleinen Werbemarkt gewachsen«, fügt<br />
er weiter hinzu, wobei er sich der Grenzen des Wachstums bewusst ist:<br />
»Wir werden weiterhin eine Nische bleiben.«<br />
Wie erfolgreich XLS in dieser Nische agiert, beweisen die Zahlen,<br />
die erst für das Jahr 2015 vorliegen: Seit der Unternehmensgründung<br />
hat der Marktführer etwa 550 Millionen Euro Umsatz gemacht, 11 500<br />
Automobile verkauft, 55 000 TV-Spots und 44 000 Radiospots geschaltet<br />
– das alles mit nur vier festen Mitarbeitern. Das wichtigste Kapital<br />
von XLS ist das Knowhow, die Kontakte und die sorgsam gepflegten<br />
Beziehungen zu den wichtigen Akteuren auf dem Werbemarkt. Dieser<br />
Aufgabenstellung kommt die Persönlichkeit Klaus Westricks sicherlich<br />
entgegen. Er ist nicht nur eloquent, wenn es gilt, die Vorteile von<br />
Barter geschäften zu schildern, er ist auch der geborene Netzwerker, und<br />
wenn ein Geschäft es erforderlich macht, Vertraulichkeit zu bewahren,<br />
kann er auch unerschütterlich verschwiegen sein.<br />
16 <strong>FINE</strong> 1 | 2017 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong>