15.05.2017 Aufrufe

FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL

FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL - 1|2017 - Sonderbeilage in der Süddeutschen Zeitung

FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL - 1|2017 - Sonderbeilage in der Süddeutschen Zeitung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Der Mann ist beim Kaiser. Privataudienz im Palast. Für ein Tässchen Tee mit dem Tenno versetzt Mode- und Duft-Visionär Issey Miyake<br />

eine Handvoll Journalisten, die eigens für ein Treffen mit ihm nach Japan gereist sind. Eine Frage der Etikette, Majestät geht allemal vor<br />

(Presse-)Volk. Doch diese Einladung sei ihm wirklich gegönnt. Gewährt für seine bahnbrechenden Ideen, die er seit der Gründung seines<br />

eigenen Design-Studios in Tokio 1970 entwickelt und umgesetzt hat. Ein Lebenswerk, dem Nippons National Art Center ver gangenes<br />

Jahr eine umfassende Werkschau widmete. Die hatte auch Throninhaber Akihito gesehen, beeindruckt und zwecks Anerkennung im<br />

Nachhinein zu dieser Einladung bewogen.<br />

Fotos: Beaute Prestige International<br />

Vermutlich war Issey Miyake darüber nicht nur der<br />

Ehre wegen erfreut, sondern auch ein bisschen, weil<br />

er nun eine plausible Ausrede hatte, den Interviewtermin<br />

zu schwänzen. Er steht nicht gern im Mittel punkt,<br />

ist keiner dieser in seiner Branche so verbreiteten Spezies<br />

von Selbstdarstellern, die immer auf Publicity aus sind. Das<br />

war er noch nie. Schon von Anfang an, als er in den frühen<br />

achtziger Jahren als auf gehender Stern in Paris für seine<br />

ausgefallenen und mutigen Kollektionen gefeiert wurde,<br />

tauchte sein voller schwarzer Haarschopf nach dem Defilee<br />

nur kurz aus der Kulisse auf, um sich beim Publikum für<br />

den Beifall zu bedanken. Jetzt, er ist inzwischen grau haarig<br />

und vor ein paar Tagen neunundsiebzig Jahre alt geworden,<br />

macht er sich erst recht rar und schickt stattdessen lieber<br />

seine engste Vertraute vor.<br />

Das ist Midori Kitamura, die vor mehr als vierzig Jahren<br />

als Haus model bei der Marke angefangen hat und heute die<br />

Präsidentin der Miyake Design Studios ist. Formvollendet<br />

übernimmt die große, aparte Japanerin mit dem klassisch<br />

geschnittenen Gesicht und den zu einem Knoten zurückgenommenen<br />

Haaren denn auch an diesem Tag das Kommando.<br />

Sie führt die Gäste durch eine Galerie in der City,<br />

um dort zwischen lauter hauchdünnen Glasobjekten, die<br />

wie dicke Seifen blasen aussehen, das neue Parfüm »Pure«<br />

zu präsentieren. Die klare Duft komposition und der tropfenförmige<br />

Flakon, unter dem wachsamen Kontrollblick des<br />

Meisters vom New Yorker Designer Todd Bracher entworfen,<br />

fügen sich nahtlos in das stringente olfaktorische<br />

Konzept des japanischen Stilisten. Der schuf dafür bereits<br />

1992, also exakt vor fünfundzwanzig Jahren, mit »L’Eau<br />

d’Issey« den Prototyp.<br />

Als Miyake das Parfüm herausbrachte, war es ein absolutes<br />

Feder gewicht im Vergleich zu den damals so beliebten,<br />

opulenten Mischungen wie »Trésor« von Lancôme oder<br />

»Venezia« von Laura Biagiotti. Auch im Auftritt wirkte<br />

der schlichte Glaskegel – im Vergleich zu anderen Flakons<br />

– eher bescheiden. Aber gerade weil dieses Parfüm<br />

so anders roch und aussah, erregte es Aufmerksamkeit und<br />

brachte mit seiner Unbeschwertheit und Transparenz frischen<br />

Wind in die Parfümerie.<br />

Ein Vierteljahrhundert später ist »L’Eau d’Issey« immer<br />

noch ein Bestseller, von dem alle fünf Minuten irgendwo<br />

auf der Welt ein Exemplar verkauft wird. Durch ihn haben<br />

typisch japanische Zutaten wie Nashi-Birne, Lotus, Yuzu<br />

(eine Zitrusart), Bambus oder Ingwer das Portfolio der<br />

Parfümeure erweitert. Eaux wurden wieder modern, mit<br />

ihrer unaufdringlichen Frische gehören sie heute zu den<br />

beliebtesten Duftkonzentrationen.<br />

Eine Entwicklung, ganz im Sinne von Miyake, der aus<br />

einem Land stammt, in dem traditionsgemäß – sieht man<br />

mal von der schrägen Streetfashion in Tokios Trend vierteln<br />

Shibuya oder Harajuku ab – Reduktion und Purismus stilbestimmend<br />

sind. »Wenn ich zurückschaue«, mokiert sich<br />

der sympathische Designer mit den warmen braunen Augen<br />

und einem feinen Lächeln unter dem kessen schmalen<br />

Ober lippen bärtchen, »war es nicht mal so ein Handicap,<br />

in Japan geboren zu sein.« Wohl wahr, denn mit seinem<br />

ausgeprägten Sinn für Minimalismus hat er nicht nur in<br />

der Parfümerie seine Spuren hinterlassen, sondern auch<br />

im Interior- Bereich und vor allem in der Mode.<br />

Alles, was er je entworfen hat, beziehungsweise mit<br />

nie erlahmen dem Enthusiasmus immer noch entwirft,<br />

ist nicht fashionable im eigentlichen Sinn,<br />

sondern futuristisch in Form und Funktion und seiner Zeit<br />

weit voraus. Experimentierfreudig wie kein Zweiter schuf<br />

er bereits als junger Mann Plastik-Bodies, mehr Harnisch<br />

als Bustier, ließ Metall spiralen als »Bodyarmband« um<br />

die Körper der Models wickeln, Stoffe aus mit Baumwolle<br />

überzogener Angelschnur weben, Pullis verkehrt herum<br />

tragen und Kleider aus Taschentüchern nähen. Legendär<br />

auch seine Oversize-Mäntel mit überdimensionaler<br />

Kapuze, die einem Herren- Kimono nachempfunden waren<br />

und heute jedem Preisboxer, der unter Fanfarenklängen<br />

gen Ring schreitet, den ultimativen Gladiatoren status verleihen<br />

würden.<br />

Miyake ist ein Vordenker, ein Forscher was die Entwicklung<br />

neuer Schnitte, Stoffe, Webverfahren und Techniken<br />

angeht. Stets versucht er, ungewöhnliche Materialien<br />

wie Papier, Bambus oder Jute auch für Normalverbraucher<br />

kleidertauglich zu machen. Seine legendären »Pleats<br />

please«-Kollektionen (»Falten bitte«) lässt er beispielsweise<br />

aus Polyester fertigen. Ihr Plissee bekommen die koffertauglichen<br />

Kleidungsstücke erst nach dem Nähen verpasst –<br />

Begehrt: Miyakes Duftklassiker<br />

»L’Eau d’Issey«<br />

verkauft sich weltweit noch<br />

immer im Minuten-Takt.<br />

DES PURISMUS<br />

Von ANGELIKA RICARD-WOLF<br />

<strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 1 | 2017 19

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!