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Hessischer Mittelstandsbericht 2006 - HA Hessen Agentur GmbH

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Hessisches Ministerium<br />

für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung<br />

<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong><br />

(1) Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong><br />

Band 1: Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong><br />

Dr. Claus Bauer<br />

Dr. Kerstin Frings<br />

Dr. Johannes Harsche<br />

Report Nr. 702<br />

Wiesbaden <strong>2006</strong>


Eine Veröffentlichung der <strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong><br />

Postfach 18 11<br />

D-65008 Wiesbaden<br />

Abraham-Lincoln-Straße 38-42<br />

D-65189 Wiesbaden<br />

Telefon 0611 / 774-81<br />

Telefax 0611 / 774-8313<br />

E-Mail info@hessen-agentur.de<br />

Internet http://www.hessen-agentur.de<br />

Geschäftsführer: Martin H. Herkströter<br />

Dr. Dieter Kreuziger<br />

Vorsitzender des Aufsichtsrates: Dr. Alois Rhiel,<br />

<strong>Hessischer</strong> Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung<br />

Die Untersuchung wurde gefördert mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds<br />

– Förderung des Unternehmergeistes<br />

Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur mit Quellenangabe<br />

gestattet. Belegexemplar erbeten.


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong><br />

Band 1: Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong><br />

<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

Inhalt Seite<br />

Vorwort 1<br />

1 Vorbemerkungen 3<br />

1.1 Einführung 3<br />

1.2 Zielsetzung 4<br />

2 Aufbau und Konzeption 6<br />

2.1 Aufbau 6<br />

2.2 Zur Abgrenzung von Mittelstand und Familienunternehmen 6<br />

2.3 Konzeption der Befragung 8<br />

3 Erster Blick auf die Familienunternehmen 11<br />

3.1 Wirtschaftszweige und Größenklassen 12<br />

3.2 Außenwirtschaftsbeziehungen 14<br />

4 Familienunternehmen: Alter, Eigentum und Unternehmensführung 18<br />

4.1 Alter 18<br />

4.2 Eigentum 20<br />

4.3 Unternehmensführung 22<br />

5 Standortbindung des Familienunternehmens<br />

sowie des Familienunternehmers 24<br />

5.1 Standortbindung insgesamt – „Verwurzelung“ mit dem Standort 24<br />

5.2 Einzelne Aspekte der Standortbindung 25<br />

6 Nachfolge im Familienunternehmen 31<br />

6.1 Einführung 31<br />

6.2 Unternehmensnachfolge – Bedeutung für <strong>Hessen</strong> 32<br />

6.3 Voraussichtliche Nachfolgelösung 35<br />

6.4 Familieninterne Nachfolge – warum kommt diese nicht zustande? 37<br />

6.5 Erfolgsfaktoren der Unternehmensnachfolge 41<br />

I


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

II<br />

Inhalt Seite<br />

6.6 Unterstützung im Nachfolgeprozess 46<br />

6.7 Erbschaftsteuer und Unternehmensnachfolge 49<br />

6.7.1 Problematik und Reformbemühungen 50<br />

6.7.2 Erbschaftsteuer aus Sicht der Familienunternehmen 53<br />

7 Familienunternehmen – Zukunftsperspektiven 56<br />

8 Zusammenfassung 66<br />

Anhang: Finanzierungs- und Beratungshilfen des Landes 72<br />

1 Förderung von Unternehmensübergaben als Förderung von Gründung<br />

und Wachstum 73<br />

2 Darlehen für Gründung und Wachstum 74<br />

3 Bürgschaften 76<br />

4 Beteiligungen 77<br />

5 Beratung, Coaching 78<br />

Tabellenverzeichnis 80<br />

Abbildungsverzeichnis 80<br />

Literaturverzeichnis 81


Vorwort<br />

<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

In <strong>Hessen</strong> sind rund 80 Prozent der mittelständischen<br />

Unternehmen Familienunternehmen. Mit ihnen beschäftigt<br />

sich der vorliegende Hessische <strong>Mittelstandsbericht</strong><br />

<strong>2006</strong>. 1<br />

Familienunternehmen stehen für wirtschaftlichen Erfolg,<br />

für örtliche und regionale Einbindung in die Gemeinschaft,<br />

für Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten<br />

und die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für Loyalität<br />

gegenüber den Arbeitnehmern, Kunden oder Lieferanten,<br />

sowie für Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft.<br />

Viele dieser Unternehmen sind seit Generationen<br />

am Markt.<br />

Nur der langfristige Erfolg sichert den Bestand eines Unternehmens für die Familie.<br />

Diese Nachhaltigkeit erfordert mehr als kurzfristige Gewinnorientierung. Es bedarf<br />

sowohl einer Strategie des Bewahrens als auch der Erneuerung: Die Anwendung<br />

bewährter Geschäftsprinzipien, Pflege gewachsener Kunden- und Lieferantenbeziehungen<br />

oder Förderung des gewachsenen Mitarbeiterstamms und die Entwicklung<br />

innovativer Produkte oder Dienstleistungen, das Aufspüren von Marktnischen<br />

und die Anpassung an veränderte Marktbedingungen schließen sich nicht aus, sondern<br />

ermöglichen erst ein erfolgreiches Familienunternehmen.<br />

Familienunternehmen sind die treibende Kraft in der mittelständischen Wirtschaft.<br />

Wenn wir sie in diesem Jahr in den Mittelpunkt unseres Berichtes stellen, entspricht<br />

das ihrer Bedeutung für unser Wirtschaftsleben. Wir haben mittelständische Unternehmen<br />

(mit mindestens fünf Beschäftigten) befragt und aus den erfreulicherweise<br />

zahlreichen Rückläufen ein Bild ihrer Lage und der selbst eingeschätzten Zukunftsaussichten<br />

herausgefiltert.<br />

Hierbei begreifen wir den Mittelstand durchaus als mehr als eine nach den EU-<br />

Kriterien definierte Anzahl von Unternehmen, denn mittelständische Unternehmen<br />

werden von Menschen geprägt – von Einzelpersonen oder Familien mit allen ihren<br />

unterschiedlichen Eigenschaften, ihren Erfolgen und Konflikten. Diese Vielfalt individueller<br />

Gegebenheiten geht in der zahlenmäßigen Zusammenfassung verloren. Wir<br />

dürfen sie gleichwohl nicht aus dem Blickfeld verlieren, denn hinter jeder Zahl ste-<br />

1 Band 1 berichtet über Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>. Band 2 wird gesondert veröffentlicht und enthält die Strukturdaten<br />

des hessischen Mittelstands.<br />

1


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

2<br />

hen Schicksale – was in den vor uns liegenden Jahren zunehmend deutlicher werden<br />

wird.<br />

Denn: Bislang waren mittelständische Familienunternehmen eine Selbstverständlichkeit;<br />

sie waren immer da, und die Übergabe an die nächste Generation verlief<br />

meist in geordneten Bahnen. Dieser kontinuierliche Ablauf wird nun durch demografische<br />

Einflüsse erheblich gestört: Es wird zunehmend mehr Übergeber als Übernehmer<br />

geben. Bis 2015 sollen etwa 50 Prozent (!) aller hessischen Familienunternehmen<br />

an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin weitergegeben werden – aber<br />

oft gibt es in den Familien keine Kinder. Viel spricht sogar dafür, dass die Zahl der in<br />

den nächsten zehn Jahren gewünschten Übergaben die der potenziellen Übernehmer<br />

oder Übernehmerinnen überhaupt – also aus der Familie stammend oder von<br />

dritter Seite – übersteigt.<br />

Misslingende Unternehmensübergaben gefährden den Erhalt von lebensfähigem<br />

ökonomischen Leistungspotenzial im Mittelstand – und damit von Wachstumschancen,<br />

von künftigen Beschäftigungsmöglichkeiten und, besonders bei Familienunternehmen,<br />

auch der Verankerung der Wirtschaft in der Gesellschaft. Diese Gefährdung<br />

wurde zunächst in dem ersten <strong>Mittelstandsbericht</strong> 2004 als eher abstrakte<br />

Folge der demografischen Entwicklung dargestellt – in den kommenden Jahren wird<br />

sie konkret. Hier zeichnet sich eine zentrale wirtschaftspolitische Aufgabe der kommenden<br />

Jahre ab, die mit der Änderung des Erbschaftsteuergesetzes beginnt und<br />

mit passender Finanzierung (die 90 Prozent der Befragten für wichtig oder sehr<br />

wichtig halten) noch lange nicht aufhört.<br />

Dieser Bericht soll für den sich abzeichnenden Handlungsbedarf sensibilisieren und<br />

die Erarbeitung von Konzepten zur Erleichterung von Unternehmensübergaben anstoßen.<br />

Hierzu gehört nicht allein, bestehende Fördermöglichkeiten auch auf Unternehmensübergaben<br />

hin auszurichten (was die meisten bereits sind), sondern auch<br />

– etwa im Rahmen der Finanzplatzinitiative – zusätzliches Engagement der Kreditwirtschaft<br />

zu mobilisieren.<br />

Der Hessische <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> wird auch im Internet veröffentlicht (Adresse:<br />

www.wirtschaft.hessen.de).<br />

Dr. Alois Rhiel<br />

<strong>Hessischer</strong> Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung


1 Vorbemerkungen<br />

1.1 Einführung<br />

<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

Die mittelständischen Unternehmen sind in <strong>Hessen</strong> wie auch in Deutschland tragende<br />

Säule der Wirtschaft und von elementarer Bedeutung für Wachstum, Beschäftigung<br />

und Ausbildung. Der Mittelstand – bzw. die Kleinst-, kleinen und mittleren<br />

Unternehmen – steht daher zu Recht sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene<br />

im Zentrum der Wirtschaftspolitik. Eine regelmäßige Berichterstattung ist<br />

nicht zuletzt angesichts der ausgeprägten Vielfalt mittelständischer Unternehmenstypen<br />

aus unterschiedlichen Größenklassen und Wirtschaftsbereichen (Industrie,<br />

Handwerk, Handel, Dienstleistungen und Freie Berufe) eine wesentliche Voraussetzung,<br />

um die Lage und sich abzeichnende Entwicklungstendenzen innerhalb der<br />

mittelständischen Wirtschaft in <strong>Hessen</strong> zu beurteilen. Nur so lassen sich Chancen<br />

und Risiken frühzeitig erkennen, entsprechende Maßnahmen von den Unternehmen<br />

selbst einleiten sowie von Seiten der Politik die notwendigen Rahmenbedingungen<br />

zielgerichtet und effizient gestalten. Die <strong>Mittelstandsbericht</strong>erstattung <strong>Hessen</strong> soll<br />

hierfür Informationen bereitstellen – nicht nur für die Wirtschaftspolitik, sondern der<br />

Hessische <strong>Mittelstandsbericht</strong> soll auch der Information der Unternehmen und<br />

Gründer selbst dienen.<br />

Diesem Zweck dient zum einen eine auf breiter Datenbasis stehende Analyse und<br />

Kommentierung der statistischen Informationen über hessische mittelständische Unternehmen.<br />

Diese alle zwei Jahre durchgeführte Analyse ist Gegenstand des zweiten<br />

Bandes des Hessischen <strong>Mittelstandsbericht</strong>s <strong>2006</strong> mit dem Titel „Porträt des<br />

hessischen Mittelstands“.<br />

Zum anderen enthält der <strong>Mittelstandsbericht</strong> ein jährlich wechselndes Schwerpunktthema.<br />

Das diesjährige Thema – und Inhalt des vorliegenden ersten Bandes – lautet<br />

„Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“. Familienunternehmen, d. h. im weitesten Sinne<br />

Unternehmen, auf die eine Familie oder einzelne Familienmitglieder maßgeblichen<br />

Einfluss ausüben, stellen den weitaus überwiegenden Anteil der mittelständischen<br />

Unternehmen. Viele bestehen bereits seit mehreren Generationen, und Familienunternehmen,<br />

die auf eine mehr als hundertjährige Tradition zurückblicken können,<br />

sind keinesfalls eine Seltenheit. Diese Form von Unternehmen, in deren stärkster<br />

Ausprägung sowohl das gesamte Kapital als auch die Führung in der Hand einer<br />

Person liegen, ist in der jüngeren Vergangenheit insbesondere aufgrund der Nachfolgeproblematik<br />

in das Interesse der Wirtschaftspolitik gerückt: Die Unternehmensnachfolge<br />

gelingt beileibe nicht immer – sei es, dass sich kein Nachfolger findet oder<br />

Fehler bei der Übergabe den Bestand des Unternehmens und der Arbeitsplätze<br />

gefährden. Denn auf den unterschiedlichsten Feldern – wirtschaftlicher, finanzieller,<br />

rechtlicher und „menschlich-psychologischer“ Art – sind adäquate Problemlösungen<br />

3


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

1.2 Zielsetzung<br />

4<br />

zu finden, wobei die Wirtschaftspolitik, Kammern, Verbände usw. wertvolle Unterstützung<br />

leisten können.<br />

Doch auch die Veränderungen bei großen Kapitalgesellschaften, die zum Teil Arbeitsplätze<br />

abbauen bzw. ins Ausland verlagern, haben – nicht nur in <strong>Hessen</strong> – das<br />

Interesse an den Familienunternehmen beflügelt. Diese gelten als stärker mit dem<br />

heimischen Standort verwurzelt, woraus auch hinsichtlich der Arbeitsplätze oftmals<br />

auf eine höhere „Standorttreue“ geschlossen wird. Ob dies auch im Zeitalter der so<br />

genannten Globalisierung noch zutrifft oder ob sich auch dort eine kurzfristigere<br />

Denkweise, eine stärkere Renditeorientierung sowie eine geringere soziale Stabilität<br />

für die Beschäftigten durchsetzen werden, sind ebenfalls Fragen, die untersucht<br />

werden.<br />

Vor diesem skizzierten Hintergrund sind Informationen über Familienunternehmen<br />

und deren spezielle Chancen und Herausforderungen für die Landespolitik und insbesondere<br />

für die Wirtschaftspolitik von großem Interesse. Dies gilt erst recht, da<br />

fundierte Informationen über Familienunternehmen – wenn überhaupt – meist nur<br />

auf Bundesebene vorliegen. Selbst Basisinformationen wie z. B. die Eigentumsverhältnisse<br />

sind oft nicht hinreichend bekannt.<br />

Deshalb hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung<br />

die <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> beauftragt, mit einer schriftlichen Primärerhebung relevante<br />

Informationen direkt bei hessischen Unternehmen – sozusagen „aus erster Hand“<br />

– zu gewinnen. Der vorliegende Bericht stellt diese hessenspezifischen Erkenntnisse<br />

über Familienunternehmen vor. Sie sind für die Politik eine wertvolle Grundlage:<br />

Zum einen, um die „Wirtschaft vor Ort“ zu stärken, und zum anderen, um z.B. bei<br />

schwierigen Fragen der Nachfolge zu helfen (z. B. durch Beratungsangebote, Finanzierungsanreize,<br />

Nachfolgebörsen).<br />

Ziel des Hessischen <strong>Mittelstandsbericht</strong>s ist es ebenfalls, Unternehmer(innen) und<br />

Nachfolger(innen) 2 über Aspekte der Selbständigkeit und Chancen in Familienunternehmen<br />

zu informieren und dadurch den Unternehmergeist zu stärken.<br />

Die vorliegende Untersuchung zu „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ kann nicht für<br />

die Gesamtheit der hessischen Familienunternehmen repräsentative Ergebnisse liefern<br />

(vgl. hierzu auch Kapitel 2). Angesichts der ausgeprägten Heterogenität des<br />

Mittelstands und der vielfältigen Definitionen des Begriffs „Familienunternehmen“ ist<br />

dies auch kaum möglich. Der <strong>Mittelstandsbericht</strong> soll jedoch sehr wohl auf breiter<br />

2 Die vorwiegende Verwendung der männlichen Form geschieht aus Gründen der Übersichtlichkeit. Sofern nicht anders<br />

angegeben, sind jedoch damit stets beide Geschlechter gemeint. Wir bitten alle Leserinnen um Verständnis.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

Basis stehende Aussagen und Meinungsbilder zu hessischen Familienunternehmen<br />

bieten – und damit zu einem zentralen Bereich der hessischen Wirtschaft, über den<br />

erstaunlicherweise nur sehr begrenzte Informationen auf Landesebene verfügbar<br />

sind.<br />

Der Hessische <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> wurde gefördert aus Mitteln des Europäischen<br />

Sozialfonds – Förderung des Unternehmergeistes.<br />

5


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

2 Aufbau und Konzeption<br />

2.1 Aufbau<br />

6<br />

Der weitere Aufbau der Studie lehnt sich an die thematische Gliederung des verwendeten<br />

Fragebogens an:<br />

Im dritten Kapitel wird ein erster Blick auf die Struktur der befragten Unternehmen<br />

geworfen. Die Darstellung erfolgt nach grundlegenden Merkmalen wie Anzahl der<br />

Beschäftigten, Höhe des Umsatzes, Branchenzugehörigkeit und Auslandsbeziehungen<br />

(Auslandsumsatz und -standorte).<br />

Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit unterschiedlichen Formen von Familienunternehmen<br />

im Sinne der Ausgestaltung von Eigentum und Unternehmensführung sowie<br />

– damit eng zusammenhängend – mit dem Alter des Unternehmens.<br />

Gegenstand des fünften Kapitels ist die „Verwurzelung“ des Unternehmens und des<br />

Unternehmers mit seinem Standort, d. h. die Bindung zum Standort seines Familienunternehmens.<br />

Unterschiedliche Facetten der Unternehmensnachfolge3 bilden den Inhalt des<br />

sechsten Kapitels. Fragestellungen sind z. B., ob das Unternehmen zur Übergabe<br />

ansteht, an wen diese geplant ist und welche Elemente für eine erfolgreiche Übergabe<br />

wesentlich sind.<br />

Verschiedene Aspekte der Zukunftsperspektiven (z. B. Arbeitsplätze, Internationalisierung,<br />

Finanzierung) von Familienunternehmen werden im vorletzten Kapitel thematisiert.<br />

Eine Zusammenfassung rundet die Studie ab.<br />

2.2 Zur Abgrenzung von Mittelstand und Familienunternehmen<br />

Die Abgrenzung des Mittelstands im diesjährigen <strong>Mittelstandsbericht</strong> orientiert sich<br />

wie in den Vorjahren an der Mittelstandsdefinition der EU. Diese Definition der<br />

Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen ist in Tabelle 1<br />

dargestellt. 4<br />

3 Die Begriffe Unternehmensnachfolge bzw. -übergabe, Generations- bzw. Generationenwechsel sowie einfach Nachfolge<br />

oder Übergabe werden im vorliegenden <strong>Mittelstandsbericht</strong> synonym verwendet.<br />

4 Eine vollständige Umsetzung ist allerdings nicht zuletzt aufgrund des Aufwands nicht praktikabel, da sich hinter den in<br />

Tabelle 1 angegebenen Kriterien eine Vielzahl von Vorgaben zur Operationalisierung verbirgt.


Tabelle 1: Mittelstandsdefinition der EU<br />

<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

Kriterium Beschäftigung Finanzen 1 Konzernunabhängigkeit<br />

Unternehmensgröße<br />

Anzahl der<br />

Mitarbeiter<br />

Umsatz Bilanzsumme<br />

Kleinst Bis 9 Bis 2 Mill. Euro Bis 2 Mill. Euro<br />

Mittelstand<br />

Klein 10 bis 49<br />

2 Mill. bis 10 Mill.<br />

Euro<br />

2 Mill. bis 10 Mill.<br />

Euro<br />

Mittel 50 bis 249<br />

10 Mill. bis<br />

50 Mill. Euro<br />

10 Mill. bis 43 Mill.<br />

Euro<br />

Großunternehmen - 250 u. mehr<br />

50 Mill. Euro und<br />

mehr<br />

43 Mill. Euro und<br />

mehr<br />

1 Hiervon ist fakultativ ein Kriterium zu erfüllen.<br />

Quelle: Amtsblatt der Europäischen Union, L 124/36, 20.05.2003.<br />

Zugehörigkeit zu anderen<br />

Unternehmen<br />

Das Unternehmen darf nicht zu 25 %<br />

oder mehr im Besitz von einem oder<br />

mehreren weiteren Unternehmen<br />

gemeinsam sein, die die<br />

Mittelstandsdefinition nicht erfüllen.<br />

Drei Kriterien müssen demnach gleichzeitig erfüllt sein, damit ein Unternehmen als<br />

mittelständisch bzw. als Kleinstunternehmen, kleines Unternehmen oder mittleres<br />

Unternehmen gilt. 5 Beim Mittelstand handelt es sich also – da dies gelegentlich verwechselt<br />

wird, soll ausdrücklich darauf hingewiesen werden – nicht etwa um bestimmte<br />

Wirtschaftszweige, wie etwa das Handwerk, sondern um einen im Wesentlichen<br />

durch die Unternehmensgröße abgegrenzten Ausschnitt der Wirtschaft.<br />

Über diese quantitativen Merkmale hinaus werden mit dem Begriff Mittelstand oftmals<br />

noch qualitative Aspekte verbunden. Hierbei ist insbesondere die enge (persönliche)<br />

Bindung zwischen Unternehmer und Unternehmen herauszustellen, die<br />

typischerweise in der Einheit von Eigentum und Unternehmensführung ihren Ausdruck<br />

findet. Dieses Charakteristikum stellt den Übergang zum Untersuchungsgegenstand<br />

des vorliegenden Berichts dar, nämlich zu den Familienunternehmen.<br />

Wird bereits der Mittelstand gelegentlich unterschiedlich abgegrenzt, so gilt dies<br />

noch mehr für die Familienunternehmen. Eine Fülle von Definitionen, Wesensmerkmalen,<br />

Bestimmungsfaktoren usw. werden in der Literatur behandelt. Neben<br />

ökonomischen werden oftmals auch soziologische und rechtliche Aspekte zur Definition<br />

herangezogen. Die bestehenden Definitionen lassen sich in zwei Gruppen<br />

einteilen: 6<br />

• Auf der einen Seite werden bestimmte Kriterien vorgegeben (z. B. Eigentumsverhältnisse)<br />

und anhand dieser geprüft, ob es sich bei dem betreffenden Unternehmen<br />

um ein Familienunternehmen handelt.<br />

5 Hinsichtlich des Finanzkriteriums gelten wahlweise der Umsatz oder die Bilanzsumme als Kriterium. Hiermit soll den Unterschieden<br />

zwischen den einzelnen Branchen Rechnung getragen werden.<br />

6 Vgl. hierzu ausführlich Wiechers, R. (<strong>2006</strong>), S. 31ff.<br />

-<br />

7


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

8<br />

• Auf der anderen Seite gibt es Abgrenzungen, die auf die Selbstbeschreibung der<br />

Unternehmen und das beobachtbare Verhalten der Unternehmen abstellen.<br />

Denn wer sollte besser wissen, ob es sich bei einem Unternehmen um ein Familienunternehmen<br />

handelt oder nicht, als das Unternehmen bzw. dessen Führung<br />

selbst?<br />

Es ist nicht die Aufgabe des Hessischen <strong>Mittelstandsbericht</strong>s, sich an der Diskussion<br />

über die „richtige“ Definition zu beteiligen, zumal für eine empirische Untersuchung<br />

ausgefeilte Definitionen meist nicht dienlich sind. Deshalb wurde für die Befragung<br />

hessischer Familienunternehmen ein pragmatischer Ansatz gewählt: Die mittelständischen<br />

Unternehmen – gemäß EU-Definition7 – wurden um Auskunft darüber gebeten,<br />

ob sich Mitglieder der Eigentümerfamilie in der Geschäftsführung oder dem Vorstand<br />

befinden – d. h. explizit auf die bereits erwähnte Verschränkung von Eigentum<br />

und Leitungsfunktion abgestellt. Wird dies bejaht, ist es ein Familienunternehmen,<br />

wird dies verneint, ist es kein Familienunternehmen im Sinne dieser Untersuchung. 8<br />

Ergänzend wurden die hessischen Unternehmen auch direkt gefragt, ob sie sich als<br />

Familienunternehmen verstehen.<br />

2.3 Konzeption der Befragung<br />

Grundlage der Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ ist die<br />

Unternehmensdatenbank MARKUS. MARKUS ermöglicht u. a. eine Selektion der<br />

Unternehmen nach Branchen, Anzahl der Mitarbeiter, Umsatz und Tochterunternehmen<br />

bzw. Beteiligungen, so dass die für die Umfrage erforderliche Auswahlgrundlage<br />

gewonnen werden kann. Ob es sich tatsächlich um ein Familienunternehmen<br />

handelt und ob sich das Unternehmen als solches versteht, wird – wie im<br />

vorangegangenen Abschnitt erläutert – durch die Befragung selbst erhoben.<br />

Die Aufnahmekriterien von MARKUS gewährleisten, dass praktisch nur wirtschaftsaktive<br />

Unternehmen erfasst werden und die Daten in Verbindung mit ihrer regelmäßigen<br />

Pflege und Aktualisierung eine hohe Zuverlässigkeit aufweisen. Der Eintrag<br />

im Handelsregister ist eines der Aufnahmekriterien. Hieraus resultiert eine starke<br />

Untererfassung der Kleingewerbetreibenden, was für die Befragung jedoch unerheblich<br />

ist, da eine Abschneidegrenze von fünf Beschäftigten festgelegt wurde. 9 Da<br />

Freiberufler nicht verpflichtet sind, sich im Handelsregister eintragen zu lassen, sind<br />

diese zu einem erheblichen Teil ebenfalls nicht in MARKUS enthalten. Aus diesem<br />

7 Selbstverständlich gibt es auch Familienunternehmen, die nicht unter die Mittelstandsdefinition der EU fallen, da sie z. B.<br />

mehrere Tausend Beschäftigte haben. Diese großen Familienunternehmen sind definitionsgemäß nicht Gegenstand des<br />

Hessischen <strong>Mittelstandsbericht</strong>s.<br />

8 Diese Vorgehensweise wird u. a. auch vom Institut für Mittelstandsforschung Bonn beschritten. Vgl. z. B. Bundesverband<br />

der deutschen Industrie e.V., Ernst & Young AG u. IKB Deutsche Industriebank AG (Hrsg.) (2005), S. 4.<br />

9 Damit unterscheidet sich der vorliegende Bericht von anderen Untersuchungen zu Familienunternehmen und zum Mittelstand,<br />

die eine oft deutlich höhere Abschneidegrenze festlegen.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

Grund wurden die Angaben aus MARKUS um einen ebenfalls von Creditreform<br />

stammenden Datensatz speziell zu Freiberuflern ergänzt.<br />

Die wirtschaftszweigsystematische Zusammensetzung der Stichprobe sowie die<br />

Aufteilung des Rücklaufs gehen aus Tabelle 2 hervor. Naturgemäß nicht Untersuchungsgegenstand<br />

des <strong>Mittelstandsbericht</strong>es sind die staatlichen Bereiche „L Öffentliche<br />

Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung“ sowie weite Teile von „M<br />

Erziehung und Unterricht“ und Teile von „O Erbringung von sonstigen öffentlichen<br />

und persönlichen Dienstleistungen“. Dies gilt ebenfalls für „P Private Haushalte“ und<br />

„Q Exterritoriale Organisationen“ sowie den Bereich „N Gesundheits-, Veterinär- und<br />

Sozialwesen“, in dem eine Vielzahl von staatlichen Anbietern und eine in weiten Teilen<br />

hohe Regulierungsdichte zusammentreffen. Ebenfalls nicht berücksichtigt wurde<br />

bei der Befragung „A-B Land- und Forstwirtschaft; Fischerei“. Hierdurch resultiert in<br />

Verbindung mit der Abschneidegrenze von fünf Beschäftigten und dem branchenspezifischen<br />

Rücklauf eine von der „wahren“ Wirtschaftsstruktur abweichende Verteilung<br />

(stärkeres Gewicht des Baugewerbes und des Verarbeitenden Gewerbes<br />

und entsprechend geringeres Gewicht der Dienstleistungen), was bei der Interpretation<br />

der Ergebnisse zu beachten ist.<br />

Tabelle 2: Zusammensetzung der Stichprobe der Unternehmensbefragung<br />

C-E<br />

WZ 2003 Code Beschreibung<br />

Bergbau und Gewinnung von Steinen und<br />

Erden, Verarbeitendes Gewerbe, Energie-<br />

und Wasserversorgung<br />

Versandte Fragebögen<br />

(Anteil an Summe in %)<br />

22,3<br />

Rücklauf<br />

(Anteil an Summe in %)<br />

23,1<br />

+1,9 Sonstige<br />

F Baugewerbe 18,0 20,6<br />

G Handel 26,6 22,2<br />

H-K, MA804, OA90,<br />

OA92, OA93<br />

Dienstleistungen (außer Handel), ergänzt<br />

um Freiberufler<br />

33,1 32,2<br />

100,0 = 4.972 versandte<br />

Fragebögen<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

100,0 = ausgewerteter Rücklauf von<br />

1.653 Fragebögen<br />

Die schriftliche Befragung wurde im Mai <strong>2006</strong> bei knapp 5.000 Unternehmen durchgeführt.<br />

Nur ein sehr geringer Teil des Rücklaufs konnte nicht bei der Auswertung<br />

berücksichtigt werden, da die Fragebögen entweder nicht ausgefüllt waren (Unternehmen<br />

in Insolvenz, Geschäftstätigkeit eingestellt, Sitz in andere Bundesländer<br />

verlegt o. ä.) oder erst mehrere Wochen nach dem letztmöglichen Rücksendetermin<br />

eingetroffen sind. Letztlich standen 1.653 Fragebögen für eine Auswertung zur Verfügung,<br />

was einer Rücklaufquote von 33,2 % entspricht – eine sehr erfreulich hohe<br />

Resonanz von Seiten der hessischen Unternehmen. Dies zeigt das große Interesse<br />

9


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

10<br />

an der Thematik. Sicherlich hat auch das Begleitschreiben des Auftraggebers, des<br />

Hessischen Staatsministers für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung Dr.<br />

Rhiel, zu dieser hohen Rücklaufquote motiviert.<br />

Der Vergleich des Rücklaufs untergliedert nach Wirtschaftsbereichen (vgl. Tabelle<br />

2) zeigt, das dieser recht gut mit der Wirtschaftsstruktur der verschickten Fragebögen<br />

übereinstimmt. Der Vergleich ist allerdings nur grob möglich, da bei den adressierten<br />

Familienunternehmen die Zuordnung nach WZ2003 gemäß MARKUS erfolgt<br />

und beim Rücklauf die Antworten der Unternehmen selbst ausgewiesen werden.


3 Erster Blick auf die Familienunternehmen<br />

<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

Von den 1.653 Fragebögen wurden nicht alle in die Auswertung einbezogen:<br />

• Bei 44 Unternehmen handelt es sich nicht um mittelständische Unternehmen –<br />

meistens deshalb, weil die Beschäftigtenzahl 250 oder mehr Personen beträgt.<br />

• 181 Unternehmen sind keine Familienunternehmen im Sinne der vorliegenden<br />

Studie, d. h. in diesen Unternehmen befinden sich keine Mitglieder der Eigentümerfamilie<br />

in der Geschäftsführung bzw. im Vorstand. Etwa 90 % dieser Unternehmen<br />

bezeichnen sich auch selbst nicht als Familienunternehmen. 10<br />

Den nachfolgenden Ausführungen liegen somit – soweit nicht ausdrücklich anders<br />

genannt – 1.428 (1.653 minus 44 minus 181) mittelständische Familienunternehmen<br />

in <strong>Hessen</strong> zugrunde. 11<br />

143 dieser 1.428 mittelständischen Familienunternehmen bezeichnen sich selbst<br />

nicht als Familienunternehmen, obwohl sich Mitglieder der Eigentümerfamilie in der<br />

Geschäftsführung bzw. dem Vorstand befinden. Unter diesen 143 Unternehmen<br />

sind überproportional viele<br />

• Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor (ohne Handel),<br />

• Gründungen aus der jüngeren Vergangenheit,<br />

• Unternehmen mit ausgeprägter internationaler Orientierung (sei es mit hohem<br />

Auslandsumsatz und / oder Standorten im Ausland).<br />

Bei auffälligen Abweichungen der nachfolgenden präsentierten Untersuchungsergebnisse<br />

zwischen diesen 143 Unternehmen und der Gesamtheit der untersuchten<br />

1.428 Unternehmen wird explizit darauf hingewiesen.<br />

10 Diese 181 Unternehmen haben zum weitaus überwiegenden Teil die weitergehenden Fragen des Fragenbogens nicht<br />

beantwortet, was auch beabsichtigt war, um die Unternehmensbelastung möglichst gering zu halten.<br />

11 Die Anzahl der berücksichtigten Unternehmen schwankt allerdings von Frage zu Frage, da bei einzelnen Fragen Unternehmen<br />

keine Angaben gemacht haben oder durch spezielle Filterfragen nicht alle Unternehmen alle Fragen zu beantworten<br />

hatten.<br />

11


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

3.1 Wirtschaftszweige und Größenklassen<br />

12<br />

Die Wirtschaftszweigstruktur der befragten Familienunternehmen ist in Abbildung 1<br />

dargestellt. 54 % der Familienunternehmen gehören zum Dienstleistungssektor,<br />

wobei auf den Handel 22 % entfallen. Dieser vergleichsweise geringe Anteil des<br />

Dienstleistungssektors ist begründet durch die Auswahl der Wirtschaftszweige, die<br />

Abschneidegrenze und den branchenspezifischen Rücklauf (vgl. Kapitel 2). In etwa<br />

gleich große Anteile stellen auch das Verarbeitende Gewerbe mit 23 % und das<br />

Baugewerbe (einschließlich Ausbaugewerbe) mit 21 %. Unter dem Begriff „Sonstige”<br />

werden z. B. Unternehmen aus der Energie- und Wasserversorgung sowie dem<br />

Bergbau und der Verarbeitung von Steinen und Erden subsumiert. Darüber hinaus<br />

enthält diese Restgruppe diejenigen Familienunternehmen, die mehrere Wirtschaftszweige<br />

angegeben hatten, womit keine eindeutige Zuordnung möglich war. 12<br />

Abbildung 1: Familienunternehmen nach Wirtschaftszweigen<br />

Baugewerbe<br />

21 %<br />

Handel<br />

22 %<br />

Sonstige<br />

2 %<br />

Dienstleistungen<br />

(außer Handel)<br />

32 %<br />

Verarbeitendes<br />

Gewerbe<br />

23 %<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

Abbildung 2 zeigt ein aus der <strong>Mittelstandsbericht</strong>erstattung bekanntes Bild: Die großen<br />

mittelständischen Familienunternehmen (50 bis 249 Beschäftigte) stellen lediglich<br />

14 % der befragten Unternehmen, aber gut die Hälfte (46 %) aller Beschäftigten,<br />

wohingegen die Familienunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten zwar 31 %<br />

der befragten Unternehmen ausmachen, aber nur 9 % der Beschäftigten bei ihnen<br />

arbeiten.<br />

12 Bei den nach Wirtschaftszweigen differenzierten Untersuchungen in den nachfolgenden Kapiteln wird die Gruppe „Sonstige“<br />

nicht mehr ausgewiesen, da sie von der Größe her von untergeordneter Bedeutung ist und sich zudem einer Interpretation<br />

weitestgehend entzieht.


Abbildung 2: Familienunternehmen nach Beschäftigtengrößenklassen<br />

Anteil in %<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Anteil an Gesamtzahl der<br />

Unternehmen<br />

Anteil an Gesamtzahl der<br />

Beschäftigten<br />

31<br />

9<br />

55<br />

45<br />

<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

weniger als 10 Beschäftigte 10 bis 49 Beschäftigte 50 bis 249 Beschäftigte<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

Dieser Unterschied ist bei der Betrachtung der Umsatzgrößenklassen noch ausgeprägter<br />

(vgl. Abbildung 3): 58 % der Familienunternehmen erzielen lediglich 11 %<br />

des Umsatzes, während 7 % der Unternehmen 44 % des Umsatzes erwirtschaften.<br />

Abbildung 3: Familienunternehmen nach Umsatzgrößenklassen<br />

Anteil in %<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

58<br />

11<br />

Anteil an Gesamtzahl der Unternehmen<br />

Anteil an Gesamtumsatz*<br />

35<br />

14<br />

7<br />

46<br />

45 44<br />

bis 2 Millionen Euro über 2 Millionen bis 10 Millionen über 10 Millionen bis 50 Millionen<br />

*Näherungsweise Berechnung unter der Annahme, dass die Klassenmitte dem arithmetischen Mittel entspricht.<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

13


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

14<br />

In Abbildung 4 ist die Unternehmensgrößenstruktur gemäß der EU-Mittelstandsdefinition<br />

– durch Kombination von Beschäftigungs- und Umsatzkriterium gebildet –<br />

nach Wirtschaftszweigen dargestellt. Insgesamt gesehen stellen die kleinen Unternehmen<br />

mit Abstand den größten Teil (57 %) der befragten Gruppe der Familienunternehmen.<br />

Mittlere Familienunternehmen weisen einen Anteil von 16 %, die<br />

Kleinstunternehmen von 27 % auf.<br />

Abbildung 4: Familienunternehmen nach Unternehmensgrößenklassen und Wirtschaftszweigen<br />

Anteil in %<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

7<br />

55<br />

38<br />

Baugewerbe Dienstleistungen<br />

(außer Handel)<br />

14 16<br />

61 58<br />

25 26<br />

25<br />

54<br />

21<br />

Handel Verarbeit. Gewerbe Insgesamt<br />

Kleinstunternehmen Kleine Unternehmen Mittlere Unternehmen<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

Im Baugewerbe sind 38 % der Familienunternehmen Kleinstunternehmen, am geringsten<br />

ist der Anteil der Kleinstunternehmen im Verarbeitenden Gewerbe (21 %).<br />

Da zudem im Baugewerbe der Anteil der mittelgroßen Familienunternehmen mit lediglich<br />

7 % unterdurchschnittlich ausfällt, ist das Baugewerbe von den untersuchten<br />

Wirtschaftszweigen am stärksten durch eine kleinteilige Struktur bestimmt. Für das<br />

Verarbeitende Gewerbe gilt das Gegenteil, während die Größenstruktur der untersuchten<br />

Familienunternehmen im Dienstleistungsbereich im Wesentlichen dem Mittel<br />

aller Wirtschaftszweige entspricht.<br />

3.2 Außenwirtschaftsbeziehungen<br />

Der Export in nahe und ferne Länder, die Beschaffung von Vorprodukten aus dem<br />

Ausland, die Beteiligung an ausländischen Unternehmen oder auch die Errichtung<br />

von Produktionsstätten im Ausland sind im Zeitalter der so genannten Globalisie-<br />

16<br />

57<br />

27


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

rung keineswegs nur Großunternehmen vorbehalten, sondern werden zunehmend<br />

auch von großen wie kleineren Familienunternehmen getätigt.<br />

Insgesamt 37 % der hessischen Familienunternehmen setzen ihre Erzeugnisse<br />

nicht nur regional in <strong>Hessen</strong> oder national in Deutschland ab, sondern haben sich<br />

den internationalen Markt erschlossen (vgl. Abbildung 5). Die Exportquote – definiert<br />

als Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz – variiert stark: Für 9 % der<br />

Befragten beträgt die Exportquote maximal 5 %, d. h. das Auslandsgeschäft stellt<br />

(zumindest derzeit) bestenfalls ein „Zubrot“ dar. Für weitere 8 % beläuft sich die Exportquote<br />

immerhin auf bis zu 10 %. 9 % der hessischen Familienunternehmen realisieren<br />

zwischen 10 und 25 % ihres Umsatzes mit dem Ausland, 5 % bis zur Hälfte.<br />

In 5 % der hessischen Familienunternehmen hat das Ausland den heimischen Binnenmarkt<br />

als wichtigsten Absatzmarkt abgelöst, wobei teilweise sogar der deutsche<br />

Markt zum Randgeschäft geworden ist: In einigen Fällen beläuft sich die Exportquote<br />

der Familienunternehmen auf mehr als 90 %. Insofern ist der für Deutschland<br />

insgesamt getroffenen Aussage, „dass gerade im industriellen Mittelstand ausgesprochene<br />

Exportchampions existieren, die enorme Auslandserfahrung und -erfolge<br />

aufzuweisen haben“ 13 , auch für <strong>Hessen</strong> uneingeschränkt zuzustimmen.<br />

Abbildung 5: Exportquote (Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz)<br />

von Familienunternehmen nach Wirtschaftszweigen<br />

Anteil in %<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

92<br />

10<br />

Baugewerbe Dienstleistungen<br />

(außer Handel)<br />

4<br />

9<br />

8<br />

4<br />

4<br />

8<br />

8<br />

13<br />

65 64<br />

3<br />

14<br />

13<br />

16<br />

11<br />

11<br />

34<br />

Handel Verarbeitendes<br />

Gewerbe<br />

6<br />

5<br />

9<br />

8<br />

9<br />

63<br />

Insgesamt<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

mehr als 50%<br />

25 bis unter 50%<br />

10 bis unter 25%<br />

5 bis unter 10%<br />

0 bis unter 5%<br />

13 Bundesverband der Deutschen Industrie und Ernst & Young Deutsche Allgemeine Treuhand AG (Hrsg.) (2001), S. 111.<br />

0%<br />

15


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

16<br />

Ungeachtet aller Internationalisierung darf allerdings nicht vergessen werden, dass<br />

mit 63 % der überwiegende Teil der hessischen Familienunternehmen seine Waren<br />

und Dienstleistungen nur im Inland absetzt, teilweise sogar nur in einem engen lokalen<br />

Radius um den Unternehmensstandort. Dies ist allerdings von Wirtschaftszweig<br />

zu Wirtschaftszweig sehr unterschiedlich: So ist im Baugewerbe der Anteil der Unternehmen,<br />

die Umsätze mit dem Ausland tätigen, mit 8 % sehr gering. Da die<br />

Dienstleistung oder die Produktion in der Regel vor Ort erfolgen muss, sind die Exportmöglichkeiten<br />

des Baugewerbes begrenzt. In den Familienunternehmen im Verarbeitenden<br />

Gewerbe hingegen ist der Absatz auf Auslandsmärkten weit verbreitet:<br />

Bereits 66 % bedienen Auslandsmärkte, wobei mit 14 % ein beachtlicher Anteil über<br />

die Hälfte seines Umsatzes mit dem Ausland macht. Lediglich 34 % des Verarbeitenden<br />

Gewerbes sind ausschließlich im Inland tätig. Die entsprechenden Anteilswerte<br />

für den Dienstleistungssektor entsprechen in etwa denen der Familienunternehmen<br />

insgesamt. Es ist also keineswegs so, dass Dienstleistungsanbieter nur auf<br />

das Inland ausgerichtet sind. Handel, Logistik sowie die vielfältigen wissensintensiven<br />

Beratungsdienstleistungen sind Beispiele für grenzüberschreitend tätige Dienstleister.<br />

Wenn auch der Anteil der Unternehmen mit Auslandabsatz mit der Unternehmensgröße<br />

korreliert, so sind durchaus auch Kleinstunternehmen auf Auslandsmärkten<br />

erfolgreich, wie die Befragung zeigt: Hessische Familienunternehmen mit z. B. sieben<br />

Beschäftigten und einem Auslandsumsatz zwischen 25 und 50 % sind zwar keineswegs<br />

die Regel, aber auch keine exotischen Ausnahmen.<br />

Ist für ein Unternehmen bereits die Entscheidung, seine Waren und Dienstleistungen<br />

zu exportieren, trefflich abzuwägen, gilt dies erst recht bei einem Unternehmensstandort<br />

im Ausland. Hierbei handelt es sich um eine ganz andere Dimension<br />

des Auslandsengagements. Ob es eine Vertriebseinrichtung, eine Servicestätte, ein<br />

Joint-Venture mit einem Unternehmen vor Ort oder eine eigene Produktionsstätte ist<br />

– es sind auf jeden Fall erhebliche finanzielle Mittel und auch Humankapital vor Ort<br />

erforderlich. Dementsprechend sind Standorte im Ausland allenfalls eine Domäne<br />

der mittleren Unternehmen (17 %) überwiegend aus dem Verarbeitenden Gewerbe<br />

(12 %), d. h. der stark exportierenden Unternehmen (vgl. Abbildung 6).<br />

Knapp die Hälfte (45 %) der angegebenen ausländischen Standorte befindet sich in<br />

Europa. Es folgt Asien (25 %) vor den USA (17 %) und sonstigen Ländern (13 %).<br />

Etliche der befragten hessischen Familienunternehmen haben Standorte auf mehreren<br />

Kontinenten.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

Abbildung 6: Auslandsstandorte von Familienunternehmen nach Wirtschaftszweigen<br />

und Unternehmensgrößenklassen<br />

Baugewerbe<br />

Handel<br />

Dienstleistungen<br />

(außer Handel)<br />

Verarbeitendes Gewerbe<br />

Insgesamt<br />

Kleinstunternehmen<br />

Kleine Unternehmen<br />

Mittlere Unternehmen<br />

1<br />

1<br />

4<br />

4<br />

5<br />

6<br />

0 5 10 15 20<br />

Anteil in %<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

Unter dem Titel „Neue Märkte – Neue Chancen?! <strong>Hessischer</strong> Mittelstand in Zeiten<br />

von Internationalisierung und EU-Osterweiterung“ wurden die Außenwirtschaftsbeziehungen<br />

des hessischen Mittelstands insgesamt im Hessischen <strong>Mittelstandsbericht</strong><br />

2005 ausführlich thematisiert. 14 Wenn auch nicht alle der dort dargestellten und<br />

analysierten Untersuchungsergebnisse eins zu eins auf Familienunternehmen übertragen<br />

werden können, so sind die Erkenntnisse doch im Wesentlichen auch für<br />

diese gültig. Zu weiterführenden Aspekten zu den Außenwirtschaftsbeziehungen, Internationalisierung<br />

und speziell der Osterweiterung der EU sei deshalb an dieser<br />

Stelle auf den Hessischen <strong>Mittelstandsbericht</strong> 2005 verwiesen.<br />

14 Vgl. Bauer, C. (2005).<br />

12<br />

17<br />

17


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

4 Familienunternehmen: Alter, Eigentum und Unternehmensführung<br />

4.1 Alter<br />

18<br />

Einen Einblick in die Altersstruktur der befragten hessischen Familienunternehmen<br />

– dargestellt anhand der Gründungszeiträume – bietet Abbildung 7, die zudem die<br />

Branche, in der die Unternehmen heute tätig sind, angibt. 15<br />

Abbildung 7: Gründungszeiträume und Branchenzugehörigkeit<br />

2000-<strong>2006</strong><br />

1990-1999<br />

1980-1989<br />

1970-1979<br />

1960-1969<br />

1946-1959<br />

1914-1945<br />

1871-1913<br />

bis 1870<br />

bis 1870<br />

3<br />

6<br />

10<br />

11<br />

10<br />

13<br />

13<br />

17<br />

18<br />

16<br />

19<br />

23<br />

23<br />

23<br />

22<br />

22<br />

29<br />

13<br />

56<br />

20<br />

16<br />

20<br />

23<br />

24<br />

32<br />

19<br />

39<br />

20<br />

23<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Oberer Balken: Im betreffenden Zeitraum gegründete Familienunternehmen<br />

Unterer Balken: Entsprechende Branchenzugehörigkeit<br />

Verarbeitendes Gewerbe Baugewerbe Handel Dienstleistungen (außer Handel)<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

15 Die Abgrenzung der einzelnen Zeiträume ist entnommen aus: Klein, S. B. (2004), S. 111.<br />

20<br />

19<br />

8<br />

29<br />

26<br />

50<br />

28<br />

40<br />

25<br />

37<br />

37<br />

35<br />

24<br />

20<br />

7<br />

8<br />

Anteil in %


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

3 % der befragten, heute noch tätigen hessischen Familienunternehmen wurden bereits<br />

vor dem Kaiserreich, d. h. bis 1870 gegründet. Etwa ein Drittel dieser Unternehmen<br />

hat seinen Ursprung sogar vor der Industrialisierung, kann also auf mehr<br />

als 200 Jahre Unternehmensgeschichte zurückblicken. Zu recht mit Stolz hat einer<br />

der befragten hessischen Unternehmer angegeben, dass er sein Unternehmen mittlerweile<br />

in der neunten Generation führt. Das älteste Unternehmen, das an der Befragung<br />

teilgenommen hat, gibt 1654 als Gründungsjahr an. Ein sehr hohes Alter,<br />

wenngleich es mit dem ältesten Familienunternehmen der Welt, dem japanischen<br />

Bauunternehmen Kongo Gumi (gegründet 578), nicht „konkurrieren“ kann. 16<br />

Weitere 10 % der hessischen Familienunternehmen wurden im Zeitraum 1871-1913<br />

gegründet. Bis zum ersten Weltkrieg waren Familie, Arbeiten und Wohnen zumeist<br />

noch eine Einheit. 17 Diese Strukturen sind heutzutage auch in <strong>Hessen</strong> durchaus<br />

noch in der Landwirtschaft, im Handwerk und im Hotel- und Gaststättengewerbe anzutreffen.<br />

Gründungen dieser Zeit erfolgten vor allem im Handwerk und auch als<br />

Handelsunternehmen. Die damals gegründeten hessischen Familienunternehmen<br />

sind auch heute noch stark mit diesen Wirtschaftszweigen verbunden: So waren<br />

z. B. mehr als die Hälfte der bis 1870 gegründeten Unternehmen zum Zeitpunkt der<br />

Befragung immer noch im Verarbeitenden Gewerbe tätig. Kaum eines der damals<br />

gegründeten Familienunternehmen ist den heute die hessische Wirtschaftsstruktur<br />

prägenden Dienstleistungen (ohne Handel) zuzuordnen.<br />

In der von zahlreichen Umbrüchen gekennzeichneten Phase von 1914 bis 1945<br />

wurden 11 % der befragten, heute noch aktiven Familienunternehmen gegründet.<br />

Damit ist insgesamt knapp ein Viertel der befragten Familienunternehmen älter als<br />

das Bundesland <strong>Hessen</strong> selbst. 13 % wurden von 1946-1959, also in der Zeit des<br />

ausgeprägten deutschen Wirtschaftswunders gegründet und in Zeiten der Vollbeschäftigung<br />

(1960er Jahre) 10 %. Ab den 1970er Jahren (13 %) nehmen dann die<br />

Anteile zu und liegen für die Gründungsperiode von 1980-1989 bei 16 % und für die<br />

Jahre 1990-1999 bei 17 %. 6 % der befragten hessischen Familienunternehmen<br />

stellen Gründungen nach der Jahrtausendwende dar.<br />

Der Frage, ob diese Alterstruktur der Familienunternehmen „jung“ oder „alt“ ist, soll<br />

nicht nachgegangen werden. Letztlich ist auch allein die Leistungsfähigkeit entscheidend<br />

und nicht das Alter. Familienunternehmen sind kein Relikt der Vergangenheit:<br />

Jahrzehnte, ja Jahrhunderte erfolgreich am Markt tätig zu sein, ist vielmehr<br />

Beweis von familiärer wie ökonomischer Beständigkeit, Anpassungsfähigkeit und<br />

Überlebensfähigkeit – ein Beweis, den z. B. viele der am „Neuen Markt“ notierten<br />

Unternehmen schuldig geblieben sind.<br />

16 Vgl. o. V. (2004), S. 10.<br />

17 Vgl. Klein, S.B. (2004). S. 16.<br />

19


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

4.2 Eigentum<br />

20<br />

Die von der Eigentumsbindung ausgehende besondere Motivation gilt als ein wesentlicher<br />

Grund für die Leistungsfähigkeit der Familienunternehmen. 18 So befinden<br />

sich denn auch 89 % der befragten hessischen Familienunternehmen ausschließlich<br />

im Familienbesitz, d. h. die Familie hält 100 % des Eigenkapitals.<br />

Lediglich in 11 % der befragten hessischen Familienunternehmen sind Familienfremde<br />

am Eigenkapital beteiligt, so dass das Eigentum nicht zu 100 % in der Hand<br />

der Familie liegt. Hierbei handelt es sich überwiegend (71 %) um Minderheitsbeteiligungen,<br />

worin sich der Wunsch der Familie nach Autonomie widerspiegelt. Nur in<br />

Ausnahmefällen bzw. gezwungenermaßen treten Familienunternehmen die Mehrheit<br />

an Familienfremde ab. 19 Gründe für die Beteiligung von Familienfremden können<br />

in Motivationsanreizen für Mitarbeiter20 oder in der Notwendigkeit von Wachstumsfinanzierungen<br />

liegen. Bei Familienunternehmen mit Beteiligung familienfremder<br />

Dritter dürfte es sich zu einem Teil aber auch um Unternehmen in einer Übergangsphase<br />

handeln, die sich in Richtung einer Publikumsgesellschaft entwickeln.<br />

Werden ausschließlich die Familienunternehmen betrachtet, die sich zu 100 % im<br />

Familieneigentum befinden (vgl. Abbildung 8), so ist in 37 % der Fälle noch die<br />

Gründergeneration Alleineigentümer des Unternehmens. Insbesondere in dieser<br />

1. Generation ist das Unternehmen primär auf den oder die Gründer21 zugeschnitten<br />

und von ihm bzw. ihnen geprägt. In der 1. Generation gehört das Unternehmen in<br />

der Mehrzahl der Person, die das Unternehmen gegründet hat. 22<br />

Bereits in den Händen der 2. Generation befinden sich 19 %, diese haben folglich<br />

bereits einmal die Unternehmensübergabe – zumindest bezogen auf die Eigenkapitalanteile<br />

– vollzogen. Hierbei zeigt sich, dass mit dem Alter des Unternehmens in<br />

der Regel die Zahl der Gesellschafter zunimmt, etwa durch Heirat, Erbschaft oder<br />

Schenkung. Im Laufe der Unternehmensvita kann auf diese Art und Weise die Zahl<br />

der Eigentümer erhebliche Ausmaße annehmen. 23 Früher oder später kann sich<br />

somit die Frage nach einer Kompensation für weichende Erben stellen. Im Vergleich<br />

zu früheren Zeiten haben sich die rechtlichen Vorgaben zu Erbschaftsregelungen<br />

gewandelt und zielen die gesellschaftlichen Wertevorstellungen zudem auf eine<br />

stärkere Gleichverteilung zugunsten der einzelnen Erben ab. 24 Die übergebende<br />

18 Vgl. Hennerkes, H.-B. (1995), S. 21.<br />

19 Vgl. hierzu ausführlicher Klein, S. B. (2000), S. 106ff u. S. 158ff.<br />

20 Vgl. Wiechers, R. (<strong>2006</strong>), S. 224ff.<br />

21 Z. B. Geschwistergründungen, Ehepartnergründungen oder Partnergründungen (Klassisches Beispiel: Kaufmann bzw.<br />

Betriebswirt und Ingenieur).<br />

22 Vgl. z. B. Klein, S. B. (2004), S. 161.<br />

23 Im Fall des größten deutschen Familienunternehmens, der 250 Jahre alten Haniel-Gruppe, beläuft sich die Anzahl der<br />

Gesellschafter mittlerweile auf mehr als 550 Personen. Vgl. Fröndhoff, B. (<strong>2006</strong>), S. 18.<br />

24 Vgl. Klein, S. B. (2000), S. 38f.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

Generation bestimmt durch ihre Entscheidung über eine geteilte oder ungeteilte<br />

Vererbung mit Auszahlung der Miterben oder über einen Verkauf mit anschließender<br />

Erlösaufteilung die künftige Eigentumsstruktur des Familienunternehmens.<br />

Abbildung 8: 100 %-Eigenkapitalbeteiligung nach Generationen<br />

Mehrere<br />

Generationen<br />

21 %<br />

3., 4. oder<br />

höhere<br />

Generation<br />

23 %<br />

2. Generation<br />

19 %<br />

1.<br />

Generation,<br />

Gründer<br />

37 %<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

In weiteren 23 % der befragten Familienunternehmen wird das Eigenkapital zu<br />

100 % von der 3. oder einer höheren Generation gehalten.<br />

In 21 % der Familienunternehmen ist nicht nur eine Generation am Unternehmen<br />

beteiligt, sondern mehrere (zum überwiegenden Teil zwei) Generationen. 25 Hierbei<br />

dürfte es sich vor allem um Unternehmen handeln, die sich im Nachfolgeprozess<br />

befinden, wobei diese Übergangsphase durchaus viele Jahre dauern kann, wie in<br />

Kapitel 6 noch ausgeführt wird. Mehrheitlich (43 %) hält hier die ältere Generation<br />

noch „das Heft in der Hand“, d. h. sie besitzt die Mehrheit der Anteile. Nur in 31 %<br />

der Fälle entfällt auf die jüngere Generation ein höherer Eigenkapitalanteil als auf<br />

die ältere Generation. In den übrigen Unternehmen (26 %) ist das Eigentum gleichmäßig<br />

auf die Generationen aufgeteilt.<br />

Bei gleichzeitiger Beteiligung mehrerer Generationen, aber auch bei mehreren Gesellschaftern,<br />

entsteht eine gegenseitige Abhängigkeit, die sich nicht nur auf das<br />

gemeinsame Eigentum erstreckt, sondern z. B. auch auf das Unternehmen als ge-<br />

25 Diese Besitzverhältnisse sind nicht zu verwechseln mit den so genannten Mehrgenerationen-Familienunternehmen. Hierunter<br />

werden in der Regel Familienunternehmen verstanden, die bereits seit mehr als drei Generationen existieren. Vgl.<br />

Wimmer, R., Groth, T. u. Simon, F. B. (2004).<br />

21


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

22<br />

meinsamen Arbeitgeber und die wirtschaftliche Abhängigkeit von Ausschüttungen.<br />

Der Einigungsbedarf ist höher und eine Einigung wird zudem durch unterschiedliche<br />

Wertevorstellungen der Generationen erschwert. 26 Insofern bergen derartige Eigentumskonstellationen<br />

ein beachtliches Konfliktpotential für das Familienunternehmen<br />

und gefährden im Extremfall seinen Bestand.<br />

4.3 Unternehmensführung<br />

Dem Eigentümer – sei es ein einzelnes Familienmitglied oder auch mehrere Gesellschafter<br />

– steht kraft Gesetzes die Entscheidung über die Unternehmensführung zu.<br />

Diese wird ungern in die Hände von Familienfremden gelegt: Nur in 5 % der befragten<br />

Familienunternehmen existiert eine so genannte Mischgeschäftsführung, d. h.<br />

neben Familienmitgliedern sind einer oder mehrere familienfremde Geschäftsführer<br />

im Unternehmen tätig. Damit sind – gemessen an der Zahl der Fälle – Familienfremde<br />

in der Leitung des Familienunternehmens von geringerer Bedeutung als deren<br />

ohnehin schon geringe Beteiligung am Eigenkapital des Unternehmens.<br />

Die Befragungsergebnisse zeigen darüber hinaus, dass Fremdmanager tendenziell<br />

bei größeren Familienunternehmen tätig sind, was sicherlich auch mit dem finanziellen<br />

Spielraum zusammenhängen dürfte. Dabei kann es durchaus zweckmäßig sein,<br />

auch in kleinen Familienunternehmen einen Fremdmanager (zeitweise) zu beschäftigen,<br />

nämlich dann, wenn der eigene Nachwuchs noch nicht alt genug für die Übernahme<br />

der Verantwortung ist. Ausschlaggebend für die Integration eines familienfremden<br />

Managers in die Führungsaufgaben sind darüber hinaus oftmals die wachsende<br />

Komplexität der Führungsaufgaben – die eine „Professionalisierung der Führung“<br />

27 erfordert –, familienfremde Miteigner und Anforderungen der Hausbank. 28<br />

Ungeachtet der Chancen, die ein familienfremder Manager mit sich bringen kann,<br />

besteht jedoch aufgrund der Besonderheiten der Familienunternehmen auch Konfliktpotenzial:<br />

Sobald der Fremdmanager in Familienkonflikte gezogen wird oder sich<br />

gar selbst einmischt, ist seine Zeit im Unternehmen in der Regel abgelaufen. 29<br />

In 95 % der befragten hessischen Familienunternehmen ist allerdings kein Familienfremder<br />

an der Geschäftsführung beteiligt. Werden ausschließlich diese Unternehmen<br />

betrachtet (vgl. Abbildung 9), so befindet sich in 39 % der Fälle die Unternehmensleitung<br />

noch in den Händen der Gründergeneration. In den Händen der 2. Generation<br />

liegt die Unternehmensführung bei 23 % der Befragten. Diese hessischen<br />

26 Hierauf weist auch einer der befragten hessischen Familienunternehmer hin, wenn er aus eigener Erfahrung konstatiert,<br />

dass die 2. Generation eine andere Denkweise habe. Falsche Entscheidungen für die Zukunft und Konflikte mit der<br />

3. Generation seien die Folge.<br />

27 Klein, S. B. (2004), S. 247.<br />

28 Vgl. ausführlicher Klein, S. B. (2000), S. 214ff u. S. 243ff.<br />

29 Vgl. Hennerkes, B.-H. (2004), S. 176f.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

Familienunternehmen haben bereits einen Generationswechsel – zumindest bezogen<br />

auf die Unternehmensleitung – erfolgreich vollzogen. In 25 % der Fälle führt<br />

mindestens bereits die 3. Generation das Unternehmen, wobei nach oben zumindest<br />

theoretisch keine Grenzen gesetzt sind, wie bereits in Kapitel 4.1 aufgezeigt<br />

wurde. Schließlich lenkt in 13 % der Familienunternehmen mehr als eine Generation<br />

gleichzeitig die Geschicke des Unternehmens. In der Regel handelt es sich hierbei<br />

um Unternehmen in einem gleitenden Nachfolgeprozess, so dass Senior (noch) und<br />

Junior (schon) geschäftsführend tätig sind. Vereinzelt sind auch „exotische“ Konstellationen<br />

anzutreffen, wie z. B. gemeinsame Geschäftsführung von 1. und 3. Generation<br />

oder auch drei Generationen in der Geschäftsführung vereint. Im Vergleich zur<br />

Beteiligung am Eigenkapital (21 %, vgl. Abbildung 8) sind mehrere Generationen in<br />

der Geschäftsführung deutlich seltener (13 %) anzutreffen. Das Interesse sowie die<br />

Befähigung über die Unternehmensbeteiligung hinaus eine Funktion in der Führung<br />

wahrzunehmen, spielt hierbei eine wichtige Rolle.<br />

Abbildung 9: Alleinige Unternehmensführung nach Generationen<br />

3., 4. oder<br />

höhere<br />

Generation<br />

25 %<br />

Mehrere<br />

Generationen<br />

13 %<br />

2. Generation<br />

23 %<br />

1.<br />

Generation,<br />

Gründer<br />

39 %<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

1<br />

23


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

5 Standortbindung des Familienunternehmens<br />

sowie des Familienunternehmers<br />

5.1 Standortbindung insgesamt – „Verwurzelung“ mit dem Standort<br />

24<br />

Familienunternehmen gelten im Gegensatz zu managementgeführten Großunternehmen<br />

als stark mit ihrem Unternehmensstandort verbunden. Gerade mit Familienunternehmen<br />

werden Charakteristika wie Tradition, lokale Verbundenheit, eine<br />

hohe Verantwortung für die Mitarbeiter sowie gesellschaftliches und soziales Engagement<br />

assoziiert. Familienunternehmen sind idealtypisch eingebettet in regionale<br />

Milieus und auch emotional sehr mit der Region verwurzelt, aus der sie stammen. In<br />

Zeiten von Massenentlassungen in Großkonzernen sind es die Familienunternehmen,<br />

denen die Balance zwischen Gewinnen und Arbeitsplätzen zugeschrieben<br />

wird, die sich dabei durch eine hohe Standorttreue auszeichnen sollen und denen<br />

darüber hinaus noch die Stärkung und Profilierung des jeweiligen Wirtschaftsstandorts<br />

mit seiner regionalen und lokalen Kultur ein Anliegen ist. Kurzum – sie tragen<br />

wesentlich zu „stabilen Verhältnissen“ bei.<br />

Die Befragungsergebnisse hessischer Familienunternehmen belegen die ausgeprägte<br />

Bindung der Familienunternehmen an ihren Standort. Sie geben darüber hinaus<br />

Hinweise auf mögliche zukünftige Veränderungen. Zunächst wurde den Unternehmern<br />

die Frage gestellt, inwieweit sie ihr Unternehmen bzw. sich selbst als mit<br />

dem Standort „verwurzelt“ – auf einer Skala von eins („sehr stark“) bis sieben („überhaupt<br />

nicht“) – bezeichnen würden.<br />

Knapp die Hälfte der befragten hessischen Familienunternehmen, nämlich 46 %,<br />

gibt an, dass sie sich mit ihrem Standort sehr stark verwurzelt fühlt. Werden noch<br />

diejenigen Unternehmen hinzugezählt, die eine starke Verwurzelung angeben<br />

(29 %), so attestieren drei Viertel der befragten hessischen Familienunternehmer<br />

eine ausgeprägte Verbindung zu ihrem Standort. Lediglich 2 % der Unternehmen<br />

bezeichnen sich als überhaupt nicht lokal verwurzelt. Dieses Ergebnis der Befragung<br />

untermauert in beeindruckender Weise auch für <strong>Hessen</strong> die These, dass Familienunternehmen<br />

eine hohe Bindung zu ihrem heimischen Standort haben.<br />

Im Branchenvergleich stuft sich insbesondere das Baugewerbe als sehr stark lokal<br />

verbunden ein. Eine überdurchschnittlich starke Beziehung zum Standort ist zudem<br />

bei den kleineren Familienunternehmen festzustellen. Von signifikantem Einfluss ist<br />

ebenfalls das Gründungsjahr: Je älter ein Unternehmen ist, d. h. in der Regel, je<br />

mehr Generationen einer Familie das Unternehmen geleitet und geprägt haben,<br />

desto stärker ist die Verwurzelung mit dem Standort. Mithin am lockersten sind die<br />

Bande mit dem heimischen Standort bei Familienunternehmen, die stark international<br />

ausgerichtet sind – sei es durch einen hohen Anteil des Auslandsgeschäftes und


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

bzw. oder Standorte im Ausland. 30 Die Internationalisierung zunehmend auch der<br />

Familienunternehmen dürfte deshalb eine weitere Lockerung der Standortverwurzelung<br />

zur Folge haben. Das heißt allerdings nicht zwangsläufig, dass das Unternehmen<br />

völlig die Bindung verliert, wie in Kapitel 5.2 noch erläutert wird.<br />

Doch auch die Tertiärisierung, also der wirtschaftliche Strukturwandel weg von der<br />

Herstellung hin zu den Dienstleistungen, kann ein Nachlassen der Standortbindung<br />

bewirken. In der jüngeren Vergangenheit sind besonders in <strong>Hessen</strong> viele wissensbasierte,<br />

unternehmensnahe Dienstleistungsunternehmen gegründet worden. Speziell<br />

für diese Unternehmen wird konstatiert: „Die zu erwartende Unternehmensbiographie<br />

läuft nicht mehr wie früher auf ein generationenübergreifendes Lebenswerk<br />

hinaus, sondern beschränkt sich bestenfalls auf eine Generation, häufig sogar auf<br />

einen wesentlich kürzeren Zeitraum.“ 31 Dies ist auch Ausdruck hoher Flexibilität,<br />

veränderter Arbeitsorganisation (z. B. Projektarbeit in wechselnden Teams) und<br />

ausgeprägter Anpassungsfähigkeit an die sich dynamisch wandelnden Märkte. Eine<br />

enge Bindung zum Standort und ein ausgeprägtes Verständnis als Familienunternehmen<br />

dürften sich unter diesen Voraussetzungen allerdings nur schwerlich entwickeln.<br />

Darüber hinaus ermöglichen die modernen Informations- und Kommunikationssysteme<br />

insbesondere diesen Dienstleistern höhere Freiheitsgrade in der<br />

Standortwahl32 – und damit auch eine vergleichsweise leichte Verlagerung an andere<br />

Standorte innerhalb oder außerhalb <strong>Hessen</strong>s.<br />

5.2 Einzelne Aspekte der Standortbindung<br />

Der Verwurzelung in der Standortgemeinde liegen vielfältige ökonomische wie auch<br />

persönliche Bestimmungsfaktoren zugrunde und diese drückt sich in zahlreichen<br />

Aktivitäten aus, von denen nachfolgend einige wichtige näher beleuchtet werden<br />

(vgl. Abbildung 10).<br />

30 Die Standortverwurzelung fällt auch bei denjenigen Familienunternehmen deutlich geringer aus, in denen Familienfremde<br />

Mitglied der Geschäftsführung sind. Die Zahl dieser Unternehmen in der Stichprobe ist jedoch zu klein, um hieraus belastbare<br />

Aussagen ableiten zu können.<br />

31 Mittelstandsbeirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2000), S. 3.<br />

32 Vgl. hierzu ausführlicher Bauer, C. (2001), S. 70ff.<br />

25


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

26<br />

Abbildung 10: Einzelne Aspekte der Standortbindung<br />

Sind wichtige Kunden und / oder Zulieferer in der Region<br />

ansässig?<br />

Stammen Ihre Mitarbeiter überwiegend aus der Region?<br />

Engagiert sich Ihr Unternehmen in der Region als Sponsor /<br />

Förderer z.B. im Bereich der Kultur, des Sports o.ä.?<br />

Sind Sie in Vereinen, Gremien etc. in der Standortgemeinde<br />

(ehrenamtlich) engagiert?<br />

Liegt Ihr Wohnort in der Standortgemeinde oder der näheren<br />

Umgebung?<br />

Liegt Ihr Geburtsort in der Standortgemeinde oder der<br />

näheren Umgebung?<br />

52<br />

66<br />

72<br />

78<br />

96<br />

ja nein<br />

95<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

Der Hessische <strong>Mittelstandsbericht</strong> 2005 hat gezeigt33 , dass die mittelständischen<br />

hessischen Unternehmen im Durchschnitt 39 % ihres Umsatzes im lokalen Bereich<br />

erzielen. Insgesamt 68 % des Umsatzes entfallen auf einen Radius bis etwa 100 km<br />

um den Unternehmenssitz. Für die Bindung des Unternehmens an den Standort<br />

sind diese Kunden- und Lieferantenbeziehungen, die oft über Jahrzehnte hinweg<br />

gewachsen sind, von großer Bedeutung. Für 66 % der befragten Familienunternehmen<br />

sind wichtige Kunden und bzw. oder Zulieferer in der Region ansässig.<br />

Wird nach unterschiedlichen Branchen differenziert, so geben 92 % der Familienunternehmen<br />

aus dem Baugewerbe an, dass wichtige Kunden bzw. Zulieferer ihren<br />

Sitz in der Region haben, 60 % der Befragten aus der Industrie, 78 % der Handelsunternehmen<br />

und 82 % der Familienunternehmen aus dem Dienstleistungsbereich.<br />

Wiederum sind es die Familienunternehmen aus dem Baugewerbe, die die stärkste<br />

33 Vgl. Bauer, C. (2005), S. 24ff.<br />

48<br />

34<br />

28<br />

22<br />

4<br />

5


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

regionale Verflechtung aufweisen, während sich bei der Industrie die oftmals ausgeprägte<br />

Auslandsorientierung bemerkbar macht. Von den Familienunternehmen, die<br />

sich sehr stark mit dem Standort verwurzelt fühlen, haben gar 90 % wichtige Zulieferer<br />

bzw. Kunden in der Region. Dies trifft lediglich auf 40 % der Unternehmen zu,<br />

die nur eine lockere oder gar keine Bindung zum Standort aufweisen – und zeigt<br />

den Zusammenhang zwischen Absatz- und Beschaffungsverflechtungen auf der einen<br />

Seite und Standortbindung auf der anderen Seite auf.<br />

Noch deutlicher wird die regionale Verbundenheit der Familienunternehmen anhand<br />

der Herkunft ihrer Mitarbeiter. 96 % der befragten Unternehmen geben an, ihre<br />

Belegschaft stamme überwiegend aus der Region. Hierbei spielt es keine Rolle, ob<br />

das Unternehmen der Industrie, dem Baugewerbe oder dem Dienstleistungsbereich<br />

angehört. Diese Präferenz für Mitarbeiter aus dem regionalen Umfeld dürfte zum einen<br />

mit über viele Jahre gewachsenen persönlichen Beziehungen und Verflechtungen<br />

in Wirtschaft und Gesellschaft zu tun haben – „man kennt sich“, informiert über<br />

zu besetzende Stellen und hilft sich gegenseitig. Nicht selten haben Beschäftigte<br />

und Familienunternehmer gemeinsam die Schule besucht oder sind Mitglieder im<br />

gleichen Sportverein. Zum anderen dürfte die vorwiegend regionale Rekrutierung<br />

der Mitarbeiter auch damit zusammenhängen, dass Familienunternehmen in der<br />

Regel Ausbildungsbetriebe in ihrer Region sind und sich ihre neuen Mitarbeiter auf<br />

diese Weise selbst heranziehen.<br />

Von großer Bedeutung für die Verwurzelung ist ebenfalls der Geburtsort des Familienunternehmers.<br />

Für 72 % aller Befragten ist der Unternehmensstandort auch der<br />

Geburtsort, was naturgemäß eine hohe Identifikation mit dem Standort bewirkt, die<br />

auch auf das Unternehmen ausstrahlt. Bei den Unternehmen, die sich explizit als<br />

Familienunternehmen verstehen, liegt dieser Wert mit 74 % noch etwas höher, bei<br />

den „übrigen“ Familienunternehmen beträgt er hingegen nur 52 %. 34 Von erheblichem<br />

Einfluss ist das Alter der Unternehmen: Bei 92 % der hessischen Familienunternehmen,<br />

die zwischen 1871-1913 gegründet wurden – also bereits auf mehrere<br />

Generationen Unternehmensvita zurückblicken können – ist der Geburtsort des Familienunternehmers<br />

zugleich der Sitz seines Unternehmens. Es war früher üblich, in<br />

seinem Geburtsort, sei es im eigenen Haus oder im Hinterhof, sein Unternehmen –<br />

zumeist aus dem gewerblichen Bereich – zu gründen. Verlief die Geschäftsentwicklung<br />

positiv, so dass eine Erweiterung erforderlich wurde, fand früher oder später<br />

der Umzug in ein Gewerbegebiet am Gemeinderand statt. Wie die Untersuchungsergebnisse<br />

zeigen, blieben Unternehmer und Unternehmen dem Geburtsort treu.<br />

Gerade bei den Unternehmen, die schon lange in Familienbesitz sind, fallen Geburts-<br />

und Wohnort sowie Unternehmensstandort zusammen. Dieser enge Zusammenhang<br />

zwischen Geburtsort des Familienunternehmers und Unternehmens-<br />

34 Sind familienfremde Manager in der Geschäftsführung tätig, sinkt der Wert auf unter 50 %. Aufgrund einer zu geringen<br />

Klassenbesetzung sollte dieses Ergebnis jedoch mit Vorsicht interpretiert werden.<br />

27


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

28<br />

standort unterscheidet auch Unternehmensgründungen von Unternehmensansiedlungen.<br />

Damit ist keine Aussage über den wirtschaftlichen Erfolg verbunden. Gründungen<br />

dürften jedoch aufgrund der persönlichen Bindung des Unternehmers eine<br />

deutlich höhere Standortpersistenz aufweisen. Je jünger das Unternehmen ist, desto<br />

weniger besteht die Kopplung von Geburtsort und Unternehmenssitz. So wurden<br />

nur noch 58 % der nach 1980 gegründeten Unternehmen am Geburtsort des Familienunternehmers<br />

gegründet. Es ist also im Zeitablauf eine klare Lockerung im Verhältnis<br />

zwischen Geburtsort und Unternehmenssitz festzustellen35 – und damit eine<br />

geringere Identität mit dem Standort und somit vermutlich auch eine geringere<br />

Standorttreue.<br />

Im Vergleich zum Geburtsort zeigen sich beim Wohnort kaum nennenswerte Abweichungen<br />

je nach Alter, Größe oder Branche des Unternehmens. Nahezu alle<br />

Familienunternehmer (95 %) wohnen auch in der Standortgemeinde oder in der näheren<br />

Umgebung. Lediglich bei den jüngeren Unternehmen ist eine etwas höhere<br />

Bereitschaft für längere Anfahrtswege festzustellen, hier wohnen „nur“ 90 % der Unternehmer<br />

in der Nähe des Unternehmenssitzes.<br />

Das ehrenamtliche Engagement von Unternehmen und Bürgern in und für ihre<br />

Region (z.B. im sozialen oder kulturellen Bereich) gewinnt zunehmend an Bedeutung.<br />

Privates Sponsoring für soziale Zwecke, für Kultur oder auch für den Sport<br />

wird immer wichtiger, um einerseits eine gewisse „Grundversorgung“ für die Einwohner<br />

„seiner“ Gemeinde zu gewährleisten und um andererseits die Attraktivität<br />

des Unternehmensstandorts zu steigern (z. B. um Mitarbeiter zu gewinnen). Vor<br />

dem Hintergrund des demografischen Wandels, d. h. dem Rückgang der Bevölkerung<br />

mit einem steigenden Anteil älterer Menschen, erlangt dies vor allem in ländlichen<br />

Regionen <strong>Hessen</strong>s Bedeutung.<br />

Die Befragung der hessischen Familienunternehmen verdeutlicht das große Engagement<br />

dieser Unternehmen bzw. der Unternehmer sowohl im Hinblick auf ehrenamtliche<br />

Tätigkeiten als auch als Sponsor bzw. Mäzen. 52 % sind in ihrer Standortgemeinde<br />

ehrenamtlich engagiert – ein erstaunlich hoher Wert, der im Baugewerbe<br />

mit 62 % nochmals höher liegt. Je älter das Familienunternehmen ist, desto ausgeprägter<br />

ist dieses Engagement – sei es nun in Vereinen, in der Kirchengemeinde,<br />

Parteien, Verbänden, IHK oder Handwerkskammer usw.. Bei den Familienunternehmen,<br />

die sich selbst als solche bezeichnen, ist der Anteil derer, die sich ehren-<br />

35 Es würde den Rahmen des vorliegenden Berichts sprengen, dieses regionalwirtschaftlich interessante Thema ausführlich<br />

zu beleuchten. Zwei mögliche Erklärungen für diese Entwicklung sind: Erstens könnte eine höhere Mobilität bewirken,<br />

dass zum Zeitpunkt der Gründungsentscheidung der Gründer nicht mehr am Geburtsort wohnhaft ist, sondern z. B. am<br />

Ausbildungsort. Der Unternehmenssitz ist dann z. B. der Standort der Hochschule. Zweitens könnte die Standortwahl<br />

bewusster stattfinden – bereits bei der Gründung oder in späteren Phasen der Unternehmensvita (z. B. aufgrund veränderter<br />

Standortfaktoren, schwierigerer wirtschaftlicher Situation).


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

amtlich engagieren, mit 55 % erheblich höher als bei den „übrigen“ Familienunternehmen<br />

(32 %).<br />

Ein noch größerer Anteil der Familienunternehmen ist in der Region als Sponsor,<br />

Förderer bzw. Mäzen im Bereich Soziales, Kultur, Sport o.ä. aktiv: 66 % der Befragten,<br />

wobei wiederum im Baugewerbe das gesellschaftliche Engagement mit 76 %<br />

besonders stark ausgeprägt ist. Kleinere Familienunternehmen treten seltener als<br />

Sponsoren auf, was auf den geringeren finanziellen Spielraum zurückzuführen sein<br />

dürfte. Wie bereits beim Ehrenamt ist auch beim Sponsoring das Engagement derjenigen<br />

Familienunternehmen, die sich auch als solche verstehen, größer (76 %) als<br />

bei den „übrigen“ Familienunternehmen (47 %). Aus der Befragung geht auch hervor,<br />

dass ehrenamtliches Engagement und Sponsoring meist Hand in Hand gehen:<br />

Familienunternehmer, die ein Ehrenamt innehaben, betätigen sich oft auch als<br />

Sponsor und umgekehrt.<br />

Wie der 2. Hessische Kulturwirtschaftsbericht ausführt, 36 unterstützen die Unternehmen<br />

in der Mehrzahl Sportveranstaltungen und das Vereinswesen in ihrer Region.<br />

Sie sind aber auch im kulturellen Bereich aktiv oder engagieren sich für soziale<br />

Projekte, für Wissenschaft und Umwelt. Mit diesem Einsatz bringen die Familienunternehmen<br />

nicht nur ihre Bindung zum örtlichen gesellschaftlichen Leben zum Ausdruck,<br />

sondern können gleichzeitig auch ihre oft aus dem gleichen Ort oder der Region<br />

stammenden Kunden ansprechen. Insofern ist die Unterstützung und Förderung<br />

für Familienunternehmen oft ein wichtiger Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Das Engagement erfolgt aber durchaus auch unabhängig von der Möglichkeit den<br />

Bekanntheitsgrad des Unternehmens zu steigern.<br />

Dass die eingangs genannten Tugenden der Familienunternehmen „zum Mythos<br />

verklärt worden“ 37 seien, ist sicherlich überspitzt formuliert. Die Familienunternehmen<br />

mit ihren vielfältigen regionalen Verflechtungen und ihrer ausgeprägten Standortverbundenheit<br />

spielen zweifellos eine entscheidende Rolle in der regionalen Wirtschaft<br />

und im regionalen gesellschaftlichen Leben. Ebenso unstrittig ist es allerdings,<br />

dass auch hessische Familienunternehmen Personal entlassen mussten,<br />

durch Großunternehmen übernommen wurden oder der intensive Wettbewerb auch<br />

Familienunternehmen zur Verlagerung von Produktionskapazitäten ins Ausland<br />

zwang.<br />

Dennoch werden Verlagerungen, Übernahmen und Fusionen in der öffentlichen<br />

Diskussion noch überwiegend mit überregional und international agierenden großen<br />

Unternehmen verbunden sowie mit Unternehmen, die sich in ausländischer Hand<br />

befinden und deren unternehmensstrategische Entscheidungen häufig global erfol-<br />

36 Vgl. Piesk, S. u. Giebel, R. (2005), S. 40ff.<br />

37 So Dunsch, J. (2005), S. 11.<br />

29


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

30<br />

gen. Inzwischen sind allerdings auch Familienunternehmen zunehmend Objekt von<br />

Betriebsübernahmen geworden. Wohl kaum der „Handwerksbetrieb um die Ecke“,<br />

aber florierende Familienunternehmen, die international gut aufgestellt sind, wecken<br />

durchaus das Interesse von Investoren. Gerade wenn die Nachfolge im Betrieb nicht<br />

geregelt ist, dürfte die Übernahme von Familienunternehmen durch Investoren zukünftig<br />

verstärkt der Fall sein. 38 Bereits heute ist es keineswegs eine Ausnahme,<br />

wenn sich ein dem Firmennamen nach wie ein alteingesessenes Familienunternehmen<br />

klingendes hessisches Unternehmen anhand des englischsprachigen Internetauftritts<br />

beispielsweise als Tochter eines schwedischen Unternehmens entpuppt,<br />

welches wiederum mehrheitlich einem US-amerikanischen Konzern gehört.<br />

Strategische Entscheidungen werden dann in der Regel nicht mehr vor Ort getroffen,<br />

was letztlich den hessischen Standort insgesamt in Frage stellen kann.<br />

38 Inwieweit Private-Equity-Unternehmen bei der im vorliegenden <strong>Mittelstandsbericht</strong> betrachteten Unternehmensgröße (bis<br />

249 Mitarbeiter, bis 50 Millionen Umsatz) hierbei ein Rolle spielen, ist unklar. Der Kauf von Familienunternehmen durch<br />

Private-Equity-Unternehmen wird zumindest in jüngster Zeit verstärkt diskutiert. Vgl. z. B. o. V. (<strong>2006</strong>b).


6 Nachfolge im Familienunternehmen<br />

6.1 Einführung<br />

<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

Ein wesentliches Element zur langfristigen Sicherung des Unternehmensbestands in<br />

<strong>Hessen</strong> und der damit verbundenen Arbeitsplätze ist die erfolgreiche Gestaltung der<br />

Unternehmensübergabe an einen geeigneten Nachfolger. Bei der Nachfolgeregelung<br />

handelt es sich um eine der komplexesten Aufgaben, die das Familienunternehmen<br />

im Laufe seiner Vita – evtl. sogar mehrmals – zu lösen hat. Sie stellt häufig<br />

eine Zäsur in der Unternehmensgeschichte dar, erfordert die Lösung unternehmerischer<br />

Fragen und das Treffen persönlicher Entscheidungen, geht möglicherweise<br />

mit einer Änderung von familiären Strukturen einher und hat nicht selten auch eine<br />

Katalysatorfunktion in dem Sinne, dass im Laufe der Jahre im Unternehmen oder in<br />

der Unternehmerfamilie angesammeltes Konfliktpotenzial an der Nachfolgefrage<br />

aufbricht. 39 Eine Vielzahl von Hürden ist auf dem Weg zu einem erfolgreichen Generationswechsel<br />

zu bewältigen, an denen viele Unternehmen scheitern. Zu den häufigsten<br />

Übergabefehlern gehören Finanzierungsfehler, steuerliche Fehlentscheidungen,<br />

eine unzureichende Beurteilung rechtlicher Fragen und die Unterschätzung der<br />

psychologischen Komponente. 40 Mit Letzterem ist insbesondere das „Loslassen“<br />

des Seniors gemeint, welches diesem häufig so schwer fällt, dass Konflikte mit dem<br />

Nachfolger vorprogrammiert sind. Die Schwierigkeiten einer adäquaten Nachfolgeregelung<br />

und die Gefahr für die Erfolgs- und Überlebensaussichten eines Familienunternehmens<br />

aufgrund des Generationswechsels bringt der Volksmund auf den<br />

Punkt: „Der Vater erstellt´s, der Sohn erhält´s, den Enkeln zerfällt´s.“<br />

Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich das nachfolgende Kapitel 6.2 mit der aktuellen<br />

Bedeutung von Unternehmensnachfolgen für <strong>Hessen</strong>, d. h. mit der Frage, in<br />

welchem Ausmaß und in welchem Zeithorizont hessische Familienunternehmen<br />

voraussichtlich zur Übergabe anstehen.<br />

Kapitel 6.3 untersucht, welche der möglichen Nachfolgelösungen von Seiten der<br />

hessischen Familienunternehmer angestrebt werden.<br />

Die von vielen Familienunternehmern traditionell gewünschte Übergabe des Unternehmens<br />

an den Nachwuchs erweist sich allerdings häufig als nicht realisierbar. Mit<br />

den Ursachen hierfür beschäftigt sich Kapitel 6.4.<br />

Die Vorbereitungen der Unternehmen und der Nachfolger auf die Unternehmensübergabe<br />

sowie die wesentlichen Elemente für eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge<br />

sind Gegenstand des Kapitels 6.5.<br />

39 Hierauf verweist insbesondere Klein, S. B. (2004), S. 313ff.<br />

40 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (Hrsg.) (2005), S. 4.<br />

31


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

32<br />

Aufgrund der Komplexität des Nachfolgeprozesses sowie des großen gesellschaftlichen<br />

und politischen Interesses an einer erfolgreichen Übergabe existieren zahlreiche<br />

unterstützende Angebote, um die Erfolgschancen zu erhöhen. Der Nutzen dieser<br />

externen Leistungen aus Sicht der befragten Familienunternehmen ist Gegenstand<br />

von Kapitel 6.6.<br />

Der speziellen Problematik der Erbschaftsteuer, die zurzeit besonders intensiv diskutiert<br />

wird, ist das abschließende Kapitel 6.7 gewidmet.<br />

6.2 Unternehmensnachfolge – Bedeutung für <strong>Hessen</strong><br />

Welche Bedeutung hat die Thematik der Unternehmensnachfolge für <strong>Hessen</strong>, d. h.<br />

ist in den nächsten Jahren möglicherweise jedes fünfte hessische Familienunternehmen<br />

betroffen? Oder ist es gar jedes Zweite? Stellt sich die Frage des Generationenwechsels<br />

je nach Wirtschaftszweig in unterschiedlichem Ausmaß?<br />

Unter Nachfolge wird im Folgenden – wie in der Literatur weitestgehend einheitlich –<br />

im Wesentlichen sowohl die Übertragung der Führungsfunktion als auch des Eigentums<br />

verstanden, wobei die Übergabe des Eigentums unentgeltlich durch Schenkung<br />

oder Vererbung bzw. entgeltlich erfolgen kann. Der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs<br />

kann vor, während oder nach der Übernahme der Unternehmensleitung<br />

stattfinden. Auch die Schließung des Unternehmens ist im weiteren Sinne eine der<br />

Möglichkeiten, das Nachfrageproblem (negativ) zu lösen.<br />

Zunächst wurden die Familienunternehmen befragt, zu welchem Zeitpunkt die Übergabe<br />

von Leitung und Eigentum erfolgt sein soll. Damit liegen auf breiter Basis stehende<br />

Ergebnisse über das Ausmaß der Unternehmensnachfolge in <strong>Hessen</strong> vor,<br />

die auf den Aussagen der Unternehmer selbst beruhen – und damit sozusagen „aus<br />

erster Hand“ sind. 41 Dass sich die Absichten der betreffenden Familienunternehmer<br />

nicht immer in der geplanten Form und zum intendierten Zeitpunkt realisieren lassen,<br />

liegt in der Natur der Sache. Hierbei sind zwei gegenläufige Effekte zu beachten:<br />

Zum einen können Schwierigkeiten die Unternehmensnachfolge verzögern,<br />

zum anderen können unvorhersehbare Ereignisse wie z. B. Tod, Streit in der Familie,<br />

Krankheit oder Ehescheidung ein Vorziehen der Nachfolge erfordern.<br />

41 Den Berechnungen zur Unternehmensnachfolge des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn (IfM) – vgl. Freund, W.<br />

(2004), S. 57ff – liegt ein abweichender Ansatz zugrunde. Hier werden insbesondere Angaben der amtlichen Statistik herangezogen<br />

und diese mit empirischen Befunden aus unterschiedlichen Befragungen verknüpft. Aktuelle hessenspezifische<br />

Informationen fließen in die Ergebnisse des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn allerdings nicht ein.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

Abbildung 11: Unternehmensübertragungen bei hessischen Familienunternehmen<br />

Beabsichtigen Sie das Unternehmen in absehbarer Zeit zu<br />

übergeben, d.h. sowohl die Unternehmensführung abzugeben<br />

als auch das Eigenkapital zu übertragen?<br />

Nein, da<br />

Nachfolge bereits<br />

innerhalb der<br />

letzten 5 Jahre<br />

17 %<br />

Ja, bis 2010<br />

24 %<br />

Nein, Nachfolge ist<br />

noch kein Thema<br />

33 %<br />

Ja, bis 2015<br />

26 %<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

24 % der befragten hessischen Familienunternehmer, d. h. fast jedes vierte Unternehmen,<br />

will bis zum Jahr 2010 die Nachfolge gelöst haben und damit sowohl die<br />

Unternehmensleitung als auch das Eigentum abgetreten haben (vgl. Abbildung 11).<br />

Dieses Ergebnis zeigt die beachtliche Dynamik, die in den nächsten Jahren in <strong>Hessen</strong><br />

zu erwarten ist. Die Mehrzahl der Übertragungen wird sicherlich mehr oder weniger<br />

friktionslos vonstatten gehen. Allerdings ist auch nicht jedes Unternehmen<br />

übertragbar. Insofern sind ein gewisser Abgang „alter“ Unternehmen und deren<br />

Ersatz durch Neugründungen durchaus natürliche Vorgänge in einer innovativen<br />

Volkswirtschaft wie <strong>Hessen</strong>. Scheitert eine Unternehmensnachfolge jedoch ausschließlich<br />

an Übergabeschwierigkeiten oder finden wettbewerbsfähige Unternehmen<br />

keine Nachfolger, so werden Wissen, Kapital und Arbeitsplätze vernichtet. Dies<br />

kann insbesondere in strukturschwächeren Regionen negative Auswirkungen über<br />

das Unternehmen hinaus induzieren. Unter den Familienunternehmen, die bis zum<br />

Jahr 2010 den Wechsel vollzogen haben wollen, befinden sich viele Unternehmen,<br />

die in den 1970er Jahren gegründet wurden. Zu einem beachtlichen Teil ist der<br />

Nachfolgeprozess schon im Gange, wie die Verteilung von Eigentum und Führung<br />

zeigt: In nur 40 % der Fälle befinden sich Geschäftsführung und Eigentum noch zu<br />

100 % im Besitz des Gründers. Oft ist die nachfolgende Generation bereits an Eigentum<br />

oder Unternehmensleitung beteiligt, wie die Ergebnisse des Kapitels 4 zei-<br />

33


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

34<br />

gen. Die „Wachablösung“ dieser hessischen Gründergeneration ist also bereits in<br />

vollem Gange.<br />

Weitere 26 % der hessischen Familienunternehmer beabsichtigen die Übergabe ihres<br />

Unternehmens bis zum Jahr 2015. Hierunter befinden sich viele Unternehmen,<br />

die in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts gegründet wurden. Aufgrund des<br />

Zeithorizonts von etwa zehn Jahren ist hierbei die Unsicherheit größer als bei einem<br />

Betrachtungszeitraum von circa fünf Jahren.<br />

Zusammengefasst wird damit – insofern sich die Intentionen der befragten Familienunternehmer<br />

realisieren – in den nächsten circa 10 Jahren in etwa der Hälfte der<br />

hessischen Familienunternehmen die Übergabefrage zu klären und die Unternehmensnachfolge<br />

zu vollziehen sein.<br />

In 17 % der hessischen Familienunternehmen fand erst innerhalb der letzten fünf<br />

Jahre ein Generationswechsel statt, so dass sich die Nachfolgefrage erst wieder in<br />

vielen Jahren stellen dürfte. Auffällig ist der überdurchschnittlich hohe Anteil der<br />

Familienunternehmen aus dem Baugewerbe, die innerhalb der letzten Jahre die<br />

Nachfolge vollzogen haben. 42 Die seit Jahren andauernde Krise im Baugewerbe –<br />

wenn auch in den letzten Monaten in <strong>Hessen</strong> wieder erste Lichtblicke gesehen werden43<br />

– wird hierbei eine Rolle gespielt haben. Neben Schließungen und vielen Neugründungen<br />

von Kleinstunternehmen dürfte manch ein Familienunternehmen an Externe<br />

oder an Mitarbeiter verkauft worden sein oder eine Neuausrichtung des Geschäftsfeldes44<br />

wurde im Zuge eines (vorgezogenen) Generationswechsels vollzogen.<br />

Die verbleibenden 33 % der befragten Familienunternehmen haben sich noch nicht<br />

mit dem Thema der Nachfolge befasst und haben dies auch in den nächsten Jahren<br />

nicht vor, da noch von einem längeren Verbleib des derzeitigen Unternehmers ausgegangen<br />

wird. Vielfach handelt es sich dabei um die erste Generation von Unternehmern<br />

bzw. um Unternehmen, die erst nach 1990 gegründet wurden. 45<br />

In einer beachtlichen Anzahl von hessischen Familienunternehmern stellt sich die<br />

Frage der Nachfolge bereits frühzeitig. So haben 14 % der 1990 und später gegründeten<br />

hessischen Familienunternehmen die Absicht, bis zum Jahr 2010 das Unternehmen<br />

zu übergeben; bis zum Jahr 2015 wollen dies 20 % tun. In 5 % dieser jungen<br />

Unternehmen hat sogar bereits eine Nachfolge stattgefunden. Hierbei wird es<br />

42 Dies korrespondiert mit einem relativ geringen Anteil von Bauunternehmen, die bis zum Jahr 2010 bzw. bis zum Jahr<br />

2015 ihr Unternehmen übergeben wollen.<br />

43 Vgl. z. B. Lomen, R. (<strong>2006</strong>), S. 74.<br />

44 Vgl. Stiepelmann, H. (2005), S. 8f.<br />

45 So etwa die Anmerkung eines hessischen Familienunternehmers auf dem Fragebogen: „Ich bin 31 Jahre alt und habe<br />

mein Unternehmen erst vor einem halben Jahr gegründet. Da denkt man noch nicht an die Nachfolge!“


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

sich sicherlich nur zu einem Teil um Familienunternehmer handeln, die erst in reifen<br />

Jahren ihr Unternehmen gegründet haben – von einem derartigen Gründungsboom<br />

in den 1990er Jahren ist zumindest nichts bekannt. Wirtschaftliche Gründe dürften<br />

eher eine Rolle spielen – und zwar in doppelter Hinsicht: Gerät das Unternehmen in<br />

Schwierigkeiten, wird über einen Verkauf ebenso nachgedacht, wie manch ein Unternehmer<br />

in guten Zeiten sein prosperierendes Unternehmen „versilbern“ möchte.<br />

Die Untersuchungsergebnisse geben insofern Hinweise auf ein „Unternehmerdasein<br />

als Lebensabschnittserfahrung“ 46 auch in <strong>Hessen</strong>. Zu den konkreten Beweggründen<br />

für den Rückzug von Unternehmern liegen allerdings kaum empirische Erkenntnisse<br />

vor47 , da sich das Interesse der Forschung auf die Nachfolger konzentriert. So könnte<br />

es aufgrund des demografischen Wandels wichtiger werden, nicht nur Arbeitnehmer<br />

(„Rente mit 67“), sondern auch Selbständige für ein längeres Erwerbsleben<br />

zu motivieren.<br />

Zu ergänzen ist abschließend, dass es sich bei der Nachfolgeproblematik nicht etwa<br />

um ein ausschließlich deutsches oder gar hessisches Problem handelt. So kommt<br />

auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften aufgrund von Schätzungen<br />

aus verschiedenen Mitgliedstaaten zu dem Schluss, „dass es sich bei Unternehmensübertragungen<br />

um eine Erscheinung von enormer Bedeutung für ganz Europa<br />

handelt.“ 48 Dieser Bewertung kann auch aus hessischer Sicht uneingeschränkt<br />

zugestimmt werden.<br />

6.3 Voraussichtliche Nachfolgelösung<br />

Nicht nur der Zeithorizont der beabsichtigen Unternehmensübergaben ist von Interesse,<br />

sondern auch, an wen die Übergabe aus Sicht der Unternehmen erfolgen<br />

wird. Da zur Beantwortung dieser Frage zum einen der Zeitpunkt der Übergabe von<br />

Bedeutung ist und zum anderen verschiedene Nachfolgeoptionen für die Übergebenden<br />

sowie für die potenziellen Nachfolger offen stehen – einschließlich der damit<br />

verbundenen komplexen Fragestellungen –, können die Ergebnisse in Tabelle 3 nur<br />

Anhaltspunkte geben.<br />

46 Berghoff, H. (2005), S. 15.<br />

47 Die in der Regel angeführten „Altersgründe“ sagen wenig über die eigentlichen Ursachen aus.<br />

48 Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Hrsg.) (<strong>2006</strong>), S. 3.<br />

35


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

36<br />

Tabelle 3: Nachfolgelösung in hessischen Familienunternehmen (Angaben in %)<br />

Nachfolge aus der Eigentümerfamilie<br />

(familienintern)<br />

Nachfolge aus dem Kreis der Mitarbeiter<br />

(unternehmensintern)<br />

Verkauf / Teilverkauf des Unternehmens<br />

(unternehmensextern)<br />

insgesamt bis 2010 bis 2015<br />

42 53 32<br />

5 5 4<br />

5 5 4<br />

Unternehmen wird geschlossen 1 0 1<br />

Noch wenig konkrete Vorstellungen, noch keine<br />

Entscheidung gefallen, Planungen noch nicht<br />

begonnen, etc.<br />

47 37 59<br />

Summe 100 100 100<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

In den Befragungsergebnissen spiegelt sich klar das Bestreben der Familienunternehmer<br />

wider, das Unternehmen durch Übergabe an die nachfolgende Generation<br />

auch weiterhin im Familienbesitz zu halten: 42 % der Familienunternehmen sehen<br />

die Nachfolge aus der Eigentümerfamilie als gesichert an.<br />

In 5 % der Familienunternehmen wird von einer unternehmensinternen Nachfolgelösung<br />

ausgegangen, d. h. Mitarbeiter – sei es z. B. ein familienfremder Mitgeschäftsführer<br />

oder auch eine Gruppe von in der Regel leitenden Mitarbeitern – werden das<br />

Unternehmen fortführen. Wenn Mitarbeiter „ihr“ Unternehmen übernehmen wird dies<br />

auch als Management-Buy-Out (MBO) bezeichnet. Das Management-Buy-Out ist<br />

auch in Deutschland immer häufiger zu beobachten. 49 Für Familienunternehmer, für<br />

die das Nichtzustandekommen einer familieninternen Nachfolge durchaus den Charakter<br />

eine Niederlage annehmen kann, bietet sich hiermit eine Alternative an, die<br />

den Fortbestand des Unternehmens am bisherigen Standort sichert und das Unternehmen<br />

in vertraute Hände legt. Es ist für Übergeber und Übernehmer von großem<br />

Vorteil, dass die Existenzgründer genaue Kenntnisse der Stärken und Schwächen<br />

haben und somit das Risiko minimiert werden kann. Ohne Zweifel stellt die Finanzierung<br />

der Übernahme eine große Herausforderung dar, 50 denn ein Kaufpreis<br />

bspw. in zweistelliger Millionenhöhe überfordert selbst Gutverdienende. Deshalb ist<br />

ein hoher Kapitaleinsatz erforderlich, u. U. auch die Beteiligung von Finanzinvesto-<br />

49 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (Hrsg.) (2005), S. 59.<br />

50 Auf die Schwierigkeiten der Finanzierung einer Übernehmensübernahme durch die Mitarbeiter haben bei der Befragung<br />

auch mehrere hessische Familienunternehmer – verbunden mit der Anregung nach besseren Rahmenbedingungen für<br />

eine solche Übernahme – hingewiesen.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

ren. 51 . Die Hessische Landesregierung fördert Unternehmensübernahmen ggf. wie<br />

Gründungen durch Darlehen, Bürgschaften und Beteiligungen. Sie bietet ferner verbilligte<br />

Beratungshilfen an (vgl. den Anhang: Finanzierungs- und Beratungshilfen<br />

des Landes).<br />

Weitere 5 % der hessischen Familienunternehmen sind sicher, dass sie ihr Unternehmen<br />

verkaufen werden – sei es vollständig oder auch ein Verkauf von Unternehmensteilen.<br />

Lediglich in Einzelfällen (1 %) steht bereits jetzt die Stilllegung des<br />

Familienunternehmens als ultima ratio fest. 52<br />

Damit ist aus Sicht der Befragten für 53 % die Zukunft ihres Lebenswerkes gesichert.<br />

Zum Teil dürften die Nachfolgeregelungen bereits fixiert sein (z. B. durch Verträge).<br />

Dass bei einem Zeithorizont von mehreren Jahren selbst unter diesen 53 %<br />

eine Vielzahl der beabsichtigten, ja zum Teil bereits fixierten Nachfolgelösungen,<br />

nicht oder nicht in der intendierten Form zustande kommen wird, ist dennoch zu erwarten.<br />

Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings, dass in 47 % der Fälle noch keine konkrete<br />

Aussage möglich ist, d.h. z.B., die Vorstellungen sind noch vage, es werden<br />

noch verschiedene Möglichkeiten geprüft, es ist noch kein Nachfolger gefunden oder<br />

die Planungen haben noch nicht begonnen. Wird lediglich der kürzere Zeithorizont<br />

bis zum Jahr 2010 betrachtet, so trifft dies für 37 % der Familienunternehmen<br />

zu, bei längerem Zeithorizont bis 2015 sind es entsprechend mehr – und zwar 59 %.<br />

Bereits mehrfach wurden in den vorangegangen Kapiteln Besonderheiten der Unternehmen<br />

des Wirtschaftszweiges Dienstleistungen (ohne Handel) thematisiert.<br />

Auch hier weichen die Ergebnisse vom Durchschnitt ab: Der Anteil der Unternehmen,<br />

für die eine familieninterne Nachfolge nach Ansicht der Unternehmer sicher ist,<br />

liegt unter dem Durchschnitt für die Familienunternehmen insgesamt. Entsprechend<br />

häufiger besteht die Absicht, das Unternehmen zu verkaufen.<br />

6.4 Familieninterne Nachfolge – warum kommt diese nicht zustande?<br />

Zwar hat die überwältigende Mehrheit der Familienunternehmer das Ziel, dass ein<br />

Familienmitglied die Nachfolge antritt und somit den Fortbestand des Familienunternehmens<br />

auch in der nächsten Generation sichert. Dieser Wunsch geht jedoch nicht<br />

immer in Erfüllung. Was sind die Hauptgründe hierfür, warum kommt diese nächstliegende<br />

aller Nachfolgeregelungen nicht zustande? 146 hessische Familienunter-<br />

51 Über MBO bei Familienunternehmen mit Unterstützung von Finanzinvestoren vgl. ausführlich F.A.Z.-Institut für Management-,<br />

Markt- und Medieninformation <strong>GmbH</strong> u. Deutsche Beteiligungs AG (Hrsg.) (2002).<br />

52 Zu beachten ist, dass Verkauf und Stilllegung überdurchschnittlich hoch bei Kleinstunternehmen anzutreffen sind. Diese<br />

sind aufgrund der Abschneidegrenze von fünf Beschäftigten in der vorliegenden Untersuchung allerdings unterrepräsentiert,<br />

so dass die Untersuchungsergebnisse für Verkauf und Stilllegungen entsprechend unterschätzt werden dürften.<br />

37


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

38<br />

nehmer, die bis zum Jahr 2010 bzw. 2015 ihr Unternehmen übergeben möchten,<br />

haben hierzu aus der Sicht ihres Unternehmens und ihrer speziellen familiären Situation<br />

den Hauptgrund hierfür angegeben (vgl. Abbildung 12). 53<br />

Abbildung 12: Hauptgründe, die einer familieninternen Nachfolge entgegen stehen<br />

16%<br />

8%<br />

18%<br />

5%<br />

3%<br />

19%<br />

31%<br />

andere Ausbildung, anderer<br />

Beruf der Kinder<br />

keine Kinder<br />

Wirtschaftslage und<br />

Rahmenbedingungen<br />

kein Interesse der Kinder<br />

mangelnde Motivation bzw.<br />

Eignung zur Selbständigkeit<br />

der Kinder<br />

Sonstiges<br />

Kinder zu jung<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

In 19 % dieser Fälle ist eine familieninterne Nachfolge bei den hessischen Familienunternehmen<br />

schlicht und ergreifend deshalb nicht möglich, weil die Unternehmerfamilie<br />

keine Kinder hat. Die individuellen Ursachen für die Kinderlosigkeit spielen<br />

im Ergebnis keine Rolle: Die Befragung zeigt, welche Bedeutung bereits heute der<br />

fehlende Nachwuchs für die Nachfolge in hessischen Familienunternehmen hat. 54<br />

Durch den mittelfristig stark zunehmenden Anteil älterer Selbständiger ab 60 Jahre<br />

in Verbindung mit der geringen Geburtenrate dürften sich die Schwierigkeiten, einen<br />

Nachfolger zu finden, zukünftig noch verschärfen: Die Gruppe der 60- bis unter 70-<br />

Jährigen nimmt zwar von heute aus gesehen kurzfristig ab, steigt aber etwa ab dem<br />

Jahr 2010 relativ stark an. Etwa ab 2020 beginnt zudem die Gruppe der 25- bis unter<br />

35-Jährigen, bei denen die Neigung, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen,<br />

53 Die Frage war als offene Frage gestellt. Zur Auswertung wurden die gegebenen Antworten kategorisiert.<br />

54 Andere Studien weisen zum Teil noch höhere Werte aus und unterstreichen damit die Relevanz der Kinderlosigkeit für<br />

die Thematik der Unternehmensnachfolge, wenn auch eine direkte Vergleichbarkeit aufgrund des unterschiedlichen Untersuchungsdesigns<br />

nur eingeschränkt möglich ist.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

am stärksten ausgeprägt ist, deutlich zu sinken – d. h. die „Schere“ öffnet sich weiter.<br />

55<br />

In wenigen Fällen sind zwar Nachkommen vorhanden, jedoch die Kinder zu jung<br />

(3 %), um als Nachfolger in Betracht zu kommen. In den angegebenen Fällen sind<br />

die Kinder bei weitem noch nicht alt genug, so dass die familieninterne Nachfolge<br />

auch durch einen späteren Ausstieg des Seniors nicht erreicht werden kann. Soll<br />

unter solchen Umständen mittelfristig dennoch eine Übergabe an die nächste Generation<br />

gewährleistet werden, kommt es in Betracht, einen Fremdmanager – sozusagen<br />

als Platzhalter – einzustellen, der so lange die Geschicke des Unternehmens<br />

leitet, bis der Nachwuchs die Verantwortung übernehmen kann.<br />

Die nachfolgend genannten Gründe sind nicht isoliert zu sehen, Überschneidungen<br />

und Zusammenhänge liegen aufgrund der Komplexität der Nachfolge in der Natur<br />

der Sache begründet.<br />

18 % der Befragten geben Gründe an, die unter „Wirtschaftslage und Rahmenbedingungen<br />

(für die wirtschaftliche Betätigung von Familienunternehmen)“ subsumiert<br />

werden können. Die wirtschaftliche Situation speziell der Branche oder auch<br />

allgemein fehlende Zukunftsperspektiven in Deutschland werden hier angeführt,<br />

wobei diese häufig mit Kritik an den Rahmenbedingungen verknüpft werden. Ebenfalls<br />

wird genannt, das hohe Engagement, welches Selbständige erbringen, stehe<br />

immer weniger im Verhältnis zum Ertrag. Eine Nachfolge innerhalb der Familie<br />

kommt deshalb durchaus auch auf Betreiben des Unternehmers nicht zustande.<br />

Dies belegen Aussagen wie „Rahmenbedingungen kann man seinen Kindern nicht<br />

zumuten“, „Keine Zukunftschancen für die nächste Generation“ oder „Verhandlungen<br />

mit Banken werden immer mittelstandsfeindlicher, wie soll man das den Kindern<br />

vermitteln?“. Beim Baugewerbe wird häufiger auf die schlechtere wirtschaftliche Situation<br />

verwiesen als in anderen Branchen.<br />

16 % der Befragten geben an, dass ihre Kinder kein Interesse haben, die Nachfolge<br />

im elterlichen Unternehmen zu übernehmen. Hierunter dürfte sich eine Vielzahl<br />

von Gründen verbergen und bei jedem Unternehmen und bei jedem (potenziellen)<br />

Nachfolger letztlich unterschiedliche Motivkonstellationen den Ausschlag gegen eine<br />

Nachfolge geben. Fest steht auf jeden Fall, dass den Individuen heutzutage deutlich<br />

mehr Wahlmöglichkeiten und Gestaltungschancen hinsichtlich ihrer beruflichen und<br />

persönlichen Lebensplanung offen stehen als noch früher. Zwar sieht sich die nachfolgende<br />

Generation häufig einer hohen Erwartungshaltung der Familie gegenüber –<br />

dass jemand aus der Familie „weitermachen“ muss, scheint selbstverständlich zu<br />

55 Dies wurde bereits ausführlich im zweiten Band des Hessischen <strong>Mittelstandsbericht</strong>s 2004 – Folgen des demografischen<br />

Wandels für mittelständische Unternehmen – thematisiert. Vgl. van den Busch, U. u. Trabert, L. (2004), S. 25ff.<br />

39


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

40<br />

sein. 56 Eine moralische Verpflichtung, die eigenen beruflichen Interessen und Ziele<br />

zurückzustellen, empfinden jedoch zunehmend weniger Nachkommen. Mit zunehmendem<br />

Bildungsniveau sind unter Umständen kleinere Familienunternehmen auch<br />

nicht ausreichend attraktiv, um eine Alternative zu den anderweitigen Karrieremöglichkeiten<br />

zu bieten. 57 Ist das Familienunternehmen hingegen (zu) groß, kann das<br />

Interesse an einer Übernahme in der Familie auch abnehmen, da sich der Nachwuchs<br />

den hohen Anforderungen, die die Führung des Unternehmens erfordert,<br />

nicht gewachsen sieht. 58 Kein Interesse an der Übernahme des elterlichen Unternehmens<br />

ist allerdings nicht mit der Abkehr von einer selbständigen Tätigkeit<br />

gleichzusetzen: Antworten des Seniors wie „Mein Sohn betreibt sein eigenes Unternehmen<br />

sehr erfolgreich“ oder „Die Erben haben alle andere Berufe und sind selbständig<br />

tätig“ zeigen dies.<br />

Diese Wahlfreiheit – eines der Prinzipien unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung<br />

– spiegelt sich auch im nächsten Grund wider: 31 % der Unternehmen geben<br />

als Hauptgrund für das Nichtzustandekommen der Nachfolge aus dem Kreis<br />

der Familie an, dass die Kinder eine andere Ausbildung gewählt und letztlich andere<br />

Berufe ergriffen haben – mithin ihren eigenständigen beruflichen Weg beschritten<br />

haben. Sie folgen damit dem Beispiel bekannter Unternehmerkinder wie<br />

z. B. Rolf Gerling (Versicherung) und Alfred Ritter (Schokolade), die nicht in das elterliche<br />

Unternehmen eingestiegen sind. So enttäuschend es für manchen Familienunternehmer<br />

auch sein mag, wenn das Lebenswerk nicht – oder unter anderem<br />

Namen – fortgeführt wird, zum Teil wird dies von den Eltern auch ausdrücklich begrüßt<br />

(„Die Kinder sollen eigene Wege gehen“, „Jeder Mensch sollte seinen Beruf<br />

selbst wählen!“). Zumal es zweifelhaft ist, ob ein Nachfolger erfolgreich sein kann,<br />

dessen eigene Interessen und Wünsche womöglich nie ernsthaft zur Debatte standen,<br />

sondern der eher aus Loyalität zur Familie die Nachfolge übernimmt. Allerdings<br />

ist mit der Wahl einer „anderen“ Ausbildung eine spätere Übernahme des elterlichen<br />

Unternehmens nicht von vorneherein ausgeschlossen, sondern die Entscheidung<br />

reift erst im Laufe der Ausbildung oder „beim Erfahrung sammeln“ in beruflicher Tätigkeit<br />

außerhalb des Familienunternehmens. So wurde von einem Unternehmer<br />

darauf verwiesen, dass trotz eines „exotischen“ Studienfachs die Tochter erfolgreich<br />

als Juniorchefin im elterlichen Industriebetrieb tätig sei. Anders stellt sich dies bei<br />

Berufsbildern mit geregeltem Zugang dar: So wurde mehrmals von hessischen<br />

Rechtsanwälten und Steuerberatern angegeben, dass eine familieninterne Nachfol-<br />

56 Eine empirische Untersuchung zur Unternehmensnachfolge in Baden-Württemberg stützt diese Ansicht. Bei familieninternen<br />

Nachfolgern spielte der Wunsch, sich selbständig zu machen, für die Unternehmensübergabe eine nicht so große<br />

Rolle wie die Verpflichtung gegenüber der Familie und der Unternehmenstradition. Vgl. Landeskreditbank Baden-<br />

Württemberg (Hrsg.) (2002), S. 17.<br />

57 Hierzu ein Bonmot eines Unternehmers: „Aus der Sicht der Eltern ist studieren gefährlich, weil die Kinder dann abhauen.“<br />

Zitiert nach: Wimmer, R., Domayer, E., Oswald, M. u. Vater, G. (2005), S. 274.<br />

58 Vgl. hierzu z. B. Bundesverband der Deutschen Industrie u. Ernst & Young Deutsche Allgemeine Treuhand AG (Hrsg.)<br />

(2001), S. 132.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

ge nicht möglich sei, da die berufsrechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien.<br />

Mangelnde Motivation bzw. Eignung zur Selbständigkeit wird lediglich von 8 %<br />

der Unternehmer explizit angeführt. Hierfür dürfte es eine Rolle spielen, dass die<br />

Übernahme unternehmerischer Verantwortung häufig ein Erziehungsziel von „Unternehmereltern“<br />

ist. 59 Dennoch wird die Befähigung des eigenen Nachwuchses zur<br />

Selbständigkeit von einigen hessischen Unternehmern durchaus kritisch gesehen,<br />

aber auch die mangelnde Motivation der Kinder („Keine Bereitschaft zur Selbständigkeit“,<br />

„Tochter möchte nicht schuften wie die Eltern“) angeführt. Allgemein wird in<br />

den letzten Jahren eine abnehmende Bereitschaft der nachfolgenden Generation,<br />

Verantwortung im Unternehmen zu tragen, festgestellt. 60 In diesen Kontext fügt sich<br />

sehr gut die Aussage eines Unternehmers gegenüber dem Verfasser ein, dessen<br />

Sohn die Nachfolge im elterlichen Unternehmen sinngemäß mit den Worten ablehnte:<br />

„Warum soll ich das Unternehmen übernehmen, wenn ich nach einem BWL-<br />

Studium mit halb so viel Arbeit doppelt so viel Geld verdienen kann?“.<br />

In der Kategorie „Sonstiges“ sind übrige Gründe zusammengefasst, so u. a. gesundheitliche<br />

Einschränkungen der potenziellen Nachfolger – z. B. die Mehlstauballergie<br />

eines Bäckersohnes.<br />

6.5 Erfolgsfaktoren der Unternehmensnachfolge<br />

Die hessischen Familienunternehmen wurden ebenfalls befragt, wie wichtig sie verschiedene<br />

Elemente bei der Vorbereitung und Durchführung ihrer Unternehmensübergabe<br />

einschätzen, d. h. letztlich was aus ihrer Sicht wichtige Erfolgsfaktoren für<br />

eine gelungene Nachfolge sind. 61 Abbildung 13 gibt die Befragungsergebnisse wieder<br />

(absteigend sortiert – nach dem Anteil der Familienunternehmen, die das jeweilige<br />

Element als „sehr wichtig“ bewerten). 62<br />

Diese verschiedenen Elemente werden im Übrigen von Unternehmen, bei denen<br />

in den nächsten Jahren (bis 2015) eine Übergabe bevorsteht, weitestgehend ebenso<br />

bewertet wie von Unternehmen, bei denen innerhalb der letzten fünf Jahre<br />

eine Übergabe erfolgt ist.<br />

59 Vgl. Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer e.V. (Hrsg.) (2005).<br />

60 Vgl. z. B. Hennerkes, B.-H. (2004), S. 126 oder auch Berghoff, H. (2004), S. 12-14.<br />

61 Den Familienunternehmen, für die die Nachfrage noch kein Thema ist, wurde diese Frage nicht gestellt.<br />

62 Die ausgewählten Elemente lehnen sich an eine Befragung der Handelskammer Hamburg an. Vgl. Handelskammer<br />

Hamburg (Hrsg.) (2004).<br />

41


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

42<br />

Abbildung 13: Wichtige Erfolgsfaktoren des Nachfolgeprozesses<br />

Einarbeitung des<br />

Nachfolgers<br />

Einbindung des<br />

Nachfolgers in die<br />

Vorbereitungen /<br />

Planungen<br />

vorausschauende<br />

Gestaltung der<br />

steuerlichen Seite<br />

strategische<br />

Positionierung des<br />

Unternehmens<br />

Finanzierung der<br />

Übergabe<br />

finanzielle Absicherung<br />

des Vorgängers (und<br />

seiner Familie)<br />

professionelle<br />

Begleitung durch<br />

Beratung<br />

Vorbereitung des<br />

Vorgängers auf seinen<br />

neuen Lebensabschnitt<br />

1<br />

1<br />

4<br />

5<br />

10<br />

10<br />

10<br />

19<br />

21<br />

23<br />

30<br />

32<br />

32<br />

31<br />

37<br />

39<br />

48<br />

47<br />

0 20 40 60 80 100<br />

51<br />

58<br />

58<br />

64<br />

80<br />

sehr wichtig<br />

wichtig<br />

weniger wichtig<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

89<br />

Anteil in %<br />

89 % aller befragten Familienunternehmen sehen die Einarbeitung des Nachfolgers<br />

durchweg als sehr wichtig und weitere 10 % als wichtig an. Mehrfach wird in<br />

ergänzenden Kommentaren der Unternehmer die sorgfältige, ausreichend lange<br />

Einarbeitung als zentraler Punkt bezeichnet. 63 Zwar gehen die Vorbereitungen für<br />

den Generationswechsel in der Regel vom Seniorunternehmer aus, es ist allerdings<br />

offenbar essentiell, dass der Nachfolger frühzeitig einbezogen wird. So empfinden<br />

63 Empirische Studien bestätigen diese Ansicht: Zwei Jahre oder mehr bis sich der Übergeber endgültig zurückzieht sind<br />

durchaus keine Seltenheit. Vgl. z. B. Freund, W. (2000), S. 167 oder auch Landeskreditbank Baden-Württemberg (Hrsg.)<br />

(2002), S. 36.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

80 % der Befragten eine bereits im Vorfeld erfolgende Einbindung des Nachfolgers<br />

in die Vorbereitungen und Planungen der Übergabe als sehr wichtig und<br />

19 % als wichtig. Sowohl die Einarbeitung im Zuge des Übergangs als auch die<br />

frühzeitige Integration des Nachfolgers sollen bewirken, dass sich der Nachfrager in<br />

seine künftige Rolle hineinfindet. Dazu gehört es, sich in den Unternehmensbelangen<br />

umfassend auszukennen, von bestehenden Beziehungen zu profitieren und<br />

Kontakte (z. B. zu den wichtigsten Geschäftspartnern) zu wahren. Da ein Nachfolgeprozess<br />

in der Regel mit einem Wechsel der Verantwortung (beispielsweise auch<br />

für die Arbeitsplatzsicherheit der Mitarbeiter) verbunden ist, unterstützt die frühzeitige<br />

und vollständige Integration des Nachfolgers zugleich den Konsens zwischen<br />

Vorgänger und Nachfolger bzw. wahrt die Kontinuität in der Unternehmenspolitik.<br />

So selbstverständlich die Einarbeitung des Nachfolgers und dessen Beteiligung an<br />

den Vorbereitungen erscheint, ist diese jedoch keineswegs immer zu verwirklichen.<br />

Fällt der Unternehmer unerwartet kurzfristig aus (z. B. durch Krankheit oder Tod), ist<br />

der Nachfolger, sofern denn dieser überhaupt bestimmt ist, sofort gefordert – unter<br />

entsprechend schwierigeren Startbedingungen.<br />

Die vorausschauende Gestaltung der steuerlichen Seite folgt – wenn auch mit<br />

deutlichem Abstand – an dritter Stelle. 64 % der befragten Unternehmen halten dies<br />

für sehr wichtig, weitere 32 % für wichtig. Zweifellos ist mit der Unternehmensübergabe<br />

eine Vielzahl steuerrechtlicher Fragen verbunden und das Ziel, die Steuern<br />

wegen des Liquiditätsentzugs zu minimieren, legitim. Zumal ein möglichst geringer<br />

Liquiditätsentzug für den Fortbestand des Unternehmens essentiell sein kann. Die<br />

steuerliche Belastung hängt dabei von der Übertragungsart, der Vermögenszusammensetzung,<br />

der Rechtsform des Unternehmens, der Höhe der Freibeträge u.v.m.<br />

ab, so dass sich eine Bandbreite von Gestaltungsmöglichkeiten ergibt. Insofern ist<br />

der hohe Stellenwert, den die hessischen Unternehmer steuerrechtlichen Belangen<br />

während der Unternehmensnachfolge zumessen, verständlich. Dies sollte jedoch<br />

nicht dazu verführen, die Steuerminimierung quasi als Oberziel zu sehen, sondern<br />

den steuerlichen Aspekten kann lediglich eine Hilfsfunktion bei der Festlegung einer<br />

stimmigen Übergabekonzeption zukommen.<br />

Die steuerlichen Aspekte können durchaus als Teil des Gesamtkomplexes der Finanzierung<br />

der Übergabe gesehen werden. 58 % der Befragten bezeichnen Fragestellungen,<br />

die die Finanzierung des Generationswechsels betreffen, als sehr<br />

wichtig, 32 % immerhin als wichtig. Die kurz- wie langfristige finanzielle Situation<br />

und damit die Zahlungs- und Investitionsfähigkeit des Unternehmens sollten (über<br />

die unmittelbar mit der Übergabe verbundenen Belastungen hinaus) auch im Fall einer<br />

Nachfolge gesichert sein. Eine Unternehmensübergabe und die erfolgreiche<br />

Fortführung des Unternehmens können – insbesondere bei größeren Familienunternehmen<br />

– unter Umständen an der mangelnden Finanzkraft bzw. den unzurei-<br />

43


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

44<br />

chenden Eigenmitteln des Nachfolgers oder unerwartetem Kapitalbedarf scheitern.<br />

Denn häufig entsteht nach der Übernahme Finanzierungsbedarf, etwa durch Modernisierung<br />

und Investitionen in die Betriebsausstattung. 64<br />

Die strategische Positionierung des Unternehmens beurteilen 58 % der hessischen<br />

Familienunternehmen als sehr wichtig und weitere 37 % halten diese immerhin<br />

für wichtig. Mit steigender Unternehmensgröße wird diesem Element eine höhere<br />

Bedeutung zugemessen. Die strategische Positionierung des Familienunternehmens<br />

hat im Nachfolgeprozess zwei Facetten: Zum einen bestimmt sie die Attraktivität<br />

des Unternehmens mit und ist für einen potenziellen Nachfolger somit von erheblicher<br />

Bedeutung: Z.B. dürfte ein in einem reifen Massenmarkt tätiges Unternehmen<br />

schwerer einen Nachfolger finden als ein Marktführer in einem innovativen<br />

Nischenmarkt. 65 Zum anderen bezieht sie sich auch auf den „frischen Wind“, den<br />

der Nachfolger in das Unternehmen bringt und der sich häufig in neuen Ideen und<br />

Produkten niederschlägt. Zwar stehen Veränderungen in der strategischen Ausrichtung<br />

möglicherweise im Gegensatz zu den Vorstellungen des Vorgängers – die Emanzipation<br />

des Nachfolgers ist allerdings wichtig für die Akzeptanz im Unternehmen<br />

und ebenso für seine Identifikation mit ihm und damit ein wichtiger Erfolgsfaktor.<br />

Interessanterweise erfolgt eine strategische „Kurskorrektur“ deutlich häufiger,<br />

wenn Mitarbeiter und nicht Familienmitglieder das Unternehmen übernehmen. 66<br />

Die finanzielle Absicherung des Vorgängers sowie dessen Familie ist im Rahmen<br />

der Nachfolgeregelung ebenfalls zu lösen. 52 % der befragten Familienunternehmer<br />

schätzen diesen Aspekt des Nachfolgeprozesses als sehr wichtig ein, weitere<br />

39 % betrachten ihn zumindest als wichtig. Insbesondere bei kleineren Familienunternehmen<br />

besteht über das Unternehmen oft eine Vermögensillusion. Nur<br />

wenn realistisch bewertet wird (was das Rating67 bewirkt), kann der Lebensabend<br />

des Unternehmers und evtl. seiner Familie finanziell sicher geplant werden. Meist<br />

muss jedoch ein Teil der Altersvorsorge durch die zukünftigen Erträge des dann auf<br />

den Nachwuchs übergegangenen Unternehmens erwirtschaftet werden. Unter Umständen<br />

sind weichende Erben abzufinden. 68 Eine sichere und ausreichende Altersvorsorge<br />

sollte deshalb schon in jungen Unternehmerjahren des späteren Übergebers<br />

begonnen werden. Sich auf den Verkauf des Unternehmens zu verlassen, ist<br />

schon angesichts der Unklarheit über den späteren Unternehmenswert riskant.<br />

64 Vgl. ebenda S. 41 und Wagner, R. M. (2003), S. 65f.<br />

65 Dementsprechend ist die strategische Positionierung des Unternehmens auch eines der Elemente, um den Unternehmenswert<br />

zu bestimmen und schlägt sich somit im (Ver-)kaufpreis nieder.<br />

66 Vgl. Landeskreditbank Baden-Württemberg (Hrsg.) (2002), S. 29.<br />

67 Vgl. hierzu Kapitel 7.<br />

68 Dies ist ein Aspekt, der bei der Übertragung des Unternehmens auf ein Familienmitglied häufig übersehen wird bzw. zu<br />

Konflikten führt. Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (Hrsg.) (2005), S. 23.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

Eine professionelle Begleitung (des Nachfolgeprozesses) durch Beratung sehen<br />

lediglich 31 % der hessischen Familienunternehmen als sehr wichtig und weitere<br />

48 % als wichtig an. 21 % stufen eine derartige begleitende Beratung als eher unwichtig<br />

ein und haben möglicherweise auch Vorbehalte gegen Bindungen in diesem<br />

sensiblen und oftmals interdisziplinäre Beratungsleistungen erfordernden Bereich. 69<br />

Nicht umsonst wird Familienunternehmen eine gewisse „Beratungsresistenz“ nachgesagt,<br />

da sie davon ausgehen, dass auch unternehmerische Fragen innerhalb der<br />

Familie gelöst werden sollten. 70 Von Fall zu Fall werden Steuerberater und Rechtsanwälte<br />

konsultiert. Übergabeberatungen werden daher in <strong>Hessen</strong> von der Landesregierung<br />

im Rahmen der Beratungsförderung unterstützt.<br />

Die Vorbereitung des Vorgängers auf seinen neuen Lebensabschnitt schließlich<br />

wird als vergleichsweise wenig relevant wahrgenommen. Nur 30 % sehen die<br />

Vorbereitung des Vorgängers auf den Rückzug aus dem Berufsleben als sehr wichtig<br />

und weitere 47 % immerhin als wichtig an. Für die übrigen Befragten sind derartige<br />

Überlegungen, welche das „Loslassen“ erleichtern bzw. die Gefahr einer fortwährenden<br />

Einmischung des Vorgängers in die Aktivitäten seines Nachfolgers zu<br />

reduzieren vermögen, weniger wichtig und werden als persönliche, private Frage<br />

erachtet. Denkbar ist es, dass der eine oder andere hessische Unternehmer die Bedeutung<br />

dieser auch psychologischen Komponente für eine erfolgreiche Unternehmensübergabe<br />

unterschätzt. Die Abgabe von Verantwortung fällt den meisten Unternehmern<br />

schwer. 71 Auf diese Gefahr wird immer wieder hingewiesen – sei es in<br />

Informationsschriften oder Fachliteratur speziell zur Unternehmensnachfolge oder<br />

auch in umfassenderen Darstellungen zu Familienunternehmen. 72 Beispiele verdeutlichen<br />

anschaulich, welch negative Folgen es haben kann, wenn der Senior in<br />

Ermangelung einer Lebensperspektive über sein Berufsleben hinaus die notwendige<br />

Übergabe immer wieder hinausschiebt oder sich nach erfolgter Übergabe fortwährend<br />

noch in das Unternehmen einmischt. Hennerkes bringt diese Problematik auf<br />

den Punkt, wenn er formuliert: „Auf jeden Lebensabschnitt war man vorbereitet –<br />

nur nicht auf das Ende der Berufsausübung.“ 73 Die rechtzeitige private Lebensplanung<br />

für die Zeit nach der Übergabe ist bei ihm sogar Bestandteil seiner „Zehn goldene[n]<br />

Regeln zur Nachfolge“. 74<br />

69 Vgl. Wagner, R. M. (2003), S. 61.<br />

70 So das Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) in seinen „10 Wittener Thesen zu Familienunternehmen“. Vgl.<br />

www.uni-wh.de/wifu.<br />

71 Vgl. hierzu auch: Hus, C. (<strong>2006</strong>), S. A4. Auch ein hessischer Nachfolger bestätigt aus eigener Erfahrung, dass „die abgebende<br />

Generation nicht gehen will“.<br />

72 Vgl. z. B. Huber, H.G. u. Sterr-Kölln, H. (<strong>2006</strong>), S. 178ff. oder Knürr, H. (2004): S. 54f. oder auch Bundesministerium für<br />

Wirtschaft und Arbeit (Hrsg.), S. 29f.<br />

73 Hennerkes, B.-H. (2004), S. 128.<br />

74 Vgl. ebenda S. 131.<br />

45


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

6.6 Unterstützung im Nachfolgeprozess<br />

46<br />

Angesichts der Fallstricke bei einer Unternehmensübergabe – nicht nur große Familienunternehmen,<br />

auch Kleinstunternehmen müssen sich den vielfältigsten Fragestellungen<br />

stellen – sind insbesondere fundierte Informationen über alle bedeutsamen<br />

Themenfelder Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Übergabe bzw. Übernahme<br />

eines Unternehmens. Hierzu kann der Unternehmer sich unterschiedlicher<br />

Wege und damit verschiedener unterstützender Angebote bedienen. Die hessischen<br />

Familienunternehmen wurden deshalb befragt, wie hilfreich sie nachfolgend angeführte<br />

Informationsangebote einschätzen (vgl. Abbildung 14, absteigend sortiert<br />

nach dem Anteil derer, die das jeweilige Angebot als „sehr hilfreich“ bezeichnen).<br />

Abbildung 14: Unterstützende Angebote im Nachfolgeprozess<br />

persönliche Beratung von<br />

Übergeber und Nachfolger<br />

laufendes "Coaching" des<br />

Nachfolgers während der<br />

Anfangszeit im<br />

Unternehmen<br />

öffentliche Fördermittel<br />

(z.B. Zuschüsse für<br />

Rechtsberatung)<br />

Informations- und<br />

Schulungsveranstaltungen<br />

Online-Kontaktbörsen (für<br />

Nachfolger suchende<br />

Unternehmer wie für<br />

Nachfolger selbst)<br />

allgemeine Informationen<br />

(z.B. Broschüren und<br />

Merkblätter)<br />

5<br />

6<br />

11<br />

17<br />

18<br />

23<br />

23<br />

30<br />

34<br />

37<br />

37<br />

0 20 40 60 80<br />

40<br />

43<br />

46<br />

52<br />

54<br />

59<br />

65<br />

sehr hilfreich<br />

hilfreich<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

wenig hilfreich<br />

Anteil in %


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

Während im Verhältnis zur Einarbeitung des Nachfolgers (vgl. die Erfolgsfaktoren<br />

der Nachfolge im vorangegangenen Kapitel) Beratungsleistungen eine vergleichsweise<br />

geringe Rolle spielen, nimmt unter den unterstützenden Angeboten die persönliche<br />

Beratung den mit Abstand höchsten Stellenwert ein. 65 % der hessischen<br />

Familienunternehmer bezeichnen eine derartige Unterstützung in Sachen Nachfolge<br />

als sehr hilfreich und weitere 30 % sehen sie als hilfreich an. Die Nachfolger schätzen<br />

die persönliche Beratung noch etwas höher ein: Bei den Familienunternehmen,<br />

die innerhalb der letzten fünf Jahre die Übergabe vollzogen, liegt der Wert mit 70 %<br />

gar noch 5 Prozentpunkte höher. Die Stärke der persönlichen Beratung ist in der auf<br />

den individuellen Fall ausgerichteten Problemlösung zu sehen. In einigen Fällen ist<br />

von Unternehmern auch die Profession der Berater genannt, wobei hier vor allen<br />

Dingen Steuerberater und Rechtsanwälte angegeben werden. 75 Vor allem größere<br />

Familienunternehmen arbeiten in der Regel sowieso regelmäßig mit Steuerberatern<br />

und Rechtsanwälten zusammen, die „ihre“ Unternehmen kennen und individuelle<br />

Anregungen zur Unternehmensnachfolge geben können. 76 Aufgrund der Kosten<br />

dürfte sich der eine oder andere hessische Unternehmer allerdings scheuen, derartige<br />

Fachkompetenz in Anspruch zu nehmen. 77 Beratungen zu betriebswirtschaftlichen<br />

Aspekten einer Unternehmensübergabe werden nach den hessischen Beratungsrichtlinien<br />

ausdrücklich gefördert, ebenso ein Check-Up, mit dem Unternehmenspotenzial<br />

und (Vermögens-)Status des Unternehmens übermittelt werden. Übernehmer<br />

können die geförderten Gründungsberatungen nutzen.<br />

Mit der Übergabe von Eigentum und Geschäftsführung an den Nachfolger ist die<br />

Nachfolge zwar formal abgeschlossen, ihr Erfolg jedoch noch lange nicht gewährleistet,<br />

wie auch das Verständnis der Unternehmensnachfolge als Prozess nahe<br />

legt. Auf den Nachfolger kommen Herausforderungen zu, die sich z. B. von denen<br />

eines Gründers völlig unterscheiden: Das Unternehmen existiert bereits, hat sich<br />

(meist) unabhängig vom Nachfolger entwickelt und ist auf andere Personen ausgerichtet.<br />

Ein laufendes „Coaching“ des Nachfolgers während der Anfangzeit im<br />

Unternehmen wird deshalb von den hessischen Familienunternehmern als sinnvoll<br />

erachtet: Es wird von 37 % als sehr hilfreich und von 46 % immerhin als hilfreich<br />

beurteilt. Diese Einschätzung nimmt mit ansteigender Unternehmensgröße und damit<br />

wachsender Komplexität der Übergabe zu. Auch in ergänzenden Bemerkungen<br />

75 Dieses Ergebnis wird durch die Studie Mind 02 bestätigt, nach der mit großem Abstand der Steuerberater zu den am<br />

meisten konsultierten Beratern während des Nachfolgeprozesses zählt – vor den Rechtsanwälten. Vgl. Gruner und Jahr,<br />

Dresdner Bank (Hrsg.) (2001), S. 95.<br />

76 Dies wird allerdings bisweilen als unzureichend angesehen: So wird zu bedenken gegeben, dass „die meisten keine Experten<br />

für die Begleitung hoch dynamischer und komplexer Prozesse, sondern Experten für ganz konkrete Fachthemen“<br />

seien. Deshalb wird für den stärkeren Einsatz einer Prozessbegleitung in Abgrenzung zum Fachexperten plädiert. Vgl.<br />

Huber, H.G. u. Sterr-Kölln, H. (<strong>2006</strong>), S. 99ff.<br />

77 In der Mind 02-Untersuchung geben gar 26 % der Unternehmen, die bereits die Entscheidung zur Übergabe gefällt haben,<br />

an, sich gar keiner externen Information bedient zu haben. Vgl. Gruner und Jahr, Dresdner Bank (Hrsg.) (2001),<br />

S. 95.<br />

47


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

48<br />

der Unternehmer wird wiederholt auf diesen Bedarf an Beratung und Erfahrungsaustausch<br />

hingewiesen, indem eine „sukzessive Übernahme von Verantwortung“,<br />

„eine gleitende Übergabe“, oder „ein ständiger Erfahrungsaustausch auch nach der<br />

Übergabe“ als sinnvoll erachtet wird. Die vom Land geförderten Gründungsberatungen<br />

können auch in der Form der Betreuung, also als Coaching, erfolgen.<br />

Öffentliche Fördermittel, wie Zuschüsse zu Beratungsleistungen bei der Übergabe<br />

oder die Übernahme von Beteiligungen im Rahmen von Nachfolgeprozessen (beispielsweise<br />

durch das <strong>Hessen</strong>-Invest Programm der Investitionsbank <strong>Hessen</strong>), würdigen<br />

34 % der hessischen Familienunternehmen als sehr hilfreich und weitere<br />

43 % als hilfreich. Eine stärkere Unterstützung bei der Finanzierung der Unternehmensnachfolge<br />

wird denn auch mehrfach als wünschenswert erachtet, wobei<br />

durchaus die Gefahr von Mitnahmeeffekten gesehen wird. Im konkreten Fall wird die<br />

Inanspruchnahme solcher Leistungen aber auch von dem damit verknüpften bürokratischen<br />

Aufwand abhängen. <strong>Hessen</strong> beabsichtigt, neben den bestehenden Hilfen<br />

(Förderkredite, Bürgschaften, Beteiligungen) die Kreditwirtschaft im Rahmen der Finanzplatzinitiative<br />

der Landesregierung zur Schaffung eines geeigneten privaten Instrumentariums<br />

zur Sicherung der Finanzierung von Übernahmen anzuregen.<br />

Informations- und Schulungsveranstaltungen werden von 23 % der hessischen<br />

Familienunternehmer als sehr hilfreich eingeschätzt und von 59 % zumindest als<br />

hilfreich. Dabei weisen Unternehmen, bei denen in den nächsten Jahren eine Übergabe<br />

bevorsteht, eine etwas optimistischere Einschätzung auf als Unternehmen mit<br />

schon abgeschlossener Übergabe. Derartige Veranstaltungen dienen allerdings<br />

nicht nur der direkten Vermittlung von Wissen, sondern auch dem Erfahrungsaustausch<br />

sowie der Herstellung und Pflege von Kontakten. 78 Insofern sind diese wichtigen<br />

Veranstaltungen unter einem wesentlich weiteren Blickwinkel zu sehen.<br />

Zurückhaltend ist die Bewertung von derzeit angebotenen Online-Kontaktbörsen,<br />

die der Vermittlung von Übergabe-Angeboten und -Nachfragen dienen. Sie werden<br />

von nur 11 % der hessischen Familienunternehmen als sehr hilfreich und von 37 %<br />

als hilfreich wahrgenommen. Mit 52 % bezeichnet mehr als die Hälfte der Befragten<br />

diese modernen Vermittlungsangebote – die größte Plattform für Unternehmensübertragungen<br />

ist die im Rahmen der Initiative „nexxt: Sicherung der Unternehmensnachfolge“<br />

79 – als wenig hilfreich, wobei die Ablehnung mit zunehmender Unternehmensgröße<br />

und damit größerer Problemkomplexität steigt. Gerade bei der<br />

Suche nach einem externen Nachfolger bedarf die Erstellung des Anbieter- und Gesuchtenprofils<br />

oft professioneller Hilfe, denn es sprich vieles dafür, dass in diese in-<br />

78 Gelegentlich wird gar die Meinung vertreten – so ein Familienunternehmer im Gespräch mit dem Verfasser – die gebotenen<br />

Informationen bei derartigen Veranstaltungen seien nur „Beiwerk“, entscheidend sei die Möglichkeit zur Knüpfung<br />

und Pflege von Kontakten.<br />

79 Internetadresse: www.nexxt-change.org. Eine Testabfrage des Verfassers am 19.07.<strong>2006</strong> ergab für <strong>Hessen</strong> die beachtliche<br />

Anzahl von 576 einen Nachfolger suchende Unternehmen.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

ternetbasierten Vermittlungsbörsen ein hoher Anteil „schwieriger Fälle“ eingestellt<br />

wird. Der ohnehin komplizierte Matching-Prozess gestaltet sich somit noch schwieriger<br />

und entsprechend geringer sind die Erfolgsaussichten. Die Befragung gibt darüber<br />

hinaus Hinweise auf einen bislang noch relativ geringen Bekanntheits- bzw.<br />

Verbreitungsgrad derartiger Börsen, denn ein beachtlicher Teil der befragten Familienunternehmen<br />

hat diese Teilfrage nicht beantwortet. Eine vergleichsweise geringe<br />

Affinität zu den Angeboten des Internets vor allem bei älteren Unternehmern dürfte<br />

hierbei eine Rolle spielen und wird auch durch das Untersuchungsergebnis gestützt:<br />

Bei den jüngeren Unternehmen fällt die Beurteilung positiver aus.<br />

Allgemeine Informationen z.B. durch die Vielzahl von Merkblättern und Broschüren<br />

der unterschiedlichsten Institutionen, die zur Unterstützung des Nachfolgeprozesses<br />

dienen sollen, stufen schließlich lediglich 6 % der befragten Familienunternehmen<br />

in <strong>Hessen</strong> als sehr hilfreich, 54 % als hilfreich und 40 % als wenig hilfreich<br />

ein. Unternehmen, die bereits eine Übergabe erfolgreich bewältigt haben, vergeben<br />

sogar eine noch etwas ungünstigere Bewertung als der Durchschnitt der Befragten.<br />

Vielfach dürften bei näherer Befassung mit der Nachfolgeproblematik sehr schnell<br />

konkrete Lösungsansätze und damit spezifische Informationen erforderlich sein, die<br />

diese Informationsangebote nicht enthalten. Auch mit zunehmender Unternehmensgröße<br />

fällt die Bewertung solcher Informationsangebote schlechter aus, wobei die<br />

zu lösenden Fragestellungen mit ansteigender Größe auch erheblich komplexer<br />

werden. Veröffentlichungen sind geeignet, für die Thematik zu sensibilisieren, einen<br />

Einstieg in die relevanten Fragestellungen zu bieten und Ansprechpartner für die Unternehmen<br />

zu benennen. In dieser Funktion haben sie auch ihren festen Platz im Kanon<br />

der unterstützenden Angebote.<br />

6.7 Erbschaftsteuer und Unternehmensnachfolge<br />

Im Rahmen der gegenwärtigen Diskussion über eine Reform der Unternehmensbesteuerung<br />

bildet die Erbschaftsteuer ein bedeutendes Themenfeld. Vor allem von Interessenvertretungen,<br />

aber auch von Seiten der Politik wird immer wieder betont,<br />

dass gerade die im derzeitig gültigen Erbschaftsteuergesetz enthaltenen Regelungen<br />

der Unternehmensübertragung nicht förderlich seien. Sie werden sogar bisweilen<br />

als „existenzielle Bedrohung“ 80 bezeichnet. Deshalb wurde die Erbschaftsteuer<br />

bzw. die beabsichtigte Erbschaftsteuerreform in die Befragung der hessischen Familienunternehmen<br />

aufgenommen. Um die Interpretation der Untersuchungsergebnisse<br />

zu unterstützen, werden nachfolgend in knapper Form die Problematik und die<br />

Reformbemühungen thematisiert.<br />

80 So die Stiftung für Familienunternehmen (Hrsg.) (<strong>2006</strong>b), S. 1.<br />

49


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

6.7.1 Problematik und Reformbemühungen<br />

50<br />

Gegenstand des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes sind sämtliche Änderungen<br />

in der Vermögenszuordnung, die sich aus einer Eigentumsübertragung infolge<br />

eines Todesfalls oder einer freigiebigen Zuwendung unter Lebenden (Schenkung)<br />

ergeben. Die Erbschaftsteuer wird auf den Erwerb durch den Erwerber erhoben,<br />

d. h. als Erbanfallsteuer. Für den Erbfall und für die Schenkung unter Lebenden<br />

gelten im Wesentlichen die gleichen gesetzlichen Regelungen. 81 Das derzeitige<br />

System der Erbschaftsbesteuerung in Deutschland tangiert im Falle der Vermögensübergabe<br />

den Bestand der Familienunternehmen in mehrfacher Hinsicht. Ein<br />

besonders bedeutsamer Aspekt ist hierbei, dass infolge der Erbschaftsbesteuerung<br />

dem Unternehmen – unter Umständen innerhalb eines eher kurzen Zeitraumes und<br />

im Falle eines unerwarteten Ablebens des Erblassers auch unvorhersehbar – liquide<br />

Mittel in beachtlicher Höhe entzogen werden.<br />

Dieser Liquiditätsentzug betrifft in ähnlicher Weise sowohl Personengesellschaften<br />

als auch Kapitalgesellschaften. Bei Personengesellschaften ist direkt das in das Unternehmen<br />

eingebrachte Vermögen von der Besteuerung betroffen82 , während bei<br />

Kapitalgesellschaften die Kapitaleinlage tangiert wird. Die zur Steuerabführung benötigten<br />

Finanzmittel müssen vom Begünstigten aufgebracht werden, was sich – bei<br />

Anlagevermögen – unter Umständen als durchaus schwierig erweisen kann. So<br />

müssen die betreffenden Anlagegüter evtl. mit einem erheblichen Buchverlust verkauft<br />

werden oder es ist schlichtweg zu wenig verwertbares Vermögen vorhanden,<br />

so dass das Familienunternehmen in seiner Existenz gefährdet ist. Sowohl von unter<br />

Umständen ausgelösten Umstrukturierungsmaßnahmen, Teilverkäufen als auch<br />

von einem Konkurs werden Arbeitsplätzen betroffen sein.<br />

Zahlreiche Unternehmen müssen die Erbschaftsteuerlast über die Aufnahme von<br />

Fremdkapital finanzieren, da angesichts der oftmals geringen Eigenkapitaldecke gerade<br />

bei Familienunternehmen83 häufig keine andere Wahl besteht. Die gestiegene<br />

Verschuldung beeinflusst wiederum die Bonität des Unternehmens und verschlechtert<br />

die Konditionen bei Kapitalaufnahme. Die zukünftigen Finanzierungsspielräume<br />

werden reduziert und damit können notwendige Investitionen möglicherweise nicht<br />

mehr getätigt werden. Die Bildung von Liquiditätsreserven für den Fall der Erbschaftsteuerzahlung<br />

würde die Problematik zwar entschärfen, dürfte jedoch häufig<br />

die Ertragskraft der Unternehmen übersteigen.<br />

Vor allem die größeren Familienunternehmen sind in den meisten Fällen auch über<br />

die Grenzen Deutschlands hinaus tätig, so dass sich die Erbschaftsteuer in<br />

81 Vgl. zu einer ausführlichen Darstellung sowohl der steuerrechtlichen als auch der erbrechtlichen Grundlagen Huber, H.-<br />

G. u. Sterr-Kölln, H. (<strong>2006</strong>), S. 199ff.<br />

82 Ausnahmen bilden die Einlage des Kommanditisten in einer KG und die stille Gesellschaft.<br />

83 Vgl. hierzu ausführlicher Kapitel 7.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

Deutschland auch im internationalen Wettbewerb als Standortnachteil erweisen<br />

kann. Zwar gestaltet sich ein internationaler Vergleich aufgrund der in den einzelnen<br />

Staaten heterogenen Besteuerungsregelungen als sehr komplex. Aussagen über<br />

den monetären Größenrahmen der Erbschaftsteuerbelastung sind jedoch durchaus<br />

möglich: So unterliegen die Familienunternehmen mit einem Jahresumsatz von<br />

mehr als 25 Mio. Euro den Berechnungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung<br />

Mannheim (ZEW) im Auftrag der Stiftung für Familienunternehmen<br />

zufolge in Deutschland einer verhältnismäßig hohen Steuerbelastung (vgl. Abbildung<br />

15).<br />

Abbildung 15: Effektive Erbschaftsteuerbelastung * in ausgewählten Ländern<br />

Belgien<br />

USA<br />

Niederlande<br />

Frankreich<br />

Deutschland<br />

Österreich<br />

Dänemark<br />

Spanien<br />

Vereinigtes Königreich<br />

Irland<br />

Luxemburg<br />

Polen<br />

Tschechien<br />

Schweden<br />

0<br />

0<br />

0,8<br />

3,1<br />

3,1<br />

4,0<br />

7,8<br />

9,5<br />

11,1<br />

14,3<br />

18,3<br />

17,6<br />

28,5<br />

33,3<br />

0 5 10 15 20 25 30 35<br />

Steuerbelastung in Millionen Euro<br />

*Familienunternehmen mit mehr als 25 Millionen Euro Umsatz<br />

Hierbei handelt es sich um ein einperiodisches Modell, welches zur Ermittlung der effektiven Erbschaftsteuerbelastung ein<br />

identisches modellhaftes Unternehmensvermögen in den verschiedenen Ländern steuerlich veranlagt. Sämtliche relevanten<br />

erbschaftsteuerlichen Vorschriften, wie z.B. Bewertungsverfahren, persönliche Freibeträge und Steuertarife werden<br />

berücksichtigt. Vgl. zur ausführlichen Erläuterung der Methodik S. 77ff der unten angegebenen Quelle.<br />

Quelle: Stiftung für Familienunternehmen (Hrsg.) (<strong>2006</strong>a), S. 14.<br />

Im Vergleich hierzu ist der von den Familienunternehmen zu entrichtende Steuerbetrag<br />

z. B. in Polen oder auch im Vereinigten Königreich weitaus niedriger, während<br />

etwa Frankreich, die Niederlande oder die USA eine merklich höhere Steuerbelas-<br />

51


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

52<br />

tung aufweisen. Allerdings wird gegenwärtig insbesondere in den USA über eine<br />

völlige Abschaffung der Erbschaftsteuer diskutiert. Dieser Schritt ist in einigen EU-<br />

Ländern bereits vollzogen worden. Hier sind in erster Linie neue EU-Mitgliedstaaten<br />

wie z. B. Tschechien und Estland, aber auch z. B. Italien und Schweden zu nennen.<br />

Diese Maßnahmen orientieren sich nicht zuletzt am Lissabon-Programm der EU für<br />

mehr Wachstum und Beschäftigung, zu dessen Zielen u. a. die Vereinfachung von<br />

Unternehmensübertragungen gehört. 84<br />

Zum Befragungszeitpunkt wurden – und werden nach wie vor – in Deutschland Reformen<br />

diskutiert, die zu entrichtende Steuerschuld unter bestimmten Bedingungen<br />

teilweise zu stunden oder unter Umständen ganz zu erlassen. Im Rahmen einer solchen<br />

Regelung wird die Steuerlast über einen längeren Zeitraum verteilt. Ferner soll<br />

für jedes Jahr, in dem ein übertragenes Unternehmen fortgeführt wird, ein Teil der<br />

Steuerlast erlassen werden. Diese entfällt, falls das Unternehmen nach der Übertragung<br />

mindestens zehn Jahre lang weiter besteht.<br />

Eine derartige Stundungs- bzw. Freistellungsregelung bezüglich eines Zeitraumes<br />

von zehn Jahren wurde mittlerweile vom Bundeskabinett beschlossen. 85 Allerdings<br />

steht im Kontext mit der Stundungs- und Freistellungsregelung eine so genannte<br />

Arbeitsplatzklausel, welche die Modalitäten und den Umfang der Besteuerung in eine<br />

Abhängigkeit vom Erhalt der Arbeitsplätze in dem übertragenen Unternehmen<br />

setzt: So soll nach der Unternehmensübergabe jedes Jahr – immer wenn ein weiterer<br />

Teil des Erlasses der Erbschaftsteuer ansteht – geprüft werden, wie sich die<br />

Zahl der Beschäftigten entwickelt hat. Fall sich diese verringert hat, muss zu dem<br />

betreffenden Besteuerungstermin ein Teil der Steuerschuld beglichen werden. Allerdings<br />

existieren auch Kompensationsmöglichkeiten, denn bei einem Anstieg der<br />

Beschäftigtenzahl soll sich im darauf folgenden Jahr die zu entrichtende Steuerschuld<br />

reduzieren. Mit dieser Arbeitsplatzklausel ist ein zentrales Element der Steuerreform<br />

vom Gesetzgeber noch nicht genau spezifiziert. Die Freistellungs- und<br />

Stundungsregelungen gelten zudem nicht für das ganze Unternehmensvermögen,<br />

denn ein Teil der Vermögensbestände wird als „nicht-produktiv“ eingestuft und daher<br />

von steuerlichen Begünstigungen ausgenommen. Hierzu zählen beispielsweise<br />

Bargeld, Wertpapiere oder an Dritte vermietete Grundstücke.<br />

Die öffentliche Kritik an der Reform stützt sich vor allem auf ordnungspolitische Bedenken<br />

gegen die Verknüpfung der Besteuerung mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen<br />

und zum anderen auf verfassungsrechtliche Bedenken, ob eine Ungleichbehandlung<br />

von Unternehmensvermögen und sonstigem Vermögen statthaft ist. Unabhängig<br />

davon, wie die Neuregelung der Erbschaftsteuer letztlich aussehen wird, ist es<br />

84 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Hrsg.) (<strong>2006</strong>).<br />

85 Vgl. hierzu o.V. (<strong>2006</strong>c), S. 1 und o.V. (<strong>2006</strong>a), S. 10.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

von herausragender Bedeutung, dass für die Unternehmen endlich Planungssicherheit<br />

geschaffen wird.<br />

6.7.2 Erbschaftsteuer aus Sicht der Familienunternehmen<br />

Die hessischen Familienunternehmen wurden im Rahmen der Befragung um ihre<br />

Meinung gebeten, ob die „Hürde Erbschaftsteuer“ für die Unternehmensnachfolge<br />

durch die beabsichtigte Reform (Stundung bzw. Erlass bei Fortführung) reduziert<br />

werden könne und falls ja, in welchem Umfang. Zu beachten ist, dass die Befragung<br />

zu einem Zeitpunkt durchgeführt wurde, als von einer Arbeitsmarktklausel noch keine<br />

Rede war. Insofern basieren die Ergebnisse eher auf einer „wahren“ Reform der<br />

Erbschaftsteuer. Da die Ausgestaltung der Kopplung von Besteuerung an Arbeitsplätze<br />

jedoch noch wenig konkret ist und nach wie vor diskutiert wird, besteht die<br />

Möglichkeit, dass sich die Erwartungen der Familienunternehmen auf eine umfassende<br />

Reform der Erbschaftsteuer noch erfüllen. Handlungsbedarf besteht aus<br />

Sicht der hessischen Familienunternehmen auf jeden Fall – bei vielen Unternehmen<br />

steht die Erbschaftsteuerreform ganz oben auf der „Dringlichkeitsliste“. 86<br />

Die Befragungsergebnisse zeigen eine breite Zustimmung zur Erbschaftsteuerreform<br />

unter den heimischen Familienunternehmen (vgl. Abbildung 16): Mit 72 % erwarten<br />

mehr als zwei Drittel durch die Reform eine Erleichterung der Unternehmensübergabe.<br />

Lediglich ein geringer Anteil von 8 % der Befragten widerspricht<br />

dieser Ansicht. Hierunter befinden sich etliche Unternehmer, die explizit angegeben<br />

haben, dass die Erbschaftsteuer in ihrem Fall mit oder ohne Reform Null beträgt.<br />

20 % waren die Reformbemühungen unbekannt bzw. waren sich über die Auswirkungen<br />

unschlüssig. Von den Befürwortern einer entsprechenden Novellierung des<br />

Erbschaftsteuersystems schätzen 73 % die von einer Reform ausgehenden positiven<br />

Effekte als „erheblich“ ein, während 14 % eher mit „geringen“ Wirkungen rechnen.<br />

Für 13 % der befragten Familienunternehmer würde nach einer Reform die<br />

„Hürde Erbschaftsteuer“ gar „völlig“ entfallen.<br />

86 In einem Fall droht offenbar gar der Konkurs eines hessischen Familienunternehmens mit knapp 100 Beschäftigten, da<br />

die fällige Erbschaftsteuer nicht aufgebracht werden kann.<br />

53


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

Abbildung 16: „Hürde“ Erbschaftsteuer<br />

54<br />

Oft wird die Erbschaftsteuer als Hürde für eine erfolgreiche<br />

Unternehmensnachfolge genannt. Kann die beabsichtigte<br />

Erbschaftsteuerreform (Stundung / Erlass bei Fortführung) diese<br />

Hürde reduzieren und falls ja, in welchem Umfang?<br />

Reform ist mir unbekannt /<br />

weiß nicht<br />

20%<br />

nein<br />

8%<br />

ja<br />

72%<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

ja, völlig<br />

13%<br />

ja, gering<br />

14%<br />

ja, erheblich<br />

73%<br />

Die positive Resonanz der hessischen Familienunternehmen auf die Reformbestrebungen<br />

differiert in Abhängigkeit von Branchenzugehörigkeit, Unternehmensgröße<br />

und Alter des Unternehmens:<br />

So liegt der Anteil derer, die erhebliche Verbesserungen durch die Reform erwarten,<br />

in der Industrie mit 80 % merklich über dem Durchschnitt aller Unternehmen (73 %).<br />

Diese Abweichung dürfte auf Unterschiede in der Investitions- und Finanzierungsstruktur<br />

in den einzelnen Wirtschaftszweigen zurück zuführen sein. Unternehmen<br />

der Industrie weisen in der Regel eine hohe Kapitalintensität und eher langfristige<br />

Kapitalbindung auf, was wiederum im Erbschaftsfall die Liquidität erheblich tangiert.<br />

Mit zunehmender Unternehmensgröße nimmt der Anteil der Befragten, die von einer<br />

Erbschaftsteuerreform eine positive Wirkung auf die Unternehmensübertragung erwarten,<br />

deutlich zu. Dieser liegt bei den Kleinstunternehmen bei 66 %, bei den kleinen<br />

Unternehmen bereits bei 71 % und erreicht bei den mittleren Unternehmen einen<br />

Wert von 80 %. Dies lässt sich damit erklären, dass im Vergleich zwischen den<br />

hier untersuchten Größenklassen die mittleren Unternehmen gemessen am Finanzvolumen<br />

am stärksten von der Erbschaft- und Schenkungsteuer betroffen sind. Des-


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

halb wird von den Vertretern dieser Unternehmen ein besonders ausgeprägter politischer<br />

Handlungsbedarf gesehen. Von den Befragungsteilnehmern, die sich für eine<br />

Erbschaftsteuerreform aussprechen, erwarten in allen drei Größenklassen etwa<br />

drei Viertel der Befragten in erheblichem Ausmaß positive Auswirkungen von einer<br />

solchen Reform.<br />

Das Antwortverhalten variiert zudem deutlich mit dem Alter der Familienunternehmen.<br />

So geht in der Kategorie der von 1990 bis 1999 gegründeten Unternehmen ein<br />

vergleichsweise geringer Anteil – nämlich 60 % – der Befragten davon aus, dass eine<br />

Reform der Erbschaftsteuer tatsächlich zu einer Erleichterung der Unternehmensübergabe<br />

führen wird. Hingegen liegt der entsprechende Anteil bei den von<br />

1950 bis 1959 gegründeten Unternehmen bei 83 %. 87 Diese Unternehmen sind sicherlich<br />

zum weitaus größten Teil bereits einmal an eine Nachfolgegeneration übergeben<br />

worden. Somit hat die gegenwärtige Geschäftsführung bzw. haben die Eigentümer<br />

bereits Erfahrungen mit der Erbschaftsteuer gemacht hat und kann die hiermit<br />

verbundenen steuerlichen Aspekte besser einschätzen. 88 Dies verleiht deren Einschätzung<br />

auch ein höheres Gewicht: Der Anteil der Befragten, die von der Reform<br />

erhebliche Effekte erwarten, ist mit 82 % deutlich höher als bei den jungen Unternehmen<br />

(1990-1999) mit 60 %.<br />

87 Dies korrespondiert mit den Untersuchungsergebnissen, dass Unternehmen, die sich nicht mehr im Besitz der Gründergeneration,<br />

sondern in der Hand der Nachfolgegenerationen befinden, mit der Reform der Erbschaftsteuer höhere Erwartungen<br />

verbinden.<br />

88 Auf die besonderen Schwierigkeiten beim ersten Generationswechsel im Bezug auf die Erbschaftsteuer verweisen auch<br />

Huber, H.-G. u. Sterr-Kölln (<strong>2006</strong>), S. 32.<br />

55


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

7 Familienunternehmen – Zukunftsperspektiven<br />

56<br />

Zur Einschätzung der zukünftigen Entwicklungsperspektiven wurden den Familienunternehmen<br />

acht Aussagen aus den unterschiedlichsten Themenfeldern – sowohl<br />

Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Tätigkeit als auch Charakteristika der<br />

Familienunternehmen selbst betreffend – vorgelegt und sie um eine Bewertung auf<br />

einer Skala von eins bis fünf (von „trifft voll und ganz zu” bis „trifft überhaupt nicht<br />

zu”) gebeten.<br />

Die so gewonnenen, nachfolgend vorgestellten eher „weichen” Aussagen der Familienunternehmen<br />

sind naturgemäß teilweise von bereits untersuchten Strukturmerkmalen<br />

wie z. B. der Unternehmensgröße und der Branche abhängig: So wird<br />

ein kleines Handwerksunternehmen im Baugewerbe, welches weder seine Leistungen<br />

im Ausland anbietet noch Güter oder Dienstleistungen aus dem Ausland bezieht,<br />

eine andere Ansicht zur Internationalisierung haben als ein großes Familienunternehmen,<br />

das mehr als die Hälfte seiner Produkte im Ausland absetzt. Darüber<br />

hinaus beinhalten die nachfolgenden Einschätzungen aus Sicht der Familienunternehmen<br />

– genauer: der Familienunternehmer – jedoch weitere, teilweise ausgesprochen<br />

subjektive Einflussfaktoren.<br />

In Abbildung 17 sind die Ergebnisse im Überblick dargestellt, wobei die Aussagen<br />

absteigend nach dem Grad der Zustimmung (gemessen am Mittelwert der Einschätzungen)<br />

sortiert sind. In allen Fällen ist der Durchschnitt kleiner als die mittlere Kategorie<br />

drei, die als neutraler Wert oder auch „weiß nicht“ interpretiert werden kann.<br />

D. h., allen vorgelegten Aussagen wird von den befragten Familienunternehmen im<br />

Durchschnitt mehr zugestimmt als dass diese abgelehnt werden. Zu den Aussagen<br />

im Einzelnen:


Abbildung 17: Familienunternehmen – Zukunftsperspektiven<br />

<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

Wenn Sie nun einige Jahre in die Zukunft blicken: In welchem Ausmaße treffen Ihrer Meinung nach die nachfolgenden<br />

Aussagen über die „Familienunternehmen der Zukunft“ zu?<br />

Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden ...<br />

… aufgrund des hohen und weiter zunehmenden<br />

Wettbewerbs noch effizienter als bisher wirtschaften<br />

müssen.<br />

... eine schlagkräftigere Interessenvertretung / Lobby<br />

benötigen, damit die Politik die Rahmenbedingungen<br />

mehr auf Familienunternehmen und weniger auf<br />

Großkonzerne ausrichtet.<br />

… mehr Sicherheiten bieten und mehr Geschäftszahlen<br />

und -strategien offen legen müssen, um den<br />

erhöhten Anforderungen der Banken für die Kreditgewährung<br />

gerecht werden zu können.<br />

… kurzfristiger handeln und denken als bisher.<br />

… weniger als bislang Arbeitskräfte lebenslang beschäftigen<br />

können.<br />

… wie bisher stark mit ihrem heimischen Standort<br />

„verwurzelt" sein.<br />

… (noch) internationaler ausgerichtet sein als bereits<br />

heute.<br />

... häufiger mit Fremdmanagern arbeiten, öfter verkauft<br />

oder geschlossen werden, da es an Nachfolgern<br />

aus dem Kreis der Eigentümerfamilie mangelt.<br />

1,36<br />

1,52<br />

1,64<br />

1,99<br />

2,19<br />

2,50<br />

2,67<br />

2,71<br />

1,00 2,00 3,00 4,00 5,00<br />

trifft voll<br />

und ganz zu<br />

Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />

trifft überhaupt<br />

nicht zu<br />

Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden aufgrund des hohen und weiter<br />

zunehmenden Wettbewerbs noch effizienter als bisher wirtschaften müssen.<br />

Von allen acht Thesen erfährt diese mit einem Mittelwert von 1,36 die größte Zustimmung<br />

– und zwar unabhängig von der Branche, der Unternehmensgröße, der<br />

57


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

58<br />

Intensität der Auslandsbeziehungen oder auch dem Alter des Unternehmens. Lediglich<br />

sechs der befragten Familienunternehmen vertreten die Ansicht, dass diese<br />

Aussage überhaupt nicht zutrifft. 66 % der Familienunternehmer stimmen hingegen<br />

voll und ganz zu.<br />

Dies bestätigt, dass die Familienunternehmen sehr wohl wissen, dass sie sich den<br />

zunehmend globalen Wettbewerbseinflüssen nicht dauerhaft entziehen können. Diese<br />

äußern sich u. a. in einem verstärkten Kosten- und Anpassungsdruck in den<br />

Märkten. Zunehmend sehen sich auch kleine hessische Familienunternehmen mit<br />

nur lokalem Absatzmarkt diesen Herausforderungen gegenüber – z. B. Bäcker, die<br />

mit „Billigbäckern“ mit vorgefertigten Teigrohlingen aus dem Ausland im Wettbewerb<br />

stehen oder Bauunternehmer, die mit Scheinselbständigen aus den neuen EU-<br />

Mitgliedstaaten konkurrieren müssen. Vor allem die Konkurrenz aus Osteuropa und<br />

Fernost, aber in geringerem Maße auch durch die hiesigen Großunternehmen in<br />

Verbindung mit als ungleich empfundenen Wettbewerbsbedingungen werden von<br />

den Befragten als große, teilweise gar die Existenz bedrohende Probleme angeführt.<br />

Die bei Großunternehmen längst übliche Strategie fortwährender Optimierung der<br />

eigenen Geschäftsprozesse wird zukünftig verstärkt auch in die Familienunternehmen<br />

einziehen. Dies wird manches Unternehmen sehr fordern, wird doch mit Familienunternehmen<br />

eher die Präferenz für das Bekannte, das Bewährte verbunden.<br />

Jedoch eröffnen sich auch neue Marktchancen: So ist z. B. das wachsende Gewicht<br />

individueller und auf die speziellen Kundenanforderungen zugeschnittener Produkte<br />

und Dienstleistungen insbesondere für die Familienunternehmen interessant, da<br />

diese in der Regel „sehr nahe am Kunden“ sind. 89<br />

Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden eine schlagkräftigere Interessenvertretung<br />

/ Lobby benötigen, damit die Politik die Rahmenbedingungen<br />

mehr auf Familienunternehmen und weniger auf Großkonzerne ausrichtet.<br />

Auch diese These trifft mit einem Durchschnittswert von 1,52 auf sehr große Zustimmung<br />

bei den Befragten. Mit zunehmendem Alter des Unternehmens ist die<br />

Identifikation als Familienunternehmen ausgeprägter und eine spezifische Interessenvertretung<br />

wird für wichtiger erachtet. So geben 71 % der Unternehmen, die<br />

bereits zwischen 1871 und 1913 gegründet wurden, „trifft voll und ganz zu“ an. Dies<br />

gilt nur bei 56 % der „frisch“ (zwischen 2000 und <strong>2006</strong>) gegründeten hessischen<br />

Familienunternehmen.<br />

89 Diese Nähe kann sich bei Familienunternehmern auch auf den privaten Bereich erstrecken, wenn bspw. Unternehmer<br />

und Kunde Mitglied im gleichen Sportverein sind.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

Bestehende Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Großunternehmen abzubauen<br />

gehört denn auch zu den immer wiederkehrenden Forderungen der hessischen Familienunternehmen.<br />

So sind alleine im Steuerrecht eine Vielzahl von diskriminierenden<br />

Regelungen enthalten90 – mit der Erbschaftsteuer wurde ein besonderer Problemkreis<br />

bereits thematisiert.<br />

Verständnis in der Politik sowohl auf der Landes-, Bundes- als auch verstärkt auf<br />

der europäischen Ebene für die spezifischen Bedürfnisse der Familienunternehmen<br />

zu wecken, ist jedoch nicht der einzige Punkt. Im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung<br />

stehen zumeist die Großunternehmen. Deshalb ist die Herstellung eines<br />

angemessenen Verhältnisses zwischen volkswirtschaftlicher Bedeutung und öffentlicher<br />

Wahrnehmung der Familienunternehmen ein weiterer Aspekt, den sich zahlreiche<br />

Familienunternehmer in <strong>Hessen</strong> wünschen. Aussagen wie z. B. „Wir schaffen<br />

die Arbeitsplätze“ oder „Wir zahlen unsere Steuern hier und nicht im Ausland“ zielen<br />

in diese Richtung.<br />

Zur Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit gehören ebenfalls die Vermittlung eines positiven<br />

Bildes vom Familienunternehmen und damit auch die Motivation zur Selbständigkeit.<br />

91 Hierbei ist selbstverständlich auch die Initiative der einzelnen Unternehmer<br />

gefragt. Gründungen in jüngerer Vergangenheit zeigen das bestehende Interesse<br />

an einer spezifischen Interessenvertretung. So wurde z. B. 1998 die „Deutsche Gesellschaft<br />

für Familienunternehmen e.V.“ gegründet und im Jahr 2004 die „Stiftung<br />

für Familienunternehmen in Deutschland und Europa“ ins Leben gerufen, die die bereits<br />

seit 1949 bestehende „Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer“ ergänzen.<br />

Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden mehr Sicherheiten bieten und<br />

mehr Geschäftszahlen und -strategien offen legen müssen, um den erhöhten<br />

Anforderungen der Banken für die Kreditgewährung gerecht werden zu können.<br />

Der Bankkredit ist sowohl zur Sicherung der Liquidität als auch zur Wachstumsfinanzierung<br />

für den Großteil der Familienunternehmen in Deutschland traditionell<br />

unverzichtbar. Dies trifft erst recht zu, da kleinere Unternehmen im Allgemeinen<br />

schlechter mit Eigenkapital ausgestattet sind als größere Unternehmen. Besonders<br />

bei kleinen Handelsunternehmen, aber auch im Gastgewerbe ist die Eigenkapital-<br />

90 Vgl. zu einer knappen Übersicht mit erläuternden Beispielen z. B. Crezelius, G. (2005).<br />

91 Hierzu hat ein hessischer Familienunternehmer in einem Gespräch mit dem Verfasser kritisch angemerkt, dass in der<br />

jüngeren Vergangenheit von Seiten der Politik zwar die Selbständigkeit stärker propagiert und auch unterstützt werde, die<br />

Selbständigkeit jedoch zunehmend den Charakter einer „Notlösung“ für Problemgruppen des Arbeitsmarktes bekäme.<br />

Der Unternehmer wünscht sich eine stärkere Betonung der Selbständigkeit als freiwillige Entscheidung aus Überzeugung<br />

und Bekenntnis zum Unternehmertum.<br />

59


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

60<br />

decke dünn. 92 Darüber hinaus gilt bei Familienunternehmen der Bedarf an Finanzmitteln<br />

im Vergleich zu großen Konzernen als strukturell höher93 – sei es z. B. durch<br />

Entnahmen der Familie, die auch in schlechten Zeiten des Unternehmens ihren Lebensunterhalt<br />

sichern muss.<br />

Viele der befragten hessischen Familienunternehmen beklagen Schwierigkeiten,<br />

von den Banken Kredite zu erhalten. Aussagen wie „restriktive Kreditvergabe“,<br />

„(mehr als) zögerliche Banken“, oder „Hausbanken winken immer ab“ sind keine<br />

Einzelfälle. 94 Familienunternehmen sind für Kreditgeber oft wenig interessant, da<br />

u. a. die Transparenz häufig zu wünschen lässt, so dass die Risiken schwer kalkulierbar<br />

sind. Ob das hinter der Abkürzung „Basel II“ stehende Regelwerk ursächlich<br />

für die Verknappung der Kredite und die Verschlechterung der Konditionen ist oder<br />

„nur“ einen Teil dazu beigetragen hat, soll an dieser Stelle nicht thematisiert werden.<br />

Fest steht, dass seit Basel II ein – in der Regel von den Kreditinstituten – vergebenes<br />

Unternehmensrating zentral für die Kreditgewährung ist. Für das Familienunternehmen<br />

ist es damit von entscheidender Bedeutung, ein erstklassiges Rating zu erlangen.<br />

Die Finanzkennziffern des Unternehmens sind für die Feststellung des Ratings<br />

von hoher Bedeutung, aber es werden noch weitere Faktoren wie z. B. die Regelung<br />

der Unternehmensnachfolge herangezogen. 95 Insgesamt führt das Rating allerdings<br />

auch zu einer realistischeren Bewertung des Unternehmens und trägt damit<br />

auch zur Vermeidung von Vermögensillusionen – nicht nur bei Dritten, sondern auch<br />

bei dem betroffenen Unternehmen selbst – bei.<br />

Die Befragungsergebnisse zeigen, dass die Unternehmen im Zusammenhang mit<br />

Basel II von weiter steigenden Anforderungen seitens der Banken ausgehen: Für<br />

54 % der hessischen Familienunternehmen trifft die These, dass sie zukünftig mehr<br />

Sicherheiten bieten und mehr Geschäftszahlen und -strategien offen legen müssen<br />

als bisher, „voll und ganz zu“. Mit einem Mittelwert von 1,64 fällt die Zustimmung nur<br />

wenig geringer als zur vorangegangenen Frage zum Lobbyismus bzw. zur Interessenvertretung<br />

aus. Das Antwortverhalten ist weitestgehend unabhängig von der Unternehmensgröße,<br />

d. h. selbst die Kleinstunternehmen teilen diese Ansicht. Hessische<br />

Familienunternehmen mit ausgeprägter Auslandsorientierung (hoher Auslandsumsatz<br />

/ oder Standorte im Ausland) sehen hingegen in geringerem Ausmaße<br />

erhöhte Anforderungen auf sich zukommen. Die enge Einbindung in die Weltwirtschaft<br />

dürfte bei diesen Unternehmen bereits für ein höheres Maß an Transparenz<br />

92 Vgl. z. B. die jüngste Umfrage des Verbandes der Vereine Creditreform e.V. Neuss (<strong>2006</strong>), S. 30f.<br />

93 Vgl. Hennerkes, B.-H. (2004), S. 355.<br />

94 Dies deckt sich mit Äußerungen des Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Familienunternehmen, Sterr-Kölln, der<br />

feststellt: „In den Chefetagen der Banken ist das Verständnis für Familienunternehmen deutlich gesunken“. Vgl. o. V.<br />

(2005a), S. 9.<br />

95 Diese eher „weichen“ Faktoren sollten keinesfalls unterschätzt werden: So klagte ein Familienunternehmen gegenüber<br />

dem Verfasser, dass ihm ein Kredit nicht gewährt worden sei, weil – nach Auskunft des Unternehmers – „ein paar Kleinigkeiten“<br />

in der Unternehmensnachfolge nicht geregelt waren.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

gegenüber Kapitelgebern gesorgt haben. Auch dürften diesen Unternehmen mit<br />

dem Ausland alternative Finanzierungsquellen zur Verfügung stehen.<br />

Basel II erfordert von Seiten der Familienunternehmen eine deutlich offenere Kommunikationsstrategie<br />

im Verhältnis zu den Banken. Die wirtschaftliche Situation offen<br />

darzulegen, aber auch belastbare Aussagen über die Zukunftsperspektiven des<br />

Unternehmens zu treffen, ist nötig, um den zunehmenden Druck der Banken in<br />

Richtung mehr Transparenz aktiv zu entsprechen. Hierbei handelt es sich durchaus<br />

um „Tabubrüche“ 96 für viele Familienunternehmen – und entsprechend ist ein Umdenken<br />

erforderlich. Hierzu gehört es auch, sich intensiv mit dem Rating und dessen<br />

Kriterien auseinanderzusetzen. 97 Dies ist noch keine Selbstverständlichkeit: Etwa<br />

die Hälfte der in einer Studie98 befragten Unternehmen kannte ihr Rating nicht und<br />

mehr als ein Drittel war über die dem Rating zugrunde liegenden Kriterien nicht informiert.<br />

Je kleiner das Unternehmen, desto größere Informationsdefizite zeigten<br />

sich, was auf Kommunikationsdefizite zwischen Kreditwirtschaft und Mittelstand<br />

hinweist.<br />

Ob das Anliegen eines der befragten hessischen Unternehmer in Erfüllung geht, der<br />

sich „wieder mehr Kreditvergabe mit Augenmaß statt mit reiner Zahlenarithmetik“<br />

wünscht, ist vor dem Hintergrund der Befragungsergebnisse zu bezweifeln. Es darf<br />

allerdings auch nicht vergessen werden, dass die mit Basel II verbundene Transparenz<br />

den Familienunternehmen auch neue Finanzierungsoptionen eröffnet (z. B.<br />

Mezzanine-Finanzierung). 99<br />

Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden kurzfristiger handeln und<br />

denken als bisher.<br />

Familienunternehmen sind nach allgemeiner Ansicht im Vergleich zu anderen Unternehmen<br />

langfristiger orientiert. Dies ergibt sich bereits aus der Erwartung, dass<br />

der Familienunternehmer in der Regel das Unternehmen als Familienunternehmen<br />

erhalten möchte. Unternehmensstrategie und konkrete Einzelentscheidungen werden<br />

an diesem Oberziel ausgerichtet, was sich dann oft in einem vergleichsweise<br />

langsamen, aber dafür stetigen Wachstum äußert. Auch sind in der Regel erhebliche<br />

Teile des Familienvermögens im Unternehmen investiert100 – ein weiterer we-<br />

96 Vgl. Wimmer, R., Domayer, E., Oswald, M. u. Vater, G. (2005), S. 167.<br />

97 So nennt Albach sogar unter der Überschrift „Bedingungen für das Überleben von Familienunternehmen“ als einen von<br />

zehn Punkten: „Das Unternehmen stellt sich der Diskussion mit den Finanzanalysten und Rating-<strong>Agentur</strong>en.“ Vgl. Albach,<br />

H. (2002), S. 172.<br />

98 Vgl. KfW Bankengruppe (Hrsg.) (2005), S. 66.<br />

99 Vgl. ausführlich zur Mezzanine-Finanzierung sowie zu weiteren Finanzierungsformen speziell vor dem Hintergrund mittelständischer<br />

Unternehmen Spahn, P.B. u. van den Busch, U. (2002), S. 206ff. Vgl. zur Finanzplatzstruktur und Kapitalausstattung<br />

mittelständischer Unternehmen Harsche, J. u. van den Busch, U. (<strong>2006</strong>), S. 194ff.<br />

100 In Personengesellschaften haftet der Familienunternehmer grundsätzlich mit seinem gesamten Vermögen (einschl. Privatvermögen).<br />

61


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

62<br />

sentlicher Grund für eine eher risikoaverse, auf den langfristigen Erfolg abzielende<br />

Strategie, da dieses Vermögen im Interesse der Absicherung der Familie nicht übermäßigen<br />

Risiken ausgesetzt werden soll.<br />

Die Befragungsergebnisse der hessischen Familienunternehmen weisen darauf hin,<br />

dass auch bei den Familienunternehmen die Entwicklung tendenziell weg von der<br />

langfristigen Orientierung mehr in Richtung kurzfristigerem Denken und Handeln<br />

gehen wird. So trifft für 32 % der Familienunternehmer die Aussage „Die Familienunternehmen<br />

der Zukunft werden kurzfristiger handeln und denken als bisher“ voll<br />

und ganz zu. Dies gilt für Kleinstunternehmen mit bis zu 9 Beschäftigten ebenso wie<br />

für die „großen“ Familienunternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern. Lediglich 2 % der<br />

Befragten sind gar nicht dieser Ansicht. Im Handel fällt die Zustimmung etwas größer<br />

aus als in der Industrie und bei den Dienstleistungen. Über alle Branchen hinweg<br />

beträgt der Mittelwert der Bewertungen 1,99.<br />

Neben allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen (dem zunehmenden Wettbewerb<br />

oder dem technischen Fortschritt), der von allen Unternehmen erhöhte Flexibilität<br />

und Anpassungsgeschwindigkeit fordert, gibt es auch gesellschaftliche Faktoren, die<br />

sich insbesondere auf die Familienunternehmen auswirken. Ein Beispiel ist die zunehmende<br />

Individualität, die den Familienverband schwächt. Wie bereits in Kapitel<br />

6.3 abgeleitet, ist es als Sohn oder Tochter keineswegs mehr selbstverständlich,<br />

das elterliche Unternehmen zu übernehmen bzw. muss dies nicht von Dauer sein.<br />

Fragen des Ausstiegs von Gesellschaftern, der Abfindung von Familienmitgliedern,<br />

der Bestellung von Fremdgeschäftsführern, der Gewinnung von familienfremden Investoren<br />

(mit u. U. höheren Renditeerwartungen) wirken eher in Richtung einer<br />

kurzfristigeren Ausrichtung des Unternehmens, ja lassen im Extremfall eine längerfristige<br />

Strategieentwicklung kaum noch zu.<br />

Eine zunehmend kurzfristigere Orientierung muss jedoch nicht zwingend von Nachteil<br />

sein. Hält ein Familienunternehmen z.B. (zu) lange an bewährten Geschäftsprinzipien<br />

oder auch an über viele Jahre gewachsenen Absatz- und Beschaffungsbeziehungen<br />

fest, besteht die Gefahr, dass es die erforderliche Flexibilität einbüßt, um<br />

auf neue Anforderungen adäquat reagieren zu können. Damit sind die Familienunternehmen<br />

in der Zukunft wohl auch weniger ein Hort der Stabilität als in der Vergangenheit.<br />

Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden weniger als bislang Arbeitskräfte<br />

lebenslang beschäftigen können.<br />

Mit Familienunternehmen wird eine andere Personalpolitik verbunden als mit großen<br />

Konzernen, die fortwährend neue Kostensenkungs- und Umstrukturierungsprogramme<br />

auflegen, die in den Abbau von tausenden, ja zehntausenden Arbeitsplätzen


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

münden. In der Tat existiert in Familienunternehmen häufig eine ausgeprägte wechselseitige<br />

Bindung zwischen Mitarbeitern und Unternehmen bzw. Eigentümerfamilie<br />

– „Identifikation“ wird gelebt und ist nicht zur Worthülse geworden. Die Beschäftigten<br />

werden meist in jungen Jahren rekrutiert, im Unternehmen selbst ausgebildet und<br />

zeichnen sich durch eine langjährige Betriebszugehörigkeit aus. Auch das Übertragen<br />

von familiären Beziehungsmustern auf die Mitarbeiter trägt dazu bei, dass die<br />

Bindung viel enger als in „anonymen“ Großunternehmen ist. Entsprechend schwerer<br />

fällt es, sich von Personal zu trennen und dementsprechend intensiver sind die Anstrengungen,<br />

dies zu vermeiden. 101 Damit einher geht eine hohe Leistungsbereitschaft<br />

der Belegschaft, die oft über die eines „normalen“ Beschäftigungsverhältnisses<br />

hinausgeht. Bisweilen wird hierin gar ein „einzigartige[r] Wettbewerbsvorteil im<br />

Hinblick auf die Mitarbeitermotivation und die vorherrschende Arbeitsatmosphäre“ 102<br />

der Familienunternehmen gesehen.<br />

Ob dieser Wettbewerbsvorteil jedoch auch in Zukunft noch in dem Maße Bestand<br />

haben wird, ist fraglich: 29 % der befragten Familienunternehmer sind voll und ganz<br />

der Ansicht, dass zukünftig Familienunternehmen weniger als bislang Arbeitskräfte<br />

lebenslang beschäftigen können. Lediglich 4 % vertreten die Gegenposition. Insgesamt<br />

gesehen liegt der Mittelwert bei 2,26, wobei ein hoher Anteil (25 %) die mittlere<br />

Kategorie „drei“ angegeben hat, was zum Teil als „weiß nicht“ interpretiert werden<br />

kann. Mit zunehmendem Wettbewerb und kurzfristigerer Ausrichtung auch der Unternehmensstrategie<br />

sind zwei Ursachen für diese vermutliche Entwicklung bereits<br />

thematisiert worden. Hinzu tritt mit der wirtschaftlichen Lage ein eher konjunktureller<br />

Bestimmungsgrund, der sich allerdings von Branche zu Branche unterschiedlich<br />

darstellt. So fällt denn auch bei den hessischen Familienunternehmen des Baugewerbes<br />

die Zustimmung überdurchschnittlich hoch aus; viele Unternehmen im Baugewerbe<br />

mussten innerhalb weniger Jahre einen beträchtlichen Teil ihrer Belegschaft<br />

entlassen. Die Befragung zeigt im Hinblick auf das Alter des Unternehmens<br />

eine klare Tendenz: Je jünger das Unternehmen, desto größer die Zustimmung zur<br />

eingangs angeführten These. Möglicherweise sind die alteingesessenen Mehrgenerationen-Familienunternehmen<br />

optimistischer, da sie bereits auf viele Jahrzehnte erfolgreiche<br />

Unternehmensvita zurückblicken können, während bei den „Newcomern“<br />

verständlicherweise die Unsicherheit stärker ausgeprägt ist.<br />

Ein weiterer Grund könnte hier eine Rolle spielen: Junge, neu gegründete Unternehmen<br />

– insbesondere wissensorientierte Dienstleistungsunternehmen – attrahieren<br />

in der Regel junge, hoch qualifizierte Mitarbeiter, deren Ansprüche an die Quali-<br />

101 Hierauf sind die Familienunternehmen durchaus stolz, wie zahlreiche Äußerungen von Unternehmern im Rahmen der<br />

Befragung zu Internationalisierung und EU-Osterweiterung des Hessischen <strong>Mittelstandsbericht</strong>s 2005 gezeigt haben. Vgl.<br />

zu den Risiken einer solchen engen Bindung zwischen Familienunternehmen und Beschäftigten Wimmer, R., Groth, T. u.<br />

Simon, F.B. (2004), S. 54f.<br />

102 Wiechers, R. (<strong>2006</strong>), S. 319.<br />

63


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

64<br />

tät ihrer Arbeit sowie an die Arbeitsbedingungen hoch sind. Um der Karriere willen<br />

werden häufiger Arbeitsplatzwechsel vollzogen, so dass die obige These auch im<br />

Sinne interpretiert werden kann, dass es Familienunternehmen weniger gelingen<br />

wird, Beschäftigte (arbeits-)lebenslang an sich zu binden.<br />

Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden wie bisher stark mit ihrem<br />

heimischen Standort "verwurzelt" sein.<br />

In Kapitel 5 wurde bereits ausführlich die enge Bindung der Familienunternehmen<br />

an den Unternehmensstandort diskutiert und auf mögliche Trends diesbezüglich hingewiesen.<br />

Wie sehen die hessischen Familienunternehmen selbst ihre zukünftige<br />

Verwurzelung mit dem Standort? Mit einem Mittelwert von 2,50 liegt deren Einschätzung<br />

recht nahe an der „neutralen“ Kategorie. Die nähere Betrachtung der Befragungsergebnisse<br />

belegt, dass die Bindung zum Standort sich in Zukunft (weiter)<br />

lockern dürfte – sei es z. B. durch die zunehmende internationale Ausrichtung und<br />

Arbeitsteilung, durch die häufigere Bestellung von familienfremden Managern ohne<br />

Beziehung zum Unternehmensstandort, durch Veränderungen in den Kunden- und<br />

Lieferantenbeziehungen (z. B. Abwanderung von Kunden nach Osteuropa) oder<br />

auch durch Übernahme, Verkauf und Fusion. Denn: Nur 32 % derjenigen Unternehmer,<br />

die sich sehr stark mit ihrem Standort verwurzelt fühlen, gehen davon aus,<br />

dass dies auch zukünftig so bleiben wird.<br />

Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden (noch) internationaler ausgerichtet<br />

sein als bereits heute.<br />

Diese These erfährt von allen angeführten Aussagen mit einem Durchschnittswert<br />

von 2,67 die zweitniedrigste Zustimmung. Hinter diesem Mittelwert verbergen sich<br />

jedoch erhebliche Disparitäten, die insbesondere an der bereits bestehenden internationalen<br />

Ausrichtung der Unternehmen festgemacht werden können. So zeigt sich<br />

ein starker positiver Zusammenhang zwischen der Höhe des Auslandsumsatzes<br />

und dem Grad der Zustimmung, d. h. je stärker das Familienunternehmen bereits<br />

heute am internationalen Markt orientiert ist, desto eher wird erwartet, dass die Internationalisierung<br />

noch weiter zunehmen wird. So stimmen 58 % der Unternehmen<br />

mit mehr als 50 % Auslandsumsatz der obigen These voll und ganz zu, von den auf<br />

den Inlandsmarkt orientierten Familienunternehmen sind es lediglich 9 %. Ein „Aufholprozess“<br />

findet also offenbar nicht statt.<br />

Wie der letzte Hessische <strong>Mittelstandsbericht</strong> gezeigt hat, sehen die Unternehmen<br />

zwar durchaus die Notwendigkeit, ihren räumlichen Absatzmarkt nicht zuletzt aufgrund<br />

von Sättigungstendenzen in den heimischen Märkten auszudehnen. 103 Unge-<br />

103 Vgl. Bauer, C. (2005), S. 31ff und S. 78.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

achtet der Möglichkeit, als Zulieferer eines exportierenden Unternehmens sozusagen<br />

indirekt zu exportieren, sind die oft dynamisch expandierenden Auslandsmärkte<br />

für viele Unternehmer jedoch unerreichbar. Muss z. B. die Dienstleistung oder die<br />

Produktion am Ort der Nutzung erfolgen, sind die Exportmöglichkeiten quasi naturgesetzlich<br />

eng begrenzt. Beispiele hierfür sind das Baugewerbe und weite Bereiche<br />

des Handwerks – beides Domänen von Familienunternehmen. Entsprechend fällt<br />

auch die Zustimmung zur Internationalisierungsthese im Baugewerbe deutlich geringer<br />

als in der Industrie aus. Zudem ist der Finanzaufwand zur Erschließung von<br />

Auslandsmärkten häufig sehr hoch und überfordert viele der Familienunternehmen,<br />

die oft nur über eine geringe Kapitalausstattung verfügen. Hinzu kommen Sprachbarrieren.<br />

Bisweilen wird auch der Führungsstil der Familienunternehmen als<br />

Hemmnis für ein Auslandsengagement angeführt: 104 Der Familienunternehmer führt<br />

sehr direkt und seine Anwesenheit ist deshalb im Ausland – sei es beim Lizenznehmer,<br />

beim Vertriebspartner oder auch in der Auslandsniederlassung – häufig erforderlich.<br />

Ein solcher Führungsstil lässt sich bei Entfernungen von u.U. Tausenden<br />

von Kilometern allerdings schwerlich durchhalten, so dass Schwierigkeiten vorprogrammiert<br />

sind.<br />

Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden häufiger mit Fremdmanagern<br />

arbeiten, öfter verkauft oder geschlossen werden, da es an Nachfolgern aus<br />

dem Kreis der Eigentümerfamilie mangelt.<br />

Diese Aussage stößt bei den Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong> mit einem Mittelwert<br />

von 2,71 auf die geringste Zustimmung. Ungeachtet der zahlreichen Hürden die für<br />

eine erfolgreiche Unternehmensübergabe zu meistern sind, sind viele Unternehmer<br />

offenbar zuversichtlich, was die Zukunft ihres Familienunternehmens betrifft. So teilen<br />

denn auch – verglichen mit den übrigen Aussagen dieses Kapitels – überproportional<br />

viele Familienunternehmen die Ansicht, es mangele an familieninternen Nachfolgern<br />

überhaupt nicht: 13 % sagen „trifft überhaupt nicht zu“ – für 15 % hingegen<br />

„trifft es voll und ganz zu“. Zu beachten ist, dass die These auf den Mangel an<br />

Nachfolgern aus der Eigentümerfamilie abstellt. Die Schließung des Unternehmens,<br />

weil es nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann oder z. B. der Verkauf an<br />

ein Großunternehmen, da die erforderliche Internationalisierung an den beschränkten<br />

finanziellen Ressourcen des Familienunternehmens gescheitert ist, sind damit<br />

nicht explizit erfasst. Zusammenhänge bestehen jedoch durchaus, wie das Beispiel<br />

des Baugewerbes (Mittelwert: 2,28) veranschaulicht. Hier macht sich offensichtlich<br />

die seit Jahren andauernde wirtschaftliche Krise im Baugewerbe bemerkbar, die<br />

sich mangels Perspektiven letztlich negativ auf die Bereitschaft zur Selbständigkeit<br />

im Baugewerbe auswirkt.<br />

104 Vgl. Hennerkes, B.-H. (2004), S. 330.<br />

65


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

8 Zusammenfassung<br />

66<br />

Die Landschaft der hessischen Familienunternehmen – hier verstanden als mittelständische<br />

Unternehmen, in denen sich Mitglieder der Eigentümerfamilie in der Unternehmensführung<br />

befinden – zeichnet sich durch eine vielfältige Mischung aus<br />

jungen und alteingesessenen Unternehmen aus. So wurde ein Viertel der heute<br />

noch tätigen Familienunternehmen erst nach der Wiedervereinigung gegründet,<br />

während ebenfalls rund ein Viertel der Unternehmen bereits älter als <strong>Hessen</strong> selbst,<br />

d.h. älter als 60 Jahre ist. Einige können sogar auf eine mehr als 200 Jahre alte<br />

Tradition zurückblicken. Eine derart lange Unternehmensvita steht in besonderem<br />

Maße für familiäre wie ökonomische Beständigkeit und eine hohe Flexibilität – und<br />

somit keineswegs für ein Relikt aus der Vergangenheit. Nichtsdestotrotz ist eine permanente<br />

„Auffrischung“ des Unternehmensbestandes durch neu gegründete Familienunternehmen<br />

erforderlich, um eine „gesunde“ Altersstruktur und die Leistungsfähigkeit<br />

der Wirtschaft zu erhalten, wobei die Wirtschaftspolitik z.B. durch Existenzgründungsprogramme<br />

wertvolle Hilfestellung leisten kann.<br />

Ein wesentlicher Grund für die Leistungsfähigkeit von Familienunternehmen ist die<br />

von der Eigentumsbindung ausgehende besondere Motivation der Unternehmer.<br />

89 % der befragten hessischen Unternehmen befinden sich denn auch vollständig in<br />

Familienbesitz. Dass nur in 11 % der Fälle Familienfremde – in der Regel in Form<br />

von Minderheitsbeteiligungen – Miteigentümer sind, beweist den großen Wunsch<br />

der Familienunternehmen nach Autonomie. Dies wird noch deutlicher anhand der<br />

Unternehmensführung: Lediglich in 5 % der befragten hessischen Familienunternehmen<br />

sind Fremdmanager Mitglied der Geschäftsführung bzw. des Vorstands.<br />

Über ein Drittel der sich ausschließlich im Familienbesitz befindlichen befragten Unternehmen<br />

ist noch in Gründerhand bzw. im Besitz der 1. Generation, knapp 20 % in<br />

der 2. Generation und etwa ein Viertel in der 3. oder höheren Generation. In rund<br />

20 % der Fälle teilen sich mehrere Generationen den Besitz. Hierbei handelt es sich<br />

häufig um Unternehmen im Nachfolgeprozess, bei denen Übergeber (noch) und<br />

Nachfolger (schon) Geschäftsführer sind.<br />

Die Untersuchung belegt die ausgeprägte Bindung der Familienunternehmen bzw.<br />

der -unternehmer an den heimischen Standort: Knapp die Hälfte der Befragten gibt<br />

eine sehr starke „Verwurzelung“ mit ihrem Unternehmensstandort an. Lediglich 2 %<br />

bezeichnen sich als überhaupt nicht mit dem Standort verwurzelt. Deutlich loser fällt<br />

die Bindung bei Unternehmen mit intensiven Wirtschaftsbeziehungen zum Ausland<br />

aus. Hierbei handelt es sich vornehmlich um größere Unternehmen aus dem Verarbeitenden<br />

Gewerbe.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

Für die Bindung des Unternehmens an den Standort sind langjährige Absatz- und<br />

Beschaffungsverflechtungen von großer Bedeutung. Für mehr als drei Viertel der<br />

befragten Familienunternehmen sind wichtige Kunden bzw. Zulieferer in der Region<br />

ansässig. Von den Familienunternehmen, die sich sehr stark mit dem Standort verwurzelt<br />

fühlen, haben sogar 90 % wichtige Kunden bzw. Zulieferer in der Region.<br />

Auch der Geburtsort des Unternehmers ist für diese Bindung von Bedeutung. Bei<br />

etwa drei Viertel der Befragten liegt der Geburtsort des Unternehmers in der Standortgemeinde<br />

oder in der näheren Umgebung. Allerdings hat im Zeitablauf eine Lockerung<br />

zwischen Geburtsort und Unternehmenssitz stattgefunden, denn bei den<br />

nach 1980 gegründeten Unternehmen sind es nur noch knapp 60 %.<br />

Die enge Bindung von Familienmitgliedern an den Standort drückt sich auch in einem<br />

ausgeprägten ehrenamtlichen Engagement aus, denn mehr als die Hälfte der<br />

Unternehmer sind ehrenamtlich tätig – z.B. in Vereinen, der Kirche, in Verbänden,<br />

der IHK oder Handwerkskammer. Ein noch größerer Anteil (zwei Drittel) der Familienunternehmen<br />

ist in der Region als Sponsor, Förderer bzw. Mäzen aktiv. In Zeiten<br />

knapper öffentlicher Mittel und vor dem Hintergrund des demografischen Wandels<br />

wird Ehrenamt wie Sponsoring – sei es z.B. für soziale Zwecke oder in der Kultur –<br />

in Zukunft wichtiger werden, um einerseits eine gewisse „Grundversorgung“ für die<br />

Einwohner zu gewährleisten und um andererseits die Attraktivität des Unternehmensstandorts<br />

zu steigern (z.B. um Mitarbeiter zu gewinnen). Das Land misst daher<br />

auch der Motivation der hessischen Familienunternehmer zum ehrenamtlichen Engagement<br />

sowie der Gewinnung von Sponsoren große Bedeutung zu.<br />

Die erfolgreiche Unternehmensübergabe an einen geeigneten Nachfolger ist ein<br />

wesentliches Element zur Sicherung des Unternehmensbestands in <strong>Hessen</strong> und der<br />

damit verbundenen Arbeitsplätze. Sie ist zugleich eines der komplexesten Probleme,<br />

die ein Familienunternehmen in Laufe seiner Entwicklung zu lösen hat – und<br />

dies gelingt beileibe nicht immer. Die Befragung zeigt die große Bedeutung der<br />

Nachfolgeproblematik für <strong>Hessen</strong> auf: Etwa ein Viertel der befragten Familienunternehmen<br />

will bis zum Jahr 2010 die Nachfolgefrage gelöst, d.h. sowohl die Unternehmensführung<br />

als auch das Eigentum abgetreten haben. Hierunter befinden sich<br />

viele Familienunternehmen, die in den 1970er Jahren gegründet wurden. Ein weiteres<br />

Viertel der hessischen Familienunternehmen beabsichtigt die Übergabe ihres<br />

Unternehmens bis zum Jahr 2015 abzuschließen. Zusammengefasst strebt damit in<br />

den nächsten knapp zehn Jahren etwa die Hälfte der befragten hessischen Familienunternehmen<br />

eine Übergabe an.<br />

Sicherlich werden sich die Absichten der Unternehmer nicht immer realisieren lassen,<br />

so können z.B. Schwierigkeiten bei der Übergabe diese verzögern oder z.B. eine<br />

Krankheit des Unternehmers eine frühere Übergabe erfordern. Die Befragungsergebnisse<br />

zeigen jedoch klar die beachtliche Dynamik, die in <strong>Hessen</strong> in den nächs-<br />

67


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

68<br />

ten Jahren zu erwarten ist. Hierbei handelt es sich im Übrigen keineswegs um eine<br />

speziell hessische Herausforderung, sondern durchaus um eine europaweite Fragestellung.<br />

Die Mehrzahl der Übertragungen wird sicherlich mehr oder weniger friktionslos<br />

vonstatten gehen und ein gewisser Abgang „alter“ Unternehmen und deren<br />

Ersatz durch Neugründungen sind natürliche Vorgänge in einer innovativen Volkswirtschaft.<br />

Finden wettbewerbsfähige Unternehmen jedoch keine Nachfolger oder<br />

scheitern an Übergabeschwierigkeiten, so werden Wissen, Kapital und Arbeitsplätze<br />

vernichtet.<br />

Gleichwohl gibt es neue Rahmenbedingungen: Die Zahl der Übergebenden steigt,<br />

die der potenziellen Übernehmer sinkt. Diese demografische Komponente bedeutet<br />

ein größeres Risiko für das Gelingen einer Übergabe. Hinzu kommt, dass die Dynamik<br />

modernen Wirtschaftens bewährte Unternehmensstrategien schneller infrage<br />

stellt und die Unsicherheit über die Überlebenskraft selbst heute erfolgreicher Unternehmen<br />

erhöht. Hier „verführen“ zu hohe Erwartungen über die künftigen Er-träge<br />

zu Vermögensillusionen, die erst bei einer Übergabe deutlich werden. Nicht immer<br />

deckt der Erlös den finanziellen Bedarf des Übergebers.<br />

42 % der befragten hessischen Familienunternehmen sehen bereits zum jetzigen<br />

Zeitpunkt die Nachfolge aus der Eigentümerfamilie als gesichert an. In 5 % der Familienunternehmen<br />

wird von einer unternehmensinternen Nachfolgelösung in der<br />

Form ausgegangen, dass Mitarbeiter „ihr“ Unternehmen übernehmen – auch als<br />

Management-Buy-Out (MBO) bekannt. Weitere 5 % sind sicher, dass sie ihr Unternehmen<br />

an Externe verkaufen werden. Nur in Einzelfällen steht bereits jetzt die Stilllegung<br />

fest. Damit ist aus Sicht der Befragten in mehr als der Hälfte der Unternehmen<br />

die Zukunft ihres Lebenswerkes – wenn auch nicht immer als Familienunternehmen<br />

– gesichert. Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings, dass in 47 % der<br />

Fälle noch keine konkrete Aussage möglich ist. Wird nur der Zeitraum bis 2010 betrachtet<br />

sind es immerhin noch 37 % der Fälle, in denen die Vorstellungen noch vage<br />

sind, verschiedene Möglichkeiten noch geprüft werden oder noch kein Nachfolger<br />

gefunden ist.<br />

Die Suche nach einem geeigneten Nachfolger gestaltet sich zunehmend schwieriger:<br />

Die Befragung zeigt, welche Bedeutung bereits heute der fehlende Nachwuchs<br />

für die Nachfolge in hessischen Familienunternehmen hat. Von den Unternehmen,<br />

in denen aller Voraussicht nach keine familieninterne Nachfolge stattfindet, ist in<br />

19 % der Fälle diese schlicht und ergreifend deshalb nicht möglich, weil die Unternehmerfamilie<br />

keine Kinder hat. Durch den mittelfristig stark zunehmenden Anteil älterer<br />

Selbständiger ab 60 Jahre in Verbindung mit der geringen Geburtenrate dürften<br />

sich die Schwierigkeiten, einen Nachfolger in der Familie zu finden, zukünftig<br />

noch verstärken. Als weitere Gründe für die ausbleibende Nachfolge in der Familie<br />

werden u.a. unbefriedigende Rahmenbedingungen und die Wirtschaftslage angege-


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

ben, oder dass die Kinder kein Interesse am Unternehmen haben. Dies zeigt, wie<br />

wichtig die Schaffung von zukunftsweisenden Rahmenbedingungen (auch) für die<br />

Gewinnung von Nachfolgern und natürlich für die Motivation zur Selbständigkeit insgesamt<br />

ist. Hierbei steht der Abbau bürokratischer Hemmnisse ganz oben auf der<br />

„Dringlichkeitsliste“ der hessischen Familienunternehmen. 105<br />

Von der Erbschaftsteuerreform erwartet eine klare Mehrheit der hessischen Familienunternehmer<br />

eine Erleichterung der Unternehmensnachfolge. Insbesondere größere<br />

Familienunternehmen und die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes<br />

setzen auf die beabsichtigte Reform, 106 um den Liquiditätsentzug möglichst gering<br />

zu halten und sicherlich auch, um die internationale Wettbewerbsposition zu stärken.<br />

Für eine erfolgreiche Unternehmensübergabe ist eine sorgfältige, ausreichend lange<br />

Einarbeitung des Nachfolgers und seine rechtzeitige Einbindung in die Vorbereitungen<br />

und Planungen der Übergabe ein entscheidender Erfolgsfaktor. Die überwiegende<br />

Mehrheit der befragten hessischen Familienunternehmer sieht dieses als<br />

„sehr wichtig“ an. Entsprechend kann die Nachfolge besonders dann scheitern,<br />

wenn der Unternehmer ungeplant ausfällt und zudem unter Umständen die Nachfolge<br />

noch nicht geregelt ist. Deshalb ist es wichtig, den frühzeitigen Beginn der Nachfolgeplanungen<br />

zu betonen und die Familienunternehmer für einen derartigen Notfall<br />

zu sensibilisieren, damit diese Vorkehrungen treffen.<br />

An dritter Stelle in der Rangfolge der Erfolgsfaktoren folgt die vorausschauende<br />

Gestaltung der steuerlichen Seite. Nächst bedeutsam sind Finanzierungsfragen.<br />

Übernahmen müssen vom Übernehmer finanziert werden, und nicht immer reichen<br />

die verfügbaren Mittel aus. Hier ist auf die Möglichkeit der Nutzung öffentlicher Finanzierungshilfen<br />

hinzuweisen, insbesondere weil Übernehmer die Gründungsförderung<br />

(Darlehen, Bürgschaften, Beteiligungen, Beratungsangebote) nutzen können<br />

(vgl. Anhang: Finanzierungs- und Beratungshilfen des Landes).<br />

Erst an letzter Stelle wird die Vorbereitung des Vorgängers auf seinen neuen Lebensabschnitt<br />

als „sehr wichtig“ benannt. Vieles spricht allerdings für eine Unterschätzung<br />

dieser psychologischen Komponente: Häufig entstehen Probleme, weil<br />

der Übergeber in Ermangelung einer Perspektive über sein Berufsleben hinaus die<br />

Übergabe immer wieder hinausschiebt, oder er sich nach erfolgter Übergabe weiterhin<br />

in das Unternehmen einmischt.<br />

105 Eine Darstellung der zahlreichen, zum Teil sehr detaillierten Anregungen und Vorschläge an die Landesregierung aus<br />

Befragung – die sich nicht nur auf den Bürokratieabbau beschränken – hätte den Umfang des vorliegenden <strong>Mittelstandsbericht</strong>s<br />

gesprengt. Diese wurden deshalb zur Auswertung an den Auftraggeber, das Hessische Ministerium für Wirtschaft,<br />

Verkehr und Landesentwicklung, weitergeleitet.<br />

106 Zu beachten ist, dass zum Zeitpunkt der Befragung das beabsichtigte Stundungs- bzw. Erlassmodell noch keine „Arbeitsplatzklausel“<br />

beinhaltete.<br />

69


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

70<br />

Angesichts der Komplexität des Nachfolgeprozesses sind fundierte Informationen<br />

Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Unternehmensübergabe. Dies betrifft sowohl<br />

den Übergeber als auch den Nachfolger. Die persönliche Beratung steht in der<br />

Einschätzung der befragten hessischen Familienunternehmer hierbei mit klarem<br />

Abstand an erster Stelle. Eher „standardisierte“ Informationsquellen wie z.B. Broschüren<br />

und Merkblätter sowie Informationsveranstaltungen werden deutlich weniger<br />

geschätzt. Die hohe Bedeutung einer individuellen Beratung zeigt sich auch darin,<br />

dass mehr als ein Drittel der Befragten ein laufendes „Coaching“ des Nachfolgers<br />

während der Anfangszeit im Unternehmen für sehr hilfreich hält. Eine stärkere Ausrichtung<br />

der Informations- und Beratungsangebote auf eine individuelle Beratung<br />

und die persönliche Ansprache sowohl der Unternehmer wie der Nachfolger – auch<br />

in Form von spezifischen Weiterbildungsangeboten für Nachfolger, die kürzlich ein<br />

Unternehmen übernommen haben – ist sicherlich nützlich. Zurückhaltend werden<br />

von den befragten hessischen Familienunternehmern Online-Kontaktbörsen zur<br />

Vermittlung von Übertragungen bewertet: Lediglich rund 10 % betrachten diese als<br />

sehr hilfreich. Da es sich um vergleichsweise neue Angebote handelt, wird sich eine<br />

höhere Akzeptanz noch finden. Einige Online-Angebote sind zudem offenbar verbesserungsbedürftig.<br />

Dies ist auch erforderlich, denn je weniger Unternehmen innerhalb<br />

der Familie übertragen werden (können), desto funktionsfähiger muss der<br />

„Markt“ für Unternehmensnachfolgen sein. Denkbar wäre z.B. eine Verbesserung<br />

des schwierigen Matching-Prozesses, indem Übergebern wie Übernehmern bei der<br />

exakten Formulierung ihrer Anforderungsprofile Hilfestellung geleistet wird.<br />

Wie die hessische Wirtschaft insgesamt befinden sich auch die Familienunternehmen<br />

in <strong>Hessen</strong> in einem fortwährenden Wandel. Befragt nach den Zukunftsperspektiven<br />

der Familienunternehmen ergibt sich aus der Befragung in Kurzfassung folgendes<br />

Bild:<br />

• Aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs muss aus Sicht der befragten Familienunternehmer<br />

noch effizienter als bisher gewirtschaftet werden. Auch kleine<br />

Familienunternehmen können sich den zunehmend globalen Wettbewerbseinflüssen<br />

nicht dauerhaft entziehen.<br />

• Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden (noch) internationaler ausgerichtet<br />

sein als heute: Je stärker das Familienunternehmen jetzt schon auf Auslandsmärkten<br />

tätig ist, desto eher erwarten die Befragten, dass dies zukünftig<br />

noch weiter zunehmen wird. Ein „Aufholprozess“ zwischen den Unternehmen,<br />

die bereits intensive Verflechtungen mit dem Ausland unterhalten und denen,<br />

die auf den Inlandsmarkt fixiert sind, findet offenbar nicht statt. Letzteren fehlt<br />

oftmals vielfach die Möglichkeit zur Internationalisierung.


<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />

• Der zunehmende Wettbewerb und auch der rasante technische Fortschritt sind<br />

wichtige Ursachen dafür, dass die traditionell eher langfristig orientierten Familienunternehmen<br />

zukünftig kurzfristiger handeln und denken müssen. Damit werden<br />

die Familienunternehmen statische Stabilität zunehmend durch dynamische<br />

Stabilität ersetzen müssen.<br />

• Dies dürfte sich nach Ansicht der Familienunternehmen früher oder später auch<br />

in der Personalpolitik niederschlagen: Für annähernd ein Drittel der befragten<br />

hessischen Familienunternehmer trifft es voll und ganz zu, dass Familienunternehmen<br />

zukünftig weniger als bislang Arbeitskräfte lebenslang beschäftigen<br />

können – lediglich 4 % vertreten die Gegenposition.<br />

• Die Bindung der Familienunternehmen und der -unternehmer zu ihrem heimischen<br />

Standort wird sich voraussichtlich (weiter) lockern.<br />

• Um den Forderungen und Anregungen speziell der Familienunternehmen an die<br />

Adresse der Wirtschaftspolitik mehr Nachdruck zu verleihen, wird eine schlagkräftigere<br />

Interessenvertretung der Familienunternehmen für nötig gehalten. Für<br />

knapp zwei Drittel der befragten hessischen Familienunternehmer trifft es voll<br />

und ganz zu, dass die „Familienunternehmen der Zukunft“ diese benötigen, damit<br />

die Politik die Rahmenbedingungen mehr auf Familienunternehmen und weniger<br />

auf Großkonzerne ausrichtet.<br />

• Da der Bankkredit für den Großteil der Familienunternehmen unverzichtbar ist,<br />

schlagen sich erhöhte Anforderungen an die Kreditgewährung seitens der Banken<br />

unmittelbar bei den Familienunternehmen nieder. Nicht zuletzt als Ergebnis<br />

von Basel II werden die Familienunternehmen zukünftig mehr Sicherheiten bieten<br />

und mehr Geschäftszahlen und -strategien offen legen müssen. Dies tangiert<br />

auch die Finanzierung von Unternehmensübernahmen insofern, als der<br />

Gefahr der oben genannten Vermögensillusionen entgegengewirkt wird.<br />

71


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

Anhang: Finanzierungs- und Beratungshilfen des Landes 107<br />

72<br />

Der Finanzierungsbedarf bei Übergaben entsteht in der Regel durch Aufwendungen<br />

für den Nachfolger, in selteneren Fällen durch de Durchführung von Investitionen<br />

noch durch den Übergeber (um das Unternehmen für die Übergabe „fit“ zu machen).<br />

Beratung- und Coaching ist vor der Übergabe, während des eigentlichen Transfers<br />

und in dem Unternehmen unter neuer Leitung auch nach der Übergabe zweckmäßig.<br />

<strong>Hessen</strong> fördert Investitionen, die (noch) der Übergeber tätigt, als Wachstumsmaßnehmen;<br />

die Aufwendungen des Übernehmers dienen dem Aufbau einer eigenen<br />

Existenz und werden in allen Förderprogrammen für die Existenzgründung als Übernahme<br />

oder Erwerb einer tätigen Beteiligung ausdrücklich als förderfähig genannt.<br />

Da Gleiche gilt für Beratungshilfen, wobei „reine“ Rechts- und Steuerberatung auch<br />

aus berufsrechtlichen Gründen aus der Förderung ausgeschlossen sind.<br />

Die Finanzierungshilfen für Investitionen werden von der IBH gemeinsam mit der<br />

Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) angeboten. Aufgrund der Architektur deren<br />

Förderprogramme (aus den Programmfamilien „Unternehmerkapital“ und „Unternehmerkredit“<br />

mit ihren – gewollt – fließenden Übergängen und damit individuellen<br />

Ausgestaltungsmöglichkeiten) ist in den Kreditprogrammen eine Unterteilung nach<br />

Gründungs- und Wachstumshilfen bislang nicht möglich; auch eine besondere Ausweisung<br />

der Fallgruppe „Nachfolgen“ liegt derzeit noch nicht vor. Dies gilt vergleichbar<br />

auch für die Beratungshilfen.<br />

Einzelheiten zur den Fördermöglichkeiten für Unternehmensnachfolger können dem<br />

Internet (www.existenzgründung-hessen.de) entnommen werden.<br />

In der nachfolgenden Zusammenstellung werden nur die Hilfen für kleine und mittlere<br />

Unternehmen in <strong>Hessen</strong> zur Förderung von Existenzgründungen und Unternehmenswachstum<br />

gemeinsam, allerdings ohne Unterteilung, dargestellt. Für sonstige<br />

Förderprogramme, etwa der Regional- und Ausbildungsplatzförderung, bei Forschungs-<br />

und Entwicklungsmaßnahmen oder in der institutionellen Unterstützung,<br />

die auch Unternehmensnachfolgen betreffen können, wird auf die jeweiligen gesonderten<br />

Veröffentlichungen verwiesen.<br />

107 Diese Darstellung wurde vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung verfasst.


1 Förderung von Unternehmensübergaben als Förderung von<br />

Gründung und Wachstum<br />

Zur Erleichterung von Gründung und Wachstum werden kleinen und mittleren Unternehmen<br />

in <strong>Hessen</strong> Finanzierungshilfen für Investitionen und begleitende Maßnahmen<br />

überwiegend in Form von Krediten (nachrangig als Eigenmittelsurrogat oder<br />

„echte“ als Fremdfinanzierung) gewährt, ferner durch Bürgschaftsübernahmen<br />

und Beteiligungsangebote. Diese Förderangebote gelten auch für Unternehmensübergaben<br />

bzw. -nachfolge. 2005 gab es im hessischen Mittelstand insgesamt<br />

2.585 Förderfälle (mit Zuschüssen der Regionalförderung von 15,5 Mio. Euro, Darlehen<br />

von 590,6 Mio. Euro, Bürgschaften für 67,3 Mio. Euro und 13,3 Mio. Euro Beteiligungen)<br />

für Investitionen von 1.045 Mio. Euro, mit denen rund 11.200 Arbeitsplätze<br />

geschaffen oder gesichert werden konnten. In diesen Zahlen sind die geförderten<br />

Fälle der Unternehmensübernahmen enthalten.<br />

Ferner werden Betriebsberatungen durch Zuschüsse gefördert.<br />

<strong>Hessen</strong> ergänzt mit seiner Förderung seit je das Angebot zinsgünstiger ERP-Mittelstandskredite.<br />

Diese Finanzierungshilfen für wurden 2004 von der der KfW/Mittelstandsbank<br />

im Zuge der erforderlichen verstärkten Risiko-Orientierung der Kreditkonditionen<br />

als Folge des Baseler Accords (Basel II) angepasst. Entsprechend den<br />

Finanzierungsbedürfnissen junger, wachsender und etablierter Unternehmen wurden<br />

„Programmfamilien“ gebildet.<br />

Für Gründungen, Übernahmen und wachsende Unternehmen soll die Familie „Unternehmerkapital“<br />

in erster Linie den Eigenmittelmangel bei der Gründung/Übernahme<br />

und in der Aufbauphase ausgleichen. Hierzu werden KfW-Mittel als Eigenkapitalsurrogat<br />

(durch Nachrangigkeit) bereitgestellt; mit zunehmendem Bedarf ist<br />

eine steigende Kofinanzierung durch die Hausbank erforderlich. Für Kleinstgründungen<br />

werden die Mikrodarlehen und das Startgeld beibehalten.<br />

Übernommene und/oder wachsende Unternehmen können die Programmfamilie<br />

„Unternehmerkredit“ nutzen, die „echte“ zinsgünstige Darlehen mit unterschiedlichen<br />

Laufzeiten anbietet. Die Programmfamilie „Unternehmerbeteiligung“ refinanziert und<br />

garantiert in erster Linie Beteiligungen von Beteiligungsgesellschaften (in <strong>Hessen</strong><br />

beispielsweise die MBG) und stärkt dadurch indirekt die Eigenkapitalausstattung<br />

mittelständischer Unternehmen. Vor allem wurden die Kreditkonditionen entsprechend<br />

dem Rating der Unternehmen differenziert.<br />

Die Möglichkeit der Kombination von Unternehmerkapital und Unternehmerkredit<br />

wurde ausgeweitet, um dadurch den individuellen Bedürfnissen von Gründern und<br />

wachsenden Unternehmen besser zu entsprechen und fließende Übergänge zwi-<br />

73


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

74<br />

schen beiden Programmfamilien zu ermöglichen. Die Orientierung an der Finanzierungsfunktion<br />

(Kapital, Kredit) und nicht mehr primär an den Entwicklungsphasen<br />

des Unternehmens (Gründung, Übernahme, Wachstum) erschwert die Vergleichbarkeit<br />

mit früheren Darstellungen der Finanzierungshilfen. Zudem entfielen mir<br />

dieser Neuordnung mehrere vorherige Förderprogramme ersatzlos, da die meisten<br />

dieser Einzelprogramme in die neuen Programmfamilien integriert wurden. Die Förderlandschaft<br />

erfuhr dadurch auch für die Unternehmensnachfolge erhebliche Veränderungen.<br />

So wurden ab 2004 die früheren ERP-Existenzgründungsdarlehen für Gründer/Übernehmer<br />

eingestellt und damit die durch Zuschussgewährung des Landes<br />

zinsgünstigen „<strong>Hessen</strong>-Kredite“ für hessische Start- Ups oder Übernahmen. Die IBH<br />

verbilligt seither für Gründungen, Übernahmen und wachsende Unternehmen Förderkredite<br />

der Programmlinie GuW („Gründung und Wachstum“) der KfW/Mittelstandsbank<br />

(aus der Programmfamilie „Unternehmerkredit“). Ein (Landes-)Zinszuschuss<br />

kann bis zu einem Kreditvolumen von 750.000 Euro gewährt werden. Die für<br />

Gründer und Übernehmer wichtige Eigenkapitalhilfe aus ERP-Mitteln (als Bundesprogramm)<br />

wird weiterhin als Teil der Programmfamilie „Unternehmerkapital“ gewährt.<br />

2 Darlehen für Gründung und Wachstum<br />

Die in <strong>Hessen</strong> für Existenzgründungen gewährten Förderkredite der Jahre 2004 und<br />

2005 gehen aus der nachfolgenden Übersicht hervor. Durch den Wegfall einiger<br />

Programme ist die Vergleichbarkeit eingeschränkt. Die Anzahl der mit Mikrodarlehen<br />

und Startgeld geförderten Fälle in <strong>Hessen</strong> hat sich zwar auf 375 erhöht,<br />

die Förder- und Projektvolumina sind allerdings annähernd gleich hoch geblieben.<br />

In diesen Zahlen der Förderung von Kleinstgründungen sind die aus arbeitsmarktpolitischen<br />

Gründen geförderten Vorhaben (Start-Geld, Überbrückungsgeld, Ich-AG)<br />

nicht enthalten.<br />

Diese Kleinstgründungen hatten bis einschließlich 2005 zu einer starken Zunahme<br />

der Zahl der Unternehmen und der Selbständigen geführt, sie gehen seither tendenziell<br />

zurück. Zum einen geht das durch diese Förderung erschließbare Potential<br />

an Kleinstunternehmern zurück, auch, weil die Zahl Jüngerer, damit auch Gründungwilliger,<br />

im Alter von 25 bis 35 Jahren abnimmt. Die Zahl von Personen in diesem<br />

Alter in <strong>Hessen</strong> hat sich seit 1993 um rund 20% vermindert (die Generation der<br />

Baby-Boomer läuft aus). Dieser Rückgang der Fallzahlen wird anhalten, da die Förderung<br />

von Gründungen aus der Arbeitslosigkeit durch den Gründungzuschuss ab<br />

01.08.<strong>2006</strong> weniger attraktiv ist.


Die meisten der für Gründungen vorgesehenen Kredite werden nun im Rahmen der<br />

Förderung von Gründung und Wachstum gewährt und mit den Hilfen zusammengefasst,<br />

die in den Vorjahren für bestehende Unternehmen vorgesehen waren. Junge<br />

Unternehmen können ab 2004 zusätzlich zu den Hilfen des „Unternehmerkapitals“<br />

Kredite aus der Programmfamilie „Mittelstandskredit“ GuW erhalten, die von der IBH<br />

durch Zinszuschüsse verbilligt werden. Die Förderkredite selbst sind in ihren Konditionen<br />

nach der Bonität des Unternehmens gestaffelt.<br />

Programme gewerbliche Wirtschaft 2004 2005<br />

KREDITPROGRAMME<br />

Fälle Darlehen<br />

Investitionssumme<br />

- <strong>Hessen</strong>-Programm 175 11.129,0 22.154,7<br />

- ERP-Existenzgründungsprogramm 127 15.509,8 40.455,5<br />

Fälle Darlehen<br />

Investitionssumme<br />

TEuro TEuro TEuro TEuro<br />

- ERP-Eigenkapitalhilfeprogramm 0*) 6.151,7 22.401,5<br />

- Startgeld,<br />

- 2005: Startgeld 2<br />

267 11.172,1 12.330,1 272 9.058,9 10.042,6<br />

- 2004: Mikrodarlehen,<br />

- 2005: Mikrodarlehen 2<br />

Zwischensumme Gründungsförderung<br />

bis 2004 ab 2005 nur Kleinstgründungen<br />

- IBH/KfW-Gründungs- und Wachstumsprogramm<br />

10 2.137,3 2.476,9 103 1.579,7 1.945,0<br />

579 46.099,9 99.818,7 375 10.638,6 11.987,6<br />

444 86.305,8 174.300,5 581 93.498,8 173.416,7<br />

- KfW-Unternehmerkredit - Investitionen 1.263 213.679,2 358.474,5 693 178.759,3 295.343,6<br />

- KfW-Unternehmerkredit-Betriebsmittel 2 122 8.193,4 11.020,2<br />

- Unternehmerkapital 15 16.410,0 34.652,3 132 44.394,8 107.633,6<br />

- Kapital für Arbeit 0*) 5.176,0 7.597,1<br />

- ERP-Regionalprogramm 0*) 4.994,6 9.897,3 7 560,5 1.018,4<br />

- ERP-Beteiligungsprogramm 0*) 5.170,5 19.924,0<br />

Kreditprogramme Gründung und<br />

Mittelstand<br />

1.722 331.736,1 604.845,7 1.535 325.406,8 588.432,5<br />

- ERP-Umwelt- u. Energiespar-progr. 0*) 13.835,3 20.882,0 165 60.342,6 86.959,9<br />

- KfW-Umweltprogramm 101 42.541,2 74.645,8 194 51.633,4 94.520,3<br />

- ERP-Innovationsprogramm 0*) 1.341,0 1.369,4 5 13.911,0 17.641,0<br />

Förderung Umweltschutz und Innovationen<br />

101 57.717,4 96.897,2 364 125.887,0 199.121,2<br />

Einzelbetriebliche Förderung/Kredite 2.402 439.202,5 805.277,9 2274 461.932,4 799.541,3<br />

*) aus datenschutzrechtlichen Gründen wird die Anzahl der Kredite von der KfW nicht mehr in allen Programmen bekannt<br />

gegeben.<br />

75


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

76<br />

Auch alle anderen, nicht spezifisch mittelständische Förderprogramme kommen in<br />

<strong>Hessen</strong> praktisch nur kleinen und mittleren Unternehmen – und damit auch Übergaben/nahmen<br />

zugute so beispielsweise die Förderung nach der Gemeinschaftsaufgabe,<br />

dem Umweltschutz oder die Innovationsförderung (soweit von der KfW abgewickelt).<br />

3 Bürgschaften<br />

Die Bürgschaftsbank <strong>Hessen</strong> <strong>GmbH</strong> (BBH) bietet als gemeinsame Einrichtung der<br />

hessischen Wirtschaft, des Landes, der IBH und der KfW Bürgschaftsübernahmen<br />

bei Gründungen und Erweiterungsinvestitionen an, beides auch im Falle von Unternehmensübernahmen..<br />

Für größere Fälle, die das Bürgschaftsvolumen der BBH<br />

überlasten, kann ggf. das Land <strong>Hessen</strong> eine Bürgschaft übernehmen. Die nachfolgende<br />

Zusammenstellung fasst Gründungs- und Erweiterungsinvestitionen zusammen.<br />

Bürgschaften Fälle Darlehen Bürgschaften Inv.Summe Arbeitsplätze *)<br />

2004<br />

TEuro TEuro TEuro vorh. gepl.<br />

- Landesbürgschaften 27 59.140 39.018 84.167 4.958 85<br />

- Bürgschaftsbank <strong>Hessen</strong> 240 77.647 52.315<br />

SUMME Bürgschaften 2004 267 136.787 91.333 84.167 4.958 85<br />

2005<br />

- Landesbürgschaften 14 40.100 26.198 27.300 793 98<br />

- Bürgschaftsbank <strong>Hessen</strong> 208 62.446 41.087<br />

SUMME Bürgschaften 2005 222 102.546 67.285 27.300 793 98<br />

Nach Branchen unterteilt, ergab sich für das Jahr 2005 folgende Verteilung:<br />

(jeweils in TEuro): Kreditvolumen Bürgschaftsübernahmen<br />

davon für<br />

Gründungen<br />

Bürgschaften (ohne BoB) 2004 2005 2004 2005 2004 2005<br />

Handel 19,4 12,1 12,4 7,9 3,4 2,4<br />

Handwerk 13,1 6,3 9,0 4,2 3,9 1,7<br />

Industrie 15,8 14,7 10,5 8,9 2,0 2,5<br />

Gartenbau 0,7 0,6 0,6 0,4 0,1 0,4<br />

Freie Berufe 4,0 4,8 2,9 3,7 1,6 2,5<br />

Verkehrsgewerbe 1,2 2,2 1,0 1,6 0,1 0,3<br />

Gastgewerbe 1,5 4,4 1,1 2,7 0,1 0,1<br />

Sonst. Kleingewerbe 9,1 6,3 5,8 3,7 0,8 0,4<br />

Gesamt* 64,8 51,4 43,3 33,1 12,0 10,3<br />

* Abweichung zur obigen Tabelle durch abweichende Jahreszuordnung von übernommenen und genutzten Bürgschaften.


Neu ist die Bürgschaft ohne Bank (BoB) als Hilfe bei Gründungen. Der traditionelle<br />

Ablauf – nach Vereinbarung eines Kredites Nachweis der erforderlichen Sicherheiten<br />

– wird umgekehrt: Interessenten beantragen für geeignete Vorhaben zunächst<br />

eine Bürgschaft und suchen sich danach ein Kreditinstitut.<br />

2005 wurden 92 Bürgschaften ohne Bank beantragt (für Bürgschaften von insgesamt<br />

9,8 Mio. Euro, für Investitionen von 12,8 Mio. Euro); bewilligt wurden bis Ende<br />

des Jahres 34 Bürgschaften von 3,1 Mio. Euro für ein Investitionsvolumen von 4,1<br />

Mio. Euro. Viele der Ablehnungen erfolgten aus formalen Gründen (Höhe des Kreditvolumens,<br />

Unternehmen bereits am Markt etabliert, Hausbank war vorhanden<br />

usw.).<br />

Neben Bürgschaften übernimmt die Bürgschaftsbank Garantien für Beteiligungen<br />

der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft. Im Jahr 2005 übernahm sie Garantien<br />

von 5,2 Mio. Euro für 14 Beteiligungen von 7,4 Mio. Euro.<br />

4 Beteiligungen<br />

Zur Verbesserung der Kapitalausstattung gewinnen Beteiligungen gerade im Zusammenhang<br />

mit Basel II zunehmende Bedeutung.<br />

Die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft mbH (MBG) stärkt die Eigenkapitalbasis<br />

mittelständischer Unternehmen durch die Zuführung externen Kapitals als Beteiligung.<br />

2004 ging sie 20 Beteiligungen mit einem Volumen von insgesamt 9,6 Mio.<br />

Euro ein; 2005 13 Beteiligungen mit einem Volumen von 6,85 Mio. Euro. Zum Jahresende<br />

war die Gesellschaft an 82 Unternehmen mit insgesamt 42 Mio. Euro beteiligt.<br />

Beteiligungen 2005 Zahl Beteiligung Investition<br />

- <strong>Hessen</strong> Invest 13 3.650,0 12.650,0<br />

- Mittelständische Beteiligungsgesellschaft (MBG) 13 6.850,0 17.131,0<br />

- Technologiefinanzierungsfonds (TFH) 4 2.465,0 2.800,0<br />

- Regionalfonds Mittelhessen (RegioMit) 3 380,0 2.325,0<br />

Summe Beteiligungen 33 13.345,0 34.906,0<br />

Zur teilweisen Refinanzierung der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft (MBG)<br />

<strong>Hessen</strong> wurden ERP-Mittel eingesetzt:<br />

- ERP-Beteiligungsprogramm 11 4.050,0 14.939,5<br />

77


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

78<br />

Der Future Capital Fonds führt erfolgreiche Teilnehmer an den „Science 4 Life“<br />

Wettbewerben mit Beteiligungsinteressenten zusammenführt. Zur Finanzierung zukunftsfähiger<br />

innovativer junger Unternehmen wurden ferner der Innovationsfonds<br />

<strong>Hessen</strong> und die beiden Technologiefonds <strong>Hessen</strong> (1 und 2) aufgelegt. Die Beteiligungsmöglichkeiten<br />

beider Fonds mit 5,1 bzw. 9,0 Mio. Euro waren bis zum 31.12.<br />

2005 praktisch ausgeschöpft. Der RegioMIT Mittelhessen hat 2005 mit einem<br />

Fondsvermögen von 2,5 Mio. Euro seine Arbeit aufgenommen und sich inzwischen<br />

an 5 Vorhaben mit einem Volumen von 0,58 Mio. Euro beteiligt.<br />

Zur Finanzierung des Eigenkapitalbedarfs für innovative Unternehmen und risikobehaftete<br />

Gründungen in zukunftsträchtigen Technologiefeldern legte die IBH im Auftrag<br />

des Hessischen Wirtschaftsministeriums 2002 das Programm <strong>Hessen</strong>-Invest<br />

auf, mit dem den Unternehmen Beteiligungskapital angeboten wird.<br />

- Start für technologieorientierte Unternehmensgründungen in den Zukunftstechnologiefeldern<br />

Biotechnologie, Informations- und Kommunikationstechnologie, Nanound<br />

Materialtechnologie sowie Umwelttechnologie,<br />

- Nachfolge für Investitionen bei Unternehmensübernahmen und<br />

- International für Investitionen zur Erschließung von Auslandsmärkten.<br />

<strong>Hessen</strong>-INVEST 2002 bis 2005<br />

Fallzahlen u. Bewilligungsvolumen Anzahl der Unternehmensbeteiligungen<br />

Zugesagtes<br />

Beteiligungskapital<br />

Start 17 4.650 TEuro<br />

International 7 2.975 TEuro<br />

Nachfolge 8 3.970 TEuro<br />

Gesamt 32 11.595 TEuro<br />

Die von der KfW/Mittelstandsbank eingerichtete Programmlinie „Unternehmerbeteiligung“<br />

stellt vor allem auf die Refinanzierung von Beteiligungsgesellschaften ab.<br />

Sowohl für Gründer und Übernehmer als auch für etablierte Unternehmen entwickelt<br />

sich zudem der private Business-Angel-Markt, der neben Beteiligungen auch<br />

Beratung anbietet und der vom Land unterstützt wird.<br />

5 Beratung, Coaching<br />

Das Land fördert Existenzgründungs- und -aufbauberatungen sowie sonstige Beratungen<br />

(Kurzberatungen, allgemeine Betriebsberatungen, Technologie- und Umsetzungsberatungen,<br />

Check-Ups zur Vorbereitung auf Ratings oder Übergaben u.ä.)<br />

auch in den Fällen von Unternehmensübergaben, da sich hier besonderer Beratungsbedarf<br />

zeigt. Die Beratungen werden im Handwerk über die Beratungsstellen<br />

des Handwerks und im nichthandwerklichen Bereich ganz überwiegend über das


RKW <strong>Hessen</strong> als Leitstelle abgewickelt. Zur Finanzierung werden seit 2001 auch<br />

Mittel des Europäischen Sozialfonds (ESF, Förderung des Unternehmergeistes<br />

durch „Information, Beratung und Coaching“) eingesetzt. Gewährt werden Zuschüsse<br />

zu den Einzelberatungen zwischen 80% und 50% der Beratungskosten bei entsprechender<br />

Eigenbeteiligung der Beratenen. Im Handwerk übernehmen die Handwerksorganisationen<br />

den verbleibenden Eigenanteil der Beratungsnehmer.<br />

Beratungsförderung* (Landes- und ESF-Mittel, in TEuro)<br />

Jahr Beratung im Handwerk<br />

sonstige Betriebsberatung (RKW, BBE, freie Berufe,<br />

andere)<br />

2003 756,4 1.739,5<br />

2004 906,1 1.667,0<br />

2005 818,7 1.531,8<br />

* Existenzgründungs- und andere Beratungen, ohne Technologieberatungen<br />

Seit dem Jahr 2000 werden die geförderten Beratungen, die das RKW als Beratungsstelle<br />

betreute, exemplarisch bei den jungen Unternehmen evaluiert, die sich<br />

am Markt etablieren konnten. Die Effizienz der Beratungsförderung bei Gründungen/Übernahmen<br />

erweist sich als hoch. Auch der Nutzen der geförderten sonstigen<br />

Betriebsberatungen wird eindeutig positiv beurteilt; die Bewertung – nach Schulnoten<br />

– liegt bei 1,6.<br />

Gründungsberatung, RKW<br />

Jahr<br />

eingesetzte Mittel<br />

Land, EU (Euro)<br />

Beratungsfälle<br />

erfolgreiche<br />

Gründungen<br />

geschaffene<br />

Arbeitsplätze<br />

2001 666.767 335 288 900<br />

2002 765.455 303 199 1.000<br />

2003 700.001 334 158 508<br />

2004 960.000 402 183 510<br />

2005 (Prognose) 815.000 370 180 350<br />

79


<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />

Tabellenverzeichnis<br />

80<br />

Tabelle Seite<br />

1 Mittelstandsdefinition der EU 7<br />

2 Zusammensetzung der Stichprobe der Unternehmensbefragung 9<br />

3 Nachfolgelösung in hessischen Familienunternehmen 36<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung Seite<br />

1 Familienunternehmen nach Wirtschaftszweigen 12<br />

2 Familienunternehmen nach Beschäftigtengrößenklassen 13<br />

3 Familienunternehmen nach Umsatzgrößenklassen 13<br />

4 Familienunternehmen nach Unternehmensgrößenklassen und<br />

Wirtschaftszweigen 14<br />

5 Exportquote (Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz) von Familienunternehmen<br />

nach Wirtschaftszweigen 15<br />

6 Auslandsstandorte von Familienunternehmen nach Wirtschaftszweigen und<br />

Unternehmensgrößenklassen 17<br />

7 Gründungszeiträume und Branchenzugehörigkeit 18<br />

8 100 %-Eigenkapitalbeteiligung nach Generationen 21<br />

9 Alleinige Unternehmensführung nach Generationen 23<br />

10 Einzelne Aspekte der Standortbindung 26<br />

11 Unternehmensübertragungen bei hessischen Familienunternehmen 33<br />

12 Hauptgründe, die einer familieninternen Nachfolge entgegen stehen 38<br />

13 Wichtige Erfolgsfaktoren des Nachfolgeprozesses 42<br />

14 Unterstützende Angebote im Nachfolgeprozess 46<br />

15 Effektive Erbschaftsteuerbelastung in ausgewählten Ländern 51<br />

16 „Hürde“ Erbschaftsteuer 54<br />

17 Familienunternehmen – Zukunftsperspektiven 57


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