Hessischer Mittelstandsbericht 2006 - HA Hessen Agentur GmbH
Hessischer Mittelstandsbericht 2006 - HA Hessen Agentur GmbH
Hessischer Mittelstandsbericht 2006 - HA Hessen Agentur GmbH
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Hessisches Ministerium<br />
für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung<br />
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong><br />
(1) Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong><br />
Band 1: Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong><br />
Dr. Claus Bauer<br />
Dr. Kerstin Frings<br />
Dr. Johannes Harsche<br />
Report Nr. 702<br />
Wiesbaden <strong>2006</strong>
Eine Veröffentlichung der <strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong><br />
Postfach 18 11<br />
D-65008 Wiesbaden<br />
Abraham-Lincoln-Straße 38-42<br />
D-65189 Wiesbaden<br />
Telefon 0611 / 774-81<br />
Telefax 0611 / 774-8313<br />
E-Mail info@hessen-agentur.de<br />
Internet http://www.hessen-agentur.de<br />
Geschäftsführer: Martin H. Herkströter<br />
Dr. Dieter Kreuziger<br />
Vorsitzender des Aufsichtsrates: Dr. Alois Rhiel,<br />
<strong>Hessischer</strong> Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung<br />
Die Untersuchung wurde gefördert mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds<br />
– Förderung des Unternehmergeistes<br />
Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur mit Quellenangabe<br />
gestattet. Belegexemplar erbeten.
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong><br />
Band 1: Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong><br />
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
Inhalt Seite<br />
Vorwort 1<br />
1 Vorbemerkungen 3<br />
1.1 Einführung 3<br />
1.2 Zielsetzung 4<br />
2 Aufbau und Konzeption 6<br />
2.1 Aufbau 6<br />
2.2 Zur Abgrenzung von Mittelstand und Familienunternehmen 6<br />
2.3 Konzeption der Befragung 8<br />
3 Erster Blick auf die Familienunternehmen 11<br />
3.1 Wirtschaftszweige und Größenklassen 12<br />
3.2 Außenwirtschaftsbeziehungen 14<br />
4 Familienunternehmen: Alter, Eigentum und Unternehmensführung 18<br />
4.1 Alter 18<br />
4.2 Eigentum 20<br />
4.3 Unternehmensführung 22<br />
5 Standortbindung des Familienunternehmens<br />
sowie des Familienunternehmers 24<br />
5.1 Standortbindung insgesamt – „Verwurzelung“ mit dem Standort 24<br />
5.2 Einzelne Aspekte der Standortbindung 25<br />
6 Nachfolge im Familienunternehmen 31<br />
6.1 Einführung 31<br />
6.2 Unternehmensnachfolge – Bedeutung für <strong>Hessen</strong> 32<br />
6.3 Voraussichtliche Nachfolgelösung 35<br />
6.4 Familieninterne Nachfolge – warum kommt diese nicht zustande? 37<br />
6.5 Erfolgsfaktoren der Unternehmensnachfolge 41<br />
I
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
II<br />
Inhalt Seite<br />
6.6 Unterstützung im Nachfolgeprozess 46<br />
6.7 Erbschaftsteuer und Unternehmensnachfolge 49<br />
6.7.1 Problematik und Reformbemühungen 50<br />
6.7.2 Erbschaftsteuer aus Sicht der Familienunternehmen 53<br />
7 Familienunternehmen – Zukunftsperspektiven 56<br />
8 Zusammenfassung 66<br />
Anhang: Finanzierungs- und Beratungshilfen des Landes 72<br />
1 Förderung von Unternehmensübergaben als Förderung von Gründung<br />
und Wachstum 73<br />
2 Darlehen für Gründung und Wachstum 74<br />
3 Bürgschaften 76<br />
4 Beteiligungen 77<br />
5 Beratung, Coaching 78<br />
Tabellenverzeichnis 80<br />
Abbildungsverzeichnis 80<br />
Literaturverzeichnis 81
Vorwort<br />
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
In <strong>Hessen</strong> sind rund 80 Prozent der mittelständischen<br />
Unternehmen Familienunternehmen. Mit ihnen beschäftigt<br />
sich der vorliegende Hessische <strong>Mittelstandsbericht</strong><br />
<strong>2006</strong>. 1<br />
Familienunternehmen stehen für wirtschaftlichen Erfolg,<br />
für örtliche und regionale Einbindung in die Gemeinschaft,<br />
für Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten<br />
und die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für Loyalität<br />
gegenüber den Arbeitnehmern, Kunden oder Lieferanten,<br />
sowie für Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft.<br />
Viele dieser Unternehmen sind seit Generationen<br />
am Markt.<br />
Nur der langfristige Erfolg sichert den Bestand eines Unternehmens für die Familie.<br />
Diese Nachhaltigkeit erfordert mehr als kurzfristige Gewinnorientierung. Es bedarf<br />
sowohl einer Strategie des Bewahrens als auch der Erneuerung: Die Anwendung<br />
bewährter Geschäftsprinzipien, Pflege gewachsener Kunden- und Lieferantenbeziehungen<br />
oder Förderung des gewachsenen Mitarbeiterstamms und die Entwicklung<br />
innovativer Produkte oder Dienstleistungen, das Aufspüren von Marktnischen<br />
und die Anpassung an veränderte Marktbedingungen schließen sich nicht aus, sondern<br />
ermöglichen erst ein erfolgreiches Familienunternehmen.<br />
Familienunternehmen sind die treibende Kraft in der mittelständischen Wirtschaft.<br />
Wenn wir sie in diesem Jahr in den Mittelpunkt unseres Berichtes stellen, entspricht<br />
das ihrer Bedeutung für unser Wirtschaftsleben. Wir haben mittelständische Unternehmen<br />
(mit mindestens fünf Beschäftigten) befragt und aus den erfreulicherweise<br />
zahlreichen Rückläufen ein Bild ihrer Lage und der selbst eingeschätzten Zukunftsaussichten<br />
herausgefiltert.<br />
Hierbei begreifen wir den Mittelstand durchaus als mehr als eine nach den EU-<br />
Kriterien definierte Anzahl von Unternehmen, denn mittelständische Unternehmen<br />
werden von Menschen geprägt – von Einzelpersonen oder Familien mit allen ihren<br />
unterschiedlichen Eigenschaften, ihren Erfolgen und Konflikten. Diese Vielfalt individueller<br />
Gegebenheiten geht in der zahlenmäßigen Zusammenfassung verloren. Wir<br />
dürfen sie gleichwohl nicht aus dem Blickfeld verlieren, denn hinter jeder Zahl ste-<br />
1 Band 1 berichtet über Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>. Band 2 wird gesondert veröffentlicht und enthält die Strukturdaten<br />
des hessischen Mittelstands.<br />
1
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
2<br />
hen Schicksale – was in den vor uns liegenden Jahren zunehmend deutlicher werden<br />
wird.<br />
Denn: Bislang waren mittelständische Familienunternehmen eine Selbstverständlichkeit;<br />
sie waren immer da, und die Übergabe an die nächste Generation verlief<br />
meist in geordneten Bahnen. Dieser kontinuierliche Ablauf wird nun durch demografische<br />
Einflüsse erheblich gestört: Es wird zunehmend mehr Übergeber als Übernehmer<br />
geben. Bis 2015 sollen etwa 50 Prozent (!) aller hessischen Familienunternehmen<br />
an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin weitergegeben werden – aber<br />
oft gibt es in den Familien keine Kinder. Viel spricht sogar dafür, dass die Zahl der in<br />
den nächsten zehn Jahren gewünschten Übergaben die der potenziellen Übernehmer<br />
oder Übernehmerinnen überhaupt – also aus der Familie stammend oder von<br />
dritter Seite – übersteigt.<br />
Misslingende Unternehmensübergaben gefährden den Erhalt von lebensfähigem<br />
ökonomischen Leistungspotenzial im Mittelstand – und damit von Wachstumschancen,<br />
von künftigen Beschäftigungsmöglichkeiten und, besonders bei Familienunternehmen,<br />
auch der Verankerung der Wirtschaft in der Gesellschaft. Diese Gefährdung<br />
wurde zunächst in dem ersten <strong>Mittelstandsbericht</strong> 2004 als eher abstrakte<br />
Folge der demografischen Entwicklung dargestellt – in den kommenden Jahren wird<br />
sie konkret. Hier zeichnet sich eine zentrale wirtschaftspolitische Aufgabe der kommenden<br />
Jahre ab, die mit der Änderung des Erbschaftsteuergesetzes beginnt und<br />
mit passender Finanzierung (die 90 Prozent der Befragten für wichtig oder sehr<br />
wichtig halten) noch lange nicht aufhört.<br />
Dieser Bericht soll für den sich abzeichnenden Handlungsbedarf sensibilisieren und<br />
die Erarbeitung von Konzepten zur Erleichterung von Unternehmensübergaben anstoßen.<br />
Hierzu gehört nicht allein, bestehende Fördermöglichkeiten auch auf Unternehmensübergaben<br />
hin auszurichten (was die meisten bereits sind), sondern auch<br />
– etwa im Rahmen der Finanzplatzinitiative – zusätzliches Engagement der Kreditwirtschaft<br />
zu mobilisieren.<br />
Der Hessische <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> wird auch im Internet veröffentlicht (Adresse:<br />
www.wirtschaft.hessen.de).<br />
Dr. Alois Rhiel<br />
<strong>Hessischer</strong> Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung
1 Vorbemerkungen<br />
1.1 Einführung<br />
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
Die mittelständischen Unternehmen sind in <strong>Hessen</strong> wie auch in Deutschland tragende<br />
Säule der Wirtschaft und von elementarer Bedeutung für Wachstum, Beschäftigung<br />
und Ausbildung. Der Mittelstand – bzw. die Kleinst-, kleinen und mittleren<br />
Unternehmen – steht daher zu Recht sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene<br />
im Zentrum der Wirtschaftspolitik. Eine regelmäßige Berichterstattung ist<br />
nicht zuletzt angesichts der ausgeprägten Vielfalt mittelständischer Unternehmenstypen<br />
aus unterschiedlichen Größenklassen und Wirtschaftsbereichen (Industrie,<br />
Handwerk, Handel, Dienstleistungen und Freie Berufe) eine wesentliche Voraussetzung,<br />
um die Lage und sich abzeichnende Entwicklungstendenzen innerhalb der<br />
mittelständischen Wirtschaft in <strong>Hessen</strong> zu beurteilen. Nur so lassen sich Chancen<br />
und Risiken frühzeitig erkennen, entsprechende Maßnahmen von den Unternehmen<br />
selbst einleiten sowie von Seiten der Politik die notwendigen Rahmenbedingungen<br />
zielgerichtet und effizient gestalten. Die <strong>Mittelstandsbericht</strong>erstattung <strong>Hessen</strong> soll<br />
hierfür Informationen bereitstellen – nicht nur für die Wirtschaftspolitik, sondern der<br />
Hessische <strong>Mittelstandsbericht</strong> soll auch der Information der Unternehmen und<br />
Gründer selbst dienen.<br />
Diesem Zweck dient zum einen eine auf breiter Datenbasis stehende Analyse und<br />
Kommentierung der statistischen Informationen über hessische mittelständische Unternehmen.<br />
Diese alle zwei Jahre durchgeführte Analyse ist Gegenstand des zweiten<br />
Bandes des Hessischen <strong>Mittelstandsbericht</strong>s <strong>2006</strong> mit dem Titel „Porträt des<br />
hessischen Mittelstands“.<br />
Zum anderen enthält der <strong>Mittelstandsbericht</strong> ein jährlich wechselndes Schwerpunktthema.<br />
Das diesjährige Thema – und Inhalt des vorliegenden ersten Bandes – lautet<br />
„Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“. Familienunternehmen, d. h. im weitesten Sinne<br />
Unternehmen, auf die eine Familie oder einzelne Familienmitglieder maßgeblichen<br />
Einfluss ausüben, stellen den weitaus überwiegenden Anteil der mittelständischen<br />
Unternehmen. Viele bestehen bereits seit mehreren Generationen, und Familienunternehmen,<br />
die auf eine mehr als hundertjährige Tradition zurückblicken können,<br />
sind keinesfalls eine Seltenheit. Diese Form von Unternehmen, in deren stärkster<br />
Ausprägung sowohl das gesamte Kapital als auch die Führung in der Hand einer<br />
Person liegen, ist in der jüngeren Vergangenheit insbesondere aufgrund der Nachfolgeproblematik<br />
in das Interesse der Wirtschaftspolitik gerückt: Die Unternehmensnachfolge<br />
gelingt beileibe nicht immer – sei es, dass sich kein Nachfolger findet oder<br />
Fehler bei der Übergabe den Bestand des Unternehmens und der Arbeitsplätze<br />
gefährden. Denn auf den unterschiedlichsten Feldern – wirtschaftlicher, finanzieller,<br />
rechtlicher und „menschlich-psychologischer“ Art – sind adäquate Problemlösungen<br />
3
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
1.2 Zielsetzung<br />
4<br />
zu finden, wobei die Wirtschaftspolitik, Kammern, Verbände usw. wertvolle Unterstützung<br />
leisten können.<br />
Doch auch die Veränderungen bei großen Kapitalgesellschaften, die zum Teil Arbeitsplätze<br />
abbauen bzw. ins Ausland verlagern, haben – nicht nur in <strong>Hessen</strong> – das<br />
Interesse an den Familienunternehmen beflügelt. Diese gelten als stärker mit dem<br />
heimischen Standort verwurzelt, woraus auch hinsichtlich der Arbeitsplätze oftmals<br />
auf eine höhere „Standorttreue“ geschlossen wird. Ob dies auch im Zeitalter der so<br />
genannten Globalisierung noch zutrifft oder ob sich auch dort eine kurzfristigere<br />
Denkweise, eine stärkere Renditeorientierung sowie eine geringere soziale Stabilität<br />
für die Beschäftigten durchsetzen werden, sind ebenfalls Fragen, die untersucht<br />
werden.<br />
Vor diesem skizzierten Hintergrund sind Informationen über Familienunternehmen<br />
und deren spezielle Chancen und Herausforderungen für die Landespolitik und insbesondere<br />
für die Wirtschaftspolitik von großem Interesse. Dies gilt erst recht, da<br />
fundierte Informationen über Familienunternehmen – wenn überhaupt – meist nur<br />
auf Bundesebene vorliegen. Selbst Basisinformationen wie z. B. die Eigentumsverhältnisse<br />
sind oft nicht hinreichend bekannt.<br />
Deshalb hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung<br />
die <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> beauftragt, mit einer schriftlichen Primärerhebung relevante<br />
Informationen direkt bei hessischen Unternehmen – sozusagen „aus erster Hand“<br />
– zu gewinnen. Der vorliegende Bericht stellt diese hessenspezifischen Erkenntnisse<br />
über Familienunternehmen vor. Sie sind für die Politik eine wertvolle Grundlage:<br />
Zum einen, um die „Wirtschaft vor Ort“ zu stärken, und zum anderen, um z.B. bei<br />
schwierigen Fragen der Nachfolge zu helfen (z. B. durch Beratungsangebote, Finanzierungsanreize,<br />
Nachfolgebörsen).<br />
Ziel des Hessischen <strong>Mittelstandsbericht</strong>s ist es ebenfalls, Unternehmer(innen) und<br />
Nachfolger(innen) 2 über Aspekte der Selbständigkeit und Chancen in Familienunternehmen<br />
zu informieren und dadurch den Unternehmergeist zu stärken.<br />
Die vorliegende Untersuchung zu „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ kann nicht für<br />
die Gesamtheit der hessischen Familienunternehmen repräsentative Ergebnisse liefern<br />
(vgl. hierzu auch Kapitel 2). Angesichts der ausgeprägten Heterogenität des<br />
Mittelstands und der vielfältigen Definitionen des Begriffs „Familienunternehmen“ ist<br />
dies auch kaum möglich. Der <strong>Mittelstandsbericht</strong> soll jedoch sehr wohl auf breiter<br />
2 Die vorwiegende Verwendung der männlichen Form geschieht aus Gründen der Übersichtlichkeit. Sofern nicht anders<br />
angegeben, sind jedoch damit stets beide Geschlechter gemeint. Wir bitten alle Leserinnen um Verständnis.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
Basis stehende Aussagen und Meinungsbilder zu hessischen Familienunternehmen<br />
bieten – und damit zu einem zentralen Bereich der hessischen Wirtschaft, über den<br />
erstaunlicherweise nur sehr begrenzte Informationen auf Landesebene verfügbar<br />
sind.<br />
Der Hessische <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> wurde gefördert aus Mitteln des Europäischen<br />
Sozialfonds – Förderung des Unternehmergeistes.<br />
5
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
2 Aufbau und Konzeption<br />
2.1 Aufbau<br />
6<br />
Der weitere Aufbau der Studie lehnt sich an die thematische Gliederung des verwendeten<br />
Fragebogens an:<br />
Im dritten Kapitel wird ein erster Blick auf die Struktur der befragten Unternehmen<br />
geworfen. Die Darstellung erfolgt nach grundlegenden Merkmalen wie Anzahl der<br />
Beschäftigten, Höhe des Umsatzes, Branchenzugehörigkeit und Auslandsbeziehungen<br />
(Auslandsumsatz und -standorte).<br />
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit unterschiedlichen Formen von Familienunternehmen<br />
im Sinne der Ausgestaltung von Eigentum und Unternehmensführung sowie<br />
– damit eng zusammenhängend – mit dem Alter des Unternehmens.<br />
Gegenstand des fünften Kapitels ist die „Verwurzelung“ des Unternehmens und des<br />
Unternehmers mit seinem Standort, d. h. die Bindung zum Standort seines Familienunternehmens.<br />
Unterschiedliche Facetten der Unternehmensnachfolge3 bilden den Inhalt des<br />
sechsten Kapitels. Fragestellungen sind z. B., ob das Unternehmen zur Übergabe<br />
ansteht, an wen diese geplant ist und welche Elemente für eine erfolgreiche Übergabe<br />
wesentlich sind.<br />
Verschiedene Aspekte der Zukunftsperspektiven (z. B. Arbeitsplätze, Internationalisierung,<br />
Finanzierung) von Familienunternehmen werden im vorletzten Kapitel thematisiert.<br />
Eine Zusammenfassung rundet die Studie ab.<br />
2.2 Zur Abgrenzung von Mittelstand und Familienunternehmen<br />
Die Abgrenzung des Mittelstands im diesjährigen <strong>Mittelstandsbericht</strong> orientiert sich<br />
wie in den Vorjahren an der Mittelstandsdefinition der EU. Diese Definition der<br />
Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen ist in Tabelle 1<br />
dargestellt. 4<br />
3 Die Begriffe Unternehmensnachfolge bzw. -übergabe, Generations- bzw. Generationenwechsel sowie einfach Nachfolge<br />
oder Übergabe werden im vorliegenden <strong>Mittelstandsbericht</strong> synonym verwendet.<br />
4 Eine vollständige Umsetzung ist allerdings nicht zuletzt aufgrund des Aufwands nicht praktikabel, da sich hinter den in<br />
Tabelle 1 angegebenen Kriterien eine Vielzahl von Vorgaben zur Operationalisierung verbirgt.
Tabelle 1: Mittelstandsdefinition der EU<br />
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
Kriterium Beschäftigung Finanzen 1 Konzernunabhängigkeit<br />
Unternehmensgröße<br />
Anzahl der<br />
Mitarbeiter<br />
Umsatz Bilanzsumme<br />
Kleinst Bis 9 Bis 2 Mill. Euro Bis 2 Mill. Euro<br />
Mittelstand<br />
Klein 10 bis 49<br />
2 Mill. bis 10 Mill.<br />
Euro<br />
2 Mill. bis 10 Mill.<br />
Euro<br />
Mittel 50 bis 249<br />
10 Mill. bis<br />
50 Mill. Euro<br />
10 Mill. bis 43 Mill.<br />
Euro<br />
Großunternehmen - 250 u. mehr<br />
50 Mill. Euro und<br />
mehr<br />
43 Mill. Euro und<br />
mehr<br />
1 Hiervon ist fakultativ ein Kriterium zu erfüllen.<br />
Quelle: Amtsblatt der Europäischen Union, L 124/36, 20.05.2003.<br />
Zugehörigkeit zu anderen<br />
Unternehmen<br />
Das Unternehmen darf nicht zu 25 %<br />
oder mehr im Besitz von einem oder<br />
mehreren weiteren Unternehmen<br />
gemeinsam sein, die die<br />
Mittelstandsdefinition nicht erfüllen.<br />
Drei Kriterien müssen demnach gleichzeitig erfüllt sein, damit ein Unternehmen als<br />
mittelständisch bzw. als Kleinstunternehmen, kleines Unternehmen oder mittleres<br />
Unternehmen gilt. 5 Beim Mittelstand handelt es sich also – da dies gelegentlich verwechselt<br />
wird, soll ausdrücklich darauf hingewiesen werden – nicht etwa um bestimmte<br />
Wirtschaftszweige, wie etwa das Handwerk, sondern um einen im Wesentlichen<br />
durch die Unternehmensgröße abgegrenzten Ausschnitt der Wirtschaft.<br />
Über diese quantitativen Merkmale hinaus werden mit dem Begriff Mittelstand oftmals<br />
noch qualitative Aspekte verbunden. Hierbei ist insbesondere die enge (persönliche)<br />
Bindung zwischen Unternehmer und Unternehmen herauszustellen, die<br />
typischerweise in der Einheit von Eigentum und Unternehmensführung ihren Ausdruck<br />
findet. Dieses Charakteristikum stellt den Übergang zum Untersuchungsgegenstand<br />
des vorliegenden Berichts dar, nämlich zu den Familienunternehmen.<br />
Wird bereits der Mittelstand gelegentlich unterschiedlich abgegrenzt, so gilt dies<br />
noch mehr für die Familienunternehmen. Eine Fülle von Definitionen, Wesensmerkmalen,<br />
Bestimmungsfaktoren usw. werden in der Literatur behandelt. Neben<br />
ökonomischen werden oftmals auch soziologische und rechtliche Aspekte zur Definition<br />
herangezogen. Die bestehenden Definitionen lassen sich in zwei Gruppen<br />
einteilen: 6<br />
• Auf der einen Seite werden bestimmte Kriterien vorgegeben (z. B. Eigentumsverhältnisse)<br />
und anhand dieser geprüft, ob es sich bei dem betreffenden Unternehmen<br />
um ein Familienunternehmen handelt.<br />
5 Hinsichtlich des Finanzkriteriums gelten wahlweise der Umsatz oder die Bilanzsumme als Kriterium. Hiermit soll den Unterschieden<br />
zwischen den einzelnen Branchen Rechnung getragen werden.<br />
6 Vgl. hierzu ausführlich Wiechers, R. (<strong>2006</strong>), S. 31ff.<br />
-<br />
7
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
8<br />
• Auf der anderen Seite gibt es Abgrenzungen, die auf die Selbstbeschreibung der<br />
Unternehmen und das beobachtbare Verhalten der Unternehmen abstellen.<br />
Denn wer sollte besser wissen, ob es sich bei einem Unternehmen um ein Familienunternehmen<br />
handelt oder nicht, als das Unternehmen bzw. dessen Führung<br />
selbst?<br />
Es ist nicht die Aufgabe des Hessischen <strong>Mittelstandsbericht</strong>s, sich an der Diskussion<br />
über die „richtige“ Definition zu beteiligen, zumal für eine empirische Untersuchung<br />
ausgefeilte Definitionen meist nicht dienlich sind. Deshalb wurde für die Befragung<br />
hessischer Familienunternehmen ein pragmatischer Ansatz gewählt: Die mittelständischen<br />
Unternehmen – gemäß EU-Definition7 – wurden um Auskunft darüber gebeten,<br />
ob sich Mitglieder der Eigentümerfamilie in der Geschäftsführung oder dem Vorstand<br />
befinden – d. h. explizit auf die bereits erwähnte Verschränkung von Eigentum<br />
und Leitungsfunktion abgestellt. Wird dies bejaht, ist es ein Familienunternehmen,<br />
wird dies verneint, ist es kein Familienunternehmen im Sinne dieser Untersuchung. 8<br />
Ergänzend wurden die hessischen Unternehmen auch direkt gefragt, ob sie sich als<br />
Familienunternehmen verstehen.<br />
2.3 Konzeption der Befragung<br />
Grundlage der Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ ist die<br />
Unternehmensdatenbank MARKUS. MARKUS ermöglicht u. a. eine Selektion der<br />
Unternehmen nach Branchen, Anzahl der Mitarbeiter, Umsatz und Tochterunternehmen<br />
bzw. Beteiligungen, so dass die für die Umfrage erforderliche Auswahlgrundlage<br />
gewonnen werden kann. Ob es sich tatsächlich um ein Familienunternehmen<br />
handelt und ob sich das Unternehmen als solches versteht, wird – wie im<br />
vorangegangenen Abschnitt erläutert – durch die Befragung selbst erhoben.<br />
Die Aufnahmekriterien von MARKUS gewährleisten, dass praktisch nur wirtschaftsaktive<br />
Unternehmen erfasst werden und die Daten in Verbindung mit ihrer regelmäßigen<br />
Pflege und Aktualisierung eine hohe Zuverlässigkeit aufweisen. Der Eintrag<br />
im Handelsregister ist eines der Aufnahmekriterien. Hieraus resultiert eine starke<br />
Untererfassung der Kleingewerbetreibenden, was für die Befragung jedoch unerheblich<br />
ist, da eine Abschneidegrenze von fünf Beschäftigten festgelegt wurde. 9 Da<br />
Freiberufler nicht verpflichtet sind, sich im Handelsregister eintragen zu lassen, sind<br />
diese zu einem erheblichen Teil ebenfalls nicht in MARKUS enthalten. Aus diesem<br />
7 Selbstverständlich gibt es auch Familienunternehmen, die nicht unter die Mittelstandsdefinition der EU fallen, da sie z. B.<br />
mehrere Tausend Beschäftigte haben. Diese großen Familienunternehmen sind definitionsgemäß nicht Gegenstand des<br />
Hessischen <strong>Mittelstandsbericht</strong>s.<br />
8 Diese Vorgehensweise wird u. a. auch vom Institut für Mittelstandsforschung Bonn beschritten. Vgl. z. B. Bundesverband<br />
der deutschen Industrie e.V., Ernst & Young AG u. IKB Deutsche Industriebank AG (Hrsg.) (2005), S. 4.<br />
9 Damit unterscheidet sich der vorliegende Bericht von anderen Untersuchungen zu Familienunternehmen und zum Mittelstand,<br />
die eine oft deutlich höhere Abschneidegrenze festlegen.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
Grund wurden die Angaben aus MARKUS um einen ebenfalls von Creditreform<br />
stammenden Datensatz speziell zu Freiberuflern ergänzt.<br />
Die wirtschaftszweigsystematische Zusammensetzung der Stichprobe sowie die<br />
Aufteilung des Rücklaufs gehen aus Tabelle 2 hervor. Naturgemäß nicht Untersuchungsgegenstand<br />
des <strong>Mittelstandsbericht</strong>es sind die staatlichen Bereiche „L Öffentliche<br />
Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung“ sowie weite Teile von „M<br />
Erziehung und Unterricht“ und Teile von „O Erbringung von sonstigen öffentlichen<br />
und persönlichen Dienstleistungen“. Dies gilt ebenfalls für „P Private Haushalte“ und<br />
„Q Exterritoriale Organisationen“ sowie den Bereich „N Gesundheits-, Veterinär- und<br />
Sozialwesen“, in dem eine Vielzahl von staatlichen Anbietern und eine in weiten Teilen<br />
hohe Regulierungsdichte zusammentreffen. Ebenfalls nicht berücksichtigt wurde<br />
bei der Befragung „A-B Land- und Forstwirtschaft; Fischerei“. Hierdurch resultiert in<br />
Verbindung mit der Abschneidegrenze von fünf Beschäftigten und dem branchenspezifischen<br />
Rücklauf eine von der „wahren“ Wirtschaftsstruktur abweichende Verteilung<br />
(stärkeres Gewicht des Baugewerbes und des Verarbeitenden Gewerbes<br />
und entsprechend geringeres Gewicht der Dienstleistungen), was bei der Interpretation<br />
der Ergebnisse zu beachten ist.<br />
Tabelle 2: Zusammensetzung der Stichprobe der Unternehmensbefragung<br />
C-E<br />
WZ 2003 Code Beschreibung<br />
Bergbau und Gewinnung von Steinen und<br />
Erden, Verarbeitendes Gewerbe, Energie-<br />
und Wasserversorgung<br />
Versandte Fragebögen<br />
(Anteil an Summe in %)<br />
22,3<br />
Rücklauf<br />
(Anteil an Summe in %)<br />
23,1<br />
+1,9 Sonstige<br />
F Baugewerbe 18,0 20,6<br />
G Handel 26,6 22,2<br />
H-K, MA804, OA90,<br />
OA92, OA93<br />
Dienstleistungen (außer Handel), ergänzt<br />
um Freiberufler<br />
33,1 32,2<br />
100,0 = 4.972 versandte<br />
Fragebögen<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
100,0 = ausgewerteter Rücklauf von<br />
1.653 Fragebögen<br />
Die schriftliche Befragung wurde im Mai <strong>2006</strong> bei knapp 5.000 Unternehmen durchgeführt.<br />
Nur ein sehr geringer Teil des Rücklaufs konnte nicht bei der Auswertung<br />
berücksichtigt werden, da die Fragebögen entweder nicht ausgefüllt waren (Unternehmen<br />
in Insolvenz, Geschäftstätigkeit eingestellt, Sitz in andere Bundesländer<br />
verlegt o. ä.) oder erst mehrere Wochen nach dem letztmöglichen Rücksendetermin<br />
eingetroffen sind. Letztlich standen 1.653 Fragebögen für eine Auswertung zur Verfügung,<br />
was einer Rücklaufquote von 33,2 % entspricht – eine sehr erfreulich hohe<br />
Resonanz von Seiten der hessischen Unternehmen. Dies zeigt das große Interesse<br />
9
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
10<br />
an der Thematik. Sicherlich hat auch das Begleitschreiben des Auftraggebers, des<br />
Hessischen Staatsministers für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung Dr.<br />
Rhiel, zu dieser hohen Rücklaufquote motiviert.<br />
Der Vergleich des Rücklaufs untergliedert nach Wirtschaftsbereichen (vgl. Tabelle<br />
2) zeigt, das dieser recht gut mit der Wirtschaftsstruktur der verschickten Fragebögen<br />
übereinstimmt. Der Vergleich ist allerdings nur grob möglich, da bei den adressierten<br />
Familienunternehmen die Zuordnung nach WZ2003 gemäß MARKUS erfolgt<br />
und beim Rücklauf die Antworten der Unternehmen selbst ausgewiesen werden.
3 Erster Blick auf die Familienunternehmen<br />
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
Von den 1.653 Fragebögen wurden nicht alle in die Auswertung einbezogen:<br />
• Bei 44 Unternehmen handelt es sich nicht um mittelständische Unternehmen –<br />
meistens deshalb, weil die Beschäftigtenzahl 250 oder mehr Personen beträgt.<br />
• 181 Unternehmen sind keine Familienunternehmen im Sinne der vorliegenden<br />
Studie, d. h. in diesen Unternehmen befinden sich keine Mitglieder der Eigentümerfamilie<br />
in der Geschäftsführung bzw. im Vorstand. Etwa 90 % dieser Unternehmen<br />
bezeichnen sich auch selbst nicht als Familienunternehmen. 10<br />
Den nachfolgenden Ausführungen liegen somit – soweit nicht ausdrücklich anders<br />
genannt – 1.428 (1.653 minus 44 minus 181) mittelständische Familienunternehmen<br />
in <strong>Hessen</strong> zugrunde. 11<br />
143 dieser 1.428 mittelständischen Familienunternehmen bezeichnen sich selbst<br />
nicht als Familienunternehmen, obwohl sich Mitglieder der Eigentümerfamilie in der<br />
Geschäftsführung bzw. dem Vorstand befinden. Unter diesen 143 Unternehmen<br />
sind überproportional viele<br />
• Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor (ohne Handel),<br />
• Gründungen aus der jüngeren Vergangenheit,<br />
• Unternehmen mit ausgeprägter internationaler Orientierung (sei es mit hohem<br />
Auslandsumsatz und / oder Standorten im Ausland).<br />
Bei auffälligen Abweichungen der nachfolgenden präsentierten Untersuchungsergebnisse<br />
zwischen diesen 143 Unternehmen und der Gesamtheit der untersuchten<br />
1.428 Unternehmen wird explizit darauf hingewiesen.<br />
10 Diese 181 Unternehmen haben zum weitaus überwiegenden Teil die weitergehenden Fragen des Fragenbogens nicht<br />
beantwortet, was auch beabsichtigt war, um die Unternehmensbelastung möglichst gering zu halten.<br />
11 Die Anzahl der berücksichtigten Unternehmen schwankt allerdings von Frage zu Frage, da bei einzelnen Fragen Unternehmen<br />
keine Angaben gemacht haben oder durch spezielle Filterfragen nicht alle Unternehmen alle Fragen zu beantworten<br />
hatten.<br />
11
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
3.1 Wirtschaftszweige und Größenklassen<br />
12<br />
Die Wirtschaftszweigstruktur der befragten Familienunternehmen ist in Abbildung 1<br />
dargestellt. 54 % der Familienunternehmen gehören zum Dienstleistungssektor,<br />
wobei auf den Handel 22 % entfallen. Dieser vergleichsweise geringe Anteil des<br />
Dienstleistungssektors ist begründet durch die Auswahl der Wirtschaftszweige, die<br />
Abschneidegrenze und den branchenspezifischen Rücklauf (vgl. Kapitel 2). In etwa<br />
gleich große Anteile stellen auch das Verarbeitende Gewerbe mit 23 % und das<br />
Baugewerbe (einschließlich Ausbaugewerbe) mit 21 %. Unter dem Begriff „Sonstige”<br />
werden z. B. Unternehmen aus der Energie- und Wasserversorgung sowie dem<br />
Bergbau und der Verarbeitung von Steinen und Erden subsumiert. Darüber hinaus<br />
enthält diese Restgruppe diejenigen Familienunternehmen, die mehrere Wirtschaftszweige<br />
angegeben hatten, womit keine eindeutige Zuordnung möglich war. 12<br />
Abbildung 1: Familienunternehmen nach Wirtschaftszweigen<br />
Baugewerbe<br />
21 %<br />
Handel<br />
22 %<br />
Sonstige<br />
2 %<br />
Dienstleistungen<br />
(außer Handel)<br />
32 %<br />
Verarbeitendes<br />
Gewerbe<br />
23 %<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
Abbildung 2 zeigt ein aus der <strong>Mittelstandsbericht</strong>erstattung bekanntes Bild: Die großen<br />
mittelständischen Familienunternehmen (50 bis 249 Beschäftigte) stellen lediglich<br />
14 % der befragten Unternehmen, aber gut die Hälfte (46 %) aller Beschäftigten,<br />
wohingegen die Familienunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten zwar 31 %<br />
der befragten Unternehmen ausmachen, aber nur 9 % der Beschäftigten bei ihnen<br />
arbeiten.<br />
12 Bei den nach Wirtschaftszweigen differenzierten Untersuchungen in den nachfolgenden Kapiteln wird die Gruppe „Sonstige“<br />
nicht mehr ausgewiesen, da sie von der Größe her von untergeordneter Bedeutung ist und sich zudem einer Interpretation<br />
weitestgehend entzieht.
Abbildung 2: Familienunternehmen nach Beschäftigtengrößenklassen<br />
Anteil in %<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Anteil an Gesamtzahl der<br />
Unternehmen<br />
Anteil an Gesamtzahl der<br />
Beschäftigten<br />
31<br />
9<br />
55<br />
45<br />
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
weniger als 10 Beschäftigte 10 bis 49 Beschäftigte 50 bis 249 Beschäftigte<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
Dieser Unterschied ist bei der Betrachtung der Umsatzgrößenklassen noch ausgeprägter<br />
(vgl. Abbildung 3): 58 % der Familienunternehmen erzielen lediglich 11 %<br />
des Umsatzes, während 7 % der Unternehmen 44 % des Umsatzes erwirtschaften.<br />
Abbildung 3: Familienunternehmen nach Umsatzgrößenklassen<br />
Anteil in %<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
58<br />
11<br />
Anteil an Gesamtzahl der Unternehmen<br />
Anteil an Gesamtumsatz*<br />
35<br />
14<br />
7<br />
46<br />
45 44<br />
bis 2 Millionen Euro über 2 Millionen bis 10 Millionen über 10 Millionen bis 50 Millionen<br />
*Näherungsweise Berechnung unter der Annahme, dass die Klassenmitte dem arithmetischen Mittel entspricht.<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
13
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
14<br />
In Abbildung 4 ist die Unternehmensgrößenstruktur gemäß der EU-Mittelstandsdefinition<br />
– durch Kombination von Beschäftigungs- und Umsatzkriterium gebildet –<br />
nach Wirtschaftszweigen dargestellt. Insgesamt gesehen stellen die kleinen Unternehmen<br />
mit Abstand den größten Teil (57 %) der befragten Gruppe der Familienunternehmen.<br />
Mittlere Familienunternehmen weisen einen Anteil von 16 %, die<br />
Kleinstunternehmen von 27 % auf.<br />
Abbildung 4: Familienunternehmen nach Unternehmensgrößenklassen und Wirtschaftszweigen<br />
Anteil in %<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
7<br />
55<br />
38<br />
Baugewerbe Dienstleistungen<br />
(außer Handel)<br />
14 16<br />
61 58<br />
25 26<br />
25<br />
54<br />
21<br />
Handel Verarbeit. Gewerbe Insgesamt<br />
Kleinstunternehmen Kleine Unternehmen Mittlere Unternehmen<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
Im Baugewerbe sind 38 % der Familienunternehmen Kleinstunternehmen, am geringsten<br />
ist der Anteil der Kleinstunternehmen im Verarbeitenden Gewerbe (21 %).<br />
Da zudem im Baugewerbe der Anteil der mittelgroßen Familienunternehmen mit lediglich<br />
7 % unterdurchschnittlich ausfällt, ist das Baugewerbe von den untersuchten<br />
Wirtschaftszweigen am stärksten durch eine kleinteilige Struktur bestimmt. Für das<br />
Verarbeitende Gewerbe gilt das Gegenteil, während die Größenstruktur der untersuchten<br />
Familienunternehmen im Dienstleistungsbereich im Wesentlichen dem Mittel<br />
aller Wirtschaftszweige entspricht.<br />
3.2 Außenwirtschaftsbeziehungen<br />
Der Export in nahe und ferne Länder, die Beschaffung von Vorprodukten aus dem<br />
Ausland, die Beteiligung an ausländischen Unternehmen oder auch die Errichtung<br />
von Produktionsstätten im Ausland sind im Zeitalter der so genannten Globalisie-<br />
16<br />
57<br />
27
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
rung keineswegs nur Großunternehmen vorbehalten, sondern werden zunehmend<br />
auch von großen wie kleineren Familienunternehmen getätigt.<br />
Insgesamt 37 % der hessischen Familienunternehmen setzen ihre Erzeugnisse<br />
nicht nur regional in <strong>Hessen</strong> oder national in Deutschland ab, sondern haben sich<br />
den internationalen Markt erschlossen (vgl. Abbildung 5). Die Exportquote – definiert<br />
als Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz – variiert stark: Für 9 % der<br />
Befragten beträgt die Exportquote maximal 5 %, d. h. das Auslandsgeschäft stellt<br />
(zumindest derzeit) bestenfalls ein „Zubrot“ dar. Für weitere 8 % beläuft sich die Exportquote<br />
immerhin auf bis zu 10 %. 9 % der hessischen Familienunternehmen realisieren<br />
zwischen 10 und 25 % ihres Umsatzes mit dem Ausland, 5 % bis zur Hälfte.<br />
In 5 % der hessischen Familienunternehmen hat das Ausland den heimischen Binnenmarkt<br />
als wichtigsten Absatzmarkt abgelöst, wobei teilweise sogar der deutsche<br />
Markt zum Randgeschäft geworden ist: In einigen Fällen beläuft sich die Exportquote<br />
der Familienunternehmen auf mehr als 90 %. Insofern ist der für Deutschland<br />
insgesamt getroffenen Aussage, „dass gerade im industriellen Mittelstand ausgesprochene<br />
Exportchampions existieren, die enorme Auslandserfahrung und -erfolge<br />
aufzuweisen haben“ 13 , auch für <strong>Hessen</strong> uneingeschränkt zuzustimmen.<br />
Abbildung 5: Exportquote (Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz)<br />
von Familienunternehmen nach Wirtschaftszweigen<br />
Anteil in %<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
92<br />
10<br />
Baugewerbe Dienstleistungen<br />
(außer Handel)<br />
4<br />
9<br />
8<br />
4<br />
4<br />
8<br />
8<br />
13<br />
65 64<br />
3<br />
14<br />
13<br />
16<br />
11<br />
11<br />
34<br />
Handel Verarbeitendes<br />
Gewerbe<br />
6<br />
5<br />
9<br />
8<br />
9<br />
63<br />
Insgesamt<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
mehr als 50%<br />
25 bis unter 50%<br />
10 bis unter 25%<br />
5 bis unter 10%<br />
0 bis unter 5%<br />
13 Bundesverband der Deutschen Industrie und Ernst & Young Deutsche Allgemeine Treuhand AG (Hrsg.) (2001), S. 111.<br />
0%<br />
15
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
16<br />
Ungeachtet aller Internationalisierung darf allerdings nicht vergessen werden, dass<br />
mit 63 % der überwiegende Teil der hessischen Familienunternehmen seine Waren<br />
und Dienstleistungen nur im Inland absetzt, teilweise sogar nur in einem engen lokalen<br />
Radius um den Unternehmensstandort. Dies ist allerdings von Wirtschaftszweig<br />
zu Wirtschaftszweig sehr unterschiedlich: So ist im Baugewerbe der Anteil der Unternehmen,<br />
die Umsätze mit dem Ausland tätigen, mit 8 % sehr gering. Da die<br />
Dienstleistung oder die Produktion in der Regel vor Ort erfolgen muss, sind die Exportmöglichkeiten<br />
des Baugewerbes begrenzt. In den Familienunternehmen im Verarbeitenden<br />
Gewerbe hingegen ist der Absatz auf Auslandsmärkten weit verbreitet:<br />
Bereits 66 % bedienen Auslandsmärkte, wobei mit 14 % ein beachtlicher Anteil über<br />
die Hälfte seines Umsatzes mit dem Ausland macht. Lediglich 34 % des Verarbeitenden<br />
Gewerbes sind ausschließlich im Inland tätig. Die entsprechenden Anteilswerte<br />
für den Dienstleistungssektor entsprechen in etwa denen der Familienunternehmen<br />
insgesamt. Es ist also keineswegs so, dass Dienstleistungsanbieter nur auf<br />
das Inland ausgerichtet sind. Handel, Logistik sowie die vielfältigen wissensintensiven<br />
Beratungsdienstleistungen sind Beispiele für grenzüberschreitend tätige Dienstleister.<br />
Wenn auch der Anteil der Unternehmen mit Auslandabsatz mit der Unternehmensgröße<br />
korreliert, so sind durchaus auch Kleinstunternehmen auf Auslandsmärkten<br />
erfolgreich, wie die Befragung zeigt: Hessische Familienunternehmen mit z. B. sieben<br />
Beschäftigten und einem Auslandsumsatz zwischen 25 und 50 % sind zwar keineswegs<br />
die Regel, aber auch keine exotischen Ausnahmen.<br />
Ist für ein Unternehmen bereits die Entscheidung, seine Waren und Dienstleistungen<br />
zu exportieren, trefflich abzuwägen, gilt dies erst recht bei einem Unternehmensstandort<br />
im Ausland. Hierbei handelt es sich um eine ganz andere Dimension<br />
des Auslandsengagements. Ob es eine Vertriebseinrichtung, eine Servicestätte, ein<br />
Joint-Venture mit einem Unternehmen vor Ort oder eine eigene Produktionsstätte ist<br />
– es sind auf jeden Fall erhebliche finanzielle Mittel und auch Humankapital vor Ort<br />
erforderlich. Dementsprechend sind Standorte im Ausland allenfalls eine Domäne<br />
der mittleren Unternehmen (17 %) überwiegend aus dem Verarbeitenden Gewerbe<br />
(12 %), d. h. der stark exportierenden Unternehmen (vgl. Abbildung 6).<br />
Knapp die Hälfte (45 %) der angegebenen ausländischen Standorte befindet sich in<br />
Europa. Es folgt Asien (25 %) vor den USA (17 %) und sonstigen Ländern (13 %).<br />
Etliche der befragten hessischen Familienunternehmen haben Standorte auf mehreren<br />
Kontinenten.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
Abbildung 6: Auslandsstandorte von Familienunternehmen nach Wirtschaftszweigen<br />
und Unternehmensgrößenklassen<br />
Baugewerbe<br />
Handel<br />
Dienstleistungen<br />
(außer Handel)<br />
Verarbeitendes Gewerbe<br />
Insgesamt<br />
Kleinstunternehmen<br />
Kleine Unternehmen<br />
Mittlere Unternehmen<br />
1<br />
1<br />
4<br />
4<br />
5<br />
6<br />
0 5 10 15 20<br />
Anteil in %<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
Unter dem Titel „Neue Märkte – Neue Chancen?! <strong>Hessischer</strong> Mittelstand in Zeiten<br />
von Internationalisierung und EU-Osterweiterung“ wurden die Außenwirtschaftsbeziehungen<br />
des hessischen Mittelstands insgesamt im Hessischen <strong>Mittelstandsbericht</strong><br />
2005 ausführlich thematisiert. 14 Wenn auch nicht alle der dort dargestellten und<br />
analysierten Untersuchungsergebnisse eins zu eins auf Familienunternehmen übertragen<br />
werden können, so sind die Erkenntnisse doch im Wesentlichen auch für<br />
diese gültig. Zu weiterführenden Aspekten zu den Außenwirtschaftsbeziehungen, Internationalisierung<br />
und speziell der Osterweiterung der EU sei deshalb an dieser<br />
Stelle auf den Hessischen <strong>Mittelstandsbericht</strong> 2005 verwiesen.<br />
14 Vgl. Bauer, C. (2005).<br />
12<br />
17<br />
17
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
4 Familienunternehmen: Alter, Eigentum und Unternehmensführung<br />
4.1 Alter<br />
18<br />
Einen Einblick in die Altersstruktur der befragten hessischen Familienunternehmen<br />
– dargestellt anhand der Gründungszeiträume – bietet Abbildung 7, die zudem die<br />
Branche, in der die Unternehmen heute tätig sind, angibt. 15<br />
Abbildung 7: Gründungszeiträume und Branchenzugehörigkeit<br />
2000-<strong>2006</strong><br />
1990-1999<br />
1980-1989<br />
1970-1979<br />
1960-1969<br />
1946-1959<br />
1914-1945<br />
1871-1913<br />
bis 1870<br />
bis 1870<br />
3<br />
6<br />
10<br />
11<br />
10<br />
13<br />
13<br />
17<br />
18<br />
16<br />
19<br />
23<br />
23<br />
23<br />
22<br />
22<br />
29<br />
13<br />
56<br />
20<br />
16<br />
20<br />
23<br />
24<br />
32<br />
19<br />
39<br />
20<br />
23<br />
0 20 40 60 80 100<br />
Oberer Balken: Im betreffenden Zeitraum gegründete Familienunternehmen<br />
Unterer Balken: Entsprechende Branchenzugehörigkeit<br />
Verarbeitendes Gewerbe Baugewerbe Handel Dienstleistungen (außer Handel)<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
15 Die Abgrenzung der einzelnen Zeiträume ist entnommen aus: Klein, S. B. (2004), S. 111.<br />
20<br />
19<br />
8<br />
29<br />
26<br />
50<br />
28<br />
40<br />
25<br />
37<br />
37<br />
35<br />
24<br />
20<br />
7<br />
8<br />
Anteil in %
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
3 % der befragten, heute noch tätigen hessischen Familienunternehmen wurden bereits<br />
vor dem Kaiserreich, d. h. bis 1870 gegründet. Etwa ein Drittel dieser Unternehmen<br />
hat seinen Ursprung sogar vor der Industrialisierung, kann also auf mehr<br />
als 200 Jahre Unternehmensgeschichte zurückblicken. Zu recht mit Stolz hat einer<br />
der befragten hessischen Unternehmer angegeben, dass er sein Unternehmen mittlerweile<br />
in der neunten Generation führt. Das älteste Unternehmen, das an der Befragung<br />
teilgenommen hat, gibt 1654 als Gründungsjahr an. Ein sehr hohes Alter,<br />
wenngleich es mit dem ältesten Familienunternehmen der Welt, dem japanischen<br />
Bauunternehmen Kongo Gumi (gegründet 578), nicht „konkurrieren“ kann. 16<br />
Weitere 10 % der hessischen Familienunternehmen wurden im Zeitraum 1871-1913<br />
gegründet. Bis zum ersten Weltkrieg waren Familie, Arbeiten und Wohnen zumeist<br />
noch eine Einheit. 17 Diese Strukturen sind heutzutage auch in <strong>Hessen</strong> durchaus<br />
noch in der Landwirtschaft, im Handwerk und im Hotel- und Gaststättengewerbe anzutreffen.<br />
Gründungen dieser Zeit erfolgten vor allem im Handwerk und auch als<br />
Handelsunternehmen. Die damals gegründeten hessischen Familienunternehmen<br />
sind auch heute noch stark mit diesen Wirtschaftszweigen verbunden: So waren<br />
z. B. mehr als die Hälfte der bis 1870 gegründeten Unternehmen zum Zeitpunkt der<br />
Befragung immer noch im Verarbeitenden Gewerbe tätig. Kaum eines der damals<br />
gegründeten Familienunternehmen ist den heute die hessische Wirtschaftsstruktur<br />
prägenden Dienstleistungen (ohne Handel) zuzuordnen.<br />
In der von zahlreichen Umbrüchen gekennzeichneten Phase von 1914 bis 1945<br />
wurden 11 % der befragten, heute noch aktiven Familienunternehmen gegründet.<br />
Damit ist insgesamt knapp ein Viertel der befragten Familienunternehmen älter als<br />
das Bundesland <strong>Hessen</strong> selbst. 13 % wurden von 1946-1959, also in der Zeit des<br />
ausgeprägten deutschen Wirtschaftswunders gegründet und in Zeiten der Vollbeschäftigung<br />
(1960er Jahre) 10 %. Ab den 1970er Jahren (13 %) nehmen dann die<br />
Anteile zu und liegen für die Gründungsperiode von 1980-1989 bei 16 % und für die<br />
Jahre 1990-1999 bei 17 %. 6 % der befragten hessischen Familienunternehmen<br />
stellen Gründungen nach der Jahrtausendwende dar.<br />
Der Frage, ob diese Alterstruktur der Familienunternehmen „jung“ oder „alt“ ist, soll<br />
nicht nachgegangen werden. Letztlich ist auch allein die Leistungsfähigkeit entscheidend<br />
und nicht das Alter. Familienunternehmen sind kein Relikt der Vergangenheit:<br />
Jahrzehnte, ja Jahrhunderte erfolgreich am Markt tätig zu sein, ist vielmehr<br />
Beweis von familiärer wie ökonomischer Beständigkeit, Anpassungsfähigkeit und<br />
Überlebensfähigkeit – ein Beweis, den z. B. viele der am „Neuen Markt“ notierten<br />
Unternehmen schuldig geblieben sind.<br />
16 Vgl. o. V. (2004), S. 10.<br />
17 Vgl. Klein, S.B. (2004). S. 16.<br />
19
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
4.2 Eigentum<br />
20<br />
Die von der Eigentumsbindung ausgehende besondere Motivation gilt als ein wesentlicher<br />
Grund für die Leistungsfähigkeit der Familienunternehmen. 18 So befinden<br />
sich denn auch 89 % der befragten hessischen Familienunternehmen ausschließlich<br />
im Familienbesitz, d. h. die Familie hält 100 % des Eigenkapitals.<br />
Lediglich in 11 % der befragten hessischen Familienunternehmen sind Familienfremde<br />
am Eigenkapital beteiligt, so dass das Eigentum nicht zu 100 % in der Hand<br />
der Familie liegt. Hierbei handelt es sich überwiegend (71 %) um Minderheitsbeteiligungen,<br />
worin sich der Wunsch der Familie nach Autonomie widerspiegelt. Nur in<br />
Ausnahmefällen bzw. gezwungenermaßen treten Familienunternehmen die Mehrheit<br />
an Familienfremde ab. 19 Gründe für die Beteiligung von Familienfremden können<br />
in Motivationsanreizen für Mitarbeiter20 oder in der Notwendigkeit von Wachstumsfinanzierungen<br />
liegen. Bei Familienunternehmen mit Beteiligung familienfremder<br />
Dritter dürfte es sich zu einem Teil aber auch um Unternehmen in einer Übergangsphase<br />
handeln, die sich in Richtung einer Publikumsgesellschaft entwickeln.<br />
Werden ausschließlich die Familienunternehmen betrachtet, die sich zu 100 % im<br />
Familieneigentum befinden (vgl. Abbildung 8), so ist in 37 % der Fälle noch die<br />
Gründergeneration Alleineigentümer des Unternehmens. Insbesondere in dieser<br />
1. Generation ist das Unternehmen primär auf den oder die Gründer21 zugeschnitten<br />
und von ihm bzw. ihnen geprägt. In der 1. Generation gehört das Unternehmen in<br />
der Mehrzahl der Person, die das Unternehmen gegründet hat. 22<br />
Bereits in den Händen der 2. Generation befinden sich 19 %, diese haben folglich<br />
bereits einmal die Unternehmensübergabe – zumindest bezogen auf die Eigenkapitalanteile<br />
– vollzogen. Hierbei zeigt sich, dass mit dem Alter des Unternehmens in<br />
der Regel die Zahl der Gesellschafter zunimmt, etwa durch Heirat, Erbschaft oder<br />
Schenkung. Im Laufe der Unternehmensvita kann auf diese Art und Weise die Zahl<br />
der Eigentümer erhebliche Ausmaße annehmen. 23 Früher oder später kann sich<br />
somit die Frage nach einer Kompensation für weichende Erben stellen. Im Vergleich<br />
zu früheren Zeiten haben sich die rechtlichen Vorgaben zu Erbschaftsregelungen<br />
gewandelt und zielen die gesellschaftlichen Wertevorstellungen zudem auf eine<br />
stärkere Gleichverteilung zugunsten der einzelnen Erben ab. 24 Die übergebende<br />
18 Vgl. Hennerkes, H.-B. (1995), S. 21.<br />
19 Vgl. hierzu ausführlicher Klein, S. B. (2000), S. 106ff u. S. 158ff.<br />
20 Vgl. Wiechers, R. (<strong>2006</strong>), S. 224ff.<br />
21 Z. B. Geschwistergründungen, Ehepartnergründungen oder Partnergründungen (Klassisches Beispiel: Kaufmann bzw.<br />
Betriebswirt und Ingenieur).<br />
22 Vgl. z. B. Klein, S. B. (2004), S. 161.<br />
23 Im Fall des größten deutschen Familienunternehmens, der 250 Jahre alten Haniel-Gruppe, beläuft sich die Anzahl der<br />
Gesellschafter mittlerweile auf mehr als 550 Personen. Vgl. Fröndhoff, B. (<strong>2006</strong>), S. 18.<br />
24 Vgl. Klein, S. B. (2000), S. 38f.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
Generation bestimmt durch ihre Entscheidung über eine geteilte oder ungeteilte<br />
Vererbung mit Auszahlung der Miterben oder über einen Verkauf mit anschließender<br />
Erlösaufteilung die künftige Eigentumsstruktur des Familienunternehmens.<br />
Abbildung 8: 100 %-Eigenkapitalbeteiligung nach Generationen<br />
Mehrere<br />
Generationen<br />
21 %<br />
3., 4. oder<br />
höhere<br />
Generation<br />
23 %<br />
2. Generation<br />
19 %<br />
1.<br />
Generation,<br />
Gründer<br />
37 %<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
In weiteren 23 % der befragten Familienunternehmen wird das Eigenkapital zu<br />
100 % von der 3. oder einer höheren Generation gehalten.<br />
In 21 % der Familienunternehmen ist nicht nur eine Generation am Unternehmen<br />
beteiligt, sondern mehrere (zum überwiegenden Teil zwei) Generationen. 25 Hierbei<br />
dürfte es sich vor allem um Unternehmen handeln, die sich im Nachfolgeprozess<br />
befinden, wobei diese Übergangsphase durchaus viele Jahre dauern kann, wie in<br />
Kapitel 6 noch ausgeführt wird. Mehrheitlich (43 %) hält hier die ältere Generation<br />
noch „das Heft in der Hand“, d. h. sie besitzt die Mehrheit der Anteile. Nur in 31 %<br />
der Fälle entfällt auf die jüngere Generation ein höherer Eigenkapitalanteil als auf<br />
die ältere Generation. In den übrigen Unternehmen (26 %) ist das Eigentum gleichmäßig<br />
auf die Generationen aufgeteilt.<br />
Bei gleichzeitiger Beteiligung mehrerer Generationen, aber auch bei mehreren Gesellschaftern,<br />
entsteht eine gegenseitige Abhängigkeit, die sich nicht nur auf das<br />
gemeinsame Eigentum erstreckt, sondern z. B. auch auf das Unternehmen als ge-<br />
25 Diese Besitzverhältnisse sind nicht zu verwechseln mit den so genannten Mehrgenerationen-Familienunternehmen. Hierunter<br />
werden in der Regel Familienunternehmen verstanden, die bereits seit mehr als drei Generationen existieren. Vgl.<br />
Wimmer, R., Groth, T. u. Simon, F. B. (2004).<br />
21
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
22<br />
meinsamen Arbeitgeber und die wirtschaftliche Abhängigkeit von Ausschüttungen.<br />
Der Einigungsbedarf ist höher und eine Einigung wird zudem durch unterschiedliche<br />
Wertevorstellungen der Generationen erschwert. 26 Insofern bergen derartige Eigentumskonstellationen<br />
ein beachtliches Konfliktpotential für das Familienunternehmen<br />
und gefährden im Extremfall seinen Bestand.<br />
4.3 Unternehmensführung<br />
Dem Eigentümer – sei es ein einzelnes Familienmitglied oder auch mehrere Gesellschafter<br />
– steht kraft Gesetzes die Entscheidung über die Unternehmensführung zu.<br />
Diese wird ungern in die Hände von Familienfremden gelegt: Nur in 5 % der befragten<br />
Familienunternehmen existiert eine so genannte Mischgeschäftsführung, d. h.<br />
neben Familienmitgliedern sind einer oder mehrere familienfremde Geschäftsführer<br />
im Unternehmen tätig. Damit sind – gemessen an der Zahl der Fälle – Familienfremde<br />
in der Leitung des Familienunternehmens von geringerer Bedeutung als deren<br />
ohnehin schon geringe Beteiligung am Eigenkapital des Unternehmens.<br />
Die Befragungsergebnisse zeigen darüber hinaus, dass Fremdmanager tendenziell<br />
bei größeren Familienunternehmen tätig sind, was sicherlich auch mit dem finanziellen<br />
Spielraum zusammenhängen dürfte. Dabei kann es durchaus zweckmäßig sein,<br />
auch in kleinen Familienunternehmen einen Fremdmanager (zeitweise) zu beschäftigen,<br />
nämlich dann, wenn der eigene Nachwuchs noch nicht alt genug für die Übernahme<br />
der Verantwortung ist. Ausschlaggebend für die Integration eines familienfremden<br />
Managers in die Führungsaufgaben sind darüber hinaus oftmals die wachsende<br />
Komplexität der Führungsaufgaben – die eine „Professionalisierung der Führung“<br />
27 erfordert –, familienfremde Miteigner und Anforderungen der Hausbank. 28<br />
Ungeachtet der Chancen, die ein familienfremder Manager mit sich bringen kann,<br />
besteht jedoch aufgrund der Besonderheiten der Familienunternehmen auch Konfliktpotenzial:<br />
Sobald der Fremdmanager in Familienkonflikte gezogen wird oder sich<br />
gar selbst einmischt, ist seine Zeit im Unternehmen in der Regel abgelaufen. 29<br />
In 95 % der befragten hessischen Familienunternehmen ist allerdings kein Familienfremder<br />
an der Geschäftsführung beteiligt. Werden ausschließlich diese Unternehmen<br />
betrachtet (vgl. Abbildung 9), so befindet sich in 39 % der Fälle die Unternehmensleitung<br />
noch in den Händen der Gründergeneration. In den Händen der 2. Generation<br />
liegt die Unternehmensführung bei 23 % der Befragten. Diese hessischen<br />
26 Hierauf weist auch einer der befragten hessischen Familienunternehmer hin, wenn er aus eigener Erfahrung konstatiert,<br />
dass die 2. Generation eine andere Denkweise habe. Falsche Entscheidungen für die Zukunft und Konflikte mit der<br />
3. Generation seien die Folge.<br />
27 Klein, S. B. (2004), S. 247.<br />
28 Vgl. ausführlicher Klein, S. B. (2000), S. 214ff u. S. 243ff.<br />
29 Vgl. Hennerkes, B.-H. (2004), S. 176f.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
Familienunternehmen haben bereits einen Generationswechsel – zumindest bezogen<br />
auf die Unternehmensleitung – erfolgreich vollzogen. In 25 % der Fälle führt<br />
mindestens bereits die 3. Generation das Unternehmen, wobei nach oben zumindest<br />
theoretisch keine Grenzen gesetzt sind, wie bereits in Kapitel 4.1 aufgezeigt<br />
wurde. Schließlich lenkt in 13 % der Familienunternehmen mehr als eine Generation<br />
gleichzeitig die Geschicke des Unternehmens. In der Regel handelt es sich hierbei<br />
um Unternehmen in einem gleitenden Nachfolgeprozess, so dass Senior (noch) und<br />
Junior (schon) geschäftsführend tätig sind. Vereinzelt sind auch „exotische“ Konstellationen<br />
anzutreffen, wie z. B. gemeinsame Geschäftsführung von 1. und 3. Generation<br />
oder auch drei Generationen in der Geschäftsführung vereint. Im Vergleich zur<br />
Beteiligung am Eigenkapital (21 %, vgl. Abbildung 8) sind mehrere Generationen in<br />
der Geschäftsführung deutlich seltener (13 %) anzutreffen. Das Interesse sowie die<br />
Befähigung über die Unternehmensbeteiligung hinaus eine Funktion in der Führung<br />
wahrzunehmen, spielt hierbei eine wichtige Rolle.<br />
Abbildung 9: Alleinige Unternehmensführung nach Generationen<br />
3., 4. oder<br />
höhere<br />
Generation<br />
25 %<br />
Mehrere<br />
Generationen<br />
13 %<br />
2. Generation<br />
23 %<br />
1.<br />
Generation,<br />
Gründer<br />
39 %<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
1<br />
23
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
5 Standortbindung des Familienunternehmens<br />
sowie des Familienunternehmers<br />
5.1 Standortbindung insgesamt – „Verwurzelung“ mit dem Standort<br />
24<br />
Familienunternehmen gelten im Gegensatz zu managementgeführten Großunternehmen<br />
als stark mit ihrem Unternehmensstandort verbunden. Gerade mit Familienunternehmen<br />
werden Charakteristika wie Tradition, lokale Verbundenheit, eine<br />
hohe Verantwortung für die Mitarbeiter sowie gesellschaftliches und soziales Engagement<br />
assoziiert. Familienunternehmen sind idealtypisch eingebettet in regionale<br />
Milieus und auch emotional sehr mit der Region verwurzelt, aus der sie stammen. In<br />
Zeiten von Massenentlassungen in Großkonzernen sind es die Familienunternehmen,<br />
denen die Balance zwischen Gewinnen und Arbeitsplätzen zugeschrieben<br />
wird, die sich dabei durch eine hohe Standorttreue auszeichnen sollen und denen<br />
darüber hinaus noch die Stärkung und Profilierung des jeweiligen Wirtschaftsstandorts<br />
mit seiner regionalen und lokalen Kultur ein Anliegen ist. Kurzum – sie tragen<br />
wesentlich zu „stabilen Verhältnissen“ bei.<br />
Die Befragungsergebnisse hessischer Familienunternehmen belegen die ausgeprägte<br />
Bindung der Familienunternehmen an ihren Standort. Sie geben darüber hinaus<br />
Hinweise auf mögliche zukünftige Veränderungen. Zunächst wurde den Unternehmern<br />
die Frage gestellt, inwieweit sie ihr Unternehmen bzw. sich selbst als mit<br />
dem Standort „verwurzelt“ – auf einer Skala von eins („sehr stark“) bis sieben („überhaupt<br />
nicht“) – bezeichnen würden.<br />
Knapp die Hälfte der befragten hessischen Familienunternehmen, nämlich 46 %,<br />
gibt an, dass sie sich mit ihrem Standort sehr stark verwurzelt fühlt. Werden noch<br />
diejenigen Unternehmen hinzugezählt, die eine starke Verwurzelung angeben<br />
(29 %), so attestieren drei Viertel der befragten hessischen Familienunternehmer<br />
eine ausgeprägte Verbindung zu ihrem Standort. Lediglich 2 % der Unternehmen<br />
bezeichnen sich als überhaupt nicht lokal verwurzelt. Dieses Ergebnis der Befragung<br />
untermauert in beeindruckender Weise auch für <strong>Hessen</strong> die These, dass Familienunternehmen<br />
eine hohe Bindung zu ihrem heimischen Standort haben.<br />
Im Branchenvergleich stuft sich insbesondere das Baugewerbe als sehr stark lokal<br />
verbunden ein. Eine überdurchschnittlich starke Beziehung zum Standort ist zudem<br />
bei den kleineren Familienunternehmen festzustellen. Von signifikantem Einfluss ist<br />
ebenfalls das Gründungsjahr: Je älter ein Unternehmen ist, d. h. in der Regel, je<br />
mehr Generationen einer Familie das Unternehmen geleitet und geprägt haben,<br />
desto stärker ist die Verwurzelung mit dem Standort. Mithin am lockersten sind die<br />
Bande mit dem heimischen Standort bei Familienunternehmen, die stark international<br />
ausgerichtet sind – sei es durch einen hohen Anteil des Auslandsgeschäftes und
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
bzw. oder Standorte im Ausland. 30 Die Internationalisierung zunehmend auch der<br />
Familienunternehmen dürfte deshalb eine weitere Lockerung der Standortverwurzelung<br />
zur Folge haben. Das heißt allerdings nicht zwangsläufig, dass das Unternehmen<br />
völlig die Bindung verliert, wie in Kapitel 5.2 noch erläutert wird.<br />
Doch auch die Tertiärisierung, also der wirtschaftliche Strukturwandel weg von der<br />
Herstellung hin zu den Dienstleistungen, kann ein Nachlassen der Standortbindung<br />
bewirken. In der jüngeren Vergangenheit sind besonders in <strong>Hessen</strong> viele wissensbasierte,<br />
unternehmensnahe Dienstleistungsunternehmen gegründet worden. Speziell<br />
für diese Unternehmen wird konstatiert: „Die zu erwartende Unternehmensbiographie<br />
läuft nicht mehr wie früher auf ein generationenübergreifendes Lebenswerk<br />
hinaus, sondern beschränkt sich bestenfalls auf eine Generation, häufig sogar auf<br />
einen wesentlich kürzeren Zeitraum.“ 31 Dies ist auch Ausdruck hoher Flexibilität,<br />
veränderter Arbeitsorganisation (z. B. Projektarbeit in wechselnden Teams) und<br />
ausgeprägter Anpassungsfähigkeit an die sich dynamisch wandelnden Märkte. Eine<br />
enge Bindung zum Standort und ein ausgeprägtes Verständnis als Familienunternehmen<br />
dürften sich unter diesen Voraussetzungen allerdings nur schwerlich entwickeln.<br />
Darüber hinaus ermöglichen die modernen Informations- und Kommunikationssysteme<br />
insbesondere diesen Dienstleistern höhere Freiheitsgrade in der<br />
Standortwahl32 – und damit auch eine vergleichsweise leichte Verlagerung an andere<br />
Standorte innerhalb oder außerhalb <strong>Hessen</strong>s.<br />
5.2 Einzelne Aspekte der Standortbindung<br />
Der Verwurzelung in der Standortgemeinde liegen vielfältige ökonomische wie auch<br />
persönliche Bestimmungsfaktoren zugrunde und diese drückt sich in zahlreichen<br />
Aktivitäten aus, von denen nachfolgend einige wichtige näher beleuchtet werden<br />
(vgl. Abbildung 10).<br />
30 Die Standortverwurzelung fällt auch bei denjenigen Familienunternehmen deutlich geringer aus, in denen Familienfremde<br />
Mitglied der Geschäftsführung sind. Die Zahl dieser Unternehmen in der Stichprobe ist jedoch zu klein, um hieraus belastbare<br />
Aussagen ableiten zu können.<br />
31 Mittelstandsbeirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2000), S. 3.<br />
32 Vgl. hierzu ausführlicher Bauer, C. (2001), S. 70ff.<br />
25
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
26<br />
Abbildung 10: Einzelne Aspekte der Standortbindung<br />
Sind wichtige Kunden und / oder Zulieferer in der Region<br />
ansässig?<br />
Stammen Ihre Mitarbeiter überwiegend aus der Region?<br />
Engagiert sich Ihr Unternehmen in der Region als Sponsor /<br />
Förderer z.B. im Bereich der Kultur, des Sports o.ä.?<br />
Sind Sie in Vereinen, Gremien etc. in der Standortgemeinde<br />
(ehrenamtlich) engagiert?<br />
Liegt Ihr Wohnort in der Standortgemeinde oder der näheren<br />
Umgebung?<br />
Liegt Ihr Geburtsort in der Standortgemeinde oder der<br />
näheren Umgebung?<br />
52<br />
66<br />
72<br />
78<br />
96<br />
ja nein<br />
95<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
Der Hessische <strong>Mittelstandsbericht</strong> 2005 hat gezeigt33 , dass die mittelständischen<br />
hessischen Unternehmen im Durchschnitt 39 % ihres Umsatzes im lokalen Bereich<br />
erzielen. Insgesamt 68 % des Umsatzes entfallen auf einen Radius bis etwa 100 km<br />
um den Unternehmenssitz. Für die Bindung des Unternehmens an den Standort<br />
sind diese Kunden- und Lieferantenbeziehungen, die oft über Jahrzehnte hinweg<br />
gewachsen sind, von großer Bedeutung. Für 66 % der befragten Familienunternehmen<br />
sind wichtige Kunden und bzw. oder Zulieferer in der Region ansässig.<br />
Wird nach unterschiedlichen Branchen differenziert, so geben 92 % der Familienunternehmen<br />
aus dem Baugewerbe an, dass wichtige Kunden bzw. Zulieferer ihren<br />
Sitz in der Region haben, 60 % der Befragten aus der Industrie, 78 % der Handelsunternehmen<br />
und 82 % der Familienunternehmen aus dem Dienstleistungsbereich.<br />
Wiederum sind es die Familienunternehmen aus dem Baugewerbe, die die stärkste<br />
33 Vgl. Bauer, C. (2005), S. 24ff.<br />
48<br />
34<br />
28<br />
22<br />
4<br />
5
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
regionale Verflechtung aufweisen, während sich bei der Industrie die oftmals ausgeprägte<br />
Auslandsorientierung bemerkbar macht. Von den Familienunternehmen, die<br />
sich sehr stark mit dem Standort verwurzelt fühlen, haben gar 90 % wichtige Zulieferer<br />
bzw. Kunden in der Region. Dies trifft lediglich auf 40 % der Unternehmen zu,<br />
die nur eine lockere oder gar keine Bindung zum Standort aufweisen – und zeigt<br />
den Zusammenhang zwischen Absatz- und Beschaffungsverflechtungen auf der einen<br />
Seite und Standortbindung auf der anderen Seite auf.<br />
Noch deutlicher wird die regionale Verbundenheit der Familienunternehmen anhand<br />
der Herkunft ihrer Mitarbeiter. 96 % der befragten Unternehmen geben an, ihre<br />
Belegschaft stamme überwiegend aus der Region. Hierbei spielt es keine Rolle, ob<br />
das Unternehmen der Industrie, dem Baugewerbe oder dem Dienstleistungsbereich<br />
angehört. Diese Präferenz für Mitarbeiter aus dem regionalen Umfeld dürfte zum einen<br />
mit über viele Jahre gewachsenen persönlichen Beziehungen und Verflechtungen<br />
in Wirtschaft und Gesellschaft zu tun haben – „man kennt sich“, informiert über<br />
zu besetzende Stellen und hilft sich gegenseitig. Nicht selten haben Beschäftigte<br />
und Familienunternehmer gemeinsam die Schule besucht oder sind Mitglieder im<br />
gleichen Sportverein. Zum anderen dürfte die vorwiegend regionale Rekrutierung<br />
der Mitarbeiter auch damit zusammenhängen, dass Familienunternehmen in der<br />
Regel Ausbildungsbetriebe in ihrer Region sind und sich ihre neuen Mitarbeiter auf<br />
diese Weise selbst heranziehen.<br />
Von großer Bedeutung für die Verwurzelung ist ebenfalls der Geburtsort des Familienunternehmers.<br />
Für 72 % aller Befragten ist der Unternehmensstandort auch der<br />
Geburtsort, was naturgemäß eine hohe Identifikation mit dem Standort bewirkt, die<br />
auch auf das Unternehmen ausstrahlt. Bei den Unternehmen, die sich explizit als<br />
Familienunternehmen verstehen, liegt dieser Wert mit 74 % noch etwas höher, bei<br />
den „übrigen“ Familienunternehmen beträgt er hingegen nur 52 %. 34 Von erheblichem<br />
Einfluss ist das Alter der Unternehmen: Bei 92 % der hessischen Familienunternehmen,<br />
die zwischen 1871-1913 gegründet wurden – also bereits auf mehrere<br />
Generationen Unternehmensvita zurückblicken können – ist der Geburtsort des Familienunternehmers<br />
zugleich der Sitz seines Unternehmens. Es war früher üblich, in<br />
seinem Geburtsort, sei es im eigenen Haus oder im Hinterhof, sein Unternehmen –<br />
zumeist aus dem gewerblichen Bereich – zu gründen. Verlief die Geschäftsentwicklung<br />
positiv, so dass eine Erweiterung erforderlich wurde, fand früher oder später<br />
der Umzug in ein Gewerbegebiet am Gemeinderand statt. Wie die Untersuchungsergebnisse<br />
zeigen, blieben Unternehmer und Unternehmen dem Geburtsort treu.<br />
Gerade bei den Unternehmen, die schon lange in Familienbesitz sind, fallen Geburts-<br />
und Wohnort sowie Unternehmensstandort zusammen. Dieser enge Zusammenhang<br />
zwischen Geburtsort des Familienunternehmers und Unternehmens-<br />
34 Sind familienfremde Manager in der Geschäftsführung tätig, sinkt der Wert auf unter 50 %. Aufgrund einer zu geringen<br />
Klassenbesetzung sollte dieses Ergebnis jedoch mit Vorsicht interpretiert werden.<br />
27
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
28<br />
standort unterscheidet auch Unternehmensgründungen von Unternehmensansiedlungen.<br />
Damit ist keine Aussage über den wirtschaftlichen Erfolg verbunden. Gründungen<br />
dürften jedoch aufgrund der persönlichen Bindung des Unternehmers eine<br />
deutlich höhere Standortpersistenz aufweisen. Je jünger das Unternehmen ist, desto<br />
weniger besteht die Kopplung von Geburtsort und Unternehmenssitz. So wurden<br />
nur noch 58 % der nach 1980 gegründeten Unternehmen am Geburtsort des Familienunternehmers<br />
gegründet. Es ist also im Zeitablauf eine klare Lockerung im Verhältnis<br />
zwischen Geburtsort und Unternehmenssitz festzustellen35 – und damit eine<br />
geringere Identität mit dem Standort und somit vermutlich auch eine geringere<br />
Standorttreue.<br />
Im Vergleich zum Geburtsort zeigen sich beim Wohnort kaum nennenswerte Abweichungen<br />
je nach Alter, Größe oder Branche des Unternehmens. Nahezu alle<br />
Familienunternehmer (95 %) wohnen auch in der Standortgemeinde oder in der näheren<br />
Umgebung. Lediglich bei den jüngeren Unternehmen ist eine etwas höhere<br />
Bereitschaft für längere Anfahrtswege festzustellen, hier wohnen „nur“ 90 % der Unternehmer<br />
in der Nähe des Unternehmenssitzes.<br />
Das ehrenamtliche Engagement von Unternehmen und Bürgern in und für ihre<br />
Region (z.B. im sozialen oder kulturellen Bereich) gewinnt zunehmend an Bedeutung.<br />
Privates Sponsoring für soziale Zwecke, für Kultur oder auch für den Sport<br />
wird immer wichtiger, um einerseits eine gewisse „Grundversorgung“ für die Einwohner<br />
„seiner“ Gemeinde zu gewährleisten und um andererseits die Attraktivität<br />
des Unternehmensstandorts zu steigern (z. B. um Mitarbeiter zu gewinnen). Vor<br />
dem Hintergrund des demografischen Wandels, d. h. dem Rückgang der Bevölkerung<br />
mit einem steigenden Anteil älterer Menschen, erlangt dies vor allem in ländlichen<br />
Regionen <strong>Hessen</strong>s Bedeutung.<br />
Die Befragung der hessischen Familienunternehmen verdeutlicht das große Engagement<br />
dieser Unternehmen bzw. der Unternehmer sowohl im Hinblick auf ehrenamtliche<br />
Tätigkeiten als auch als Sponsor bzw. Mäzen. 52 % sind in ihrer Standortgemeinde<br />
ehrenamtlich engagiert – ein erstaunlich hoher Wert, der im Baugewerbe<br />
mit 62 % nochmals höher liegt. Je älter das Familienunternehmen ist, desto ausgeprägter<br />
ist dieses Engagement – sei es nun in Vereinen, in der Kirchengemeinde,<br />
Parteien, Verbänden, IHK oder Handwerkskammer usw.. Bei den Familienunternehmen,<br />
die sich selbst als solche bezeichnen, ist der Anteil derer, die sich ehren-<br />
35 Es würde den Rahmen des vorliegenden Berichts sprengen, dieses regionalwirtschaftlich interessante Thema ausführlich<br />
zu beleuchten. Zwei mögliche Erklärungen für diese Entwicklung sind: Erstens könnte eine höhere Mobilität bewirken,<br />
dass zum Zeitpunkt der Gründungsentscheidung der Gründer nicht mehr am Geburtsort wohnhaft ist, sondern z. B. am<br />
Ausbildungsort. Der Unternehmenssitz ist dann z. B. der Standort der Hochschule. Zweitens könnte die Standortwahl<br />
bewusster stattfinden – bereits bei der Gründung oder in späteren Phasen der Unternehmensvita (z. B. aufgrund veränderter<br />
Standortfaktoren, schwierigerer wirtschaftlicher Situation).
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
amtlich engagieren, mit 55 % erheblich höher als bei den „übrigen“ Familienunternehmen<br />
(32 %).<br />
Ein noch größerer Anteil der Familienunternehmen ist in der Region als Sponsor,<br />
Förderer bzw. Mäzen im Bereich Soziales, Kultur, Sport o.ä. aktiv: 66 % der Befragten,<br />
wobei wiederum im Baugewerbe das gesellschaftliche Engagement mit 76 %<br />
besonders stark ausgeprägt ist. Kleinere Familienunternehmen treten seltener als<br />
Sponsoren auf, was auf den geringeren finanziellen Spielraum zurückzuführen sein<br />
dürfte. Wie bereits beim Ehrenamt ist auch beim Sponsoring das Engagement derjenigen<br />
Familienunternehmen, die sich auch als solche verstehen, größer (76 %) als<br />
bei den „übrigen“ Familienunternehmen (47 %). Aus der Befragung geht auch hervor,<br />
dass ehrenamtliches Engagement und Sponsoring meist Hand in Hand gehen:<br />
Familienunternehmer, die ein Ehrenamt innehaben, betätigen sich oft auch als<br />
Sponsor und umgekehrt.<br />
Wie der 2. Hessische Kulturwirtschaftsbericht ausführt, 36 unterstützen die Unternehmen<br />
in der Mehrzahl Sportveranstaltungen und das Vereinswesen in ihrer Region.<br />
Sie sind aber auch im kulturellen Bereich aktiv oder engagieren sich für soziale<br />
Projekte, für Wissenschaft und Umwelt. Mit diesem Einsatz bringen die Familienunternehmen<br />
nicht nur ihre Bindung zum örtlichen gesellschaftlichen Leben zum Ausdruck,<br />
sondern können gleichzeitig auch ihre oft aus dem gleichen Ort oder der Region<br />
stammenden Kunden ansprechen. Insofern ist die Unterstützung und Förderung<br />
für Familienunternehmen oft ein wichtiger Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Das Engagement erfolgt aber durchaus auch unabhängig von der Möglichkeit den<br />
Bekanntheitsgrad des Unternehmens zu steigern.<br />
Dass die eingangs genannten Tugenden der Familienunternehmen „zum Mythos<br />
verklärt worden“ 37 seien, ist sicherlich überspitzt formuliert. Die Familienunternehmen<br />
mit ihren vielfältigen regionalen Verflechtungen und ihrer ausgeprägten Standortverbundenheit<br />
spielen zweifellos eine entscheidende Rolle in der regionalen Wirtschaft<br />
und im regionalen gesellschaftlichen Leben. Ebenso unstrittig ist es allerdings,<br />
dass auch hessische Familienunternehmen Personal entlassen mussten,<br />
durch Großunternehmen übernommen wurden oder der intensive Wettbewerb auch<br />
Familienunternehmen zur Verlagerung von Produktionskapazitäten ins Ausland<br />
zwang.<br />
Dennoch werden Verlagerungen, Übernahmen und Fusionen in der öffentlichen<br />
Diskussion noch überwiegend mit überregional und international agierenden großen<br />
Unternehmen verbunden sowie mit Unternehmen, die sich in ausländischer Hand<br />
befinden und deren unternehmensstrategische Entscheidungen häufig global erfol-<br />
36 Vgl. Piesk, S. u. Giebel, R. (2005), S. 40ff.<br />
37 So Dunsch, J. (2005), S. 11.<br />
29
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
30<br />
gen. Inzwischen sind allerdings auch Familienunternehmen zunehmend Objekt von<br />
Betriebsübernahmen geworden. Wohl kaum der „Handwerksbetrieb um die Ecke“,<br />
aber florierende Familienunternehmen, die international gut aufgestellt sind, wecken<br />
durchaus das Interesse von Investoren. Gerade wenn die Nachfolge im Betrieb nicht<br />
geregelt ist, dürfte die Übernahme von Familienunternehmen durch Investoren zukünftig<br />
verstärkt der Fall sein. 38 Bereits heute ist es keineswegs eine Ausnahme,<br />
wenn sich ein dem Firmennamen nach wie ein alteingesessenes Familienunternehmen<br />
klingendes hessisches Unternehmen anhand des englischsprachigen Internetauftritts<br />
beispielsweise als Tochter eines schwedischen Unternehmens entpuppt,<br />
welches wiederum mehrheitlich einem US-amerikanischen Konzern gehört.<br />
Strategische Entscheidungen werden dann in der Regel nicht mehr vor Ort getroffen,<br />
was letztlich den hessischen Standort insgesamt in Frage stellen kann.<br />
38 Inwieweit Private-Equity-Unternehmen bei der im vorliegenden <strong>Mittelstandsbericht</strong> betrachteten Unternehmensgröße (bis<br />
249 Mitarbeiter, bis 50 Millionen Umsatz) hierbei ein Rolle spielen, ist unklar. Der Kauf von Familienunternehmen durch<br />
Private-Equity-Unternehmen wird zumindest in jüngster Zeit verstärkt diskutiert. Vgl. z. B. o. V. (<strong>2006</strong>b).
6 Nachfolge im Familienunternehmen<br />
6.1 Einführung<br />
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
Ein wesentliches Element zur langfristigen Sicherung des Unternehmensbestands in<br />
<strong>Hessen</strong> und der damit verbundenen Arbeitsplätze ist die erfolgreiche Gestaltung der<br />
Unternehmensübergabe an einen geeigneten Nachfolger. Bei der Nachfolgeregelung<br />
handelt es sich um eine der komplexesten Aufgaben, die das Familienunternehmen<br />
im Laufe seiner Vita – evtl. sogar mehrmals – zu lösen hat. Sie stellt häufig<br />
eine Zäsur in der Unternehmensgeschichte dar, erfordert die Lösung unternehmerischer<br />
Fragen und das Treffen persönlicher Entscheidungen, geht möglicherweise<br />
mit einer Änderung von familiären Strukturen einher und hat nicht selten auch eine<br />
Katalysatorfunktion in dem Sinne, dass im Laufe der Jahre im Unternehmen oder in<br />
der Unternehmerfamilie angesammeltes Konfliktpotenzial an der Nachfolgefrage<br />
aufbricht. 39 Eine Vielzahl von Hürden ist auf dem Weg zu einem erfolgreichen Generationswechsel<br />
zu bewältigen, an denen viele Unternehmen scheitern. Zu den häufigsten<br />
Übergabefehlern gehören Finanzierungsfehler, steuerliche Fehlentscheidungen,<br />
eine unzureichende Beurteilung rechtlicher Fragen und die Unterschätzung der<br />
psychologischen Komponente. 40 Mit Letzterem ist insbesondere das „Loslassen“<br />
des Seniors gemeint, welches diesem häufig so schwer fällt, dass Konflikte mit dem<br />
Nachfolger vorprogrammiert sind. Die Schwierigkeiten einer adäquaten Nachfolgeregelung<br />
und die Gefahr für die Erfolgs- und Überlebensaussichten eines Familienunternehmens<br />
aufgrund des Generationswechsels bringt der Volksmund auf den<br />
Punkt: „Der Vater erstellt´s, der Sohn erhält´s, den Enkeln zerfällt´s.“<br />
Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich das nachfolgende Kapitel 6.2 mit der aktuellen<br />
Bedeutung von Unternehmensnachfolgen für <strong>Hessen</strong>, d. h. mit der Frage, in<br />
welchem Ausmaß und in welchem Zeithorizont hessische Familienunternehmen<br />
voraussichtlich zur Übergabe anstehen.<br />
Kapitel 6.3 untersucht, welche der möglichen Nachfolgelösungen von Seiten der<br />
hessischen Familienunternehmer angestrebt werden.<br />
Die von vielen Familienunternehmern traditionell gewünschte Übergabe des Unternehmens<br />
an den Nachwuchs erweist sich allerdings häufig als nicht realisierbar. Mit<br />
den Ursachen hierfür beschäftigt sich Kapitel 6.4.<br />
Die Vorbereitungen der Unternehmen und der Nachfolger auf die Unternehmensübergabe<br />
sowie die wesentlichen Elemente für eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge<br />
sind Gegenstand des Kapitels 6.5.<br />
39 Hierauf verweist insbesondere Klein, S. B. (2004), S. 313ff.<br />
40 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (Hrsg.) (2005), S. 4.<br />
31
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
32<br />
Aufgrund der Komplexität des Nachfolgeprozesses sowie des großen gesellschaftlichen<br />
und politischen Interesses an einer erfolgreichen Übergabe existieren zahlreiche<br />
unterstützende Angebote, um die Erfolgschancen zu erhöhen. Der Nutzen dieser<br />
externen Leistungen aus Sicht der befragten Familienunternehmen ist Gegenstand<br />
von Kapitel 6.6.<br />
Der speziellen Problematik der Erbschaftsteuer, die zurzeit besonders intensiv diskutiert<br />
wird, ist das abschließende Kapitel 6.7 gewidmet.<br />
6.2 Unternehmensnachfolge – Bedeutung für <strong>Hessen</strong><br />
Welche Bedeutung hat die Thematik der Unternehmensnachfolge für <strong>Hessen</strong>, d. h.<br />
ist in den nächsten Jahren möglicherweise jedes fünfte hessische Familienunternehmen<br />
betroffen? Oder ist es gar jedes Zweite? Stellt sich die Frage des Generationenwechsels<br />
je nach Wirtschaftszweig in unterschiedlichem Ausmaß?<br />
Unter Nachfolge wird im Folgenden – wie in der Literatur weitestgehend einheitlich –<br />
im Wesentlichen sowohl die Übertragung der Führungsfunktion als auch des Eigentums<br />
verstanden, wobei die Übergabe des Eigentums unentgeltlich durch Schenkung<br />
oder Vererbung bzw. entgeltlich erfolgen kann. Der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs<br />
kann vor, während oder nach der Übernahme der Unternehmensleitung<br />
stattfinden. Auch die Schließung des Unternehmens ist im weiteren Sinne eine der<br />
Möglichkeiten, das Nachfrageproblem (negativ) zu lösen.<br />
Zunächst wurden die Familienunternehmen befragt, zu welchem Zeitpunkt die Übergabe<br />
von Leitung und Eigentum erfolgt sein soll. Damit liegen auf breiter Basis stehende<br />
Ergebnisse über das Ausmaß der Unternehmensnachfolge in <strong>Hessen</strong> vor,<br />
die auf den Aussagen der Unternehmer selbst beruhen – und damit sozusagen „aus<br />
erster Hand“ sind. 41 Dass sich die Absichten der betreffenden Familienunternehmer<br />
nicht immer in der geplanten Form und zum intendierten Zeitpunkt realisieren lassen,<br />
liegt in der Natur der Sache. Hierbei sind zwei gegenläufige Effekte zu beachten:<br />
Zum einen können Schwierigkeiten die Unternehmensnachfolge verzögern,<br />
zum anderen können unvorhersehbare Ereignisse wie z. B. Tod, Streit in der Familie,<br />
Krankheit oder Ehescheidung ein Vorziehen der Nachfolge erfordern.<br />
41 Den Berechnungen zur Unternehmensnachfolge des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn (IfM) – vgl. Freund, W.<br />
(2004), S. 57ff – liegt ein abweichender Ansatz zugrunde. Hier werden insbesondere Angaben der amtlichen Statistik herangezogen<br />
und diese mit empirischen Befunden aus unterschiedlichen Befragungen verknüpft. Aktuelle hessenspezifische<br />
Informationen fließen in die Ergebnisse des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn allerdings nicht ein.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
Abbildung 11: Unternehmensübertragungen bei hessischen Familienunternehmen<br />
Beabsichtigen Sie das Unternehmen in absehbarer Zeit zu<br />
übergeben, d.h. sowohl die Unternehmensführung abzugeben<br />
als auch das Eigenkapital zu übertragen?<br />
Nein, da<br />
Nachfolge bereits<br />
innerhalb der<br />
letzten 5 Jahre<br />
17 %<br />
Ja, bis 2010<br />
24 %<br />
Nein, Nachfolge ist<br />
noch kein Thema<br />
33 %<br />
Ja, bis 2015<br />
26 %<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
24 % der befragten hessischen Familienunternehmer, d. h. fast jedes vierte Unternehmen,<br />
will bis zum Jahr 2010 die Nachfolge gelöst haben und damit sowohl die<br />
Unternehmensleitung als auch das Eigentum abgetreten haben (vgl. Abbildung 11).<br />
Dieses Ergebnis zeigt die beachtliche Dynamik, die in den nächsten Jahren in <strong>Hessen</strong><br />
zu erwarten ist. Die Mehrzahl der Übertragungen wird sicherlich mehr oder weniger<br />
friktionslos vonstatten gehen. Allerdings ist auch nicht jedes Unternehmen<br />
übertragbar. Insofern sind ein gewisser Abgang „alter“ Unternehmen und deren<br />
Ersatz durch Neugründungen durchaus natürliche Vorgänge in einer innovativen<br />
Volkswirtschaft wie <strong>Hessen</strong>. Scheitert eine Unternehmensnachfolge jedoch ausschließlich<br />
an Übergabeschwierigkeiten oder finden wettbewerbsfähige Unternehmen<br />
keine Nachfolger, so werden Wissen, Kapital und Arbeitsplätze vernichtet. Dies<br />
kann insbesondere in strukturschwächeren Regionen negative Auswirkungen über<br />
das Unternehmen hinaus induzieren. Unter den Familienunternehmen, die bis zum<br />
Jahr 2010 den Wechsel vollzogen haben wollen, befinden sich viele Unternehmen,<br />
die in den 1970er Jahren gegründet wurden. Zu einem beachtlichen Teil ist der<br />
Nachfolgeprozess schon im Gange, wie die Verteilung von Eigentum und Führung<br />
zeigt: In nur 40 % der Fälle befinden sich Geschäftsführung und Eigentum noch zu<br />
100 % im Besitz des Gründers. Oft ist die nachfolgende Generation bereits an Eigentum<br />
oder Unternehmensleitung beteiligt, wie die Ergebnisse des Kapitels 4 zei-<br />
33
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
34<br />
gen. Die „Wachablösung“ dieser hessischen Gründergeneration ist also bereits in<br />
vollem Gange.<br />
Weitere 26 % der hessischen Familienunternehmer beabsichtigen die Übergabe ihres<br />
Unternehmens bis zum Jahr 2015. Hierunter befinden sich viele Unternehmen,<br />
die in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts gegründet wurden. Aufgrund des<br />
Zeithorizonts von etwa zehn Jahren ist hierbei die Unsicherheit größer als bei einem<br />
Betrachtungszeitraum von circa fünf Jahren.<br />
Zusammengefasst wird damit – insofern sich die Intentionen der befragten Familienunternehmer<br />
realisieren – in den nächsten circa 10 Jahren in etwa der Hälfte der<br />
hessischen Familienunternehmen die Übergabefrage zu klären und die Unternehmensnachfolge<br />
zu vollziehen sein.<br />
In 17 % der hessischen Familienunternehmen fand erst innerhalb der letzten fünf<br />
Jahre ein Generationswechsel statt, so dass sich die Nachfolgefrage erst wieder in<br />
vielen Jahren stellen dürfte. Auffällig ist der überdurchschnittlich hohe Anteil der<br />
Familienunternehmen aus dem Baugewerbe, die innerhalb der letzten Jahre die<br />
Nachfolge vollzogen haben. 42 Die seit Jahren andauernde Krise im Baugewerbe –<br />
wenn auch in den letzten Monaten in <strong>Hessen</strong> wieder erste Lichtblicke gesehen werden43<br />
– wird hierbei eine Rolle gespielt haben. Neben Schließungen und vielen Neugründungen<br />
von Kleinstunternehmen dürfte manch ein Familienunternehmen an Externe<br />
oder an Mitarbeiter verkauft worden sein oder eine Neuausrichtung des Geschäftsfeldes44<br />
wurde im Zuge eines (vorgezogenen) Generationswechsels vollzogen.<br />
Die verbleibenden 33 % der befragten Familienunternehmen haben sich noch nicht<br />
mit dem Thema der Nachfolge befasst und haben dies auch in den nächsten Jahren<br />
nicht vor, da noch von einem längeren Verbleib des derzeitigen Unternehmers ausgegangen<br />
wird. Vielfach handelt es sich dabei um die erste Generation von Unternehmern<br />
bzw. um Unternehmen, die erst nach 1990 gegründet wurden. 45<br />
In einer beachtlichen Anzahl von hessischen Familienunternehmern stellt sich die<br />
Frage der Nachfolge bereits frühzeitig. So haben 14 % der 1990 und später gegründeten<br />
hessischen Familienunternehmen die Absicht, bis zum Jahr 2010 das Unternehmen<br />
zu übergeben; bis zum Jahr 2015 wollen dies 20 % tun. In 5 % dieser jungen<br />
Unternehmen hat sogar bereits eine Nachfolge stattgefunden. Hierbei wird es<br />
42 Dies korrespondiert mit einem relativ geringen Anteil von Bauunternehmen, die bis zum Jahr 2010 bzw. bis zum Jahr<br />
2015 ihr Unternehmen übergeben wollen.<br />
43 Vgl. z. B. Lomen, R. (<strong>2006</strong>), S. 74.<br />
44 Vgl. Stiepelmann, H. (2005), S. 8f.<br />
45 So etwa die Anmerkung eines hessischen Familienunternehmers auf dem Fragebogen: „Ich bin 31 Jahre alt und habe<br />
mein Unternehmen erst vor einem halben Jahr gegründet. Da denkt man noch nicht an die Nachfolge!“
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
sich sicherlich nur zu einem Teil um Familienunternehmer handeln, die erst in reifen<br />
Jahren ihr Unternehmen gegründet haben – von einem derartigen Gründungsboom<br />
in den 1990er Jahren ist zumindest nichts bekannt. Wirtschaftliche Gründe dürften<br />
eher eine Rolle spielen – und zwar in doppelter Hinsicht: Gerät das Unternehmen in<br />
Schwierigkeiten, wird über einen Verkauf ebenso nachgedacht, wie manch ein Unternehmer<br />
in guten Zeiten sein prosperierendes Unternehmen „versilbern“ möchte.<br />
Die Untersuchungsergebnisse geben insofern Hinweise auf ein „Unternehmerdasein<br />
als Lebensabschnittserfahrung“ 46 auch in <strong>Hessen</strong>. Zu den konkreten Beweggründen<br />
für den Rückzug von Unternehmern liegen allerdings kaum empirische Erkenntnisse<br />
vor47 , da sich das Interesse der Forschung auf die Nachfolger konzentriert. So könnte<br />
es aufgrund des demografischen Wandels wichtiger werden, nicht nur Arbeitnehmer<br />
(„Rente mit 67“), sondern auch Selbständige für ein längeres Erwerbsleben<br />
zu motivieren.<br />
Zu ergänzen ist abschließend, dass es sich bei der Nachfolgeproblematik nicht etwa<br />
um ein ausschließlich deutsches oder gar hessisches Problem handelt. So kommt<br />
auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften aufgrund von Schätzungen<br />
aus verschiedenen Mitgliedstaaten zu dem Schluss, „dass es sich bei Unternehmensübertragungen<br />
um eine Erscheinung von enormer Bedeutung für ganz Europa<br />
handelt.“ 48 Dieser Bewertung kann auch aus hessischer Sicht uneingeschränkt<br />
zugestimmt werden.<br />
6.3 Voraussichtliche Nachfolgelösung<br />
Nicht nur der Zeithorizont der beabsichtigen Unternehmensübergaben ist von Interesse,<br />
sondern auch, an wen die Übergabe aus Sicht der Unternehmen erfolgen<br />
wird. Da zur Beantwortung dieser Frage zum einen der Zeitpunkt der Übergabe von<br />
Bedeutung ist und zum anderen verschiedene Nachfolgeoptionen für die Übergebenden<br />
sowie für die potenziellen Nachfolger offen stehen – einschließlich der damit<br />
verbundenen komplexen Fragestellungen –, können die Ergebnisse in Tabelle 3 nur<br />
Anhaltspunkte geben.<br />
46 Berghoff, H. (2005), S. 15.<br />
47 Die in der Regel angeführten „Altersgründe“ sagen wenig über die eigentlichen Ursachen aus.<br />
48 Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Hrsg.) (<strong>2006</strong>), S. 3.<br />
35
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
36<br />
Tabelle 3: Nachfolgelösung in hessischen Familienunternehmen (Angaben in %)<br />
Nachfolge aus der Eigentümerfamilie<br />
(familienintern)<br />
Nachfolge aus dem Kreis der Mitarbeiter<br />
(unternehmensintern)<br />
Verkauf / Teilverkauf des Unternehmens<br />
(unternehmensextern)<br />
insgesamt bis 2010 bis 2015<br />
42 53 32<br />
5 5 4<br />
5 5 4<br />
Unternehmen wird geschlossen 1 0 1<br />
Noch wenig konkrete Vorstellungen, noch keine<br />
Entscheidung gefallen, Planungen noch nicht<br />
begonnen, etc.<br />
47 37 59<br />
Summe 100 100 100<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
In den Befragungsergebnissen spiegelt sich klar das Bestreben der Familienunternehmer<br />
wider, das Unternehmen durch Übergabe an die nachfolgende Generation<br />
auch weiterhin im Familienbesitz zu halten: 42 % der Familienunternehmen sehen<br />
die Nachfolge aus der Eigentümerfamilie als gesichert an.<br />
In 5 % der Familienunternehmen wird von einer unternehmensinternen Nachfolgelösung<br />
ausgegangen, d. h. Mitarbeiter – sei es z. B. ein familienfremder Mitgeschäftsführer<br />
oder auch eine Gruppe von in der Regel leitenden Mitarbeitern – werden das<br />
Unternehmen fortführen. Wenn Mitarbeiter „ihr“ Unternehmen übernehmen wird dies<br />
auch als Management-Buy-Out (MBO) bezeichnet. Das Management-Buy-Out ist<br />
auch in Deutschland immer häufiger zu beobachten. 49 Für Familienunternehmer, für<br />
die das Nichtzustandekommen einer familieninternen Nachfolge durchaus den Charakter<br />
eine Niederlage annehmen kann, bietet sich hiermit eine Alternative an, die<br />
den Fortbestand des Unternehmens am bisherigen Standort sichert und das Unternehmen<br />
in vertraute Hände legt. Es ist für Übergeber und Übernehmer von großem<br />
Vorteil, dass die Existenzgründer genaue Kenntnisse der Stärken und Schwächen<br />
haben und somit das Risiko minimiert werden kann. Ohne Zweifel stellt die Finanzierung<br />
der Übernahme eine große Herausforderung dar, 50 denn ein Kaufpreis<br />
bspw. in zweistelliger Millionenhöhe überfordert selbst Gutverdienende. Deshalb ist<br />
ein hoher Kapitaleinsatz erforderlich, u. U. auch die Beteiligung von Finanzinvesto-<br />
49 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (Hrsg.) (2005), S. 59.<br />
50 Auf die Schwierigkeiten der Finanzierung einer Übernehmensübernahme durch die Mitarbeiter haben bei der Befragung<br />
auch mehrere hessische Familienunternehmer – verbunden mit der Anregung nach besseren Rahmenbedingungen für<br />
eine solche Übernahme – hingewiesen.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
ren. 51 . Die Hessische Landesregierung fördert Unternehmensübernahmen ggf. wie<br />
Gründungen durch Darlehen, Bürgschaften und Beteiligungen. Sie bietet ferner verbilligte<br />
Beratungshilfen an (vgl. den Anhang: Finanzierungs- und Beratungshilfen<br />
des Landes).<br />
Weitere 5 % der hessischen Familienunternehmen sind sicher, dass sie ihr Unternehmen<br />
verkaufen werden – sei es vollständig oder auch ein Verkauf von Unternehmensteilen.<br />
Lediglich in Einzelfällen (1 %) steht bereits jetzt die Stilllegung des<br />
Familienunternehmens als ultima ratio fest. 52<br />
Damit ist aus Sicht der Befragten für 53 % die Zukunft ihres Lebenswerkes gesichert.<br />
Zum Teil dürften die Nachfolgeregelungen bereits fixiert sein (z. B. durch Verträge).<br />
Dass bei einem Zeithorizont von mehreren Jahren selbst unter diesen 53 %<br />
eine Vielzahl der beabsichtigten, ja zum Teil bereits fixierten Nachfolgelösungen,<br />
nicht oder nicht in der intendierten Form zustande kommen wird, ist dennoch zu erwarten.<br />
Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings, dass in 47 % der Fälle noch keine konkrete<br />
Aussage möglich ist, d.h. z.B., die Vorstellungen sind noch vage, es werden<br />
noch verschiedene Möglichkeiten geprüft, es ist noch kein Nachfolger gefunden oder<br />
die Planungen haben noch nicht begonnen. Wird lediglich der kürzere Zeithorizont<br />
bis zum Jahr 2010 betrachtet, so trifft dies für 37 % der Familienunternehmen<br />
zu, bei längerem Zeithorizont bis 2015 sind es entsprechend mehr – und zwar 59 %.<br />
Bereits mehrfach wurden in den vorangegangen Kapiteln Besonderheiten der Unternehmen<br />
des Wirtschaftszweiges Dienstleistungen (ohne Handel) thematisiert.<br />
Auch hier weichen die Ergebnisse vom Durchschnitt ab: Der Anteil der Unternehmen,<br />
für die eine familieninterne Nachfolge nach Ansicht der Unternehmer sicher ist,<br />
liegt unter dem Durchschnitt für die Familienunternehmen insgesamt. Entsprechend<br />
häufiger besteht die Absicht, das Unternehmen zu verkaufen.<br />
6.4 Familieninterne Nachfolge – warum kommt diese nicht zustande?<br />
Zwar hat die überwältigende Mehrheit der Familienunternehmer das Ziel, dass ein<br />
Familienmitglied die Nachfolge antritt und somit den Fortbestand des Familienunternehmens<br />
auch in der nächsten Generation sichert. Dieser Wunsch geht jedoch nicht<br />
immer in Erfüllung. Was sind die Hauptgründe hierfür, warum kommt diese nächstliegende<br />
aller Nachfolgeregelungen nicht zustande? 146 hessische Familienunter-<br />
51 Über MBO bei Familienunternehmen mit Unterstützung von Finanzinvestoren vgl. ausführlich F.A.Z.-Institut für Management-,<br />
Markt- und Medieninformation <strong>GmbH</strong> u. Deutsche Beteiligungs AG (Hrsg.) (2002).<br />
52 Zu beachten ist, dass Verkauf und Stilllegung überdurchschnittlich hoch bei Kleinstunternehmen anzutreffen sind. Diese<br />
sind aufgrund der Abschneidegrenze von fünf Beschäftigten in der vorliegenden Untersuchung allerdings unterrepräsentiert,<br />
so dass die Untersuchungsergebnisse für Verkauf und Stilllegungen entsprechend unterschätzt werden dürften.<br />
37
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
38<br />
nehmer, die bis zum Jahr 2010 bzw. 2015 ihr Unternehmen übergeben möchten,<br />
haben hierzu aus der Sicht ihres Unternehmens und ihrer speziellen familiären Situation<br />
den Hauptgrund hierfür angegeben (vgl. Abbildung 12). 53<br />
Abbildung 12: Hauptgründe, die einer familieninternen Nachfolge entgegen stehen<br />
16%<br />
8%<br />
18%<br />
5%<br />
3%<br />
19%<br />
31%<br />
andere Ausbildung, anderer<br />
Beruf der Kinder<br />
keine Kinder<br />
Wirtschaftslage und<br />
Rahmenbedingungen<br />
kein Interesse der Kinder<br />
mangelnde Motivation bzw.<br />
Eignung zur Selbständigkeit<br />
der Kinder<br />
Sonstiges<br />
Kinder zu jung<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
In 19 % dieser Fälle ist eine familieninterne Nachfolge bei den hessischen Familienunternehmen<br />
schlicht und ergreifend deshalb nicht möglich, weil die Unternehmerfamilie<br />
keine Kinder hat. Die individuellen Ursachen für die Kinderlosigkeit spielen<br />
im Ergebnis keine Rolle: Die Befragung zeigt, welche Bedeutung bereits heute der<br />
fehlende Nachwuchs für die Nachfolge in hessischen Familienunternehmen hat. 54<br />
Durch den mittelfristig stark zunehmenden Anteil älterer Selbständiger ab 60 Jahre<br />
in Verbindung mit der geringen Geburtenrate dürften sich die Schwierigkeiten, einen<br />
Nachfolger zu finden, zukünftig noch verschärfen: Die Gruppe der 60- bis unter 70-<br />
Jährigen nimmt zwar von heute aus gesehen kurzfristig ab, steigt aber etwa ab dem<br />
Jahr 2010 relativ stark an. Etwa ab 2020 beginnt zudem die Gruppe der 25- bis unter<br />
35-Jährigen, bei denen die Neigung, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen,<br />
53 Die Frage war als offene Frage gestellt. Zur Auswertung wurden die gegebenen Antworten kategorisiert.<br />
54 Andere Studien weisen zum Teil noch höhere Werte aus und unterstreichen damit die Relevanz der Kinderlosigkeit für<br />
die Thematik der Unternehmensnachfolge, wenn auch eine direkte Vergleichbarkeit aufgrund des unterschiedlichen Untersuchungsdesigns<br />
nur eingeschränkt möglich ist.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
am stärksten ausgeprägt ist, deutlich zu sinken – d. h. die „Schere“ öffnet sich weiter.<br />
55<br />
In wenigen Fällen sind zwar Nachkommen vorhanden, jedoch die Kinder zu jung<br />
(3 %), um als Nachfolger in Betracht zu kommen. In den angegebenen Fällen sind<br />
die Kinder bei weitem noch nicht alt genug, so dass die familieninterne Nachfolge<br />
auch durch einen späteren Ausstieg des Seniors nicht erreicht werden kann. Soll<br />
unter solchen Umständen mittelfristig dennoch eine Übergabe an die nächste Generation<br />
gewährleistet werden, kommt es in Betracht, einen Fremdmanager – sozusagen<br />
als Platzhalter – einzustellen, der so lange die Geschicke des Unternehmens<br />
leitet, bis der Nachwuchs die Verantwortung übernehmen kann.<br />
Die nachfolgend genannten Gründe sind nicht isoliert zu sehen, Überschneidungen<br />
und Zusammenhänge liegen aufgrund der Komplexität der Nachfolge in der Natur<br />
der Sache begründet.<br />
18 % der Befragten geben Gründe an, die unter „Wirtschaftslage und Rahmenbedingungen<br />
(für die wirtschaftliche Betätigung von Familienunternehmen)“ subsumiert<br />
werden können. Die wirtschaftliche Situation speziell der Branche oder auch<br />
allgemein fehlende Zukunftsperspektiven in Deutschland werden hier angeführt,<br />
wobei diese häufig mit Kritik an den Rahmenbedingungen verknüpft werden. Ebenfalls<br />
wird genannt, das hohe Engagement, welches Selbständige erbringen, stehe<br />
immer weniger im Verhältnis zum Ertrag. Eine Nachfolge innerhalb der Familie<br />
kommt deshalb durchaus auch auf Betreiben des Unternehmers nicht zustande.<br />
Dies belegen Aussagen wie „Rahmenbedingungen kann man seinen Kindern nicht<br />
zumuten“, „Keine Zukunftschancen für die nächste Generation“ oder „Verhandlungen<br />
mit Banken werden immer mittelstandsfeindlicher, wie soll man das den Kindern<br />
vermitteln?“. Beim Baugewerbe wird häufiger auf die schlechtere wirtschaftliche Situation<br />
verwiesen als in anderen Branchen.<br />
16 % der Befragten geben an, dass ihre Kinder kein Interesse haben, die Nachfolge<br />
im elterlichen Unternehmen zu übernehmen. Hierunter dürfte sich eine Vielzahl<br />
von Gründen verbergen und bei jedem Unternehmen und bei jedem (potenziellen)<br />
Nachfolger letztlich unterschiedliche Motivkonstellationen den Ausschlag gegen eine<br />
Nachfolge geben. Fest steht auf jeden Fall, dass den Individuen heutzutage deutlich<br />
mehr Wahlmöglichkeiten und Gestaltungschancen hinsichtlich ihrer beruflichen und<br />
persönlichen Lebensplanung offen stehen als noch früher. Zwar sieht sich die nachfolgende<br />
Generation häufig einer hohen Erwartungshaltung der Familie gegenüber –<br />
dass jemand aus der Familie „weitermachen“ muss, scheint selbstverständlich zu<br />
55 Dies wurde bereits ausführlich im zweiten Band des Hessischen <strong>Mittelstandsbericht</strong>s 2004 – Folgen des demografischen<br />
Wandels für mittelständische Unternehmen – thematisiert. Vgl. van den Busch, U. u. Trabert, L. (2004), S. 25ff.<br />
39
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
40<br />
sein. 56 Eine moralische Verpflichtung, die eigenen beruflichen Interessen und Ziele<br />
zurückzustellen, empfinden jedoch zunehmend weniger Nachkommen. Mit zunehmendem<br />
Bildungsniveau sind unter Umständen kleinere Familienunternehmen auch<br />
nicht ausreichend attraktiv, um eine Alternative zu den anderweitigen Karrieremöglichkeiten<br />
zu bieten. 57 Ist das Familienunternehmen hingegen (zu) groß, kann das<br />
Interesse an einer Übernahme in der Familie auch abnehmen, da sich der Nachwuchs<br />
den hohen Anforderungen, die die Führung des Unternehmens erfordert,<br />
nicht gewachsen sieht. 58 Kein Interesse an der Übernahme des elterlichen Unternehmens<br />
ist allerdings nicht mit der Abkehr von einer selbständigen Tätigkeit<br />
gleichzusetzen: Antworten des Seniors wie „Mein Sohn betreibt sein eigenes Unternehmen<br />
sehr erfolgreich“ oder „Die Erben haben alle andere Berufe und sind selbständig<br />
tätig“ zeigen dies.<br />
Diese Wahlfreiheit – eines der Prinzipien unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung<br />
– spiegelt sich auch im nächsten Grund wider: 31 % der Unternehmen geben<br />
als Hauptgrund für das Nichtzustandekommen der Nachfolge aus dem Kreis<br />
der Familie an, dass die Kinder eine andere Ausbildung gewählt und letztlich andere<br />
Berufe ergriffen haben – mithin ihren eigenständigen beruflichen Weg beschritten<br />
haben. Sie folgen damit dem Beispiel bekannter Unternehmerkinder wie<br />
z. B. Rolf Gerling (Versicherung) und Alfred Ritter (Schokolade), die nicht in das elterliche<br />
Unternehmen eingestiegen sind. So enttäuschend es für manchen Familienunternehmer<br />
auch sein mag, wenn das Lebenswerk nicht – oder unter anderem<br />
Namen – fortgeführt wird, zum Teil wird dies von den Eltern auch ausdrücklich begrüßt<br />
(„Die Kinder sollen eigene Wege gehen“, „Jeder Mensch sollte seinen Beruf<br />
selbst wählen!“). Zumal es zweifelhaft ist, ob ein Nachfolger erfolgreich sein kann,<br />
dessen eigene Interessen und Wünsche womöglich nie ernsthaft zur Debatte standen,<br />
sondern der eher aus Loyalität zur Familie die Nachfolge übernimmt. Allerdings<br />
ist mit der Wahl einer „anderen“ Ausbildung eine spätere Übernahme des elterlichen<br />
Unternehmens nicht von vorneherein ausgeschlossen, sondern die Entscheidung<br />
reift erst im Laufe der Ausbildung oder „beim Erfahrung sammeln“ in beruflicher Tätigkeit<br />
außerhalb des Familienunternehmens. So wurde von einem Unternehmer<br />
darauf verwiesen, dass trotz eines „exotischen“ Studienfachs die Tochter erfolgreich<br />
als Juniorchefin im elterlichen Industriebetrieb tätig sei. Anders stellt sich dies bei<br />
Berufsbildern mit geregeltem Zugang dar: So wurde mehrmals von hessischen<br />
Rechtsanwälten und Steuerberatern angegeben, dass eine familieninterne Nachfol-<br />
56 Eine empirische Untersuchung zur Unternehmensnachfolge in Baden-Württemberg stützt diese Ansicht. Bei familieninternen<br />
Nachfolgern spielte der Wunsch, sich selbständig zu machen, für die Unternehmensübergabe eine nicht so große<br />
Rolle wie die Verpflichtung gegenüber der Familie und der Unternehmenstradition. Vgl. Landeskreditbank Baden-<br />
Württemberg (Hrsg.) (2002), S. 17.<br />
57 Hierzu ein Bonmot eines Unternehmers: „Aus der Sicht der Eltern ist studieren gefährlich, weil die Kinder dann abhauen.“<br />
Zitiert nach: Wimmer, R., Domayer, E., Oswald, M. u. Vater, G. (2005), S. 274.<br />
58 Vgl. hierzu z. B. Bundesverband der Deutschen Industrie u. Ernst & Young Deutsche Allgemeine Treuhand AG (Hrsg.)<br />
(2001), S. 132.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
ge nicht möglich sei, da die berufsrechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien.<br />
Mangelnde Motivation bzw. Eignung zur Selbständigkeit wird lediglich von 8 %<br />
der Unternehmer explizit angeführt. Hierfür dürfte es eine Rolle spielen, dass die<br />
Übernahme unternehmerischer Verantwortung häufig ein Erziehungsziel von „Unternehmereltern“<br />
ist. 59 Dennoch wird die Befähigung des eigenen Nachwuchses zur<br />
Selbständigkeit von einigen hessischen Unternehmern durchaus kritisch gesehen,<br />
aber auch die mangelnde Motivation der Kinder („Keine Bereitschaft zur Selbständigkeit“,<br />
„Tochter möchte nicht schuften wie die Eltern“) angeführt. Allgemein wird in<br />
den letzten Jahren eine abnehmende Bereitschaft der nachfolgenden Generation,<br />
Verantwortung im Unternehmen zu tragen, festgestellt. 60 In diesen Kontext fügt sich<br />
sehr gut die Aussage eines Unternehmers gegenüber dem Verfasser ein, dessen<br />
Sohn die Nachfolge im elterlichen Unternehmen sinngemäß mit den Worten ablehnte:<br />
„Warum soll ich das Unternehmen übernehmen, wenn ich nach einem BWL-<br />
Studium mit halb so viel Arbeit doppelt so viel Geld verdienen kann?“.<br />
In der Kategorie „Sonstiges“ sind übrige Gründe zusammengefasst, so u. a. gesundheitliche<br />
Einschränkungen der potenziellen Nachfolger – z. B. die Mehlstauballergie<br />
eines Bäckersohnes.<br />
6.5 Erfolgsfaktoren der Unternehmensnachfolge<br />
Die hessischen Familienunternehmen wurden ebenfalls befragt, wie wichtig sie verschiedene<br />
Elemente bei der Vorbereitung und Durchführung ihrer Unternehmensübergabe<br />
einschätzen, d. h. letztlich was aus ihrer Sicht wichtige Erfolgsfaktoren für<br />
eine gelungene Nachfolge sind. 61 Abbildung 13 gibt die Befragungsergebnisse wieder<br />
(absteigend sortiert – nach dem Anteil der Familienunternehmen, die das jeweilige<br />
Element als „sehr wichtig“ bewerten). 62<br />
Diese verschiedenen Elemente werden im Übrigen von Unternehmen, bei denen<br />
in den nächsten Jahren (bis 2015) eine Übergabe bevorsteht, weitestgehend ebenso<br />
bewertet wie von Unternehmen, bei denen innerhalb der letzten fünf Jahre<br />
eine Übergabe erfolgt ist.<br />
59 Vgl. Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer e.V. (Hrsg.) (2005).<br />
60 Vgl. z. B. Hennerkes, B.-H. (2004), S. 126 oder auch Berghoff, H. (2004), S. 12-14.<br />
61 Den Familienunternehmen, für die die Nachfrage noch kein Thema ist, wurde diese Frage nicht gestellt.<br />
62 Die ausgewählten Elemente lehnen sich an eine Befragung der Handelskammer Hamburg an. Vgl. Handelskammer<br />
Hamburg (Hrsg.) (2004).<br />
41
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
42<br />
Abbildung 13: Wichtige Erfolgsfaktoren des Nachfolgeprozesses<br />
Einarbeitung des<br />
Nachfolgers<br />
Einbindung des<br />
Nachfolgers in die<br />
Vorbereitungen /<br />
Planungen<br />
vorausschauende<br />
Gestaltung der<br />
steuerlichen Seite<br />
strategische<br />
Positionierung des<br />
Unternehmens<br />
Finanzierung der<br />
Übergabe<br />
finanzielle Absicherung<br />
des Vorgängers (und<br />
seiner Familie)<br />
professionelle<br />
Begleitung durch<br />
Beratung<br />
Vorbereitung des<br />
Vorgängers auf seinen<br />
neuen Lebensabschnitt<br />
1<br />
1<br />
4<br />
5<br />
10<br />
10<br />
10<br />
19<br />
21<br />
23<br />
30<br />
32<br />
32<br />
31<br />
37<br />
39<br />
48<br />
47<br />
0 20 40 60 80 100<br />
51<br />
58<br />
58<br />
64<br />
80<br />
sehr wichtig<br />
wichtig<br />
weniger wichtig<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
89<br />
Anteil in %<br />
89 % aller befragten Familienunternehmen sehen die Einarbeitung des Nachfolgers<br />
durchweg als sehr wichtig und weitere 10 % als wichtig an. Mehrfach wird in<br />
ergänzenden Kommentaren der Unternehmer die sorgfältige, ausreichend lange<br />
Einarbeitung als zentraler Punkt bezeichnet. 63 Zwar gehen die Vorbereitungen für<br />
den Generationswechsel in der Regel vom Seniorunternehmer aus, es ist allerdings<br />
offenbar essentiell, dass der Nachfolger frühzeitig einbezogen wird. So empfinden<br />
63 Empirische Studien bestätigen diese Ansicht: Zwei Jahre oder mehr bis sich der Übergeber endgültig zurückzieht sind<br />
durchaus keine Seltenheit. Vgl. z. B. Freund, W. (2000), S. 167 oder auch Landeskreditbank Baden-Württemberg (Hrsg.)<br />
(2002), S. 36.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
80 % der Befragten eine bereits im Vorfeld erfolgende Einbindung des Nachfolgers<br />
in die Vorbereitungen und Planungen der Übergabe als sehr wichtig und<br />
19 % als wichtig. Sowohl die Einarbeitung im Zuge des Übergangs als auch die<br />
frühzeitige Integration des Nachfolgers sollen bewirken, dass sich der Nachfrager in<br />
seine künftige Rolle hineinfindet. Dazu gehört es, sich in den Unternehmensbelangen<br />
umfassend auszukennen, von bestehenden Beziehungen zu profitieren und<br />
Kontakte (z. B. zu den wichtigsten Geschäftspartnern) zu wahren. Da ein Nachfolgeprozess<br />
in der Regel mit einem Wechsel der Verantwortung (beispielsweise auch<br />
für die Arbeitsplatzsicherheit der Mitarbeiter) verbunden ist, unterstützt die frühzeitige<br />
und vollständige Integration des Nachfolgers zugleich den Konsens zwischen<br />
Vorgänger und Nachfolger bzw. wahrt die Kontinuität in der Unternehmenspolitik.<br />
So selbstverständlich die Einarbeitung des Nachfolgers und dessen Beteiligung an<br />
den Vorbereitungen erscheint, ist diese jedoch keineswegs immer zu verwirklichen.<br />
Fällt der Unternehmer unerwartet kurzfristig aus (z. B. durch Krankheit oder Tod), ist<br />
der Nachfolger, sofern denn dieser überhaupt bestimmt ist, sofort gefordert – unter<br />
entsprechend schwierigeren Startbedingungen.<br />
Die vorausschauende Gestaltung der steuerlichen Seite folgt – wenn auch mit<br />
deutlichem Abstand – an dritter Stelle. 64 % der befragten Unternehmen halten dies<br />
für sehr wichtig, weitere 32 % für wichtig. Zweifellos ist mit der Unternehmensübergabe<br />
eine Vielzahl steuerrechtlicher Fragen verbunden und das Ziel, die Steuern<br />
wegen des Liquiditätsentzugs zu minimieren, legitim. Zumal ein möglichst geringer<br />
Liquiditätsentzug für den Fortbestand des Unternehmens essentiell sein kann. Die<br />
steuerliche Belastung hängt dabei von der Übertragungsart, der Vermögenszusammensetzung,<br />
der Rechtsform des Unternehmens, der Höhe der Freibeträge u.v.m.<br />
ab, so dass sich eine Bandbreite von Gestaltungsmöglichkeiten ergibt. Insofern ist<br />
der hohe Stellenwert, den die hessischen Unternehmer steuerrechtlichen Belangen<br />
während der Unternehmensnachfolge zumessen, verständlich. Dies sollte jedoch<br />
nicht dazu verführen, die Steuerminimierung quasi als Oberziel zu sehen, sondern<br />
den steuerlichen Aspekten kann lediglich eine Hilfsfunktion bei der Festlegung einer<br />
stimmigen Übergabekonzeption zukommen.<br />
Die steuerlichen Aspekte können durchaus als Teil des Gesamtkomplexes der Finanzierung<br />
der Übergabe gesehen werden. 58 % der Befragten bezeichnen Fragestellungen,<br />
die die Finanzierung des Generationswechsels betreffen, als sehr<br />
wichtig, 32 % immerhin als wichtig. Die kurz- wie langfristige finanzielle Situation<br />
und damit die Zahlungs- und Investitionsfähigkeit des Unternehmens sollten (über<br />
die unmittelbar mit der Übergabe verbundenen Belastungen hinaus) auch im Fall einer<br />
Nachfolge gesichert sein. Eine Unternehmensübergabe und die erfolgreiche<br />
Fortführung des Unternehmens können – insbesondere bei größeren Familienunternehmen<br />
– unter Umständen an der mangelnden Finanzkraft bzw. den unzurei-<br />
43
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
44<br />
chenden Eigenmitteln des Nachfolgers oder unerwartetem Kapitalbedarf scheitern.<br />
Denn häufig entsteht nach der Übernahme Finanzierungsbedarf, etwa durch Modernisierung<br />
und Investitionen in die Betriebsausstattung. 64<br />
Die strategische Positionierung des Unternehmens beurteilen 58 % der hessischen<br />
Familienunternehmen als sehr wichtig und weitere 37 % halten diese immerhin<br />
für wichtig. Mit steigender Unternehmensgröße wird diesem Element eine höhere<br />
Bedeutung zugemessen. Die strategische Positionierung des Familienunternehmens<br />
hat im Nachfolgeprozess zwei Facetten: Zum einen bestimmt sie die Attraktivität<br />
des Unternehmens mit und ist für einen potenziellen Nachfolger somit von erheblicher<br />
Bedeutung: Z.B. dürfte ein in einem reifen Massenmarkt tätiges Unternehmen<br />
schwerer einen Nachfolger finden als ein Marktführer in einem innovativen<br />
Nischenmarkt. 65 Zum anderen bezieht sie sich auch auf den „frischen Wind“, den<br />
der Nachfolger in das Unternehmen bringt und der sich häufig in neuen Ideen und<br />
Produkten niederschlägt. Zwar stehen Veränderungen in der strategischen Ausrichtung<br />
möglicherweise im Gegensatz zu den Vorstellungen des Vorgängers – die Emanzipation<br />
des Nachfolgers ist allerdings wichtig für die Akzeptanz im Unternehmen<br />
und ebenso für seine Identifikation mit ihm und damit ein wichtiger Erfolgsfaktor.<br />
Interessanterweise erfolgt eine strategische „Kurskorrektur“ deutlich häufiger,<br />
wenn Mitarbeiter und nicht Familienmitglieder das Unternehmen übernehmen. 66<br />
Die finanzielle Absicherung des Vorgängers sowie dessen Familie ist im Rahmen<br />
der Nachfolgeregelung ebenfalls zu lösen. 52 % der befragten Familienunternehmer<br />
schätzen diesen Aspekt des Nachfolgeprozesses als sehr wichtig ein, weitere<br />
39 % betrachten ihn zumindest als wichtig. Insbesondere bei kleineren Familienunternehmen<br />
besteht über das Unternehmen oft eine Vermögensillusion. Nur<br />
wenn realistisch bewertet wird (was das Rating67 bewirkt), kann der Lebensabend<br />
des Unternehmers und evtl. seiner Familie finanziell sicher geplant werden. Meist<br />
muss jedoch ein Teil der Altersvorsorge durch die zukünftigen Erträge des dann auf<br />
den Nachwuchs übergegangenen Unternehmens erwirtschaftet werden. Unter Umständen<br />
sind weichende Erben abzufinden. 68 Eine sichere und ausreichende Altersvorsorge<br />
sollte deshalb schon in jungen Unternehmerjahren des späteren Übergebers<br />
begonnen werden. Sich auf den Verkauf des Unternehmens zu verlassen, ist<br />
schon angesichts der Unklarheit über den späteren Unternehmenswert riskant.<br />
64 Vgl. ebenda S. 41 und Wagner, R. M. (2003), S. 65f.<br />
65 Dementsprechend ist die strategische Positionierung des Unternehmens auch eines der Elemente, um den Unternehmenswert<br />
zu bestimmen und schlägt sich somit im (Ver-)kaufpreis nieder.<br />
66 Vgl. Landeskreditbank Baden-Württemberg (Hrsg.) (2002), S. 29.<br />
67 Vgl. hierzu Kapitel 7.<br />
68 Dies ist ein Aspekt, der bei der Übertragung des Unternehmens auf ein Familienmitglied häufig übersehen wird bzw. zu<br />
Konflikten führt. Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (Hrsg.) (2005), S. 23.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
Eine professionelle Begleitung (des Nachfolgeprozesses) durch Beratung sehen<br />
lediglich 31 % der hessischen Familienunternehmen als sehr wichtig und weitere<br />
48 % als wichtig an. 21 % stufen eine derartige begleitende Beratung als eher unwichtig<br />
ein und haben möglicherweise auch Vorbehalte gegen Bindungen in diesem<br />
sensiblen und oftmals interdisziplinäre Beratungsleistungen erfordernden Bereich. 69<br />
Nicht umsonst wird Familienunternehmen eine gewisse „Beratungsresistenz“ nachgesagt,<br />
da sie davon ausgehen, dass auch unternehmerische Fragen innerhalb der<br />
Familie gelöst werden sollten. 70 Von Fall zu Fall werden Steuerberater und Rechtsanwälte<br />
konsultiert. Übergabeberatungen werden daher in <strong>Hessen</strong> von der Landesregierung<br />
im Rahmen der Beratungsförderung unterstützt.<br />
Die Vorbereitung des Vorgängers auf seinen neuen Lebensabschnitt schließlich<br />
wird als vergleichsweise wenig relevant wahrgenommen. Nur 30 % sehen die<br />
Vorbereitung des Vorgängers auf den Rückzug aus dem Berufsleben als sehr wichtig<br />
und weitere 47 % immerhin als wichtig an. Für die übrigen Befragten sind derartige<br />
Überlegungen, welche das „Loslassen“ erleichtern bzw. die Gefahr einer fortwährenden<br />
Einmischung des Vorgängers in die Aktivitäten seines Nachfolgers zu<br />
reduzieren vermögen, weniger wichtig und werden als persönliche, private Frage<br />
erachtet. Denkbar ist es, dass der eine oder andere hessische Unternehmer die Bedeutung<br />
dieser auch psychologischen Komponente für eine erfolgreiche Unternehmensübergabe<br />
unterschätzt. Die Abgabe von Verantwortung fällt den meisten Unternehmern<br />
schwer. 71 Auf diese Gefahr wird immer wieder hingewiesen – sei es in<br />
Informationsschriften oder Fachliteratur speziell zur Unternehmensnachfolge oder<br />
auch in umfassenderen Darstellungen zu Familienunternehmen. 72 Beispiele verdeutlichen<br />
anschaulich, welch negative Folgen es haben kann, wenn der Senior in<br />
Ermangelung einer Lebensperspektive über sein Berufsleben hinaus die notwendige<br />
Übergabe immer wieder hinausschiebt oder sich nach erfolgter Übergabe fortwährend<br />
noch in das Unternehmen einmischt. Hennerkes bringt diese Problematik auf<br />
den Punkt, wenn er formuliert: „Auf jeden Lebensabschnitt war man vorbereitet –<br />
nur nicht auf das Ende der Berufsausübung.“ 73 Die rechtzeitige private Lebensplanung<br />
für die Zeit nach der Übergabe ist bei ihm sogar Bestandteil seiner „Zehn goldene[n]<br />
Regeln zur Nachfolge“. 74<br />
69 Vgl. Wagner, R. M. (2003), S. 61.<br />
70 So das Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) in seinen „10 Wittener Thesen zu Familienunternehmen“. Vgl.<br />
www.uni-wh.de/wifu.<br />
71 Vgl. hierzu auch: Hus, C. (<strong>2006</strong>), S. A4. Auch ein hessischer Nachfolger bestätigt aus eigener Erfahrung, dass „die abgebende<br />
Generation nicht gehen will“.<br />
72 Vgl. z. B. Huber, H.G. u. Sterr-Kölln, H. (<strong>2006</strong>), S. 178ff. oder Knürr, H. (2004): S. 54f. oder auch Bundesministerium für<br />
Wirtschaft und Arbeit (Hrsg.), S. 29f.<br />
73 Hennerkes, B.-H. (2004), S. 128.<br />
74 Vgl. ebenda S. 131.<br />
45
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
6.6 Unterstützung im Nachfolgeprozess<br />
46<br />
Angesichts der Fallstricke bei einer Unternehmensübergabe – nicht nur große Familienunternehmen,<br />
auch Kleinstunternehmen müssen sich den vielfältigsten Fragestellungen<br />
stellen – sind insbesondere fundierte Informationen über alle bedeutsamen<br />
Themenfelder Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Übergabe bzw. Übernahme<br />
eines Unternehmens. Hierzu kann der Unternehmer sich unterschiedlicher<br />
Wege und damit verschiedener unterstützender Angebote bedienen. Die hessischen<br />
Familienunternehmen wurden deshalb befragt, wie hilfreich sie nachfolgend angeführte<br />
Informationsangebote einschätzen (vgl. Abbildung 14, absteigend sortiert<br />
nach dem Anteil derer, die das jeweilige Angebot als „sehr hilfreich“ bezeichnen).<br />
Abbildung 14: Unterstützende Angebote im Nachfolgeprozess<br />
persönliche Beratung von<br />
Übergeber und Nachfolger<br />
laufendes "Coaching" des<br />
Nachfolgers während der<br />
Anfangszeit im<br />
Unternehmen<br />
öffentliche Fördermittel<br />
(z.B. Zuschüsse für<br />
Rechtsberatung)<br />
Informations- und<br />
Schulungsveranstaltungen<br />
Online-Kontaktbörsen (für<br />
Nachfolger suchende<br />
Unternehmer wie für<br />
Nachfolger selbst)<br />
allgemeine Informationen<br />
(z.B. Broschüren und<br />
Merkblätter)<br />
5<br />
6<br />
11<br />
17<br />
18<br />
23<br />
23<br />
30<br />
34<br />
37<br />
37<br />
0 20 40 60 80<br />
40<br />
43<br />
46<br />
52<br />
54<br />
59<br />
65<br />
sehr hilfreich<br />
hilfreich<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
wenig hilfreich<br />
Anteil in %
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
Während im Verhältnis zur Einarbeitung des Nachfolgers (vgl. die Erfolgsfaktoren<br />
der Nachfolge im vorangegangenen Kapitel) Beratungsleistungen eine vergleichsweise<br />
geringe Rolle spielen, nimmt unter den unterstützenden Angeboten die persönliche<br />
Beratung den mit Abstand höchsten Stellenwert ein. 65 % der hessischen<br />
Familienunternehmer bezeichnen eine derartige Unterstützung in Sachen Nachfolge<br />
als sehr hilfreich und weitere 30 % sehen sie als hilfreich an. Die Nachfolger schätzen<br />
die persönliche Beratung noch etwas höher ein: Bei den Familienunternehmen,<br />
die innerhalb der letzten fünf Jahre die Übergabe vollzogen, liegt der Wert mit 70 %<br />
gar noch 5 Prozentpunkte höher. Die Stärke der persönlichen Beratung ist in der auf<br />
den individuellen Fall ausgerichteten Problemlösung zu sehen. In einigen Fällen ist<br />
von Unternehmern auch die Profession der Berater genannt, wobei hier vor allen<br />
Dingen Steuerberater und Rechtsanwälte angegeben werden. 75 Vor allem größere<br />
Familienunternehmen arbeiten in der Regel sowieso regelmäßig mit Steuerberatern<br />
und Rechtsanwälten zusammen, die „ihre“ Unternehmen kennen und individuelle<br />
Anregungen zur Unternehmensnachfolge geben können. 76 Aufgrund der Kosten<br />
dürfte sich der eine oder andere hessische Unternehmer allerdings scheuen, derartige<br />
Fachkompetenz in Anspruch zu nehmen. 77 Beratungen zu betriebswirtschaftlichen<br />
Aspekten einer Unternehmensübergabe werden nach den hessischen Beratungsrichtlinien<br />
ausdrücklich gefördert, ebenso ein Check-Up, mit dem Unternehmenspotenzial<br />
und (Vermögens-)Status des Unternehmens übermittelt werden. Übernehmer<br />
können die geförderten Gründungsberatungen nutzen.<br />
Mit der Übergabe von Eigentum und Geschäftsführung an den Nachfolger ist die<br />
Nachfolge zwar formal abgeschlossen, ihr Erfolg jedoch noch lange nicht gewährleistet,<br />
wie auch das Verständnis der Unternehmensnachfolge als Prozess nahe<br />
legt. Auf den Nachfolger kommen Herausforderungen zu, die sich z. B. von denen<br />
eines Gründers völlig unterscheiden: Das Unternehmen existiert bereits, hat sich<br />
(meist) unabhängig vom Nachfolger entwickelt und ist auf andere Personen ausgerichtet.<br />
Ein laufendes „Coaching“ des Nachfolgers während der Anfangzeit im<br />
Unternehmen wird deshalb von den hessischen Familienunternehmern als sinnvoll<br />
erachtet: Es wird von 37 % als sehr hilfreich und von 46 % immerhin als hilfreich<br />
beurteilt. Diese Einschätzung nimmt mit ansteigender Unternehmensgröße und damit<br />
wachsender Komplexität der Übergabe zu. Auch in ergänzenden Bemerkungen<br />
75 Dieses Ergebnis wird durch die Studie Mind 02 bestätigt, nach der mit großem Abstand der Steuerberater zu den am<br />
meisten konsultierten Beratern während des Nachfolgeprozesses zählt – vor den Rechtsanwälten. Vgl. Gruner und Jahr,<br />
Dresdner Bank (Hrsg.) (2001), S. 95.<br />
76 Dies wird allerdings bisweilen als unzureichend angesehen: So wird zu bedenken gegeben, dass „die meisten keine Experten<br />
für die Begleitung hoch dynamischer und komplexer Prozesse, sondern Experten für ganz konkrete Fachthemen“<br />
seien. Deshalb wird für den stärkeren Einsatz einer Prozessbegleitung in Abgrenzung zum Fachexperten plädiert. Vgl.<br />
Huber, H.G. u. Sterr-Kölln, H. (<strong>2006</strong>), S. 99ff.<br />
77 In der Mind 02-Untersuchung geben gar 26 % der Unternehmen, die bereits die Entscheidung zur Übergabe gefällt haben,<br />
an, sich gar keiner externen Information bedient zu haben. Vgl. Gruner und Jahr, Dresdner Bank (Hrsg.) (2001),<br />
S. 95.<br />
47
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
48<br />
der Unternehmer wird wiederholt auf diesen Bedarf an Beratung und Erfahrungsaustausch<br />
hingewiesen, indem eine „sukzessive Übernahme von Verantwortung“,<br />
„eine gleitende Übergabe“, oder „ein ständiger Erfahrungsaustausch auch nach der<br />
Übergabe“ als sinnvoll erachtet wird. Die vom Land geförderten Gründungsberatungen<br />
können auch in der Form der Betreuung, also als Coaching, erfolgen.<br />
Öffentliche Fördermittel, wie Zuschüsse zu Beratungsleistungen bei der Übergabe<br />
oder die Übernahme von Beteiligungen im Rahmen von Nachfolgeprozessen (beispielsweise<br />
durch das <strong>Hessen</strong>-Invest Programm der Investitionsbank <strong>Hessen</strong>), würdigen<br />
34 % der hessischen Familienunternehmen als sehr hilfreich und weitere<br />
43 % als hilfreich. Eine stärkere Unterstützung bei der Finanzierung der Unternehmensnachfolge<br />
wird denn auch mehrfach als wünschenswert erachtet, wobei<br />
durchaus die Gefahr von Mitnahmeeffekten gesehen wird. Im konkreten Fall wird die<br />
Inanspruchnahme solcher Leistungen aber auch von dem damit verknüpften bürokratischen<br />
Aufwand abhängen. <strong>Hessen</strong> beabsichtigt, neben den bestehenden Hilfen<br />
(Förderkredite, Bürgschaften, Beteiligungen) die Kreditwirtschaft im Rahmen der Finanzplatzinitiative<br />
der Landesregierung zur Schaffung eines geeigneten privaten Instrumentariums<br />
zur Sicherung der Finanzierung von Übernahmen anzuregen.<br />
Informations- und Schulungsveranstaltungen werden von 23 % der hessischen<br />
Familienunternehmer als sehr hilfreich eingeschätzt und von 59 % zumindest als<br />
hilfreich. Dabei weisen Unternehmen, bei denen in den nächsten Jahren eine Übergabe<br />
bevorsteht, eine etwas optimistischere Einschätzung auf als Unternehmen mit<br />
schon abgeschlossener Übergabe. Derartige Veranstaltungen dienen allerdings<br />
nicht nur der direkten Vermittlung von Wissen, sondern auch dem Erfahrungsaustausch<br />
sowie der Herstellung und Pflege von Kontakten. 78 Insofern sind diese wichtigen<br />
Veranstaltungen unter einem wesentlich weiteren Blickwinkel zu sehen.<br />
Zurückhaltend ist die Bewertung von derzeit angebotenen Online-Kontaktbörsen,<br />
die der Vermittlung von Übergabe-Angeboten und -Nachfragen dienen. Sie werden<br />
von nur 11 % der hessischen Familienunternehmen als sehr hilfreich und von 37 %<br />
als hilfreich wahrgenommen. Mit 52 % bezeichnet mehr als die Hälfte der Befragten<br />
diese modernen Vermittlungsangebote – die größte Plattform für Unternehmensübertragungen<br />
ist die im Rahmen der Initiative „nexxt: Sicherung der Unternehmensnachfolge“<br />
79 – als wenig hilfreich, wobei die Ablehnung mit zunehmender Unternehmensgröße<br />
und damit größerer Problemkomplexität steigt. Gerade bei der<br />
Suche nach einem externen Nachfolger bedarf die Erstellung des Anbieter- und Gesuchtenprofils<br />
oft professioneller Hilfe, denn es sprich vieles dafür, dass in diese in-<br />
78 Gelegentlich wird gar die Meinung vertreten – so ein Familienunternehmer im Gespräch mit dem Verfasser – die gebotenen<br />
Informationen bei derartigen Veranstaltungen seien nur „Beiwerk“, entscheidend sei die Möglichkeit zur Knüpfung<br />
und Pflege von Kontakten.<br />
79 Internetadresse: www.nexxt-change.org. Eine Testabfrage des Verfassers am 19.07.<strong>2006</strong> ergab für <strong>Hessen</strong> die beachtliche<br />
Anzahl von 576 einen Nachfolger suchende Unternehmen.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
ternetbasierten Vermittlungsbörsen ein hoher Anteil „schwieriger Fälle“ eingestellt<br />
wird. Der ohnehin komplizierte Matching-Prozess gestaltet sich somit noch schwieriger<br />
und entsprechend geringer sind die Erfolgsaussichten. Die Befragung gibt darüber<br />
hinaus Hinweise auf einen bislang noch relativ geringen Bekanntheits- bzw.<br />
Verbreitungsgrad derartiger Börsen, denn ein beachtlicher Teil der befragten Familienunternehmen<br />
hat diese Teilfrage nicht beantwortet. Eine vergleichsweise geringe<br />
Affinität zu den Angeboten des Internets vor allem bei älteren Unternehmern dürfte<br />
hierbei eine Rolle spielen und wird auch durch das Untersuchungsergebnis gestützt:<br />
Bei den jüngeren Unternehmen fällt die Beurteilung positiver aus.<br />
Allgemeine Informationen z.B. durch die Vielzahl von Merkblättern und Broschüren<br />
der unterschiedlichsten Institutionen, die zur Unterstützung des Nachfolgeprozesses<br />
dienen sollen, stufen schließlich lediglich 6 % der befragten Familienunternehmen<br />
in <strong>Hessen</strong> als sehr hilfreich, 54 % als hilfreich und 40 % als wenig hilfreich<br />
ein. Unternehmen, die bereits eine Übergabe erfolgreich bewältigt haben, vergeben<br />
sogar eine noch etwas ungünstigere Bewertung als der Durchschnitt der Befragten.<br />
Vielfach dürften bei näherer Befassung mit der Nachfolgeproblematik sehr schnell<br />
konkrete Lösungsansätze und damit spezifische Informationen erforderlich sein, die<br />
diese Informationsangebote nicht enthalten. Auch mit zunehmender Unternehmensgröße<br />
fällt die Bewertung solcher Informationsangebote schlechter aus, wobei die<br />
zu lösenden Fragestellungen mit ansteigender Größe auch erheblich komplexer<br />
werden. Veröffentlichungen sind geeignet, für die Thematik zu sensibilisieren, einen<br />
Einstieg in die relevanten Fragestellungen zu bieten und Ansprechpartner für die Unternehmen<br />
zu benennen. In dieser Funktion haben sie auch ihren festen Platz im Kanon<br />
der unterstützenden Angebote.<br />
6.7 Erbschaftsteuer und Unternehmensnachfolge<br />
Im Rahmen der gegenwärtigen Diskussion über eine Reform der Unternehmensbesteuerung<br />
bildet die Erbschaftsteuer ein bedeutendes Themenfeld. Vor allem von Interessenvertretungen,<br />
aber auch von Seiten der Politik wird immer wieder betont,<br />
dass gerade die im derzeitig gültigen Erbschaftsteuergesetz enthaltenen Regelungen<br />
der Unternehmensübertragung nicht förderlich seien. Sie werden sogar bisweilen<br />
als „existenzielle Bedrohung“ 80 bezeichnet. Deshalb wurde die Erbschaftsteuer<br />
bzw. die beabsichtigte Erbschaftsteuerreform in die Befragung der hessischen Familienunternehmen<br />
aufgenommen. Um die Interpretation der Untersuchungsergebnisse<br />
zu unterstützen, werden nachfolgend in knapper Form die Problematik und die<br />
Reformbemühungen thematisiert.<br />
80 So die Stiftung für Familienunternehmen (Hrsg.) (<strong>2006</strong>b), S. 1.<br />
49
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
6.7.1 Problematik und Reformbemühungen<br />
50<br />
Gegenstand des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes sind sämtliche Änderungen<br />
in der Vermögenszuordnung, die sich aus einer Eigentumsübertragung infolge<br />
eines Todesfalls oder einer freigiebigen Zuwendung unter Lebenden (Schenkung)<br />
ergeben. Die Erbschaftsteuer wird auf den Erwerb durch den Erwerber erhoben,<br />
d. h. als Erbanfallsteuer. Für den Erbfall und für die Schenkung unter Lebenden<br />
gelten im Wesentlichen die gleichen gesetzlichen Regelungen. 81 Das derzeitige<br />
System der Erbschaftsbesteuerung in Deutschland tangiert im Falle der Vermögensübergabe<br />
den Bestand der Familienunternehmen in mehrfacher Hinsicht. Ein<br />
besonders bedeutsamer Aspekt ist hierbei, dass infolge der Erbschaftsbesteuerung<br />
dem Unternehmen – unter Umständen innerhalb eines eher kurzen Zeitraumes und<br />
im Falle eines unerwarteten Ablebens des Erblassers auch unvorhersehbar – liquide<br />
Mittel in beachtlicher Höhe entzogen werden.<br />
Dieser Liquiditätsentzug betrifft in ähnlicher Weise sowohl Personengesellschaften<br />
als auch Kapitalgesellschaften. Bei Personengesellschaften ist direkt das in das Unternehmen<br />
eingebrachte Vermögen von der Besteuerung betroffen82 , während bei<br />
Kapitalgesellschaften die Kapitaleinlage tangiert wird. Die zur Steuerabführung benötigten<br />
Finanzmittel müssen vom Begünstigten aufgebracht werden, was sich – bei<br />
Anlagevermögen – unter Umständen als durchaus schwierig erweisen kann. So<br />
müssen die betreffenden Anlagegüter evtl. mit einem erheblichen Buchverlust verkauft<br />
werden oder es ist schlichtweg zu wenig verwertbares Vermögen vorhanden,<br />
so dass das Familienunternehmen in seiner Existenz gefährdet ist. Sowohl von unter<br />
Umständen ausgelösten Umstrukturierungsmaßnahmen, Teilverkäufen als auch<br />
von einem Konkurs werden Arbeitsplätzen betroffen sein.<br />
Zahlreiche Unternehmen müssen die Erbschaftsteuerlast über die Aufnahme von<br />
Fremdkapital finanzieren, da angesichts der oftmals geringen Eigenkapitaldecke gerade<br />
bei Familienunternehmen83 häufig keine andere Wahl besteht. Die gestiegene<br />
Verschuldung beeinflusst wiederum die Bonität des Unternehmens und verschlechtert<br />
die Konditionen bei Kapitalaufnahme. Die zukünftigen Finanzierungsspielräume<br />
werden reduziert und damit können notwendige Investitionen möglicherweise nicht<br />
mehr getätigt werden. Die Bildung von Liquiditätsreserven für den Fall der Erbschaftsteuerzahlung<br />
würde die Problematik zwar entschärfen, dürfte jedoch häufig<br />
die Ertragskraft der Unternehmen übersteigen.<br />
Vor allem die größeren Familienunternehmen sind in den meisten Fällen auch über<br />
die Grenzen Deutschlands hinaus tätig, so dass sich die Erbschaftsteuer in<br />
81 Vgl. zu einer ausführlichen Darstellung sowohl der steuerrechtlichen als auch der erbrechtlichen Grundlagen Huber, H.-<br />
G. u. Sterr-Kölln, H. (<strong>2006</strong>), S. 199ff.<br />
82 Ausnahmen bilden die Einlage des Kommanditisten in einer KG und die stille Gesellschaft.<br />
83 Vgl. hierzu ausführlicher Kapitel 7.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
Deutschland auch im internationalen Wettbewerb als Standortnachteil erweisen<br />
kann. Zwar gestaltet sich ein internationaler Vergleich aufgrund der in den einzelnen<br />
Staaten heterogenen Besteuerungsregelungen als sehr komplex. Aussagen über<br />
den monetären Größenrahmen der Erbschaftsteuerbelastung sind jedoch durchaus<br />
möglich: So unterliegen die Familienunternehmen mit einem Jahresumsatz von<br />
mehr als 25 Mio. Euro den Berechnungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung<br />
Mannheim (ZEW) im Auftrag der Stiftung für Familienunternehmen<br />
zufolge in Deutschland einer verhältnismäßig hohen Steuerbelastung (vgl. Abbildung<br />
15).<br />
Abbildung 15: Effektive Erbschaftsteuerbelastung * in ausgewählten Ländern<br />
Belgien<br />
USA<br />
Niederlande<br />
Frankreich<br />
Deutschland<br />
Österreich<br />
Dänemark<br />
Spanien<br />
Vereinigtes Königreich<br />
Irland<br />
Luxemburg<br />
Polen<br />
Tschechien<br />
Schweden<br />
0<br />
0<br />
0,8<br />
3,1<br />
3,1<br />
4,0<br />
7,8<br />
9,5<br />
11,1<br />
14,3<br />
18,3<br />
17,6<br />
28,5<br />
33,3<br />
0 5 10 15 20 25 30 35<br />
Steuerbelastung in Millionen Euro<br />
*Familienunternehmen mit mehr als 25 Millionen Euro Umsatz<br />
Hierbei handelt es sich um ein einperiodisches Modell, welches zur Ermittlung der effektiven Erbschaftsteuerbelastung ein<br />
identisches modellhaftes Unternehmensvermögen in den verschiedenen Ländern steuerlich veranlagt. Sämtliche relevanten<br />
erbschaftsteuerlichen Vorschriften, wie z.B. Bewertungsverfahren, persönliche Freibeträge und Steuertarife werden<br />
berücksichtigt. Vgl. zur ausführlichen Erläuterung der Methodik S. 77ff der unten angegebenen Quelle.<br />
Quelle: Stiftung für Familienunternehmen (Hrsg.) (<strong>2006</strong>a), S. 14.<br />
Im Vergleich hierzu ist der von den Familienunternehmen zu entrichtende Steuerbetrag<br />
z. B. in Polen oder auch im Vereinigten Königreich weitaus niedriger, während<br />
etwa Frankreich, die Niederlande oder die USA eine merklich höhere Steuerbelas-<br />
51
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
52<br />
tung aufweisen. Allerdings wird gegenwärtig insbesondere in den USA über eine<br />
völlige Abschaffung der Erbschaftsteuer diskutiert. Dieser Schritt ist in einigen EU-<br />
Ländern bereits vollzogen worden. Hier sind in erster Linie neue EU-Mitgliedstaaten<br />
wie z. B. Tschechien und Estland, aber auch z. B. Italien und Schweden zu nennen.<br />
Diese Maßnahmen orientieren sich nicht zuletzt am Lissabon-Programm der EU für<br />
mehr Wachstum und Beschäftigung, zu dessen Zielen u. a. die Vereinfachung von<br />
Unternehmensübertragungen gehört. 84<br />
Zum Befragungszeitpunkt wurden – und werden nach wie vor – in Deutschland Reformen<br />
diskutiert, die zu entrichtende Steuerschuld unter bestimmten Bedingungen<br />
teilweise zu stunden oder unter Umständen ganz zu erlassen. Im Rahmen einer solchen<br />
Regelung wird die Steuerlast über einen längeren Zeitraum verteilt. Ferner soll<br />
für jedes Jahr, in dem ein übertragenes Unternehmen fortgeführt wird, ein Teil der<br />
Steuerlast erlassen werden. Diese entfällt, falls das Unternehmen nach der Übertragung<br />
mindestens zehn Jahre lang weiter besteht.<br />
Eine derartige Stundungs- bzw. Freistellungsregelung bezüglich eines Zeitraumes<br />
von zehn Jahren wurde mittlerweile vom Bundeskabinett beschlossen. 85 Allerdings<br />
steht im Kontext mit der Stundungs- und Freistellungsregelung eine so genannte<br />
Arbeitsplatzklausel, welche die Modalitäten und den Umfang der Besteuerung in eine<br />
Abhängigkeit vom Erhalt der Arbeitsplätze in dem übertragenen Unternehmen<br />
setzt: So soll nach der Unternehmensübergabe jedes Jahr – immer wenn ein weiterer<br />
Teil des Erlasses der Erbschaftsteuer ansteht – geprüft werden, wie sich die<br />
Zahl der Beschäftigten entwickelt hat. Fall sich diese verringert hat, muss zu dem<br />
betreffenden Besteuerungstermin ein Teil der Steuerschuld beglichen werden. Allerdings<br />
existieren auch Kompensationsmöglichkeiten, denn bei einem Anstieg der<br />
Beschäftigtenzahl soll sich im darauf folgenden Jahr die zu entrichtende Steuerschuld<br />
reduzieren. Mit dieser Arbeitsplatzklausel ist ein zentrales Element der Steuerreform<br />
vom Gesetzgeber noch nicht genau spezifiziert. Die Freistellungs- und<br />
Stundungsregelungen gelten zudem nicht für das ganze Unternehmensvermögen,<br />
denn ein Teil der Vermögensbestände wird als „nicht-produktiv“ eingestuft und daher<br />
von steuerlichen Begünstigungen ausgenommen. Hierzu zählen beispielsweise<br />
Bargeld, Wertpapiere oder an Dritte vermietete Grundstücke.<br />
Die öffentliche Kritik an der Reform stützt sich vor allem auf ordnungspolitische Bedenken<br />
gegen die Verknüpfung der Besteuerung mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen<br />
und zum anderen auf verfassungsrechtliche Bedenken, ob eine Ungleichbehandlung<br />
von Unternehmensvermögen und sonstigem Vermögen statthaft ist. Unabhängig<br />
davon, wie die Neuregelung der Erbschaftsteuer letztlich aussehen wird, ist es<br />
84 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Hrsg.) (<strong>2006</strong>).<br />
85 Vgl. hierzu o.V. (<strong>2006</strong>c), S. 1 und o.V. (<strong>2006</strong>a), S. 10.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
von herausragender Bedeutung, dass für die Unternehmen endlich Planungssicherheit<br />
geschaffen wird.<br />
6.7.2 Erbschaftsteuer aus Sicht der Familienunternehmen<br />
Die hessischen Familienunternehmen wurden im Rahmen der Befragung um ihre<br />
Meinung gebeten, ob die „Hürde Erbschaftsteuer“ für die Unternehmensnachfolge<br />
durch die beabsichtigte Reform (Stundung bzw. Erlass bei Fortführung) reduziert<br />
werden könne und falls ja, in welchem Umfang. Zu beachten ist, dass die Befragung<br />
zu einem Zeitpunkt durchgeführt wurde, als von einer Arbeitsmarktklausel noch keine<br />
Rede war. Insofern basieren die Ergebnisse eher auf einer „wahren“ Reform der<br />
Erbschaftsteuer. Da die Ausgestaltung der Kopplung von Besteuerung an Arbeitsplätze<br />
jedoch noch wenig konkret ist und nach wie vor diskutiert wird, besteht die<br />
Möglichkeit, dass sich die Erwartungen der Familienunternehmen auf eine umfassende<br />
Reform der Erbschaftsteuer noch erfüllen. Handlungsbedarf besteht aus<br />
Sicht der hessischen Familienunternehmen auf jeden Fall – bei vielen Unternehmen<br />
steht die Erbschaftsteuerreform ganz oben auf der „Dringlichkeitsliste“. 86<br />
Die Befragungsergebnisse zeigen eine breite Zustimmung zur Erbschaftsteuerreform<br />
unter den heimischen Familienunternehmen (vgl. Abbildung 16): Mit 72 % erwarten<br />
mehr als zwei Drittel durch die Reform eine Erleichterung der Unternehmensübergabe.<br />
Lediglich ein geringer Anteil von 8 % der Befragten widerspricht<br />
dieser Ansicht. Hierunter befinden sich etliche Unternehmer, die explizit angegeben<br />
haben, dass die Erbschaftsteuer in ihrem Fall mit oder ohne Reform Null beträgt.<br />
20 % waren die Reformbemühungen unbekannt bzw. waren sich über die Auswirkungen<br />
unschlüssig. Von den Befürwortern einer entsprechenden Novellierung des<br />
Erbschaftsteuersystems schätzen 73 % die von einer Reform ausgehenden positiven<br />
Effekte als „erheblich“ ein, während 14 % eher mit „geringen“ Wirkungen rechnen.<br />
Für 13 % der befragten Familienunternehmer würde nach einer Reform die<br />
„Hürde Erbschaftsteuer“ gar „völlig“ entfallen.<br />
86 In einem Fall droht offenbar gar der Konkurs eines hessischen Familienunternehmens mit knapp 100 Beschäftigten, da<br />
die fällige Erbschaftsteuer nicht aufgebracht werden kann.<br />
53
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
Abbildung 16: „Hürde“ Erbschaftsteuer<br />
54<br />
Oft wird die Erbschaftsteuer als Hürde für eine erfolgreiche<br />
Unternehmensnachfolge genannt. Kann die beabsichtigte<br />
Erbschaftsteuerreform (Stundung / Erlass bei Fortführung) diese<br />
Hürde reduzieren und falls ja, in welchem Umfang?<br />
Reform ist mir unbekannt /<br />
weiß nicht<br />
20%<br />
nein<br />
8%<br />
ja<br />
72%<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
ja, völlig<br />
13%<br />
ja, gering<br />
14%<br />
ja, erheblich<br />
73%<br />
Die positive Resonanz der hessischen Familienunternehmen auf die Reformbestrebungen<br />
differiert in Abhängigkeit von Branchenzugehörigkeit, Unternehmensgröße<br />
und Alter des Unternehmens:<br />
So liegt der Anteil derer, die erhebliche Verbesserungen durch die Reform erwarten,<br />
in der Industrie mit 80 % merklich über dem Durchschnitt aller Unternehmen (73 %).<br />
Diese Abweichung dürfte auf Unterschiede in der Investitions- und Finanzierungsstruktur<br />
in den einzelnen Wirtschaftszweigen zurück zuführen sein. Unternehmen<br />
der Industrie weisen in der Regel eine hohe Kapitalintensität und eher langfristige<br />
Kapitalbindung auf, was wiederum im Erbschaftsfall die Liquidität erheblich tangiert.<br />
Mit zunehmender Unternehmensgröße nimmt der Anteil der Befragten, die von einer<br />
Erbschaftsteuerreform eine positive Wirkung auf die Unternehmensübertragung erwarten,<br />
deutlich zu. Dieser liegt bei den Kleinstunternehmen bei 66 %, bei den kleinen<br />
Unternehmen bereits bei 71 % und erreicht bei den mittleren Unternehmen einen<br />
Wert von 80 %. Dies lässt sich damit erklären, dass im Vergleich zwischen den<br />
hier untersuchten Größenklassen die mittleren Unternehmen gemessen am Finanzvolumen<br />
am stärksten von der Erbschaft- und Schenkungsteuer betroffen sind. Des-
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
halb wird von den Vertretern dieser Unternehmen ein besonders ausgeprägter politischer<br />
Handlungsbedarf gesehen. Von den Befragungsteilnehmern, die sich für eine<br />
Erbschaftsteuerreform aussprechen, erwarten in allen drei Größenklassen etwa<br />
drei Viertel der Befragten in erheblichem Ausmaß positive Auswirkungen von einer<br />
solchen Reform.<br />
Das Antwortverhalten variiert zudem deutlich mit dem Alter der Familienunternehmen.<br />
So geht in der Kategorie der von 1990 bis 1999 gegründeten Unternehmen ein<br />
vergleichsweise geringer Anteil – nämlich 60 % – der Befragten davon aus, dass eine<br />
Reform der Erbschaftsteuer tatsächlich zu einer Erleichterung der Unternehmensübergabe<br />
führen wird. Hingegen liegt der entsprechende Anteil bei den von<br />
1950 bis 1959 gegründeten Unternehmen bei 83 %. 87 Diese Unternehmen sind sicherlich<br />
zum weitaus größten Teil bereits einmal an eine Nachfolgegeneration übergeben<br />
worden. Somit hat die gegenwärtige Geschäftsführung bzw. haben die Eigentümer<br />
bereits Erfahrungen mit der Erbschaftsteuer gemacht hat und kann die hiermit<br />
verbundenen steuerlichen Aspekte besser einschätzen. 88 Dies verleiht deren Einschätzung<br />
auch ein höheres Gewicht: Der Anteil der Befragten, die von der Reform<br />
erhebliche Effekte erwarten, ist mit 82 % deutlich höher als bei den jungen Unternehmen<br />
(1990-1999) mit 60 %.<br />
87 Dies korrespondiert mit den Untersuchungsergebnissen, dass Unternehmen, die sich nicht mehr im Besitz der Gründergeneration,<br />
sondern in der Hand der Nachfolgegenerationen befinden, mit der Reform der Erbschaftsteuer höhere Erwartungen<br />
verbinden.<br />
88 Auf die besonderen Schwierigkeiten beim ersten Generationswechsel im Bezug auf die Erbschaftsteuer verweisen auch<br />
Huber, H.-G. u. Sterr-Kölln (<strong>2006</strong>), S. 32.<br />
55
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
7 Familienunternehmen – Zukunftsperspektiven<br />
56<br />
Zur Einschätzung der zukünftigen Entwicklungsperspektiven wurden den Familienunternehmen<br />
acht Aussagen aus den unterschiedlichsten Themenfeldern – sowohl<br />
Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Tätigkeit als auch Charakteristika der<br />
Familienunternehmen selbst betreffend – vorgelegt und sie um eine Bewertung auf<br />
einer Skala von eins bis fünf (von „trifft voll und ganz zu” bis „trifft überhaupt nicht<br />
zu”) gebeten.<br />
Die so gewonnenen, nachfolgend vorgestellten eher „weichen” Aussagen der Familienunternehmen<br />
sind naturgemäß teilweise von bereits untersuchten Strukturmerkmalen<br />
wie z. B. der Unternehmensgröße und der Branche abhängig: So wird<br />
ein kleines Handwerksunternehmen im Baugewerbe, welches weder seine Leistungen<br />
im Ausland anbietet noch Güter oder Dienstleistungen aus dem Ausland bezieht,<br />
eine andere Ansicht zur Internationalisierung haben als ein großes Familienunternehmen,<br />
das mehr als die Hälfte seiner Produkte im Ausland absetzt. Darüber<br />
hinaus beinhalten die nachfolgenden Einschätzungen aus Sicht der Familienunternehmen<br />
– genauer: der Familienunternehmer – jedoch weitere, teilweise ausgesprochen<br />
subjektive Einflussfaktoren.<br />
In Abbildung 17 sind die Ergebnisse im Überblick dargestellt, wobei die Aussagen<br />
absteigend nach dem Grad der Zustimmung (gemessen am Mittelwert der Einschätzungen)<br />
sortiert sind. In allen Fällen ist der Durchschnitt kleiner als die mittlere Kategorie<br />
drei, die als neutraler Wert oder auch „weiß nicht“ interpretiert werden kann.<br />
D. h., allen vorgelegten Aussagen wird von den befragten Familienunternehmen im<br />
Durchschnitt mehr zugestimmt als dass diese abgelehnt werden. Zu den Aussagen<br />
im Einzelnen:
Abbildung 17: Familienunternehmen – Zukunftsperspektiven<br />
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
Wenn Sie nun einige Jahre in die Zukunft blicken: In welchem Ausmaße treffen Ihrer Meinung nach die nachfolgenden<br />
Aussagen über die „Familienunternehmen der Zukunft“ zu?<br />
Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden ...<br />
… aufgrund des hohen und weiter zunehmenden<br />
Wettbewerbs noch effizienter als bisher wirtschaften<br />
müssen.<br />
... eine schlagkräftigere Interessenvertretung / Lobby<br />
benötigen, damit die Politik die Rahmenbedingungen<br />
mehr auf Familienunternehmen und weniger auf<br />
Großkonzerne ausrichtet.<br />
… mehr Sicherheiten bieten und mehr Geschäftszahlen<br />
und -strategien offen legen müssen, um den<br />
erhöhten Anforderungen der Banken für die Kreditgewährung<br />
gerecht werden zu können.<br />
… kurzfristiger handeln und denken als bisher.<br />
… weniger als bislang Arbeitskräfte lebenslang beschäftigen<br />
können.<br />
… wie bisher stark mit ihrem heimischen Standort<br />
„verwurzelt" sein.<br />
… (noch) internationaler ausgerichtet sein als bereits<br />
heute.<br />
... häufiger mit Fremdmanagern arbeiten, öfter verkauft<br />
oder geschlossen werden, da es an Nachfolgern<br />
aus dem Kreis der Eigentümerfamilie mangelt.<br />
1,36<br />
1,52<br />
1,64<br />
1,99<br />
2,19<br />
2,50<br />
2,67<br />
2,71<br />
1,00 2,00 3,00 4,00 5,00<br />
trifft voll<br />
und ganz zu<br />
Quelle: Unternehmensbefragung „Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong>“ der <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong>, <strong>2006</strong>.<br />
trifft überhaupt<br />
nicht zu<br />
Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden aufgrund des hohen und weiter<br />
zunehmenden Wettbewerbs noch effizienter als bisher wirtschaften müssen.<br />
Von allen acht Thesen erfährt diese mit einem Mittelwert von 1,36 die größte Zustimmung<br />
– und zwar unabhängig von der Branche, der Unternehmensgröße, der<br />
57
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
58<br />
Intensität der Auslandsbeziehungen oder auch dem Alter des Unternehmens. Lediglich<br />
sechs der befragten Familienunternehmen vertreten die Ansicht, dass diese<br />
Aussage überhaupt nicht zutrifft. 66 % der Familienunternehmer stimmen hingegen<br />
voll und ganz zu.<br />
Dies bestätigt, dass die Familienunternehmen sehr wohl wissen, dass sie sich den<br />
zunehmend globalen Wettbewerbseinflüssen nicht dauerhaft entziehen können. Diese<br />
äußern sich u. a. in einem verstärkten Kosten- und Anpassungsdruck in den<br />
Märkten. Zunehmend sehen sich auch kleine hessische Familienunternehmen mit<br />
nur lokalem Absatzmarkt diesen Herausforderungen gegenüber – z. B. Bäcker, die<br />
mit „Billigbäckern“ mit vorgefertigten Teigrohlingen aus dem Ausland im Wettbewerb<br />
stehen oder Bauunternehmer, die mit Scheinselbständigen aus den neuen EU-<br />
Mitgliedstaaten konkurrieren müssen. Vor allem die Konkurrenz aus Osteuropa und<br />
Fernost, aber in geringerem Maße auch durch die hiesigen Großunternehmen in<br />
Verbindung mit als ungleich empfundenen Wettbewerbsbedingungen werden von<br />
den Befragten als große, teilweise gar die Existenz bedrohende Probleme angeführt.<br />
Die bei Großunternehmen längst übliche Strategie fortwährender Optimierung der<br />
eigenen Geschäftsprozesse wird zukünftig verstärkt auch in die Familienunternehmen<br />
einziehen. Dies wird manches Unternehmen sehr fordern, wird doch mit Familienunternehmen<br />
eher die Präferenz für das Bekannte, das Bewährte verbunden.<br />
Jedoch eröffnen sich auch neue Marktchancen: So ist z. B. das wachsende Gewicht<br />
individueller und auf die speziellen Kundenanforderungen zugeschnittener Produkte<br />
und Dienstleistungen insbesondere für die Familienunternehmen interessant, da<br />
diese in der Regel „sehr nahe am Kunden“ sind. 89<br />
Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden eine schlagkräftigere Interessenvertretung<br />
/ Lobby benötigen, damit die Politik die Rahmenbedingungen<br />
mehr auf Familienunternehmen und weniger auf Großkonzerne ausrichtet.<br />
Auch diese These trifft mit einem Durchschnittswert von 1,52 auf sehr große Zustimmung<br />
bei den Befragten. Mit zunehmendem Alter des Unternehmens ist die<br />
Identifikation als Familienunternehmen ausgeprägter und eine spezifische Interessenvertretung<br />
wird für wichtiger erachtet. So geben 71 % der Unternehmen, die<br />
bereits zwischen 1871 und 1913 gegründet wurden, „trifft voll und ganz zu“ an. Dies<br />
gilt nur bei 56 % der „frisch“ (zwischen 2000 und <strong>2006</strong>) gegründeten hessischen<br />
Familienunternehmen.<br />
89 Diese Nähe kann sich bei Familienunternehmern auch auf den privaten Bereich erstrecken, wenn bspw. Unternehmer<br />
und Kunde Mitglied im gleichen Sportverein sind.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
Bestehende Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Großunternehmen abzubauen<br />
gehört denn auch zu den immer wiederkehrenden Forderungen der hessischen Familienunternehmen.<br />
So sind alleine im Steuerrecht eine Vielzahl von diskriminierenden<br />
Regelungen enthalten90 – mit der Erbschaftsteuer wurde ein besonderer Problemkreis<br />
bereits thematisiert.<br />
Verständnis in der Politik sowohl auf der Landes-, Bundes- als auch verstärkt auf<br />
der europäischen Ebene für die spezifischen Bedürfnisse der Familienunternehmen<br />
zu wecken, ist jedoch nicht der einzige Punkt. Im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung<br />
stehen zumeist die Großunternehmen. Deshalb ist die Herstellung eines<br />
angemessenen Verhältnisses zwischen volkswirtschaftlicher Bedeutung und öffentlicher<br />
Wahrnehmung der Familienunternehmen ein weiterer Aspekt, den sich zahlreiche<br />
Familienunternehmer in <strong>Hessen</strong> wünschen. Aussagen wie z. B. „Wir schaffen<br />
die Arbeitsplätze“ oder „Wir zahlen unsere Steuern hier und nicht im Ausland“ zielen<br />
in diese Richtung.<br />
Zur Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit gehören ebenfalls die Vermittlung eines positiven<br />
Bildes vom Familienunternehmen und damit auch die Motivation zur Selbständigkeit.<br />
91 Hierbei ist selbstverständlich auch die Initiative der einzelnen Unternehmer<br />
gefragt. Gründungen in jüngerer Vergangenheit zeigen das bestehende Interesse<br />
an einer spezifischen Interessenvertretung. So wurde z. B. 1998 die „Deutsche Gesellschaft<br />
für Familienunternehmen e.V.“ gegründet und im Jahr 2004 die „Stiftung<br />
für Familienunternehmen in Deutschland und Europa“ ins Leben gerufen, die die bereits<br />
seit 1949 bestehende „Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer“ ergänzen.<br />
Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden mehr Sicherheiten bieten und<br />
mehr Geschäftszahlen und -strategien offen legen müssen, um den erhöhten<br />
Anforderungen der Banken für die Kreditgewährung gerecht werden zu können.<br />
Der Bankkredit ist sowohl zur Sicherung der Liquidität als auch zur Wachstumsfinanzierung<br />
für den Großteil der Familienunternehmen in Deutschland traditionell<br />
unverzichtbar. Dies trifft erst recht zu, da kleinere Unternehmen im Allgemeinen<br />
schlechter mit Eigenkapital ausgestattet sind als größere Unternehmen. Besonders<br />
bei kleinen Handelsunternehmen, aber auch im Gastgewerbe ist die Eigenkapital-<br />
90 Vgl. zu einer knappen Übersicht mit erläuternden Beispielen z. B. Crezelius, G. (2005).<br />
91 Hierzu hat ein hessischer Familienunternehmer in einem Gespräch mit dem Verfasser kritisch angemerkt, dass in der<br />
jüngeren Vergangenheit von Seiten der Politik zwar die Selbständigkeit stärker propagiert und auch unterstützt werde, die<br />
Selbständigkeit jedoch zunehmend den Charakter einer „Notlösung“ für Problemgruppen des Arbeitsmarktes bekäme.<br />
Der Unternehmer wünscht sich eine stärkere Betonung der Selbständigkeit als freiwillige Entscheidung aus Überzeugung<br />
und Bekenntnis zum Unternehmertum.<br />
59
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
60<br />
decke dünn. 92 Darüber hinaus gilt bei Familienunternehmen der Bedarf an Finanzmitteln<br />
im Vergleich zu großen Konzernen als strukturell höher93 – sei es z. B. durch<br />
Entnahmen der Familie, die auch in schlechten Zeiten des Unternehmens ihren Lebensunterhalt<br />
sichern muss.<br />
Viele der befragten hessischen Familienunternehmen beklagen Schwierigkeiten,<br />
von den Banken Kredite zu erhalten. Aussagen wie „restriktive Kreditvergabe“,<br />
„(mehr als) zögerliche Banken“, oder „Hausbanken winken immer ab“ sind keine<br />
Einzelfälle. 94 Familienunternehmen sind für Kreditgeber oft wenig interessant, da<br />
u. a. die Transparenz häufig zu wünschen lässt, so dass die Risiken schwer kalkulierbar<br />
sind. Ob das hinter der Abkürzung „Basel II“ stehende Regelwerk ursächlich<br />
für die Verknappung der Kredite und die Verschlechterung der Konditionen ist oder<br />
„nur“ einen Teil dazu beigetragen hat, soll an dieser Stelle nicht thematisiert werden.<br />
Fest steht, dass seit Basel II ein – in der Regel von den Kreditinstituten – vergebenes<br />
Unternehmensrating zentral für die Kreditgewährung ist. Für das Familienunternehmen<br />
ist es damit von entscheidender Bedeutung, ein erstklassiges Rating zu erlangen.<br />
Die Finanzkennziffern des Unternehmens sind für die Feststellung des Ratings<br />
von hoher Bedeutung, aber es werden noch weitere Faktoren wie z. B. die Regelung<br />
der Unternehmensnachfolge herangezogen. 95 Insgesamt führt das Rating allerdings<br />
auch zu einer realistischeren Bewertung des Unternehmens und trägt damit<br />
auch zur Vermeidung von Vermögensillusionen – nicht nur bei Dritten, sondern auch<br />
bei dem betroffenen Unternehmen selbst – bei.<br />
Die Befragungsergebnisse zeigen, dass die Unternehmen im Zusammenhang mit<br />
Basel II von weiter steigenden Anforderungen seitens der Banken ausgehen: Für<br />
54 % der hessischen Familienunternehmen trifft die These, dass sie zukünftig mehr<br />
Sicherheiten bieten und mehr Geschäftszahlen und -strategien offen legen müssen<br />
als bisher, „voll und ganz zu“. Mit einem Mittelwert von 1,64 fällt die Zustimmung nur<br />
wenig geringer als zur vorangegangenen Frage zum Lobbyismus bzw. zur Interessenvertretung<br />
aus. Das Antwortverhalten ist weitestgehend unabhängig von der Unternehmensgröße,<br />
d. h. selbst die Kleinstunternehmen teilen diese Ansicht. Hessische<br />
Familienunternehmen mit ausgeprägter Auslandsorientierung (hoher Auslandsumsatz<br />
/ oder Standorte im Ausland) sehen hingegen in geringerem Ausmaße<br />
erhöhte Anforderungen auf sich zukommen. Die enge Einbindung in die Weltwirtschaft<br />
dürfte bei diesen Unternehmen bereits für ein höheres Maß an Transparenz<br />
92 Vgl. z. B. die jüngste Umfrage des Verbandes der Vereine Creditreform e.V. Neuss (<strong>2006</strong>), S. 30f.<br />
93 Vgl. Hennerkes, B.-H. (2004), S. 355.<br />
94 Dies deckt sich mit Äußerungen des Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Familienunternehmen, Sterr-Kölln, der<br />
feststellt: „In den Chefetagen der Banken ist das Verständnis für Familienunternehmen deutlich gesunken“. Vgl. o. V.<br />
(2005a), S. 9.<br />
95 Diese eher „weichen“ Faktoren sollten keinesfalls unterschätzt werden: So klagte ein Familienunternehmen gegenüber<br />
dem Verfasser, dass ihm ein Kredit nicht gewährt worden sei, weil – nach Auskunft des Unternehmers – „ein paar Kleinigkeiten“<br />
in der Unternehmensnachfolge nicht geregelt waren.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
gegenüber Kapitelgebern gesorgt haben. Auch dürften diesen Unternehmen mit<br />
dem Ausland alternative Finanzierungsquellen zur Verfügung stehen.<br />
Basel II erfordert von Seiten der Familienunternehmen eine deutlich offenere Kommunikationsstrategie<br />
im Verhältnis zu den Banken. Die wirtschaftliche Situation offen<br />
darzulegen, aber auch belastbare Aussagen über die Zukunftsperspektiven des<br />
Unternehmens zu treffen, ist nötig, um den zunehmenden Druck der Banken in<br />
Richtung mehr Transparenz aktiv zu entsprechen. Hierbei handelt es sich durchaus<br />
um „Tabubrüche“ 96 für viele Familienunternehmen – und entsprechend ist ein Umdenken<br />
erforderlich. Hierzu gehört es auch, sich intensiv mit dem Rating und dessen<br />
Kriterien auseinanderzusetzen. 97 Dies ist noch keine Selbstverständlichkeit: Etwa<br />
die Hälfte der in einer Studie98 befragten Unternehmen kannte ihr Rating nicht und<br />
mehr als ein Drittel war über die dem Rating zugrunde liegenden Kriterien nicht informiert.<br />
Je kleiner das Unternehmen, desto größere Informationsdefizite zeigten<br />
sich, was auf Kommunikationsdefizite zwischen Kreditwirtschaft und Mittelstand<br />
hinweist.<br />
Ob das Anliegen eines der befragten hessischen Unternehmer in Erfüllung geht, der<br />
sich „wieder mehr Kreditvergabe mit Augenmaß statt mit reiner Zahlenarithmetik“<br />
wünscht, ist vor dem Hintergrund der Befragungsergebnisse zu bezweifeln. Es darf<br />
allerdings auch nicht vergessen werden, dass die mit Basel II verbundene Transparenz<br />
den Familienunternehmen auch neue Finanzierungsoptionen eröffnet (z. B.<br />
Mezzanine-Finanzierung). 99<br />
Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden kurzfristiger handeln und<br />
denken als bisher.<br />
Familienunternehmen sind nach allgemeiner Ansicht im Vergleich zu anderen Unternehmen<br />
langfristiger orientiert. Dies ergibt sich bereits aus der Erwartung, dass<br />
der Familienunternehmer in der Regel das Unternehmen als Familienunternehmen<br />
erhalten möchte. Unternehmensstrategie und konkrete Einzelentscheidungen werden<br />
an diesem Oberziel ausgerichtet, was sich dann oft in einem vergleichsweise<br />
langsamen, aber dafür stetigen Wachstum äußert. Auch sind in der Regel erhebliche<br />
Teile des Familienvermögens im Unternehmen investiert100 – ein weiterer we-<br />
96 Vgl. Wimmer, R., Domayer, E., Oswald, M. u. Vater, G. (2005), S. 167.<br />
97 So nennt Albach sogar unter der Überschrift „Bedingungen für das Überleben von Familienunternehmen“ als einen von<br />
zehn Punkten: „Das Unternehmen stellt sich der Diskussion mit den Finanzanalysten und Rating-<strong>Agentur</strong>en.“ Vgl. Albach,<br />
H. (2002), S. 172.<br />
98 Vgl. KfW Bankengruppe (Hrsg.) (2005), S. 66.<br />
99 Vgl. ausführlich zur Mezzanine-Finanzierung sowie zu weiteren Finanzierungsformen speziell vor dem Hintergrund mittelständischer<br />
Unternehmen Spahn, P.B. u. van den Busch, U. (2002), S. 206ff. Vgl. zur Finanzplatzstruktur und Kapitalausstattung<br />
mittelständischer Unternehmen Harsche, J. u. van den Busch, U. (<strong>2006</strong>), S. 194ff.<br />
100 In Personengesellschaften haftet der Familienunternehmer grundsätzlich mit seinem gesamten Vermögen (einschl. Privatvermögen).<br />
61
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
62<br />
sentlicher Grund für eine eher risikoaverse, auf den langfristigen Erfolg abzielende<br />
Strategie, da dieses Vermögen im Interesse der Absicherung der Familie nicht übermäßigen<br />
Risiken ausgesetzt werden soll.<br />
Die Befragungsergebnisse der hessischen Familienunternehmen weisen darauf hin,<br />
dass auch bei den Familienunternehmen die Entwicklung tendenziell weg von der<br />
langfristigen Orientierung mehr in Richtung kurzfristigerem Denken und Handeln<br />
gehen wird. So trifft für 32 % der Familienunternehmer die Aussage „Die Familienunternehmen<br />
der Zukunft werden kurzfristiger handeln und denken als bisher“ voll<br />
und ganz zu. Dies gilt für Kleinstunternehmen mit bis zu 9 Beschäftigten ebenso wie<br />
für die „großen“ Familienunternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern. Lediglich 2 % der<br />
Befragten sind gar nicht dieser Ansicht. Im Handel fällt die Zustimmung etwas größer<br />
aus als in der Industrie und bei den Dienstleistungen. Über alle Branchen hinweg<br />
beträgt der Mittelwert der Bewertungen 1,99.<br />
Neben allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen (dem zunehmenden Wettbewerb<br />
oder dem technischen Fortschritt), der von allen Unternehmen erhöhte Flexibilität<br />
und Anpassungsgeschwindigkeit fordert, gibt es auch gesellschaftliche Faktoren, die<br />
sich insbesondere auf die Familienunternehmen auswirken. Ein Beispiel ist die zunehmende<br />
Individualität, die den Familienverband schwächt. Wie bereits in Kapitel<br />
6.3 abgeleitet, ist es als Sohn oder Tochter keineswegs mehr selbstverständlich,<br />
das elterliche Unternehmen zu übernehmen bzw. muss dies nicht von Dauer sein.<br />
Fragen des Ausstiegs von Gesellschaftern, der Abfindung von Familienmitgliedern,<br />
der Bestellung von Fremdgeschäftsführern, der Gewinnung von familienfremden Investoren<br />
(mit u. U. höheren Renditeerwartungen) wirken eher in Richtung einer<br />
kurzfristigeren Ausrichtung des Unternehmens, ja lassen im Extremfall eine längerfristige<br />
Strategieentwicklung kaum noch zu.<br />
Eine zunehmend kurzfristigere Orientierung muss jedoch nicht zwingend von Nachteil<br />
sein. Hält ein Familienunternehmen z.B. (zu) lange an bewährten Geschäftsprinzipien<br />
oder auch an über viele Jahre gewachsenen Absatz- und Beschaffungsbeziehungen<br />
fest, besteht die Gefahr, dass es die erforderliche Flexibilität einbüßt, um<br />
auf neue Anforderungen adäquat reagieren zu können. Damit sind die Familienunternehmen<br />
in der Zukunft wohl auch weniger ein Hort der Stabilität als in der Vergangenheit.<br />
Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden weniger als bislang Arbeitskräfte<br />
lebenslang beschäftigen können.<br />
Mit Familienunternehmen wird eine andere Personalpolitik verbunden als mit großen<br />
Konzernen, die fortwährend neue Kostensenkungs- und Umstrukturierungsprogramme<br />
auflegen, die in den Abbau von tausenden, ja zehntausenden Arbeitsplätzen
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
münden. In der Tat existiert in Familienunternehmen häufig eine ausgeprägte wechselseitige<br />
Bindung zwischen Mitarbeitern und Unternehmen bzw. Eigentümerfamilie<br />
– „Identifikation“ wird gelebt und ist nicht zur Worthülse geworden. Die Beschäftigten<br />
werden meist in jungen Jahren rekrutiert, im Unternehmen selbst ausgebildet und<br />
zeichnen sich durch eine langjährige Betriebszugehörigkeit aus. Auch das Übertragen<br />
von familiären Beziehungsmustern auf die Mitarbeiter trägt dazu bei, dass die<br />
Bindung viel enger als in „anonymen“ Großunternehmen ist. Entsprechend schwerer<br />
fällt es, sich von Personal zu trennen und dementsprechend intensiver sind die Anstrengungen,<br />
dies zu vermeiden. 101 Damit einher geht eine hohe Leistungsbereitschaft<br />
der Belegschaft, die oft über die eines „normalen“ Beschäftigungsverhältnisses<br />
hinausgeht. Bisweilen wird hierin gar ein „einzigartige[r] Wettbewerbsvorteil im<br />
Hinblick auf die Mitarbeitermotivation und die vorherrschende Arbeitsatmosphäre“ 102<br />
der Familienunternehmen gesehen.<br />
Ob dieser Wettbewerbsvorteil jedoch auch in Zukunft noch in dem Maße Bestand<br />
haben wird, ist fraglich: 29 % der befragten Familienunternehmer sind voll und ganz<br />
der Ansicht, dass zukünftig Familienunternehmen weniger als bislang Arbeitskräfte<br />
lebenslang beschäftigen können. Lediglich 4 % vertreten die Gegenposition. Insgesamt<br />
gesehen liegt der Mittelwert bei 2,26, wobei ein hoher Anteil (25 %) die mittlere<br />
Kategorie „drei“ angegeben hat, was zum Teil als „weiß nicht“ interpretiert werden<br />
kann. Mit zunehmendem Wettbewerb und kurzfristigerer Ausrichtung auch der Unternehmensstrategie<br />
sind zwei Ursachen für diese vermutliche Entwicklung bereits<br />
thematisiert worden. Hinzu tritt mit der wirtschaftlichen Lage ein eher konjunktureller<br />
Bestimmungsgrund, der sich allerdings von Branche zu Branche unterschiedlich<br />
darstellt. So fällt denn auch bei den hessischen Familienunternehmen des Baugewerbes<br />
die Zustimmung überdurchschnittlich hoch aus; viele Unternehmen im Baugewerbe<br />
mussten innerhalb weniger Jahre einen beträchtlichen Teil ihrer Belegschaft<br />
entlassen. Die Befragung zeigt im Hinblick auf das Alter des Unternehmens<br />
eine klare Tendenz: Je jünger das Unternehmen, desto größer die Zustimmung zur<br />
eingangs angeführten These. Möglicherweise sind die alteingesessenen Mehrgenerationen-Familienunternehmen<br />
optimistischer, da sie bereits auf viele Jahrzehnte erfolgreiche<br />
Unternehmensvita zurückblicken können, während bei den „Newcomern“<br />
verständlicherweise die Unsicherheit stärker ausgeprägt ist.<br />
Ein weiterer Grund könnte hier eine Rolle spielen: Junge, neu gegründete Unternehmen<br />
– insbesondere wissensorientierte Dienstleistungsunternehmen – attrahieren<br />
in der Regel junge, hoch qualifizierte Mitarbeiter, deren Ansprüche an die Quali-<br />
101 Hierauf sind die Familienunternehmen durchaus stolz, wie zahlreiche Äußerungen von Unternehmern im Rahmen der<br />
Befragung zu Internationalisierung und EU-Osterweiterung des Hessischen <strong>Mittelstandsbericht</strong>s 2005 gezeigt haben. Vgl.<br />
zu den Risiken einer solchen engen Bindung zwischen Familienunternehmen und Beschäftigten Wimmer, R., Groth, T. u.<br />
Simon, F.B. (2004), S. 54f.<br />
102 Wiechers, R. (<strong>2006</strong>), S. 319.<br />
63
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
64<br />
tät ihrer Arbeit sowie an die Arbeitsbedingungen hoch sind. Um der Karriere willen<br />
werden häufiger Arbeitsplatzwechsel vollzogen, so dass die obige These auch im<br />
Sinne interpretiert werden kann, dass es Familienunternehmen weniger gelingen<br />
wird, Beschäftigte (arbeits-)lebenslang an sich zu binden.<br />
Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden wie bisher stark mit ihrem<br />
heimischen Standort "verwurzelt" sein.<br />
In Kapitel 5 wurde bereits ausführlich die enge Bindung der Familienunternehmen<br />
an den Unternehmensstandort diskutiert und auf mögliche Trends diesbezüglich hingewiesen.<br />
Wie sehen die hessischen Familienunternehmen selbst ihre zukünftige<br />
Verwurzelung mit dem Standort? Mit einem Mittelwert von 2,50 liegt deren Einschätzung<br />
recht nahe an der „neutralen“ Kategorie. Die nähere Betrachtung der Befragungsergebnisse<br />
belegt, dass die Bindung zum Standort sich in Zukunft (weiter)<br />
lockern dürfte – sei es z. B. durch die zunehmende internationale Ausrichtung und<br />
Arbeitsteilung, durch die häufigere Bestellung von familienfremden Managern ohne<br />
Beziehung zum Unternehmensstandort, durch Veränderungen in den Kunden- und<br />
Lieferantenbeziehungen (z. B. Abwanderung von Kunden nach Osteuropa) oder<br />
auch durch Übernahme, Verkauf und Fusion. Denn: Nur 32 % derjenigen Unternehmer,<br />
die sich sehr stark mit ihrem Standort verwurzelt fühlen, gehen davon aus,<br />
dass dies auch zukünftig so bleiben wird.<br />
Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden (noch) internationaler ausgerichtet<br />
sein als bereits heute.<br />
Diese These erfährt von allen angeführten Aussagen mit einem Durchschnittswert<br />
von 2,67 die zweitniedrigste Zustimmung. Hinter diesem Mittelwert verbergen sich<br />
jedoch erhebliche Disparitäten, die insbesondere an der bereits bestehenden internationalen<br />
Ausrichtung der Unternehmen festgemacht werden können. So zeigt sich<br />
ein starker positiver Zusammenhang zwischen der Höhe des Auslandsumsatzes<br />
und dem Grad der Zustimmung, d. h. je stärker das Familienunternehmen bereits<br />
heute am internationalen Markt orientiert ist, desto eher wird erwartet, dass die Internationalisierung<br />
noch weiter zunehmen wird. So stimmen 58 % der Unternehmen<br />
mit mehr als 50 % Auslandsumsatz der obigen These voll und ganz zu, von den auf<br />
den Inlandsmarkt orientierten Familienunternehmen sind es lediglich 9 %. Ein „Aufholprozess“<br />
findet also offenbar nicht statt.<br />
Wie der letzte Hessische <strong>Mittelstandsbericht</strong> gezeigt hat, sehen die Unternehmen<br />
zwar durchaus die Notwendigkeit, ihren räumlichen Absatzmarkt nicht zuletzt aufgrund<br />
von Sättigungstendenzen in den heimischen Märkten auszudehnen. 103 Unge-<br />
103 Vgl. Bauer, C. (2005), S. 31ff und S. 78.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
achtet der Möglichkeit, als Zulieferer eines exportierenden Unternehmens sozusagen<br />
indirekt zu exportieren, sind die oft dynamisch expandierenden Auslandsmärkte<br />
für viele Unternehmer jedoch unerreichbar. Muss z. B. die Dienstleistung oder die<br />
Produktion am Ort der Nutzung erfolgen, sind die Exportmöglichkeiten quasi naturgesetzlich<br />
eng begrenzt. Beispiele hierfür sind das Baugewerbe und weite Bereiche<br />
des Handwerks – beides Domänen von Familienunternehmen. Entsprechend fällt<br />
auch die Zustimmung zur Internationalisierungsthese im Baugewerbe deutlich geringer<br />
als in der Industrie aus. Zudem ist der Finanzaufwand zur Erschließung von<br />
Auslandsmärkten häufig sehr hoch und überfordert viele der Familienunternehmen,<br />
die oft nur über eine geringe Kapitalausstattung verfügen. Hinzu kommen Sprachbarrieren.<br />
Bisweilen wird auch der Führungsstil der Familienunternehmen als<br />
Hemmnis für ein Auslandsengagement angeführt: 104 Der Familienunternehmer führt<br />
sehr direkt und seine Anwesenheit ist deshalb im Ausland – sei es beim Lizenznehmer,<br />
beim Vertriebspartner oder auch in der Auslandsniederlassung – häufig erforderlich.<br />
Ein solcher Führungsstil lässt sich bei Entfernungen von u.U. Tausenden<br />
von Kilometern allerdings schwerlich durchhalten, so dass Schwierigkeiten vorprogrammiert<br />
sind.<br />
Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden häufiger mit Fremdmanagern<br />
arbeiten, öfter verkauft oder geschlossen werden, da es an Nachfolgern aus<br />
dem Kreis der Eigentümerfamilie mangelt.<br />
Diese Aussage stößt bei den Familienunternehmen in <strong>Hessen</strong> mit einem Mittelwert<br />
von 2,71 auf die geringste Zustimmung. Ungeachtet der zahlreichen Hürden die für<br />
eine erfolgreiche Unternehmensübergabe zu meistern sind, sind viele Unternehmer<br />
offenbar zuversichtlich, was die Zukunft ihres Familienunternehmens betrifft. So teilen<br />
denn auch – verglichen mit den übrigen Aussagen dieses Kapitels – überproportional<br />
viele Familienunternehmen die Ansicht, es mangele an familieninternen Nachfolgern<br />
überhaupt nicht: 13 % sagen „trifft überhaupt nicht zu“ – für 15 % hingegen<br />
„trifft es voll und ganz zu“. Zu beachten ist, dass die These auf den Mangel an<br />
Nachfolgern aus der Eigentümerfamilie abstellt. Die Schließung des Unternehmens,<br />
weil es nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann oder z. B. der Verkauf an<br />
ein Großunternehmen, da die erforderliche Internationalisierung an den beschränkten<br />
finanziellen Ressourcen des Familienunternehmens gescheitert ist, sind damit<br />
nicht explizit erfasst. Zusammenhänge bestehen jedoch durchaus, wie das Beispiel<br />
des Baugewerbes (Mittelwert: 2,28) veranschaulicht. Hier macht sich offensichtlich<br />
die seit Jahren andauernde wirtschaftliche Krise im Baugewerbe bemerkbar, die<br />
sich mangels Perspektiven letztlich negativ auf die Bereitschaft zur Selbständigkeit<br />
im Baugewerbe auswirkt.<br />
104 Vgl. Hennerkes, B.-H. (2004), S. 330.<br />
65
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
8 Zusammenfassung<br />
66<br />
Die Landschaft der hessischen Familienunternehmen – hier verstanden als mittelständische<br />
Unternehmen, in denen sich Mitglieder der Eigentümerfamilie in der Unternehmensführung<br />
befinden – zeichnet sich durch eine vielfältige Mischung aus<br />
jungen und alteingesessenen Unternehmen aus. So wurde ein Viertel der heute<br />
noch tätigen Familienunternehmen erst nach der Wiedervereinigung gegründet,<br />
während ebenfalls rund ein Viertel der Unternehmen bereits älter als <strong>Hessen</strong> selbst,<br />
d.h. älter als 60 Jahre ist. Einige können sogar auf eine mehr als 200 Jahre alte<br />
Tradition zurückblicken. Eine derart lange Unternehmensvita steht in besonderem<br />
Maße für familiäre wie ökonomische Beständigkeit und eine hohe Flexibilität – und<br />
somit keineswegs für ein Relikt aus der Vergangenheit. Nichtsdestotrotz ist eine permanente<br />
„Auffrischung“ des Unternehmensbestandes durch neu gegründete Familienunternehmen<br />
erforderlich, um eine „gesunde“ Altersstruktur und die Leistungsfähigkeit<br />
der Wirtschaft zu erhalten, wobei die Wirtschaftspolitik z.B. durch Existenzgründungsprogramme<br />
wertvolle Hilfestellung leisten kann.<br />
Ein wesentlicher Grund für die Leistungsfähigkeit von Familienunternehmen ist die<br />
von der Eigentumsbindung ausgehende besondere Motivation der Unternehmer.<br />
89 % der befragten hessischen Unternehmen befinden sich denn auch vollständig in<br />
Familienbesitz. Dass nur in 11 % der Fälle Familienfremde – in der Regel in Form<br />
von Minderheitsbeteiligungen – Miteigentümer sind, beweist den großen Wunsch<br />
der Familienunternehmen nach Autonomie. Dies wird noch deutlicher anhand der<br />
Unternehmensführung: Lediglich in 5 % der befragten hessischen Familienunternehmen<br />
sind Fremdmanager Mitglied der Geschäftsführung bzw. des Vorstands.<br />
Über ein Drittel der sich ausschließlich im Familienbesitz befindlichen befragten Unternehmen<br />
ist noch in Gründerhand bzw. im Besitz der 1. Generation, knapp 20 % in<br />
der 2. Generation und etwa ein Viertel in der 3. oder höheren Generation. In rund<br />
20 % der Fälle teilen sich mehrere Generationen den Besitz. Hierbei handelt es sich<br />
häufig um Unternehmen im Nachfolgeprozess, bei denen Übergeber (noch) und<br />
Nachfolger (schon) Geschäftsführer sind.<br />
Die Untersuchung belegt die ausgeprägte Bindung der Familienunternehmen bzw.<br />
der -unternehmer an den heimischen Standort: Knapp die Hälfte der Befragten gibt<br />
eine sehr starke „Verwurzelung“ mit ihrem Unternehmensstandort an. Lediglich 2 %<br />
bezeichnen sich als überhaupt nicht mit dem Standort verwurzelt. Deutlich loser fällt<br />
die Bindung bei Unternehmen mit intensiven Wirtschaftsbeziehungen zum Ausland<br />
aus. Hierbei handelt es sich vornehmlich um größere Unternehmen aus dem Verarbeitenden<br />
Gewerbe.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
Für die Bindung des Unternehmens an den Standort sind langjährige Absatz- und<br />
Beschaffungsverflechtungen von großer Bedeutung. Für mehr als drei Viertel der<br />
befragten Familienunternehmen sind wichtige Kunden bzw. Zulieferer in der Region<br />
ansässig. Von den Familienunternehmen, die sich sehr stark mit dem Standort verwurzelt<br />
fühlen, haben sogar 90 % wichtige Kunden bzw. Zulieferer in der Region.<br />
Auch der Geburtsort des Unternehmers ist für diese Bindung von Bedeutung. Bei<br />
etwa drei Viertel der Befragten liegt der Geburtsort des Unternehmers in der Standortgemeinde<br />
oder in der näheren Umgebung. Allerdings hat im Zeitablauf eine Lockerung<br />
zwischen Geburtsort und Unternehmenssitz stattgefunden, denn bei den<br />
nach 1980 gegründeten Unternehmen sind es nur noch knapp 60 %.<br />
Die enge Bindung von Familienmitgliedern an den Standort drückt sich auch in einem<br />
ausgeprägten ehrenamtlichen Engagement aus, denn mehr als die Hälfte der<br />
Unternehmer sind ehrenamtlich tätig – z.B. in Vereinen, der Kirche, in Verbänden,<br />
der IHK oder Handwerkskammer. Ein noch größerer Anteil (zwei Drittel) der Familienunternehmen<br />
ist in der Region als Sponsor, Förderer bzw. Mäzen aktiv. In Zeiten<br />
knapper öffentlicher Mittel und vor dem Hintergrund des demografischen Wandels<br />
wird Ehrenamt wie Sponsoring – sei es z.B. für soziale Zwecke oder in der Kultur –<br />
in Zukunft wichtiger werden, um einerseits eine gewisse „Grundversorgung“ für die<br />
Einwohner zu gewährleisten und um andererseits die Attraktivität des Unternehmensstandorts<br />
zu steigern (z.B. um Mitarbeiter zu gewinnen). Das Land misst daher<br />
auch der Motivation der hessischen Familienunternehmer zum ehrenamtlichen Engagement<br />
sowie der Gewinnung von Sponsoren große Bedeutung zu.<br />
Die erfolgreiche Unternehmensübergabe an einen geeigneten Nachfolger ist ein<br />
wesentliches Element zur Sicherung des Unternehmensbestands in <strong>Hessen</strong> und der<br />
damit verbundenen Arbeitsplätze. Sie ist zugleich eines der komplexesten Probleme,<br />
die ein Familienunternehmen in Laufe seiner Entwicklung zu lösen hat – und<br />
dies gelingt beileibe nicht immer. Die Befragung zeigt die große Bedeutung der<br />
Nachfolgeproblematik für <strong>Hessen</strong> auf: Etwa ein Viertel der befragten Familienunternehmen<br />
will bis zum Jahr 2010 die Nachfolgefrage gelöst, d.h. sowohl die Unternehmensführung<br />
als auch das Eigentum abgetreten haben. Hierunter befinden sich<br />
viele Familienunternehmen, die in den 1970er Jahren gegründet wurden. Ein weiteres<br />
Viertel der hessischen Familienunternehmen beabsichtigt die Übergabe ihres<br />
Unternehmens bis zum Jahr 2015 abzuschließen. Zusammengefasst strebt damit in<br />
den nächsten knapp zehn Jahren etwa die Hälfte der befragten hessischen Familienunternehmen<br />
eine Übergabe an.<br />
Sicherlich werden sich die Absichten der Unternehmer nicht immer realisieren lassen,<br />
so können z.B. Schwierigkeiten bei der Übergabe diese verzögern oder z.B. eine<br />
Krankheit des Unternehmers eine frühere Übergabe erfordern. Die Befragungsergebnisse<br />
zeigen jedoch klar die beachtliche Dynamik, die in <strong>Hessen</strong> in den nächs-<br />
67
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
68<br />
ten Jahren zu erwarten ist. Hierbei handelt es sich im Übrigen keineswegs um eine<br />
speziell hessische Herausforderung, sondern durchaus um eine europaweite Fragestellung.<br />
Die Mehrzahl der Übertragungen wird sicherlich mehr oder weniger friktionslos<br />
vonstatten gehen und ein gewisser Abgang „alter“ Unternehmen und deren<br />
Ersatz durch Neugründungen sind natürliche Vorgänge in einer innovativen Volkswirtschaft.<br />
Finden wettbewerbsfähige Unternehmen jedoch keine Nachfolger oder<br />
scheitern an Übergabeschwierigkeiten, so werden Wissen, Kapital und Arbeitsplätze<br />
vernichtet.<br />
Gleichwohl gibt es neue Rahmenbedingungen: Die Zahl der Übergebenden steigt,<br />
die der potenziellen Übernehmer sinkt. Diese demografische Komponente bedeutet<br />
ein größeres Risiko für das Gelingen einer Übergabe. Hinzu kommt, dass die Dynamik<br />
modernen Wirtschaftens bewährte Unternehmensstrategien schneller infrage<br />
stellt und die Unsicherheit über die Überlebenskraft selbst heute erfolgreicher Unternehmen<br />
erhöht. Hier „verführen“ zu hohe Erwartungen über die künftigen Er-träge<br />
zu Vermögensillusionen, die erst bei einer Übergabe deutlich werden. Nicht immer<br />
deckt der Erlös den finanziellen Bedarf des Übergebers.<br />
42 % der befragten hessischen Familienunternehmen sehen bereits zum jetzigen<br />
Zeitpunkt die Nachfolge aus der Eigentümerfamilie als gesichert an. In 5 % der Familienunternehmen<br />
wird von einer unternehmensinternen Nachfolgelösung in der<br />
Form ausgegangen, dass Mitarbeiter „ihr“ Unternehmen übernehmen – auch als<br />
Management-Buy-Out (MBO) bekannt. Weitere 5 % sind sicher, dass sie ihr Unternehmen<br />
an Externe verkaufen werden. Nur in Einzelfällen steht bereits jetzt die Stilllegung<br />
fest. Damit ist aus Sicht der Befragten in mehr als der Hälfte der Unternehmen<br />
die Zukunft ihres Lebenswerkes – wenn auch nicht immer als Familienunternehmen<br />
– gesichert. Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings, dass in 47 % der<br />
Fälle noch keine konkrete Aussage möglich ist. Wird nur der Zeitraum bis 2010 betrachtet<br />
sind es immerhin noch 37 % der Fälle, in denen die Vorstellungen noch vage<br />
sind, verschiedene Möglichkeiten noch geprüft werden oder noch kein Nachfolger<br />
gefunden ist.<br />
Die Suche nach einem geeigneten Nachfolger gestaltet sich zunehmend schwieriger:<br />
Die Befragung zeigt, welche Bedeutung bereits heute der fehlende Nachwuchs<br />
für die Nachfolge in hessischen Familienunternehmen hat. Von den Unternehmen,<br />
in denen aller Voraussicht nach keine familieninterne Nachfolge stattfindet, ist in<br />
19 % der Fälle diese schlicht und ergreifend deshalb nicht möglich, weil die Unternehmerfamilie<br />
keine Kinder hat. Durch den mittelfristig stark zunehmenden Anteil älterer<br />
Selbständiger ab 60 Jahre in Verbindung mit der geringen Geburtenrate dürften<br />
sich die Schwierigkeiten, einen Nachfolger in der Familie zu finden, zukünftig<br />
noch verstärken. Als weitere Gründe für die ausbleibende Nachfolge in der Familie<br />
werden u.a. unbefriedigende Rahmenbedingungen und die Wirtschaftslage angege-
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
ben, oder dass die Kinder kein Interesse am Unternehmen haben. Dies zeigt, wie<br />
wichtig die Schaffung von zukunftsweisenden Rahmenbedingungen (auch) für die<br />
Gewinnung von Nachfolgern und natürlich für die Motivation zur Selbständigkeit insgesamt<br />
ist. Hierbei steht der Abbau bürokratischer Hemmnisse ganz oben auf der<br />
„Dringlichkeitsliste“ der hessischen Familienunternehmen. 105<br />
Von der Erbschaftsteuerreform erwartet eine klare Mehrheit der hessischen Familienunternehmer<br />
eine Erleichterung der Unternehmensnachfolge. Insbesondere größere<br />
Familienunternehmen und die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes<br />
setzen auf die beabsichtigte Reform, 106 um den Liquiditätsentzug möglichst gering<br />
zu halten und sicherlich auch, um die internationale Wettbewerbsposition zu stärken.<br />
Für eine erfolgreiche Unternehmensübergabe ist eine sorgfältige, ausreichend lange<br />
Einarbeitung des Nachfolgers und seine rechtzeitige Einbindung in die Vorbereitungen<br />
und Planungen der Übergabe ein entscheidender Erfolgsfaktor. Die überwiegende<br />
Mehrheit der befragten hessischen Familienunternehmer sieht dieses als<br />
„sehr wichtig“ an. Entsprechend kann die Nachfolge besonders dann scheitern,<br />
wenn der Unternehmer ungeplant ausfällt und zudem unter Umständen die Nachfolge<br />
noch nicht geregelt ist. Deshalb ist es wichtig, den frühzeitigen Beginn der Nachfolgeplanungen<br />
zu betonen und die Familienunternehmer für einen derartigen Notfall<br />
zu sensibilisieren, damit diese Vorkehrungen treffen.<br />
An dritter Stelle in der Rangfolge der Erfolgsfaktoren folgt die vorausschauende<br />
Gestaltung der steuerlichen Seite. Nächst bedeutsam sind Finanzierungsfragen.<br />
Übernahmen müssen vom Übernehmer finanziert werden, und nicht immer reichen<br />
die verfügbaren Mittel aus. Hier ist auf die Möglichkeit der Nutzung öffentlicher Finanzierungshilfen<br />
hinzuweisen, insbesondere weil Übernehmer die Gründungsförderung<br />
(Darlehen, Bürgschaften, Beteiligungen, Beratungsangebote) nutzen können<br />
(vgl. Anhang: Finanzierungs- und Beratungshilfen des Landes).<br />
Erst an letzter Stelle wird die Vorbereitung des Vorgängers auf seinen neuen Lebensabschnitt<br />
als „sehr wichtig“ benannt. Vieles spricht allerdings für eine Unterschätzung<br />
dieser psychologischen Komponente: Häufig entstehen Probleme, weil<br />
der Übergeber in Ermangelung einer Perspektive über sein Berufsleben hinaus die<br />
Übergabe immer wieder hinausschiebt, oder er sich nach erfolgter Übergabe weiterhin<br />
in das Unternehmen einmischt.<br />
105 Eine Darstellung der zahlreichen, zum Teil sehr detaillierten Anregungen und Vorschläge an die Landesregierung aus<br />
Befragung – die sich nicht nur auf den Bürokratieabbau beschränken – hätte den Umfang des vorliegenden <strong>Mittelstandsbericht</strong>s<br />
gesprengt. Diese wurden deshalb zur Auswertung an den Auftraggeber, das Hessische Ministerium für Wirtschaft,<br />
Verkehr und Landesentwicklung, weitergeleitet.<br />
106 Zu beachten ist, dass zum Zeitpunkt der Befragung das beabsichtigte Stundungs- bzw. Erlassmodell noch keine „Arbeitsplatzklausel“<br />
beinhaltete.<br />
69
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
70<br />
Angesichts der Komplexität des Nachfolgeprozesses sind fundierte Informationen<br />
Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Unternehmensübergabe. Dies betrifft sowohl<br />
den Übergeber als auch den Nachfolger. Die persönliche Beratung steht in der<br />
Einschätzung der befragten hessischen Familienunternehmer hierbei mit klarem<br />
Abstand an erster Stelle. Eher „standardisierte“ Informationsquellen wie z.B. Broschüren<br />
und Merkblätter sowie Informationsveranstaltungen werden deutlich weniger<br />
geschätzt. Die hohe Bedeutung einer individuellen Beratung zeigt sich auch darin,<br />
dass mehr als ein Drittel der Befragten ein laufendes „Coaching“ des Nachfolgers<br />
während der Anfangszeit im Unternehmen für sehr hilfreich hält. Eine stärkere Ausrichtung<br />
der Informations- und Beratungsangebote auf eine individuelle Beratung<br />
und die persönliche Ansprache sowohl der Unternehmer wie der Nachfolger – auch<br />
in Form von spezifischen Weiterbildungsangeboten für Nachfolger, die kürzlich ein<br />
Unternehmen übernommen haben – ist sicherlich nützlich. Zurückhaltend werden<br />
von den befragten hessischen Familienunternehmern Online-Kontaktbörsen zur<br />
Vermittlung von Übertragungen bewertet: Lediglich rund 10 % betrachten diese als<br />
sehr hilfreich. Da es sich um vergleichsweise neue Angebote handelt, wird sich eine<br />
höhere Akzeptanz noch finden. Einige Online-Angebote sind zudem offenbar verbesserungsbedürftig.<br />
Dies ist auch erforderlich, denn je weniger Unternehmen innerhalb<br />
der Familie übertragen werden (können), desto funktionsfähiger muss der<br />
„Markt“ für Unternehmensnachfolgen sein. Denkbar wäre z.B. eine Verbesserung<br />
des schwierigen Matching-Prozesses, indem Übergebern wie Übernehmern bei der<br />
exakten Formulierung ihrer Anforderungsprofile Hilfestellung geleistet wird.<br />
Wie die hessische Wirtschaft insgesamt befinden sich auch die Familienunternehmen<br />
in <strong>Hessen</strong> in einem fortwährenden Wandel. Befragt nach den Zukunftsperspektiven<br />
der Familienunternehmen ergibt sich aus der Befragung in Kurzfassung folgendes<br />
Bild:<br />
• Aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs muss aus Sicht der befragten Familienunternehmer<br />
noch effizienter als bisher gewirtschaftet werden. Auch kleine<br />
Familienunternehmen können sich den zunehmend globalen Wettbewerbseinflüssen<br />
nicht dauerhaft entziehen.<br />
• Die „Familienunternehmen der Zukunft“ werden (noch) internationaler ausgerichtet<br />
sein als heute: Je stärker das Familienunternehmen jetzt schon auf Auslandsmärkten<br />
tätig ist, desto eher erwarten die Befragten, dass dies zukünftig<br />
noch weiter zunehmen wird. Ein „Aufholprozess“ zwischen den Unternehmen,<br />
die bereits intensive Verflechtungen mit dem Ausland unterhalten und denen,<br />
die auf den Inlandsmarkt fixiert sind, findet offenbar nicht statt. Letzteren fehlt<br />
oftmals vielfach die Möglichkeit zur Internationalisierung.
<strong>HA</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>GmbH</strong> – Standortentwicklung –<br />
• Der zunehmende Wettbewerb und auch der rasante technische Fortschritt sind<br />
wichtige Ursachen dafür, dass die traditionell eher langfristig orientierten Familienunternehmen<br />
zukünftig kurzfristiger handeln und denken müssen. Damit werden<br />
die Familienunternehmen statische Stabilität zunehmend durch dynamische<br />
Stabilität ersetzen müssen.<br />
• Dies dürfte sich nach Ansicht der Familienunternehmen früher oder später auch<br />
in der Personalpolitik niederschlagen: Für annähernd ein Drittel der befragten<br />
hessischen Familienunternehmer trifft es voll und ganz zu, dass Familienunternehmen<br />
zukünftig weniger als bislang Arbeitskräfte lebenslang beschäftigen<br />
können – lediglich 4 % vertreten die Gegenposition.<br />
• Die Bindung der Familienunternehmen und der -unternehmer zu ihrem heimischen<br />
Standort wird sich voraussichtlich (weiter) lockern.<br />
• Um den Forderungen und Anregungen speziell der Familienunternehmen an die<br />
Adresse der Wirtschaftspolitik mehr Nachdruck zu verleihen, wird eine schlagkräftigere<br />
Interessenvertretung der Familienunternehmen für nötig gehalten. Für<br />
knapp zwei Drittel der befragten hessischen Familienunternehmer trifft es voll<br />
und ganz zu, dass die „Familienunternehmen der Zukunft“ diese benötigen, damit<br />
die Politik die Rahmenbedingungen mehr auf Familienunternehmen und weniger<br />
auf Großkonzerne ausrichtet.<br />
• Da der Bankkredit für den Großteil der Familienunternehmen unverzichtbar ist,<br />
schlagen sich erhöhte Anforderungen an die Kreditgewährung seitens der Banken<br />
unmittelbar bei den Familienunternehmen nieder. Nicht zuletzt als Ergebnis<br />
von Basel II werden die Familienunternehmen zukünftig mehr Sicherheiten bieten<br />
und mehr Geschäftszahlen und -strategien offen legen müssen. Dies tangiert<br />
auch die Finanzierung von Unternehmensübernahmen insofern, als der<br />
Gefahr der oben genannten Vermögensillusionen entgegengewirkt wird.<br />
71
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
Anhang: Finanzierungs- und Beratungshilfen des Landes 107<br />
72<br />
Der Finanzierungsbedarf bei Übergaben entsteht in der Regel durch Aufwendungen<br />
für den Nachfolger, in selteneren Fällen durch de Durchführung von Investitionen<br />
noch durch den Übergeber (um das Unternehmen für die Übergabe „fit“ zu machen).<br />
Beratung- und Coaching ist vor der Übergabe, während des eigentlichen Transfers<br />
und in dem Unternehmen unter neuer Leitung auch nach der Übergabe zweckmäßig.<br />
<strong>Hessen</strong> fördert Investitionen, die (noch) der Übergeber tätigt, als Wachstumsmaßnehmen;<br />
die Aufwendungen des Übernehmers dienen dem Aufbau einer eigenen<br />
Existenz und werden in allen Förderprogrammen für die Existenzgründung als Übernahme<br />
oder Erwerb einer tätigen Beteiligung ausdrücklich als förderfähig genannt.<br />
Da Gleiche gilt für Beratungshilfen, wobei „reine“ Rechts- und Steuerberatung auch<br />
aus berufsrechtlichen Gründen aus der Förderung ausgeschlossen sind.<br />
Die Finanzierungshilfen für Investitionen werden von der IBH gemeinsam mit der<br />
Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) angeboten. Aufgrund der Architektur deren<br />
Förderprogramme (aus den Programmfamilien „Unternehmerkapital“ und „Unternehmerkredit“<br />
mit ihren – gewollt – fließenden Übergängen und damit individuellen<br />
Ausgestaltungsmöglichkeiten) ist in den Kreditprogrammen eine Unterteilung nach<br />
Gründungs- und Wachstumshilfen bislang nicht möglich; auch eine besondere Ausweisung<br />
der Fallgruppe „Nachfolgen“ liegt derzeit noch nicht vor. Dies gilt vergleichbar<br />
auch für die Beratungshilfen.<br />
Einzelheiten zur den Fördermöglichkeiten für Unternehmensnachfolger können dem<br />
Internet (www.existenzgründung-hessen.de) entnommen werden.<br />
In der nachfolgenden Zusammenstellung werden nur die Hilfen für kleine und mittlere<br />
Unternehmen in <strong>Hessen</strong> zur Förderung von Existenzgründungen und Unternehmenswachstum<br />
gemeinsam, allerdings ohne Unterteilung, dargestellt. Für sonstige<br />
Förderprogramme, etwa der Regional- und Ausbildungsplatzförderung, bei Forschungs-<br />
und Entwicklungsmaßnahmen oder in der institutionellen Unterstützung,<br />
die auch Unternehmensnachfolgen betreffen können, wird auf die jeweiligen gesonderten<br />
Veröffentlichungen verwiesen.<br />
107 Diese Darstellung wurde vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung verfasst.
1 Förderung von Unternehmensübergaben als Förderung von<br />
Gründung und Wachstum<br />
Zur Erleichterung von Gründung und Wachstum werden kleinen und mittleren Unternehmen<br />
in <strong>Hessen</strong> Finanzierungshilfen für Investitionen und begleitende Maßnahmen<br />
überwiegend in Form von Krediten (nachrangig als Eigenmittelsurrogat oder<br />
„echte“ als Fremdfinanzierung) gewährt, ferner durch Bürgschaftsübernahmen<br />
und Beteiligungsangebote. Diese Förderangebote gelten auch für Unternehmensübergaben<br />
bzw. -nachfolge. 2005 gab es im hessischen Mittelstand insgesamt<br />
2.585 Förderfälle (mit Zuschüssen der Regionalförderung von 15,5 Mio. Euro, Darlehen<br />
von 590,6 Mio. Euro, Bürgschaften für 67,3 Mio. Euro und 13,3 Mio. Euro Beteiligungen)<br />
für Investitionen von 1.045 Mio. Euro, mit denen rund 11.200 Arbeitsplätze<br />
geschaffen oder gesichert werden konnten. In diesen Zahlen sind die geförderten<br />
Fälle der Unternehmensübernahmen enthalten.<br />
Ferner werden Betriebsberatungen durch Zuschüsse gefördert.<br />
<strong>Hessen</strong> ergänzt mit seiner Förderung seit je das Angebot zinsgünstiger ERP-Mittelstandskredite.<br />
Diese Finanzierungshilfen für wurden 2004 von der der KfW/Mittelstandsbank<br />
im Zuge der erforderlichen verstärkten Risiko-Orientierung der Kreditkonditionen<br />
als Folge des Baseler Accords (Basel II) angepasst. Entsprechend den<br />
Finanzierungsbedürfnissen junger, wachsender und etablierter Unternehmen wurden<br />
„Programmfamilien“ gebildet.<br />
Für Gründungen, Übernahmen und wachsende Unternehmen soll die Familie „Unternehmerkapital“<br />
in erster Linie den Eigenmittelmangel bei der Gründung/Übernahme<br />
und in der Aufbauphase ausgleichen. Hierzu werden KfW-Mittel als Eigenkapitalsurrogat<br />
(durch Nachrangigkeit) bereitgestellt; mit zunehmendem Bedarf ist<br />
eine steigende Kofinanzierung durch die Hausbank erforderlich. Für Kleinstgründungen<br />
werden die Mikrodarlehen und das Startgeld beibehalten.<br />
Übernommene und/oder wachsende Unternehmen können die Programmfamilie<br />
„Unternehmerkredit“ nutzen, die „echte“ zinsgünstige Darlehen mit unterschiedlichen<br />
Laufzeiten anbietet. Die Programmfamilie „Unternehmerbeteiligung“ refinanziert und<br />
garantiert in erster Linie Beteiligungen von Beteiligungsgesellschaften (in <strong>Hessen</strong><br />
beispielsweise die MBG) und stärkt dadurch indirekt die Eigenkapitalausstattung<br />
mittelständischer Unternehmen. Vor allem wurden die Kreditkonditionen entsprechend<br />
dem Rating der Unternehmen differenziert.<br />
Die Möglichkeit der Kombination von Unternehmerkapital und Unternehmerkredit<br />
wurde ausgeweitet, um dadurch den individuellen Bedürfnissen von Gründern und<br />
wachsenden Unternehmen besser zu entsprechen und fließende Übergänge zwi-<br />
73
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
74<br />
schen beiden Programmfamilien zu ermöglichen. Die Orientierung an der Finanzierungsfunktion<br />
(Kapital, Kredit) und nicht mehr primär an den Entwicklungsphasen<br />
des Unternehmens (Gründung, Übernahme, Wachstum) erschwert die Vergleichbarkeit<br />
mit früheren Darstellungen der Finanzierungshilfen. Zudem entfielen mir<br />
dieser Neuordnung mehrere vorherige Förderprogramme ersatzlos, da die meisten<br />
dieser Einzelprogramme in die neuen Programmfamilien integriert wurden. Die Förderlandschaft<br />
erfuhr dadurch auch für die Unternehmensnachfolge erhebliche Veränderungen.<br />
So wurden ab 2004 die früheren ERP-Existenzgründungsdarlehen für Gründer/Übernehmer<br />
eingestellt und damit die durch Zuschussgewährung des Landes<br />
zinsgünstigen „<strong>Hessen</strong>-Kredite“ für hessische Start- Ups oder Übernahmen. Die IBH<br />
verbilligt seither für Gründungen, Übernahmen und wachsende Unternehmen Förderkredite<br />
der Programmlinie GuW („Gründung und Wachstum“) der KfW/Mittelstandsbank<br />
(aus der Programmfamilie „Unternehmerkredit“). Ein (Landes-)Zinszuschuss<br />
kann bis zu einem Kreditvolumen von 750.000 Euro gewährt werden. Die für<br />
Gründer und Übernehmer wichtige Eigenkapitalhilfe aus ERP-Mitteln (als Bundesprogramm)<br />
wird weiterhin als Teil der Programmfamilie „Unternehmerkapital“ gewährt.<br />
2 Darlehen für Gründung und Wachstum<br />
Die in <strong>Hessen</strong> für Existenzgründungen gewährten Förderkredite der Jahre 2004 und<br />
2005 gehen aus der nachfolgenden Übersicht hervor. Durch den Wegfall einiger<br />
Programme ist die Vergleichbarkeit eingeschränkt. Die Anzahl der mit Mikrodarlehen<br />
und Startgeld geförderten Fälle in <strong>Hessen</strong> hat sich zwar auf 375 erhöht,<br />
die Förder- und Projektvolumina sind allerdings annähernd gleich hoch geblieben.<br />
In diesen Zahlen der Förderung von Kleinstgründungen sind die aus arbeitsmarktpolitischen<br />
Gründen geförderten Vorhaben (Start-Geld, Überbrückungsgeld, Ich-AG)<br />
nicht enthalten.<br />
Diese Kleinstgründungen hatten bis einschließlich 2005 zu einer starken Zunahme<br />
der Zahl der Unternehmen und der Selbständigen geführt, sie gehen seither tendenziell<br />
zurück. Zum einen geht das durch diese Förderung erschließbare Potential<br />
an Kleinstunternehmern zurück, auch, weil die Zahl Jüngerer, damit auch Gründungwilliger,<br />
im Alter von 25 bis 35 Jahren abnimmt. Die Zahl von Personen in diesem<br />
Alter in <strong>Hessen</strong> hat sich seit 1993 um rund 20% vermindert (die Generation der<br />
Baby-Boomer läuft aus). Dieser Rückgang der Fallzahlen wird anhalten, da die Förderung<br />
von Gründungen aus der Arbeitslosigkeit durch den Gründungzuschuss ab<br />
01.08.<strong>2006</strong> weniger attraktiv ist.
Die meisten der für Gründungen vorgesehenen Kredite werden nun im Rahmen der<br />
Förderung von Gründung und Wachstum gewährt und mit den Hilfen zusammengefasst,<br />
die in den Vorjahren für bestehende Unternehmen vorgesehen waren. Junge<br />
Unternehmen können ab 2004 zusätzlich zu den Hilfen des „Unternehmerkapitals“<br />
Kredite aus der Programmfamilie „Mittelstandskredit“ GuW erhalten, die von der IBH<br />
durch Zinszuschüsse verbilligt werden. Die Förderkredite selbst sind in ihren Konditionen<br />
nach der Bonität des Unternehmens gestaffelt.<br />
Programme gewerbliche Wirtschaft 2004 2005<br />
KREDITPROGRAMME<br />
Fälle Darlehen<br />
Investitionssumme<br />
- <strong>Hessen</strong>-Programm 175 11.129,0 22.154,7<br />
- ERP-Existenzgründungsprogramm 127 15.509,8 40.455,5<br />
Fälle Darlehen<br />
Investitionssumme<br />
TEuro TEuro TEuro TEuro<br />
- ERP-Eigenkapitalhilfeprogramm 0*) 6.151,7 22.401,5<br />
- Startgeld,<br />
- 2005: Startgeld 2<br />
267 11.172,1 12.330,1 272 9.058,9 10.042,6<br />
- 2004: Mikrodarlehen,<br />
- 2005: Mikrodarlehen 2<br />
Zwischensumme Gründungsförderung<br />
bis 2004 ab 2005 nur Kleinstgründungen<br />
- IBH/KfW-Gründungs- und Wachstumsprogramm<br />
10 2.137,3 2.476,9 103 1.579,7 1.945,0<br />
579 46.099,9 99.818,7 375 10.638,6 11.987,6<br />
444 86.305,8 174.300,5 581 93.498,8 173.416,7<br />
- KfW-Unternehmerkredit - Investitionen 1.263 213.679,2 358.474,5 693 178.759,3 295.343,6<br />
- KfW-Unternehmerkredit-Betriebsmittel 2 122 8.193,4 11.020,2<br />
- Unternehmerkapital 15 16.410,0 34.652,3 132 44.394,8 107.633,6<br />
- Kapital für Arbeit 0*) 5.176,0 7.597,1<br />
- ERP-Regionalprogramm 0*) 4.994,6 9.897,3 7 560,5 1.018,4<br />
- ERP-Beteiligungsprogramm 0*) 5.170,5 19.924,0<br />
Kreditprogramme Gründung und<br />
Mittelstand<br />
1.722 331.736,1 604.845,7 1.535 325.406,8 588.432,5<br />
- ERP-Umwelt- u. Energiespar-progr. 0*) 13.835,3 20.882,0 165 60.342,6 86.959,9<br />
- KfW-Umweltprogramm 101 42.541,2 74.645,8 194 51.633,4 94.520,3<br />
- ERP-Innovationsprogramm 0*) 1.341,0 1.369,4 5 13.911,0 17.641,0<br />
Förderung Umweltschutz und Innovationen<br />
101 57.717,4 96.897,2 364 125.887,0 199.121,2<br />
Einzelbetriebliche Förderung/Kredite 2.402 439.202,5 805.277,9 2274 461.932,4 799.541,3<br />
*) aus datenschutzrechtlichen Gründen wird die Anzahl der Kredite von der KfW nicht mehr in allen Programmen bekannt<br />
gegeben.<br />
75
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
76<br />
Auch alle anderen, nicht spezifisch mittelständische Förderprogramme kommen in<br />
<strong>Hessen</strong> praktisch nur kleinen und mittleren Unternehmen – und damit auch Übergaben/nahmen<br />
zugute so beispielsweise die Förderung nach der Gemeinschaftsaufgabe,<br />
dem Umweltschutz oder die Innovationsförderung (soweit von der KfW abgewickelt).<br />
3 Bürgschaften<br />
Die Bürgschaftsbank <strong>Hessen</strong> <strong>GmbH</strong> (BBH) bietet als gemeinsame Einrichtung der<br />
hessischen Wirtschaft, des Landes, der IBH und der KfW Bürgschaftsübernahmen<br />
bei Gründungen und Erweiterungsinvestitionen an, beides auch im Falle von Unternehmensübernahmen..<br />
Für größere Fälle, die das Bürgschaftsvolumen der BBH<br />
überlasten, kann ggf. das Land <strong>Hessen</strong> eine Bürgschaft übernehmen. Die nachfolgende<br />
Zusammenstellung fasst Gründungs- und Erweiterungsinvestitionen zusammen.<br />
Bürgschaften Fälle Darlehen Bürgschaften Inv.Summe Arbeitsplätze *)<br />
2004<br />
TEuro TEuro TEuro vorh. gepl.<br />
- Landesbürgschaften 27 59.140 39.018 84.167 4.958 85<br />
- Bürgschaftsbank <strong>Hessen</strong> 240 77.647 52.315<br />
SUMME Bürgschaften 2004 267 136.787 91.333 84.167 4.958 85<br />
2005<br />
- Landesbürgschaften 14 40.100 26.198 27.300 793 98<br />
- Bürgschaftsbank <strong>Hessen</strong> 208 62.446 41.087<br />
SUMME Bürgschaften 2005 222 102.546 67.285 27.300 793 98<br />
Nach Branchen unterteilt, ergab sich für das Jahr 2005 folgende Verteilung:<br />
(jeweils in TEuro): Kreditvolumen Bürgschaftsübernahmen<br />
davon für<br />
Gründungen<br />
Bürgschaften (ohne BoB) 2004 2005 2004 2005 2004 2005<br />
Handel 19,4 12,1 12,4 7,9 3,4 2,4<br />
Handwerk 13,1 6,3 9,0 4,2 3,9 1,7<br />
Industrie 15,8 14,7 10,5 8,9 2,0 2,5<br />
Gartenbau 0,7 0,6 0,6 0,4 0,1 0,4<br />
Freie Berufe 4,0 4,8 2,9 3,7 1,6 2,5<br />
Verkehrsgewerbe 1,2 2,2 1,0 1,6 0,1 0,3<br />
Gastgewerbe 1,5 4,4 1,1 2,7 0,1 0,1<br />
Sonst. Kleingewerbe 9,1 6,3 5,8 3,7 0,8 0,4<br />
Gesamt* 64,8 51,4 43,3 33,1 12,0 10,3<br />
* Abweichung zur obigen Tabelle durch abweichende Jahreszuordnung von übernommenen und genutzten Bürgschaften.
Neu ist die Bürgschaft ohne Bank (BoB) als Hilfe bei Gründungen. Der traditionelle<br />
Ablauf – nach Vereinbarung eines Kredites Nachweis der erforderlichen Sicherheiten<br />
– wird umgekehrt: Interessenten beantragen für geeignete Vorhaben zunächst<br />
eine Bürgschaft und suchen sich danach ein Kreditinstitut.<br />
2005 wurden 92 Bürgschaften ohne Bank beantragt (für Bürgschaften von insgesamt<br />
9,8 Mio. Euro, für Investitionen von 12,8 Mio. Euro); bewilligt wurden bis Ende<br />
des Jahres 34 Bürgschaften von 3,1 Mio. Euro für ein Investitionsvolumen von 4,1<br />
Mio. Euro. Viele der Ablehnungen erfolgten aus formalen Gründen (Höhe des Kreditvolumens,<br />
Unternehmen bereits am Markt etabliert, Hausbank war vorhanden<br />
usw.).<br />
Neben Bürgschaften übernimmt die Bürgschaftsbank Garantien für Beteiligungen<br />
der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft. Im Jahr 2005 übernahm sie Garantien<br />
von 5,2 Mio. Euro für 14 Beteiligungen von 7,4 Mio. Euro.<br />
4 Beteiligungen<br />
Zur Verbesserung der Kapitalausstattung gewinnen Beteiligungen gerade im Zusammenhang<br />
mit Basel II zunehmende Bedeutung.<br />
Die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft mbH (MBG) stärkt die Eigenkapitalbasis<br />
mittelständischer Unternehmen durch die Zuführung externen Kapitals als Beteiligung.<br />
2004 ging sie 20 Beteiligungen mit einem Volumen von insgesamt 9,6 Mio.<br />
Euro ein; 2005 13 Beteiligungen mit einem Volumen von 6,85 Mio. Euro. Zum Jahresende<br />
war die Gesellschaft an 82 Unternehmen mit insgesamt 42 Mio. Euro beteiligt.<br />
Beteiligungen 2005 Zahl Beteiligung Investition<br />
- <strong>Hessen</strong> Invest 13 3.650,0 12.650,0<br />
- Mittelständische Beteiligungsgesellschaft (MBG) 13 6.850,0 17.131,0<br />
- Technologiefinanzierungsfonds (TFH) 4 2.465,0 2.800,0<br />
- Regionalfonds Mittelhessen (RegioMit) 3 380,0 2.325,0<br />
Summe Beteiligungen 33 13.345,0 34.906,0<br />
Zur teilweisen Refinanzierung der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft (MBG)<br />
<strong>Hessen</strong> wurden ERP-Mittel eingesetzt:<br />
- ERP-Beteiligungsprogramm 11 4.050,0 14.939,5<br />
77
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
78<br />
Der Future Capital Fonds führt erfolgreiche Teilnehmer an den „Science 4 Life“<br />
Wettbewerben mit Beteiligungsinteressenten zusammenführt. Zur Finanzierung zukunftsfähiger<br />
innovativer junger Unternehmen wurden ferner der Innovationsfonds<br />
<strong>Hessen</strong> und die beiden Technologiefonds <strong>Hessen</strong> (1 und 2) aufgelegt. Die Beteiligungsmöglichkeiten<br />
beider Fonds mit 5,1 bzw. 9,0 Mio. Euro waren bis zum 31.12.<br />
2005 praktisch ausgeschöpft. Der RegioMIT Mittelhessen hat 2005 mit einem<br />
Fondsvermögen von 2,5 Mio. Euro seine Arbeit aufgenommen und sich inzwischen<br />
an 5 Vorhaben mit einem Volumen von 0,58 Mio. Euro beteiligt.<br />
Zur Finanzierung des Eigenkapitalbedarfs für innovative Unternehmen und risikobehaftete<br />
Gründungen in zukunftsträchtigen Technologiefeldern legte die IBH im Auftrag<br />
des Hessischen Wirtschaftsministeriums 2002 das Programm <strong>Hessen</strong>-Invest<br />
auf, mit dem den Unternehmen Beteiligungskapital angeboten wird.<br />
- Start für technologieorientierte Unternehmensgründungen in den Zukunftstechnologiefeldern<br />
Biotechnologie, Informations- und Kommunikationstechnologie, Nanound<br />
Materialtechnologie sowie Umwelttechnologie,<br />
- Nachfolge für Investitionen bei Unternehmensübernahmen und<br />
- International für Investitionen zur Erschließung von Auslandsmärkten.<br />
<strong>Hessen</strong>-INVEST 2002 bis 2005<br />
Fallzahlen u. Bewilligungsvolumen Anzahl der Unternehmensbeteiligungen<br />
Zugesagtes<br />
Beteiligungskapital<br />
Start 17 4.650 TEuro<br />
International 7 2.975 TEuro<br />
Nachfolge 8 3.970 TEuro<br />
Gesamt 32 11.595 TEuro<br />
Die von der KfW/Mittelstandsbank eingerichtete Programmlinie „Unternehmerbeteiligung“<br />
stellt vor allem auf die Refinanzierung von Beteiligungsgesellschaften ab.<br />
Sowohl für Gründer und Übernehmer als auch für etablierte Unternehmen entwickelt<br />
sich zudem der private Business-Angel-Markt, der neben Beteiligungen auch<br />
Beratung anbietet und der vom Land unterstützt wird.<br />
5 Beratung, Coaching<br />
Das Land fördert Existenzgründungs- und -aufbauberatungen sowie sonstige Beratungen<br />
(Kurzberatungen, allgemeine Betriebsberatungen, Technologie- und Umsetzungsberatungen,<br />
Check-Ups zur Vorbereitung auf Ratings oder Übergaben u.ä.)<br />
auch in den Fällen von Unternehmensübergaben, da sich hier besonderer Beratungsbedarf<br />
zeigt. Die Beratungen werden im Handwerk über die Beratungsstellen<br />
des Handwerks und im nichthandwerklichen Bereich ganz überwiegend über das
RKW <strong>Hessen</strong> als Leitstelle abgewickelt. Zur Finanzierung werden seit 2001 auch<br />
Mittel des Europäischen Sozialfonds (ESF, Förderung des Unternehmergeistes<br />
durch „Information, Beratung und Coaching“) eingesetzt. Gewährt werden Zuschüsse<br />
zu den Einzelberatungen zwischen 80% und 50% der Beratungskosten bei entsprechender<br />
Eigenbeteiligung der Beratenen. Im Handwerk übernehmen die Handwerksorganisationen<br />
den verbleibenden Eigenanteil der Beratungsnehmer.<br />
Beratungsförderung* (Landes- und ESF-Mittel, in TEuro)<br />
Jahr Beratung im Handwerk<br />
sonstige Betriebsberatung (RKW, BBE, freie Berufe,<br />
andere)<br />
2003 756,4 1.739,5<br />
2004 906,1 1.667,0<br />
2005 818,7 1.531,8<br />
* Existenzgründungs- und andere Beratungen, ohne Technologieberatungen<br />
Seit dem Jahr 2000 werden die geförderten Beratungen, die das RKW als Beratungsstelle<br />
betreute, exemplarisch bei den jungen Unternehmen evaluiert, die sich<br />
am Markt etablieren konnten. Die Effizienz der Beratungsförderung bei Gründungen/Übernahmen<br />
erweist sich als hoch. Auch der Nutzen der geförderten sonstigen<br />
Betriebsberatungen wird eindeutig positiv beurteilt; die Bewertung – nach Schulnoten<br />
– liegt bei 1,6.<br />
Gründungsberatung, RKW<br />
Jahr<br />
eingesetzte Mittel<br />
Land, EU (Euro)<br />
Beratungsfälle<br />
erfolgreiche<br />
Gründungen<br />
geschaffene<br />
Arbeitsplätze<br />
2001 666.767 335 288 900<br />
2002 765.455 303 199 1.000<br />
2003 700.001 334 158 508<br />
2004 960.000 402 183 510<br />
2005 (Prognose) 815.000 370 180 350<br />
79
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
Tabellenverzeichnis<br />
80<br />
Tabelle Seite<br />
1 Mittelstandsdefinition der EU 7<br />
2 Zusammensetzung der Stichprobe der Unternehmensbefragung 9<br />
3 Nachfolgelösung in hessischen Familienunternehmen 36<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung Seite<br />
1 Familienunternehmen nach Wirtschaftszweigen 12<br />
2 Familienunternehmen nach Beschäftigtengrößenklassen 13<br />
3 Familienunternehmen nach Umsatzgrößenklassen 13<br />
4 Familienunternehmen nach Unternehmensgrößenklassen und<br />
Wirtschaftszweigen 14<br />
5 Exportquote (Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz) von Familienunternehmen<br />
nach Wirtschaftszweigen 15<br />
6 Auslandsstandorte von Familienunternehmen nach Wirtschaftszweigen und<br />
Unternehmensgrößenklassen 17<br />
7 Gründungszeiträume und Branchenzugehörigkeit 18<br />
8 100 %-Eigenkapitalbeteiligung nach Generationen 21<br />
9 Alleinige Unternehmensführung nach Generationen 23<br />
10 Einzelne Aspekte der Standortbindung 26<br />
11 Unternehmensübertragungen bei hessischen Familienunternehmen 33<br />
12 Hauptgründe, die einer familieninternen Nachfolge entgegen stehen 38<br />
13 Wichtige Erfolgsfaktoren des Nachfolgeprozesses 42<br />
14 Unterstützende Angebote im Nachfolgeprozess 46<br />
15 Effektive Erbschaftsteuerbelastung in ausgewählten Ländern 51<br />
16 „Hürde“ Erbschaftsteuer 54<br />
17 Familienunternehmen – Zukunftsperspektiven 57
Literaturverzeichnis<br />
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81
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83
<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
84<br />
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Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFIU) (<strong>2006</strong>): 10 Wittener Thesen zu Familienunternehmen,<br />
verfügbar unter: www.uni-wh.de/wifu.
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