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Cruiser im Juni 2017

Cruiser im Juni Früher sah man sie überall - mindestens in der Szene: Männer, die sich einfach mal in den Fummel geschmissen haben und Spass daran hatten, ohne gleich ein politisches Statement damit abgeben zu wollen. Daher fragen wir uns: Sag' mir, wo die Tunten sind! Und wenn wir schon bei "Männlichkeit" bzw. eben nicht bei dieser sind: Cruiser trumpft mit einem haarigen Special auf: Alles rund um den Bart!

Cruiser im Juni

Früher sah man sie überall - mindestens in der Szene: Männer, die sich einfach mal in den Fummel geschmissen haben und Spass daran hatten, ohne gleich ein politisches Statement damit abgeben zu wollen. Daher fragen wir uns: Sag' mir, wo die Tunten sind! Und wenn wir schon bei "Männlichkeit" bzw. eben nicht bei dieser sind: Cruiser trumpft mit einem haarigen Special auf: Alles rund um den Bart!

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6<br />

Thema<br />

Rückeroberung der Männlichkeit<br />

Legendär: Am Schlossball warf man sich<br />

jeweils gerne in den Fummel.<br />

Weniger legendär, dafür spektakulär: Modedesigner Harald Glööckler sieht sich selbst nicht<br />

als «Tunte», sondern als Gesamtkunstwerk.<br />

Es ist die Natur<br />

«Als ich begann, mich zu äussern, sprechen<br />

zu lernen, geriet meine St<strong>im</strong>me spontan in<br />

feminine Lagen, deutlich heller als die der<br />

anderen Jungen. Jedes Mal, wenn ich etwas<br />

sagte, flatterten meine Hände, sie verdrehten<br />

sich und peitschten durch die Luft.» Mit diesen<br />

Worten beschreibt der junge französische<br />

Schriftsteller Edouard Louis sich selbst<br />

als Junge <strong>im</strong> autobiografischen Buch «Das<br />

Ende von Eddy». Darin n<strong>im</strong>mt er Abschied<br />

von seinem früheren Ich, Eddy Bellegueule<br />

und dessen Kindheit während der Nullerjahre<br />

<strong>im</strong> desolaten Nordosten von Frankreich.<br />

«Meine Eltern nannten das Getue, sie<br />

sagten: Lass doch das Getue. Sie wunderten<br />

sich: Warum ben<strong>im</strong>mt sich Eddy wie eine<br />

Tussi. (…) Sie dachten, es sei meine Entscheidung,<br />

dass ich mich so benahm, als wäre das<br />

eine Ästhetik, die ich kultiviere, um sie zu<br />

ärgern.» Doch Edouard Louis lässt keinen<br />

Zweifel daran, dass sein tuntiges Gehabe als<br />

Kind nicht selbstgewählt, sondern fremdbest<strong>im</strong>mt<br />

war. Gut möglich, dass er auch «ooh»<br />

gekreischt hat.<br />

Von Nordfrankreich über den grossen<br />

Teich in die Great Plains der USA: Bei Indianerstämmen<br />

der nordamerikanischen<br />

Prärie gab es schon <strong>im</strong>mer neben Männern<br />

CRUISER juni <strong>2017</strong><br />

und Frauen ein weiteres Geschlecht, die<br />

von «von zwei Geistern Beseelten». In einer<br />

Gesellschaft, in der Mann gefälligst Krieger<br />

wird, trugen diese Männer Frauenkleidung,<br />

kochten, halfen bei der Kindererziehung<br />

mit und galten auch bei religiösen Ritualen<br />

als Frauen. Ihr Gegenpart waren Frauen,<br />

die Männerkleidung trugen und auf das<br />

Kriegsbeil schwangen. Nicht nur waren<br />

Männer in Frauenrollen bei vielen Stämmen<br />

mit klassischer Rollenverteilung akzeptiert,<br />

man sah sie auch eindeutig in der<br />

vordefinierten Rolle des anderen Geschlechts.<br />

Ob sie allenfalls «ooh» gekreischt<br />

haben, ist nicht überliefert.<br />

Die Fixierung auf männliche<br />

und weibliche Rollenbilder<br />

ist nicht gerade eine<br />

fortschrittliche Sichtweise.<br />

Eine Gesellschaft, die schwule Männer<br />

als eine Art von Frauen akzeptiert, mag<br />

noch nicht der Weisheit letzter Schluss<br />

sein, sie wirkt aber zweifellos sympathischer<br />

als eine frühneuzeitliche europäische,<br />

die «Sodomisten» tötete. Gleichwohl<br />

werden die Vertreterinnen und Vertreter<br />

der moderne Genderwissenschaft ob des<br />

indianischen Modells die Köpfe schütteln.<br />

Die Fixierung auf männliche und weibliche<br />

Rollenbilder ist nicht gerade eine fortschrittliche<br />

Sichtweise – doch solange die<br />

Stellen von Coiffeuren, Flight Attendants,<br />

Krankenpflegern sowie des gesamten Vatikans<br />

zu einem recht üppigen Teil von<br />

Schwulen besetzt sind, kann es nicht<br />

kreuzfalsch sein, in Kategorien zu denken.<br />

Suchen wir also nach der Tunte. Und der<br />

Antwort auf die Frage, wieso sie möglicherweise<br />

vom Aussterben bedroht ist.<br />

Tuntenstolz <strong>im</strong> letzten Jahrhundert<br />

Samuel C. Zinsli ist Mitte 40, Altertumswissenschaftler<br />

und hat sich auch mit Gender-Studies<br />

befasst. Manchmal schlüpft er<br />

in die Rolle der welkenden deutschen<br />

Schriftstellerin Kamilla von Arx. Der ehemalige<br />

Präsident der Schwulengruppe der<br />

Universität Zürich findet, dass «seine Generation»<br />

in den Neunzigern viel unverkrampfter<br />

mit Tuntigkeit umgegangen sei.<br />

Den einst negativen Begriff Tunte habe man

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