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Pulverfließeigenschaften - Lehrstuhl Mechanische Verfahrenstechnik

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360<br />

6 Transport und Lagerung von Partikelsystemen .................................. 361<br />

6.1 Molekulare Wechselwirkungen und Partikelhaftkräfte .............. 361<br />

MVT_e_6neu <strong>Mechanische</strong> <strong>Verfahrenstechnik</strong> - Partikeltechnologie Schüttgutspeicherung Prof. Dr. J. Tomas,<br />

10.10.2012<br />

6.1.1 Bindung durch Adhäsionskräfte zwischen den Partikeln ... 362<br />

6.1.1.1 Bindungsarten ................................................................. 362<br />

6.1.1.2 Adhäsionskräfte .............................................................. 363<br />

6.1.1.2.1 Wasserstoffbrückenbindungen.................................. 363<br />

6.1.1.2.2 VAN-DER-WAALS-Kräfte ..................................... 364<br />

6.1.1.2.3 Mikromechanische Bewertung des Haftvermögens . 368<br />

6.1.1.2.4 elektrostatische Kräfte .............................................. 369<br />

6.1.1.2.5 Vergleich der Adhäsionskräfte ................................. 371<br />

6.1.1.2.6 Oberflächenrauhigkeit und VAN-DER-WAALS-Kräfte<br />

.................................................................................. 372<br />

6.1.1.2.7 Haftkraftminimum beschichteter Partikel ................. 373<br />

6.1.1.2.8 Zugabemenge an Nanopartikel ................................. 374<br />

6.1.1.2.9 Rauhigkeitseinfluß auf die Adhäsionskräfte ............. 377<br />

6.1.1.3 Mikromechanik der Kontaktdeformation und Haftkraftver-<br />

stärkung ........................................................................... 378<br />

6.1.1.4 Einfluss von Adsorptionsschichten................................. 383<br />

6.1.1.5 Modellierung der Schüttgut- bzw. Agglomeratfestigkeit385<br />

6.1.2 Bindung mit Hilfe benetzender Flüssigkeiten ................... 386<br />

6.1.2.1 Bindung durch Flüssigkeiten niedriger Viskosität .......... 386<br />

6.1.2.1.1 Kapillarkraftmodell ................................................... 387<br />

6.1.2.1.2 Zerreißarbeit einer Flüssigkeitsbrücke ...................... 390<br />

6.1.2.1.3 Viskose Bindekraft ................................................... 391<br />

6.1.2.1.4 Einaxiale Zugfestigkeit ............................................. 392<br />

6.1.2.2 Flüssigkeitsbindung in Partikelpackungen ..................... 392<br />

6.1.2.3 Bindung durch Flüssigkeiten hoher Viskosität ............... 394<br />

6.1.3 Bindung durch Festkörperbrücken ...................................... 395<br />

6.1.3.1 Kristallisationsbrücken ................................................... 395<br />

6.1.3.2 chemische Brückenbindungen ........................................ 396<br />

6.1.3.3 Sinterbrücken .................................................................. 397<br />

6.1.4 Formschlüssige Bindungen ................................................. 400<br />

6.2 Spannungszustand und Fließverhalten von Schüttgütern ........... 400<br />

6.2.1 Ruhedruckbeiwert ............................................................... 401<br />

6.2.2 Herleitung des MOHRschen Spannungskreises ................. 402<br />

6.2.3 Bruchhypothesen und Fließkriterien ................................... 404<br />

6.2.4 Fließkennwerte von Schüttgütern ....................................... 409<br />

6.2.4.1 Fließfunktion................................................................... 409<br />

6.2.4.2 Kompressionsfunktion .................................................... 410<br />

6.2.5 Messung der Fließeigenschaften von Schüttgütern ............ 412


6.3 Lagerung von Schüttgütern ........................................................ 414<br />

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10.10.2012<br />

6.3.1 Verfahrenstechnische Probleme mit Silos und Bunkern .... 414<br />

6.3.2 Auslegung von Silos und Bunker ....................................... 414<br />

6.3.2.1 Auslegungsschritte einer Speicheranlage ....................... 414<br />

6.3.2.2 Auslegung eines Massenflusstrichters ............................ 415<br />

6.3.2.3 Auslegung eines Kernflusstrichters ................................ 417<br />

6.3.2.4 Austraggeräte und Austraghilfen .................................... 418<br />

6.4 Verweilzeitverhalten bei stationärem Partikeltransport ............. 419<br />

6.4.1 Verweilzeitverteilungsfunktion und –verteilungsdichte .... 419<br />

6.4.2 Charakteristische Prozessmodelle des Verweilzeitverhaltens421<br />

6.4.3 Lösung der zweiten KOLMOGOROFF-Differentialgleichung<br />

............................................................................................ 424<br />

6.5 Schwerpunkte und Kompetenzen ............................................... 427<br />

6 Transport und Lagerung von Partikelsystemen<br />

Gliederung: Folie 6.1<br />

• Besonderheit der Schüttgutlagerung in Behältern: Folie 6.2<br />

• Schüttgutmengen: Folie 6.3<br />

• Übersicht über Eigenschaftsfunktionen: Folie 6.4<br />

• Modellhierarchie - multiskalige Modelle: Folie 6.5<br />

6.1 Molekulare Wechselwirkungen und Partikelhaftkräfte<br />

Die Wechselwirkungen in dispersen Stoffsystemen spielen für eine Reihe verfahrenstechnischer<br />

Prozesse eine sehr wichtige Rolle und sind dann auch Gegenstand<br />

einer Prozessführung. Sie lassen sich mikroskopisch mit den Wechselwirkungspaar-Potentialen<br />

zwischen Atomen, Ionen sowie Molekülen und<br />

mit den daraus resultierenden Potentialkräften hinreichend genau beschreiben<br />

( Folie 6.6).<br />

Zwischen benachbarten Partikeln bzw. zwischen Partikeln und Dispersionsmittel<br />

wirken immer VAN-DER-WAALS-Kräfte (Folie 6.7). Hinzu können elektrostatische<br />

Kräfte und noch andere Wechselwirkungen kommen (Kapillarkräfte,<br />

magnetische Kräfte u.a.). Die Wechselwirkungen zwischen festdispersen<br />

Partikeln sind für die Agglomeration (Pelletieren, Brikettieren, Tablettieren<br />

u.a.) sowie für deren Flockung bzw. Dispergierung in Suspensionen<br />

wesentlich. Unter Koaleszenz versteht man das vollständige Vereinigen von<br />

fluiddispersen Partikeln (Tropfen, Blasen) in einem Fluid nach erfolgter An-<br />

361


362<br />

näherung. Die Flüssigkeitsbindungen einem körnigen Gut werden ebenfalls<br />

durch die im System vorhandenen Wechselwirkungen bestimmt. Ähnliches gilt<br />

für das Fließverhalten von Schüttgütern. Im Folgenden werden einige wich-<br />

tige Wechselwirkungen für festdisperse Systeme besprochen. Es lassen sich<br />

folgende Bindungen zwischen Feststoffpartikeln abgrenzen (Folie 6.8):<br />

a) Bindung durch Adhäsionskräfte unmittelbar zwischen den Partikeln,<br />

b) Bindung mit Hilfe benetzender Flüssigkeiten niedriger Viskosität,<br />

c) Bindung durch hochviskose Bindemittel,<br />

d) Bindung durch Festkörperbrücken,<br />

e) formschlüssige Bindung.<br />

6.1.1 Bindung durch Adhäsionskräfte zwischen den Partikeln<br />

6.1.1.1 Bindungsarten<br />

Ganz allgemein kann man bezüglich chemischer Bindungsaktivität der Stoffe<br />

unterscheiden zwischen (siehe Hütte (1991), S. B 153):<br />

- chemisch inaktiv (Edelgase):<br />

Atome mit voll gefüllter äußerer Elektronenschale, hohe Energie (Ionisierungsenergie)<br />

notwendig zum Abtrennen von Valenzelektronen (8.<br />

Hauptgruppe: He, Ne, Ar, Kr)<br />

- chemisch aktiv:<br />

Atome, die 1 oder 2 Elektronen in der äußeren Schale enthalten und sich bei<br />

Elektronenabgabe zu positiv geladenen Kationen umwandeln (1. Hauptgruppe:<br />

Li, Na, K; 2. Hauptgruppe: Mg, Ca) oder denen sie fehlen und sich<br />

bei Elektronenaufnahme zu negativ geladenen Anionen umwandeln (6.<br />

Hauptgruppe: O, S; 7. Hauptgruppe: F, Cl, B).<br />

Wenn man nun einen Festkörper unter Höchstvakuum zerbrechen würde und<br />

anschließend die Bruchstücke wieder exakt zusammenfügen könnte, so würden<br />

erneut dieselben Bindekräfte wirksam, die die Kohäsion in Festkörpern bestimmen<br />

(= chemische Bindungen). Sobald sich aber auf den Bruchflächen<br />

Adsorptionsschichten gebildet haben - und dies geschieht in einer Gasatmosphäre<br />

oder in einer Flüssigkeit sofort - werden diese starken Hauptvalenzbindungen<br />

- homöopolare (= kovalente Bindung):<br />

Bildung gemeinsamer Elektronenpaare der Partner, Überlappung von Atomorbitalen<br />

(Molekülorbitalmodelle), gerichtet mit räumlicher Vorzugsrich-<br />

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tung, z.B. Hartstoffe (Karbide, Nitride), Atomkristalle: nichtmetallische<br />

Kristalle aus einer einzigen Atomsorte, z.B. Diamant, Si, P, As, S<br />

- heteropolare (= Ionenbindung):<br />

Valenzelektronen werden von einem Atom abgegeben und vom anderen<br />

aufgenommen, ungerichtete elektrostatische (COULOMB-) Anziehungskraft<br />

zwischen Anion (- geladen) und Kation (+ geladen) in einem Ionengitter (=<br />

Ionenkristall), Ionenkristalle bestehen aus mindestens 2 Atomsorten, insbesondere<br />

mit Metallionen, z.B. Salze, NaCl, CaF2, Oxidkeramik, MgO, Minerale<br />

und<br />

- metallische Bindungen (= „Elektronengas-Modell“):<br />

frei bewegliche Valenzelektronen im Kristallgitter aus Metallkationen, Kristallorbitalmodell,<br />

ungerichtet<br />

mehr oder weniger vollständig abgesättigt. Sie scheiden deshalb als Adhäsionskräfte<br />

zwischen Partikeln weitgehend aus. Folglich werden damit sog.<br />

schwache Nebenvalenzbindungen zwischen den Atomen, Ionen oder Molekülen<br />

der kontaktierenden Partikeln wirksam:<br />

� Wasserstoffbrückenbindungen<br />

� VAN-DER-WAALS-Kräfte und<br />

� elektrostatische Kräfte<br />

6.1.1.2 Adhäsionskräfte<br />

6.1.1.2.1 Wasserstoffbrückenbindungen<br />

Gerichtete Bindungsbrücke zwischen einem elektronegativen Atom (z.B. O, N,<br />

F, Cl), an das der Wasserstoff kovalent gebunden ist, und einem ebenfalls<br />

elektronegativen Atom eines Nachbarmoleküls, an das es mehr oder weniger<br />

physikalisch gebunden ist, und zwar aufgrund seiner Tendenz zu positiver Polarisation<br />

H + und seines geringen Durchmessers dH = 0,22 nm, schlüpft es als<br />

Brücke in die Gitterzwischenräume O - H--O.<br />

Der Atomkernabstand der H--O Bindung ist mit a = 0,176 nm größer als der<br />

einer intensiveren kovalenten O - H Bindung mit<br />

= r + r = ( 0,<br />

066 + 0,<br />

03)<br />

nm = 0,<br />

096 nm ≈ 0,<br />

1 nm ,<br />

a O H<br />

aber kleiner als der Abstand gebildet durch die beiden Atomradien von<br />

= r + r = 0,<br />

15 nm + 0,<br />

11 nm = 0,<br />

26nm<br />

a O H<br />

einer schwächeren VAN-DER-WAALS-Bindung.<br />

Wasserstoffbrückenbindungen treten zwischen -OH, -NH2 oder ähnlichen<br />

Gruppen in den Partikeloberflächen bzw. in den adsorbierten Hydrathüllen der<br />

Oberflächen auf. Bei wasserstoffhaltigen Stoffen sind sie neben den VAN-<br />

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363


364<br />

DER-WAALS-Bindungen auch am Zusammenhalt des Molekülverbandes be-<br />

teiligt. Sie sind für Struktur und Eigenschaften beispielsweise des flüssigen und<br />

festen Wassers, der Tonminerale oder Proteine von wesentlicher Bedeutung.<br />

6.1.1.2.2 VAN-DER-WAALS-Kräfte<br />

VAN-DER-WAALS-Kräfte sind immer vorhanden, wenn Atome bzw. Moleküle<br />

aufeinander wirken. Sie ergeben sich aufgrund der elektrischen Dipolmomente<br />

von Atomen und Molekülen.<br />

Sie werden durch:<br />

- Orientierungskräfte = Anziehung zwischen permanenten elektrischen<br />

Dipolen, bei polaren Molekülen (z.B. HCl, H2O, NH3) und zwischen Ionen<br />

und permanenten elektrischen Dipolen,<br />

- Induktionskräfte = Anziehung zwischen permanenten Dipolen oder Ionen<br />

und induzierten Dipolen bei symmetrischen Molekülen ohne permanentem<br />

Dipolmoment (z.B. CO2, CH4),<br />

- Dispersionskräfte = Anziehung zwischen ursprünglich unpolaren aber infolge<br />

der Elektronenbewegung (Elektronenresonanz ausgelöst durch Lichtabsorption<br />

im UV-Wellenlängenbereich λ ≈ 100 nm bzw. νe ≈ 3,0⋅10 15 Hz;<br />

vergleiche Frequenzbereich des sichtbaren Lichtes ν = (3,8...7,7)⋅10 14 Hz,<br />

Wellenlängen λ = 790...390 nm) in den Bindungsorbitalen dann folgende<br />

induzierte elektrische Dipole zwischen Atomen und bei unpolaren Molekülen,<br />

z.B. Kohlenwasserstoffe,<br />

verursacht. Falls solche nicht permanent oder induziert vorliegen, so existieren<br />

sie doch kurzzeitig, weil Atome und Moleküle elektrische Systeme mit bewegten<br />

Ladungen, also elektrische Oszillatoren mit bewegten Ladungsschwerpunkten<br />

(Dispersion), darstellen.<br />

Van-der-Waals-Kristalle: z.B. feste Edelgase bei sehr tiefen Temperaturen,<br />

Molekülgitterkristalle wie fester Wasserstoff oder alle Kristalle organischer<br />

Verbindungen.<br />

Wenn man zwei größere, harte Körper mit ebenen, aber rauhen Oberflächenteilen<br />

aufeinander legt, so wird man beim anschließenden Abheben eines Körpers<br />

die Adhäsionskraft (= Oberflächenkraft) im Vergleich zur Gewichtskraft (=<br />

Volumenkraft) überhaupt nicht bemerken. Mit abnehmender Größe eines Adhäsionspartners<br />

wächst jedoch für ihn das Verhältnis<br />

F π / 2 ⋅ d ⋅ W<br />

H<br />

A,<br />

ss 1<br />

= ∝ , ( 6.1)<br />

2<br />

F m ⋅ g d<br />

G<br />

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P<br />

so dass z.B. das Haften feinster Partikeln an senkrechten oder überhängenden<br />

Wänden oder die Agglomeration feinster Partikeln zu beobachten sind, siehe


dazu auch im Abschnitt 6.1.1.2.3 die Tabelle 6.2. WA,ss ist im Sinne einer cha-<br />

rakteristischen Stoffkonstanten die flächenbezogene Wechselwirkungsarbeit<br />

(= Adhäsionsarbeit, siehe Gl.( 6.2)) zweier kontaktierender ebener Oberflächen<br />

des betrachteten Stoffsystems, die notwendig ist, um sie auf einen unendlichen<br />

Abstand a → ∞ zu entfernen.<br />

Andererseits sind diese Kraftwirkungen deutliche erkennbar, wenn man Körper<br />

mit ebenen und glatten Oberflächen aufeinander legt. Dies veranschaulicht die<br />

Tatsache, dass die Adhäsionskräfte FH von der Anzahl der wechselwirkenden<br />

Kontaktstellen abhängen. Letztere werden zunächst von der Größe der Haftflächen<br />

der Adhäsionspartner und weiter entscheidend von der Oberflächenrauhigkeit<br />

mitbestimmt.<br />

Die Kontakte zwischen den Partnern kann man verbessern, indem man sie mit<br />

einer Normalkraft aneinanderpresst (siehe auch Gl.( 6.51)). Dies wirkt sich für<br />

die Haftung umso stärker aus, je leichter verformbar diese sind. Für diese<br />

Haftverstärkung ist nur die inelastische Verformung wesentlich, weil sie<br />

nicht den Aufbau größerer innerer Spannungen zur Folge hat. Jedoch vollziehen<br />

sich Verformungen (elastisch oder inelastisch) auch unter der Wirkung der<br />

Adhäsionskräfte selbst, wodurch sich aus dem zunächst punktförmigen Anfangskontakt<br />

eine Kontaktfläche entwickelt.<br />

Aus dem Vorstehenden werden auch die großen Schwierigkeiten deutlich, die<br />

einer theoretischen Berechnung der Adhäsionskräfte entgegenstehen, weil diese<br />

nicht nur von<br />

� Größe und Abstand der Adhäsionspartner, sondern auch von<br />

� der Partikelform (einschließlich Oberflächenrauhigkeit),<br />

� der Verformbarkeit (Oberflächenhärte) oder Steifigkeit der Kontakte,<br />

� den Adsorptionsschichten<br />

mitbestimmt werden. Infolgedessen können die zu behandelnden vereinfachten<br />

Modelle keine zuverlässigen Angaben über deren absolute Größe liefern, weil<br />

diese schwierig erfassbaren Einflüsse die Haftkräfte für den Realfall über Größenordnungen<br />

hinweg modifizieren können.<br />

Zunächst geht es darum, auf der Grundlage des physikalischen Charakters dieser<br />

Wechselwirkungen die Kräfte zu bestimmen, mit denen Körper einfacher<br />

geometrischer Formen und ideal glatter Oberfläche aufeinander wirken. Dies<br />

geschieht, indem man die Partnersysteme<br />

- Kugel/Kugel,<br />

- Platte/Kugel (bzw. sehr große Kugel/kleine Kugel) und<br />

- Platte/Platte<br />

betrachtet (Folie 6.7). DERJAGUIN summierte alle molekularen Wechselwirkungskräftepaare<br />

des mittleren Abstandes a eines idealisierten Kontaktes zweier<br />

steifer Kugeln (ohne Deformation) und erhielt mit dem mittleren<br />

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366<br />

Partikelradius r1,2 = r/2 gemäß Gl.( 6.38) für die Adhäsionsarbeit zweier zu<br />

trennenden Oberflächen mit der oberflächenbezogenen Bindungsenergie<br />

einer Oberfläche σss:<br />

W , = 2 ⋅σ<br />

( 6.2)<br />

A ss<br />

H0<br />

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H<br />

ss<br />

F ≡ F ( a)<br />

= 2 ⋅ π ⋅ r ⋅ W ( a)<br />

= 4 ⋅ π ⋅ r ⋅ σ . ( 6.3)<br />

1,<br />

2<br />

A<br />

Diese DERJAGUIN-Approximation führt zu den folgenden Spezialfällen:<br />

1,<br />

2<br />

Modellkörper Haftkraft Gl.Nr. Haftkraft Gl.Nr.<br />

zwei identische Kugeln in<br />

einer Flüssigkeit<br />

zwei identische Kugeln im<br />

Vakuum (svs ≡ ss)<br />

eine Kugel auf flacher Oberfläche<br />

im Vakuum<br />

eine Kugel auf flacher Oberfläche<br />

in Gas<br />

F σ<br />

H = 2⋅<br />

π⋅<br />

r ⋅ sls ( 6.4)a<br />

F σ<br />

H = 2 ⋅ π ⋅ r ⋅ svs ( 6.4)b<br />

F σ<br />

H = 4 ⋅ π ⋅ r ⋅ svs ( 6.4)c<br />

H = 4 ⋅ π ⋅ r ⋅ sgs ( 6.4)d<br />

F σ<br />

ss<br />

F<br />

F<br />

F<br />

F<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

C<br />

=<br />

⋅ r<br />

H , sls<br />

2<br />

12 ⋅ aF<br />

= 0<br />

C<br />

=<br />

12<br />

( 6.5)b<br />

C<br />

=<br />

C<br />

=<br />

6<br />

( 6.5)d<br />

⋅ r<br />

H,<br />

svs<br />

2<br />

⋅ a F=<br />

0<br />

⋅ r<br />

H , svs<br />

2<br />

6 ⋅ aF<br />

= 0<br />

⋅ r<br />

H,<br />

sgs<br />

2<br />

⋅ a F=<br />

0<br />

Tabelle 6.1: Modellkörper der DERJAGUIN-Approximation<br />

( 6.5)a<br />

( 6.5)c<br />

Gemäß Tabelle 6.1 lässt sich für die spezifisch freie Grenzflächenenergie σss<br />

des ursprünglichen Platte-Platte-Kontaktes auch allgemein unabhängig von<br />

der Partikeloberflächenform schreiben<br />

CH<br />

, s(<br />

v,<br />

g,<br />

l)<br />

s<br />

σ s(<br />

v,<br />

g,<br />

l)<br />

s =<br />

. ( 6.6)<br />

2<br />

24 ⋅π<br />

⋅ aF<br />

= 0<br />

Sie kann als charakteristische Stoffeigenschaftsfunktion betrachtet werden, die<br />

insbesondere von der HAMAKER-Konstante CH,ss und somit von den dielektrischen<br />

Eigenschaften des Partikelmaterials abhängt. Für die Berechnung der<br />

VAN-DER-WAALS-Wechselwirkungen von Partikeln lassen sich zwei theoretische<br />

Ansätze unterscheiden:<br />

a) Das Teilchenmodell (sog. mikroskopische Berechnung) geht vom Prinzip<br />

der Additivität der einzelnen Wechselwirkungen von Atom- bzw. Molekülpaaren<br />

(LONDON) aus, so dass die VAN-DER-WAALS-Kräfte zwischen<br />

den Körpern durch Integration über alle Paare von Atomen<br />

und Molekülen berechnet werden (DE BOER, HAMAKER, CH-Konstante).<br />

Der Zusammenhang zwischen den beiden charakteristischen Materialeigen-


schaftsfunktionen HAMAKER-Konstante CH und Konstante für das<br />

Anziehungspotential A (siehe MVT_e_2neu.doc#MIE_Potential) ist für die<br />

beiden Haftpartner s1 und s2 mit dem Molekülvolumen VM, einer<br />

Molekülzahldichte (svw. Dipolzahldichte) ρn, der Molekülpackungsdichte<br />

εM ≈ π/6 und mit dem mittleren Molekülpackungsdurchmesser dM:<br />

M,<br />

s1<br />

s1<br />

A<br />

ρ n,<br />

s1=<br />

=<br />

=<br />

( 6.7)<br />

3<br />

VM,<br />

s1<br />

π⋅<br />

d M,<br />

s1<br />

Ms1<br />

C<br />

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10.10.2012<br />

1 6 ⋅ ( 1−<br />

ε ) ρ ⋅N<br />

2<br />

2 s1,<br />

s2<br />

H,<br />

s1,<br />

s2<br />

= π ⋅ ρn<br />

, s1<br />

⋅ ρn<br />

, s2<br />

⋅ As1,<br />

s2<br />

= π ⋅ . ( 6.8)<br />

3 3<br />

d M,<br />

s1<br />

⋅ d M,<br />

s2<br />

b) Das Kontinuumsmodell (sog. makroskopische Berechnung) geht von den<br />

optischen (Wellen-) Eigenschaften der wechselwirkenden Körper aus. Hier-<br />

bei werden die VAN-DER-WAALS-Kräfte aus dem imaginären Teil der<br />

komplexen frequenzabhängigen Dielektrizitätskonstanten (Permittivitäten)<br />

εr(iν) und Brechungsindizes n(iν) bestimmt. Es fließen auch die optischen<br />

und elektrischen Eigenschaften von Adsorptionsschichten zwischen den<br />

Wechselwirkungspartnern ein (LIFSCHITZ, �ϖ -Konstante, siehe Tabelle<br />

3.3 im LB MVT S. 103).<br />

In der Folie 6.7 sind die Berechnungsformeln für ideal glatte Modellkörper<br />

zusammengestellt. Dabei sind diese weiterhin als ideal steif vorausgesetzt, d.h.,<br />

es tritt keine Verformung der Haftpartner im Kontaktbereich ein.<br />

Diese Beziehungen gelten für den unmittelbaren Nahbereich, d.h. Molekül-<br />

−2<br />

kernabstände a < 1 nm, z.B. a<br />

−2<br />

≈ ( 0,<br />

316 nm)<br />

19 −2<br />

= 10 m . Für größere Ab-<br />

F=<br />

0<br />

− 2 16 −2<br />

stände a > 10 nm ( a < 10 m ) sind die VAN-DER-WAALS-Kräfte mindes-<br />

tens drei Größenordnungen geringer und damit unbedeutend. Gewöhnlich wird<br />

für den unmittelbaren Kontakt von Kugel und Platte ein Gleichgewichtsabstand<br />

von a = aF=0 ≈ 0,3 ... 0,4 nm angenommen (etwa Größe eines Wassermoleküls).<br />

Die nach Folie 6.7 berechneten VAN-DER-WAALS-Kräfte sind in der Folie<br />

6.9 grafisch dargestellt<br />

F<br />

H,<br />

VdW<br />

C ⋅ d<br />

= , ( 6.9)<br />

12<br />

H<br />

2<br />

⋅ a F=<br />

0<br />

wobei hier für die Umrechnung (Absorptionsfrequenz ϖ ≡ 2πν e) gilt:<br />

C H<br />

3⋅�<br />

ϖ<br />

= . ( 6.10)<br />

4 ⋅π<br />

h = 4,136 10 -15 eV s Plancksches Wirkungsquantum (1 eV = 1,602 10 -19 J)<br />

= 6,626 10 -34 −34<br />

J s � = h /( 2π)<br />

= 1,<br />

05510<br />

J ⋅ s elementarer Drehimpuls<br />

e = 1,602 10 -19 C Elementarladung ( 1 C = 1 As)<br />

Im Folgenden wird daher nur noch die HAMAKER-Konstante verwendet.<br />

A<br />

367


368<br />

Zur physikalischen Bedeutung der HAMAKER-Konstanten:<br />

Die Konstante des Anziehungspotentiales A für niedrigmolekulare Gase am<br />

einfachsten aus den beiden gemessenen Stoffkonstanten der VAN-DER-<br />

WAALS-Gleichung berechnen, die für Zustände in der Nähe des Gaskondensationspunktes<br />

gilt (siehe J. ISRAELACHVILI: Intermolecular & Surface<br />

Forces, S. 24 und 91):<br />

⎛ a ⎞<br />

⎜<br />

⎜p<br />

+ ⋅(<br />

Vm<br />

− b)<br />

= R ⋅T<br />

2<br />

V ⎟<br />

( 6.11)<br />

⎝ m ⎠<br />

mit dem molaren Volumen oder Molvolumen (s. ideales Gasgesetz<br />

p ⋅ V = m / M ⋅R<br />

⋅T<br />

bzw. p ⋅ Vm<br />

= R ⋅ T )<br />

V m<br />

= M ⋅V<br />

/ m . ( 6.12)<br />

2<br />

Der sog. Binnen- oder Kohäsionsdruck a / Vm<br />

berücksichtigt bei der Kondensation<br />

die zunehmenden Wechselwirkungen der Moleküle untereinander und<br />

wirkt als Vergrößerung des Außendruckes p, d.h. pges = p + pVdW<br />

9 ⋅ a ⋅ b<br />

A = . ( 6.13)<br />

4 ⋅ π<br />

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10.10.2012<br />

2 3<br />

⋅ N A<br />

Z. B. für Wasserdampf ist a = 0,555 Nm 4 /mol 2 und b = 31,0⋅10 -6 m 3 /mol, siehe<br />

Hütte S. B 62, und damit ist die Anziehungskonstante dieser stark polaren Mo-<br />

−77<br />

6<br />

−77<br />

leküle A = ( 0,<br />

1044 ⋅10<br />

J ⋅ m ) ⋅ 0,<br />

555 ⋅ 31,<br />

0 = 1,<br />

8 ⋅10<br />

6<br />

J ⋅ m .<br />

Das sog. Covolumen b berücksichtigt das Eigenvolumen der Moleküle VM<br />

2⋅<br />

π⋅<br />

N A 3<br />

b = 4⋅<br />

N A ⋅ VM<br />

= ⋅d<br />

M ,<br />

3<br />

( 6.14)<br />

so dass sich daraus der Moleküldurchmesser dM berechnen lässt:<br />

1/<br />

3<br />

3 b<br />

d M<br />

2 N ⎟<br />

A<br />

⎟<br />

⎛ ⋅ ⎞<br />

= ⎜<br />

. ( 6.15)<br />

⎝ ⋅π<br />

⋅ ⎠<br />

−6<br />

3<br />

⎛ 3⋅<br />

31,<br />

0⋅10<br />

m / mol ⎞<br />

Für Wasserdampf ist d M = ⎜<br />

23<br />

2 6,<br />

022 10 / mol ⎟<br />

⎝ ⋅ π⋅<br />

⋅ ⎠<br />

= 0,<br />

291 nm . Damit ergibt<br />

sich eine für praktische Anwendungen allerdings zu hohe HAMAKER-<br />

2 A<br />

Konstante A = π ⋅ 6<br />

dM<br />

−77<br />

6<br />

2 1,<br />

8⋅10<br />

J ⋅ m<br />

= π ⋅<br />

−9<br />

6<br />

0,<br />

291⋅10<br />

m<br />

−20<br />

= 29,<br />

3⋅10<br />

J , sonst für Wasser<br />

( )<br />

etwa CH = 15⋅10 -20 J (paarweise Additivität) bzw.<br />

CH = 3,7⋅10 -20 J (Kontinuumstheorie).<br />

6.1.1.2.3 Mikromechanische Bewertung des Haftvermögens<br />

1/<br />

3


Gemäß dem Kugel-Platte-Modell Gl.( 6.9) wächst bei zunehmender Partikelg-<br />

röße d linear die Van-der-Waals-Kraft. Allerdings steigt die Gewichtskraft FG<br />

proportional zur dritten Potenz der Partikelgröße. Der Einfluss der Partikelgrö-<br />

ße lässt sich also am einfachsten durch das Verhältnis der Van-der-Waals-Kraft<br />

zur Gewichtskraft verdeutlichen, siehe auch Gl.( 6.1) im Abschnitt 6.1.1.2.2.<br />

Dies kann auch als Haftvermögen bezeichnet werden (g ist die Fallbeschleuni-<br />

gung und ρs die reine Feststoffdichte des Partikels):<br />

FVdW<br />

CH<br />

= 2 2<br />

F 2πρ<br />

g a ⋅d<br />

( 6.16)<br />

G<br />

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10.10.2012<br />

s<br />

Realistische Werte lassen sich nur mit einem charakteristischen Abstand a ge-<br />

winnen. Bei einem geringen Haftvermögen kleiner 1, also mit einer Gewichts-<br />

kraft > Van-der-Waals-Kraft, kann makroskopisch ein leicht bis frei fließendes<br />

rieselfähiges Pulver beobachtet werden. Umgekehrt erwartet man für Partikel<br />

mit einem Haftvermögen deutlich größer als 1 ein kohäsives Fließverhalten des<br />

Pulvers, siehe Tabelle 6.6 im Abschnitt 6.2.4. Eine praktikable Abschätzung<br />

des Haftvermögens lässt sich überschlägig mit der Gl.( 6.16)) vornehmen:<br />

F<br />

F<br />

VdW<br />

G<br />

( 100µm)<br />

2<br />

≈ ( 6.17)<br />

2<br />

d<br />

Daraus gewinnt man die Klassifizierung in der Tabelle 6.2, die eine realisti-<br />

sche Bewertung des Haftvermögens einer Vielzahl feiner bis nanoskaliger tro-<br />

ckener Pulver ermöglicht.<br />

Physikalisches<br />

Wirkprinzip<br />

Partikeldurchmesser<br />

d in µm<br />

FvdW/FG<br />

Bewertung<br />

10 – 100 1 – 100 gering adhäsiv<br />

1 – 10 100 – 10 4 adhäsiv<br />

0,01 – 1 10 4 – 10 8 sehr adhäsiv<br />

Tabelle 6.2: Überschlägige Bewertung des Haftvermögens (Haftkraftverhält-<br />

6.1.1.2.4 elektrostatische Kräfte<br />

nisse) feiner bis nanoskaliger Partikel<br />

Partikeln, die Ladungen unterschiedlichen Vorzeichens tragen, ziehen sich an<br />

(COULOMB-Kräfte). Unterschiedliche Ladungen können beim Kontakt<br />

durch Übertritt von Elektronen (Kontakt-Potential) entstehen /3.95//3.96/. Außerdem<br />

kann die Vorgeschichte, d.h. Kontakt und Reibung, bereits zu geladenen<br />

Partikeln geführt haben.<br />

In einem elektrischen Feld würde ein nicht leitendes Partikel polarisiert. Diese<br />

Ladungstrennung oder -polarisation bleibt auch bei Partikel-Platte-Kontakt<br />

369


370<br />

bestehen. Bei Bewegung eines leitenden Partikels zur positiven Elektrode würde<br />

dagegen dessen in Kontaktnähe konzentrierte, hohe negative Ladung sofort<br />

abfließen. Das Partikel nimmt nach Kontakt damit die Ladung der Kontaktelektrode<br />

an:<br />

+ + + + + + + + + + +<br />

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- - - - - - -<br />

+ + + + + +<br />

-<br />

+ + + + + + + + +<br />

+ + + + + +<br />

+ + + + + +<br />

nicht leitendes Partikel<br />

leitendes Partikel<br />

Bild 6.1: Aufladung von Partikeln im elektrischen Feld<br />

Ursache für Kontakt-Potentiale ist die unterschiedliche Elektronenaustrittsarbeit<br />

der Festkörper. Es wandern Elektronen vom Festkörper mit der kleineren<br />

Austrittsarbeit zu dem mit der größeren. Die Ladungen sind dabei in der Oberflächenschichte<br />

lokalisiert, deren Dicke<br />

- bei Metallen Bruchteile eines nm,<br />

- bei Halbleitern und<br />

- Nichtleitern bis zu 1 µm<br />

beträgt. Folglich ist die elektrostatische Anziehungskraft aufgrund des Kontakt-<br />

Potentials bei elektrischen Leitern größer als bei Nichtleitern, da sich die Ladungen<br />

im Kontaktbereich konzentrieren.<br />

Das Kontakt-Potential, das von der Stoffkombination und vom Oberflächenzustand<br />

der Partikeln abhängt, liegt vielfach zwischen U = 0,1...0,7 V.<br />

Bei der Berechnung der auf Kontakt-Potentiale zurückzuführenden elektrostatischen<br />

Haftkräfte muss von stark vereinfachten Modellvorstellungen ausgegangen<br />

werden, weil das elektronische Energiespektrum der Oberflächen gewöhnlich<br />

unbekannt ist. Hinzu kommt, dass diese Vorgänge in außerordentlich starkem<br />

Maße durch Adsorption und Oberflächenverunreinigungen beeinflusst<br />

werden, d.h., es tritt ein schneller Ladungsausgleich ein, der die Anziehungskräfte<br />

minimiert.<br />

In Folie 6.9 sind Adhäsionskräfte aufgrund von Kontakt-Potentialen mit berücksichtigt.<br />

Es fällt die ausgeprägte Abhängigkeit für elektrische Leiter vom<br />

Abstand der Adhäsionspartner 1/a 2 bzw. 1/a auf. Diese Gleichungen gelten für<br />

etwa a < d. Für wesentlich größere Abstände fällt die Anziehungskraft mit<br />

wachsendem Abstand praktisch stärker ab.<br />

Auf elektrischen Nichtleitern stellt man als Folge der Vorgeschichte, d.h.<br />

Kontakt und Reibung, häufig Überschussladungen fest. Die maximale beo-<br />

-


achtete Ladungsdichte q = Q/AS ≡ σmax beträgt etwa 10 2 e/µm 2 (mit der Ele-<br />

mentarladung e = 1,6⋅10 -19 As) /3.92//3.94/. Trotz des gegenüber den VAN-<br />

DER-WAALS-Kräften geringeren Betrages wirken elektrostatische Kräfte bei<br />

Isolatoren viel weit reichender als diese. Für vollkommene elektrische Isolato-<br />

ren und unter Voraussetzung der Gleichverteilung der Ladungen lassen sich die<br />

darauf zurückzuführenden Anziehungskräfte ebenfalls mit den in Folie 6.7 an-<br />

gegebenen Formeln berechnen /3.94/. In den Modellgleichungen ist keine Ab-<br />

standsabhängigkeit der elektrostatischen Kräfte von nicht leitenden Parti-<br />

keln enthalten. Es kann also a >> d sein. Dies wird bei der elektrischen Staub-<br />

abscheidung (siehe Elektrofilter MVT_e_4.doc Abschnitt 4.6.3.3) und bei der<br />

Elektrosortierung von Mineralen und Abfällen (siehe Elektroscheider<br />

AT_RC_33.doc und AT_RC_335.doc) verfahrenstechnisch ausgenutzt.<br />

6.1.1.2.5 Vergleich der Adhäsionskräfte<br />

In Folie 6.9a sind die Haftkräfte für das Modell glatte Kugel/glatte Platte bei<br />

Berührung in Abhängigkeit vom Kugeldurchmesser miteinander verglichen. Es<br />

ist auch das Kugelgewicht für ρs = 3000 kg/m 3 mit eingetragen, das unter den<br />

getroffenen Modellannahmen für Partikeln d < 100 µm klein im Vergleich zu<br />

den Haftkräften ist.<br />

Sind die Partikeln in einer Flüssigkeit dispergiert, so werden die VAN-DER-<br />

WAALS-Kräfte gegenüber den bisher erörterten Verhältnisse im Vakuum bzw.<br />

in einer Gasatmosphäre wesentlich vermindert /3.97/ und zwar in Anwesenheit<br />

von Wasser um den Faktor bis zu 1/100, mit oberflächenaktiven Substanzen<br />

sogar bis zu 1/5000, ⇒ Anwendung seit Jahrtausenden bei nasser Reinigung<br />

und „Wäschewaschen“.<br />

Für die Adhäsionskräfte zwischen zwei Partikeln muss dann zusätzlich deren<br />

Wechselwirkung mit den Flüssigkeitsmolekülen berücksichtigt werden. Dies<br />

wird beim Teilchenmodell erfasst, indem man eine modifizierte HAMAKER-<br />

Konstante CH,sls (solid-liquid-solid) einführt. Diese ergibt sich für zwei gleichartige<br />

Partikeln mit einer flüssig-analogen Adsorptionsschicht dazwischen zu:<br />

C = C + C − 2 ⋅ C . ( 6.18)<br />

H,<br />

sls<br />

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10.10.2012<br />

H,<br />

svs<br />

H,<br />

lvl<br />

H,<br />

svl<br />

CH,svs HAMAKER-Konstante der dispersen Phase mit „Vakuum“ dazwischen<br />

CH,lvl HAMAKER-Konstante des Dispergiermittels im „Vakuum“<br />

Unter der näherungsweise gültigen Voraussetzung, dass sich CH,svl als geometrisches<br />

Mittel von CH,svs und CH,lvl berechnen lässt<br />

C = C ⋅C<br />

, folgt: ( 6.19)<br />

H,<br />

svl<br />

H,<br />

svs<br />

H,<br />

lvl<br />

371


372<br />

H,<br />

sls<br />

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10.10.2012<br />

( ) 2<br />

C C<br />

C = − . ( 6.20)<br />

H,<br />

svs<br />

H,<br />

lvl<br />

Je mehr die HAMAKER-Konstanten der dispersen Phase und des<br />

Dispergiermittels übereinstimmen, desto geringer ist die Partikel-Partikel-<br />

Anziehung!<br />

Weiterhin ist in wässrigen Systemen zu beachten, dass der Gleichgewichtsabstand<br />

der Haftpartner durch abstoßende sterische Wechselwirkungen, die auf<br />

die Existenz von Hydrathüllen zurückzuführen sind (siehe VO MVA<br />

MFA_3.doc Abschn. 3.3), größer ist als in Luft bzw. Vakuum.<br />

6.1.1.2.6 Oberflächenrauhigkeit und VAN-DER-WAALS-Kräfte<br />

Die geringe Reichweite der VAN-DER-WAALS-Wechselwirkungen hat zur<br />

Folge, dass beim Kontakt von Partikeln die unmittelbare Oberflächengeometrie,<br />

d.h. der Krümmungsradius der Kontakte, für die Intensität der Wechselwirkungen<br />

sehr maßgeblich ist. Damit gewinnen Partikelform und Oberflächenrauhigkeit<br />

entscheidenden Einfluss auf die Haftkräfte steifer Partikel,<br />

wenn man die aus der Haftung resultierenden Kontaktverformungen, d.h. die<br />

elastischen und inelastischen Repulsionskräfte, ignoriert.<br />

Die Funktion, mit der sich die VAN-DER-WAALS-Kraft mit zunehmender<br />

Partikelgröße verändert, hängt folglich in starkem Maße von der Größe der<br />

Rauhigkeitserhebung ab - Modell von SCHUBERT und RUMPF:<br />

CH,<br />

sls ⎡ d d ⎤ r<br />

F H = FH<br />

0 = ⋅ ⎢<br />

+ 2 2 ⎥ . ( 6.21)<br />

12 ⎣(<br />

d r / 2 + a F=<br />

0 ) a F=<br />

0 ⎦<br />

In der eckigen Klammer der Gl.( 6.21) beschreibt der linke Summand<br />

( ) 2<br />

d / dr<br />

/ 2 + a F=<br />

0 die Wechselwirkungen zwischen der glatten steifen Platte<br />

mit der rauen steifen Kugel bei dem Oberflächenabstand dr/2 + aF=0 und der<br />

2<br />

rechte Summand d r / a F=<br />

0 die Wechselwirkungen zwischen der halbkugelförmigen<br />

steifen Rauhigkeit und der glatten steifen Platte bei einem Mindestabstand<br />

aF=0 (Summe der molekularen Anziehungs- und Repulsionskräfte ist Null,<br />

Index F = 0).<br />

Dies soll anhand Folie 6.9b demonstriert werden, in dem die Haftkräfte für ein<br />

Modell raue Kugel/glatte Platte dargestellt sind /3.92/. Die "Oberflächenrauhigkeit"<br />

wird von einer Halbkugel mit dem Durchmesser dr gebildet,<br />

die der Trägerkugel an der der Platte zugewandten Seite aufgesetzt ist. Verfolgt<br />

man in Folie 6.9b die VAN-DER-WAALS-Kraft zwischen einer rauen Kugel<br />

mit d = 100 µm mit einem variablen Rauhigkeitsradius (-höhe) hr = dr/2 und<br />

einer glatten Platte, so erkennt man, dass mit wachsendem dr = 2 . hr die VAN-<br />

DER-WAALS-Kraft zunächst bis zu einem Minimum abnimmt, um mit weiter


wachsendem dr schließlich wieder anzusteigen. Dieser Kurvenverlauf erklärt<br />

sich daraus, dass bei sehr kleinen Rauhigkeitserhebungen noch die auf die Trä-<br />

gerkugel wirkende Adhäsionskraft überwiegt, wobei sich aber mit wachsendem<br />

dr deren Abstand von der Platte vergrößert. Mit weiterer Vergrößerung von dr<br />

schließlich wird die VAN-DER-WAALS-Kraft der Rauhigkeitserhebung für<br />

die gesamte Adhäsionskraft entscheidend, und letztere steigt wegen der Zu-<br />

nahme von dr → d wieder an.<br />

Eine andere Darstellung des Rauhigkeitseinflusses auf die VAN-DER-<br />

WAALS-Kraft zeigt Folie 6.9b unten (nach H. SCUBERT) am Beispiel des<br />

gleichen Partnermodells wie in Folie 6.9b oben. Hier ist die Haftkraft in Ab-<br />

hängigkeit vom Kugeldurchmesser d mit dem Durchmesser dr einer halbkugel-<br />

förmigen Rauhigkeitserhebung als Parameter aufgetragen (HAMAKER-<br />

Konstante nach LIFSCHITZ CH = 19,1 . 10 -20 J; aF=0 = 0,4 nm). Man erkennt,<br />

dass je nach Größe der Rauhigkeitserhebung die Haftkraft für genügend kleine<br />

Partikel zunächst nur von dr abhängt.<br />

6.1.1.2.7 Haftkraftminimum beschichteter Partikel<br />

Dieses im Vorstehenden erläuterte Haftkraftminimum lässt sich makroskopisch<br />

zur Verbesserung der Fließfähigkeit trockener, feiner kohäsiver Pulver praktisch<br />

ausnutzen. Dazu wird das klassische Modell von SCHUBERT und<br />

RUMPF, Gl.( 6.21), erweitert, siehe Bild 6.2 :<br />

Bild 6.2: Zwei glatte steife Trägerpartikel der Größe d mit einem ideal steifen<br />

Nanopartikel der Größe dr im direkten Kontakt<br />

Wir betrachten nun die Wechselwirkungen zwischen zwei glatten Kugeln –<br />

sog. Trägerpartikel - gleichen Durchmessers d und einem Nanopartikel – ein<br />

sog. Gastpartikel, das als Abstandshalter (wie die Rauhigkeit) dazwischen<br />

wirkt und die VAN-DER-WAALS-Kraft reduziert. Für die Kugel-Kugel-<br />

Wechselwirkung beider Trägerpartikel wird jedoch statt 1/12 (Kugel-Platte-<br />

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10.10.2012<br />

d<br />

aF=0<br />

dr<br />

aF=0<br />

d<br />

373


374<br />

Modell) der Faktor 1/24 eingesetzt, siehe Gl.( 6.5)b. Der charakteristische Ab-<br />

stand beider Trägerkugeln setzt sich nun aus dem Durchmesser dr eines kugel-<br />

förmigen Gastpartikels und beiden Mindestabständen der Oberflächen aF=0<br />

zusammen dr + 2 . aF=0, Bild 6.2 :<br />

CH,<br />

sls ⎡ d d ⎤ r<br />

F H0<br />

= ⋅ ⎢<br />

+ 2 2 ⎥<br />

(6.22)<br />

24 ⎣(<br />

d r + 2 ⋅ a F=<br />

0 ) a F=<br />

0 ⎦<br />

Das Haftkraftminimum erhält man unter der Bedingung:<br />

dF<br />

d(<br />

d<br />

r<br />

)<br />

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10.10.2012<br />

0<br />

H 0 = (6.23)<br />

dF C 0 H,<br />

=<br />

d(<br />

d ) 24<br />

( −2)<br />

⋅ d 1 ⎤<br />

+ 0<br />

3 2 ⎥<br />

a<br />

F=<br />

0 F=<br />

0 ⎥⎦<br />

(6.24)<br />

H sls<br />

⋅<br />

=<br />

r<br />

⎡<br />

⎢<br />

⎢⎣<br />

( d + 2 ⋅ a )<br />

r<br />

Daraus folgt ein charakteristischer Durchmesser des Gastpartikels dr,min:<br />

d<br />

( −2)<br />

⋅ d<br />

+ 2 ⋅ a<br />

1<br />

+ 3 2<br />

a F=<br />

0<br />

= 0<br />

d<br />

2 ⋅ d<br />

+ 2 ⋅ a<br />

1<br />

= 3 2<br />

a F=<br />

0<br />

( r F=<br />

0 )<br />

3<br />

2<br />

( + 2 ⋅ a ) = 2 ⋅ d ⋅ a<br />

d r F=<br />

0<br />

F=<br />

0<br />

( )<br />

r<br />

F=<br />

0<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎜ ⎟<br />

⎠<br />

⎜<br />

⎛ 2 ⋅ d<br />

d = 3<br />

2<br />

, min 2 ⋅ d ⋅ a F=<br />

0 − 2 ⋅ a F=<br />

0 = a F=<br />

0 ⋅ 3 − 2<br />

⎝ a F=<br />

0<br />

r (6.25)<br />

Das Verhältnis der beiden Haftkräfte mit FH0(dr) und ohne Gastpartikel FH0(d)<br />

ist folglich:<br />

2<br />

F ( d ) ⎡ d d ⎤<br />

H 0 r<br />

r a F=<br />

0 1 d r<br />

= ⎢<br />

+ 2 2 ⎥ ⋅ =<br />

+ 2<br />

FH<br />

0(<br />

d)<br />

⎣(<br />

d 2 a ) a F 0 d ( d / a 2)<br />

d<br />

r + ⋅ F=<br />

0 = ⎦<br />

r F=<br />

0 +<br />

(6.26)<br />

Beispielsweise ergibt sich für ultrafeine Kugeln d = 10 µm mit aF=0= 0,4 nm:<br />

4<br />

2 d<br />

2 10 nm<br />

d a<br />

2 0,<br />

4nm<br />

3<br />

r , min F 0<br />

3<br />

2 = 14 nm<br />

a F 0<br />

0,<br />

4nm<br />

⎟ ⎟<br />

⎛ ⎞ ⎛<br />

⎞<br />

⎜<br />

⋅<br />

⎜ ⋅<br />

=<br />

⎟<br />

= ⋅<br />

⎜<br />

−<br />

⎟<br />

= ⋅<br />

−<br />

⎜<br />

⎝ = ⎠ ⎝<br />

⎠<br />

FH<br />

0(<br />

d r ) 1 d r 1 14 1<br />

=<br />

+ =<br />

+ =<br />

2<br />

2 4<br />

F ( d)<br />

d / a + 2 d 14 / 0,<br />

4 + 2 10<br />

H0<br />

( ) ( ) 469<br />

r<br />

F=<br />

0<br />

Mit einer Beschichtung aus Nanopartikel einer Größe von dr = 14 nm, die als<br />

Abstandshalter funktionieren, lässt sich die charakteristische Haftkraft eines<br />

ultrafeinen Pulvers (d = 10 µm) um den Faktor von etwa 2 . 10 -3 vermindern.<br />

Daraus ergibt sich die Frage, welche Zugabemenge in einer Partikelpackung<br />

erforderlich ist?<br />

6.1.1.2.8 Zugabemenge an Nanopartikel<br />

Die Beladung (Massenanteil) eines Kontaktes zweier monodisperser kugelförmiger<br />

Trägerpartikel der Größe d mit einer notwendigen Anzahl nr an<br />

nanoskaligen kugelförmigen Gastpartikeln (Index r) der Größe dr


3<br />

3<br />

n r ⋅ mr<br />

r s,<br />

r<br />

r r s,<br />

r r<br />

µ r,<br />

k = =<br />

= 3<br />

3<br />

(6.27)<br />

2 ⋅ mP<br />

2 ⋅ ρs<br />

⋅ π / 6 ⋅ d 2 ⋅ ρs<br />

⋅ d<br />

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10.10.2012<br />

n<br />

⋅ ρ<br />

⋅ π / 6 ⋅ d<br />

n<br />

⋅ ρ<br />

Die Anzahl der Gastpartikel nr kann zwischen nr,min = 1 bis zu einer maximal<br />

möglichen Anzahl nr,max bei vollständiger Monoschicht-Bedeckung der<br />

2<br />

Trägerpartikeloberfläche A = π ⋅ d betragen, wenn man als charakteristische<br />

S<br />

Elementarzelle der Oberflächenbedeckung ein Quadrat der Größe dr 2 an-<br />

nimmt:<br />

n<br />

r,<br />

max<br />

A<br />

=<br />

A<br />

S<br />

r<br />

=<br />

π ⋅<br />

d<br />

d<br />

2<br />

r<br />

2<br />

⋅ d<br />

(6.28)<br />

Das ergibt eine „kubische“ Anordnung der Gastpartikel mit einer mittleren An-<br />

zahl der Nachbarn (Koordinationszahl) kr = 4 und einer Packungsdichte der<br />

2<br />

A P,<br />

r π / 4 ⋅ d r π<br />

Oberflächenbelegung von 1− εr<br />

, kub = = = = 0,<br />

7854 .<br />

2<br />

A d 4<br />

In einer Packung der Trägerpartikel einer mittleren Koordinationszahl k (für<br />

3<br />

VP<br />

π⋅<br />

d π<br />

die kubische Packung gilt k = 6 und 1− εkub<br />

= = = = 0,<br />

5236 bzw.<br />

3<br />

V 6⋅<br />

d 6<br />

allgemein k ≈ π/ε) folgt für die mittlere Beladung µr = k . µr,k:<br />

k ⋅ n ⋅ ρ ⋅ d ⋅<br />

3<br />

3<br />

r s,<br />

r r 3⋅<br />

n r d r<br />

µ r =<br />

≈ 3<br />

3<br />

(6.29)<br />

2 ⋅ ρs<br />

⋅ d d<br />

Mit der charakteristischen Größe der Gastpartikel gemäß Gl.(6.25) für eine<br />

minimale Haftkraft folgt für die Beladung:<br />

µ<br />

r<br />

k ⋅ n r ⋅ ρ<br />

=<br />

2 ⋅ ρ<br />

s<br />

s,<br />

r<br />

a<br />

⋅<br />

d<br />

3<br />

F=<br />

0<br />

3<br />

⎛<br />

⋅ ⎜<br />

⎝<br />

3<br />

3<br />

2 ⋅ d ⎞<br />

− 2⎟<br />

a ⎟<br />

F=<br />

0 ⎠<br />

r<br />

r<br />

(6.30)<br />

Problematisch ist eine brauchbare Abschätzung der notwendigen Anzahl an<br />

Nanopartikeln nr, die den beschriebenen Effekt der Haftkraftverminderung im<br />

Mittel in einer Partikelpackung noch bewerkstelligen können.<br />

Die Belegung der Trägerpartikeloberfläche mit den Gastpartikeln in einem 3-<br />

Punkte-Modell nach MEYER [Diss.] kann wie folgt berechnet werden. Zu je-<br />

dem Kontakt zweier Trägerpartikel gehören drei Gastpartikel. Diese drei sta-<br />

tisch stabilen Auflagepunkte mögen ein gleichseitiges Dreieck formen. Die<br />

Fläche des Dreiecks Ar ergibt sich aus einer geometrischen Betrachtung,<br />

tan 60 h /( x1<br />

d r / 2)<br />

+ = ° siehe Bild 6.3 :<br />

1<br />

2<br />

2<br />

A r = ⋅ 2 ⋅ ( x1<br />

+ d r / 2)<br />

⋅ h = ( x1<br />

+ d r / 2)<br />

⋅ tan 60°<br />

= ( x1<br />

+ d r / 2)<br />

⋅ 3<br />

2<br />

A 3 +<br />

( ) 2<br />

x d / 2<br />

r = 1 r<br />

(6.31)<br />

Setzt man eine gleichmäßige Belegung der gesamten Kugeloberfläche eines<br />

Trägerpartikels mit den Gastpartikeln voraus, lässt sich die maximal mögliche<br />

375


376<br />

Anzahl nr,DK der Dreiecke, d.h. die Zahl der potentiell möglichen Kontaktorte,<br />

für die Dreieckskonfiguration (Index DK) berechnen:<br />

AS<br />

n r,<br />

DK = =<br />

A<br />

2<br />

π ⋅ d<br />

3 x + d / 2<br />

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10.10.2012<br />

r<br />

( ) 2<br />

1<br />

r<br />

Mit einer brauchbaren Abschätzung x1 ≈ dr folgt:<br />

n<br />

r,<br />

DK<br />

2<br />

2<br />

π ⋅ d 4 ⋅ π ⋅ d<br />

≈ =<br />

(6.32)<br />

3<br />

2<br />

2<br />

( d + d / 2)<br />

9 3 ⋅ d<br />

r<br />

r<br />

r<br />

Bild 6.3: Zwei glatte Trägerpartikel im Kontakt mit drei ideal steifen Nanopar-<br />

tikeln - 3-Punkte-Modell nach MEYER [Diss.]; a) Seitenansicht und b) Auf-<br />

sicht auf die Kontakt- bzw. Schnittebene zwischen den Trägerpartikeln<br />

Die Gleichverteilung der Gastpartikel auf der Oberfläche des Trägerpartikels<br />

ergibt eine Gleichwahrscheinlichkeit jedes möglichen Kontaktortes. Die Gastpartikel<br />

sind überall auf der Oberfläche „adsorbiert“, so dass die mittlere Koordinationszahl<br />

k einer Packung nicht mehr berücksichtigt wird. Eingesetzt in<br />

Gl. (6.29) ergibt die mittlere Beladung bei der Dreieckskonfiguration in einer<br />

Packung (Hinweis: MEYER erhält µ ≈ , 1⋅<br />

d / d ):<br />

r,<br />

Meyer<br />

0 r<br />

3<br />

2<br />

ρs,<br />

r ⋅ d r 4 ⋅ π ⋅ d 2 ⋅ π ⋅ ρs,<br />

r ⋅ d r d r<br />

µ r,<br />

DK = ⋅ =<br />

≈ 0,<br />

4 ⋅<br />

3<br />

2<br />

(6.33)<br />

2 ⋅ ρ ⋅ d 9 3 ⋅ d 9 3 ⋅ ρ ⋅ d d<br />

µ<br />

dr<br />

s<br />

d<br />

2 ⋅ π ⋅ ρs,<br />

=<br />

9 3 ⋅ ρ<br />

r<br />

d<br />

dr<br />

a ⎛ ⎞<br />

F=<br />

0 ⎜<br />

2 ⋅ d<br />

⋅ ⋅ 3 ⎟<br />

⎜<br />

− 2<br />

d<br />

⎟<br />

⎝ a F=<br />

0 ⎠<br />

r , DK<br />

r<br />

s<br />

(6.34)<br />

s<br />

Wenn man jedoch ideale Monoschichtbelegung der Hälfte aller Trägerpartikel<br />

annimmt, siehe Bild 6.4 , beträgt die maximal mögliche Beladung nr,max mit<br />

der Gl. (6.28) (hier ebenfalls ohne k):<br />

dr<br />

30°<br />

a) b)<br />

x0<br />

x1<br />

dr


µ<br />

µ<br />

r,<br />

max<br />

=<br />

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10.10.2012<br />

π ⋅<br />

ρ<br />

s,<br />

r<br />

2 ⋅ ρ<br />

s<br />

π ⋅ ρs,<br />

=<br />

2 ⋅ ρ<br />

d<br />

⋅<br />

d<br />

2<br />

2<br />

r<br />

d<br />

⋅<br />

d<br />

3<br />

r<br />

3<br />

=<br />

π ⋅<br />

ρ<br />

s,<br />

r<br />

2 ⋅ ρ<br />

a ⎛ ⎞<br />

F=<br />

0 ⎜<br />

2 ⋅ d<br />

⋅ ⋅ 3 ⎟<br />

⎜<br />

− 2<br />

d<br />

⎟<br />

⎝ a F=<br />

0 ⎠<br />

s<br />

d r d r<br />

⋅ ≈ 1,<br />

57 ⋅<br />

d d<br />

(6.35)<br />

r , max<br />

r<br />

(6.36)<br />

s<br />

d<br />

dr<br />

Bild 6.4: Direkter Kontakt zweier glatter Trägerpartikel der Größe d mit einer<br />

idealen Monoschichtbelegung steifer Nanopartikel der Größe dr<br />

Für das Beispiel ultrafeiner Trägerkugeln d = 10 µm und Nanopartikel dr = 14<br />

nm nach Gl.(6.25) ergeben sich Beladungen von (ρs,r = ρs, k = 6, nr = 1)<br />

3<br />

3<br />

k ⋅ n r ⋅ d r ⎛ 14 nm ⎞<br />

−6<br />

µ r = = 3⋅<br />

= 8,<br />

2 ⋅10<br />

g / kg<br />

3<br />

4<br />

2 d ⎜<br />

10 nm<br />

⎟<br />

praktisch unbrauchbar<br />

⋅ ⎝ ⎠<br />

und realistischer:<br />

d r 14 nm<br />

µ r , DK = 0, 4 ⋅ = 0,<br />

4 ⋅ = 0,<br />

56 g / kg<br />

4<br />

d 10 nm<br />

14 nm<br />

µ r , max = 1, 57 ⋅ = 2,<br />

2 g / kg<br />

4<br />

10 nm<br />

Entsprechend dieser Abschätzungen werden offenbar nur geringe Mengen an<br />

Nanopartikeln benötigt. Nach der Zugabe müssen allerdings die Probleme einer<br />

guten Mischung und Dispergierung der Gastpartikel gelöst werden, um ihre<br />

gleichmäßige Verteilung auf den Oberflächen der Trägerpartikel zu gewährleisten,<br />

siehe dazu auch ZIMMERMANN und Mitarbeiter1 sowie TOMAS und<br />

KLEINSCHMIDT2 .<br />

© Dr .- Ing.habil. J. Tomas 1992<br />

1 Kurfeß D., Hinrichsen H., Zimmerman I.: Statistical model of the powder flow regulation by<br />

Nanomaterials, Powder Technol.159 (2005) 63-70<br />

2 Tomas, J., Kleinschmidt, S., Verbesserung der Fließfähigkeit feiner kohäsiver Pulver durch<br />

nanoskalige Fließhilfsmittel, Chemie-Ingenieur-Technik, 81 (2009) 717-733<br />

d<br />

377


378<br />

6.1.1.2.9 Rauhigkeitseinfluß auf die Adhäsionskräfte<br />

Der Einfluss der Rauhigkeit auf die elektrostatischen Adhäsionskräfte ist aus<br />

Folie 6.9b ebenfalls ableitbar. Für nicht leitende Partikeln kann der Rauhigkeitseinfluss<br />

vernachlässigt werden. Infolge dessen können für nicht zu kleine<br />

oberflächenrauhe nicht leitende Partikeln die elektrostatischen Kräfte die<br />

VAN-DER-WAALS-Kräfte übersteigen. Hinzu kommt noch, dass die elektrostatische<br />

Anziehungskraft auf ein Partikel, das einer genügend ausgedehnten<br />

Platte mit konstanter Ladungsdichte entgegen gesetzten Vorzeichens gegenübersteht,<br />

unabhängig vom Abstand ist.<br />

Aus dem Vorstehenden ist deutlich geworden, dass neben<br />

- der Partikelgrößenverteilung<br />

- die Partikelform bzw. die Oberflächenrauhigkeits-Verteilung<br />

die Adhäsionskräfte - abgesehen von den elektrostatischen Kräften auf nicht<br />

leitenden Partikeln und Flüssigkeitsbrücken - über Zehnerpotenzen hinweg<br />

modifizieren kann. D.h., die Haftkräfte gehorchen ebenfalls einer Verteilung<br />

/3.92//3.94/. Dies erklärt die Schwierigkeiten ihrer zuverlässigen Vorausberechnung.<br />

Für genauere Aussagen sollten deshalb die Haftkräfte direkt ausgemessen werden,<br />

z.B. mit modernen Rasterkraftmikroskopen (engl.: AFM atomic force<br />

microscope).<br />

Außerdem lassen sich die folgenden Modelle für eine Rückrechnung aus<br />

kontinuumsmechanisch gemessenen Scher-, Druck- und Zugfestigkeiten von<br />

Partikelpackungen nutzen (siehe Kapitel 6.2.5).<br />

6.1.1.3 Mikromechanik der Kontaktdeformation und Haftkraftverstärkung<br />

Bisher wurden die Haftkräfte zwischen starren bzw. steifen Modellkörpern<br />

betrachtet. Berühren sich aber zwei Partikel ohne Einwirkung einer äußeren<br />

Kraft (Folie 6.10), so steht die Haftkraft im Gleichgewicht mit der abstoßenden<br />

Kraft, die stets eine Verformung im Kontaktbereich als Ursache hat.<br />

Auf diese Weise entstehen aus den Punktkontakten flächenhafte, die immer mit<br />

einer Vergrößerung der Haftkräfte gegenüber dem unverformten Zustand verbunden<br />

sind.<br />

Darüber hinaus ist aus der Erfahrung bekannt, dass durch äußere Anpresskräfte<br />

(Folie 6.10) noch wesentlich stärkere Verformungen und somit Haftkraftverstärkungen<br />

möglich sind.<br />

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10.10.2012


Die Modellierung dieser mikromechanischen Zusammenhänge steckt noch<br />

in den Anfängen, ⇒ siehe dazu die aktuellen Publikationen:<br />

..\..\..\Forschung\Papers_LS_MVT\Tomas\Review_Tomas_CET_6134.pdf<br />

..\..\..\Forschung\Papers_LS_MVT\Tomas\Tomas_Offprint_CES_7149.pdf<br />

..\..\..\Forschung\Papers_LS_MVT\Tomas\Tomas_SAW_Abhandlungen.pdf.<br />

Zur Einführung in die Kontaktmechanik sollen zunächst die rein elastischen<br />

Verformungen behandelt werden:<br />

2 2<br />

* ⎛1−ν 1 1−ν<br />

⎞ 2<br />

E = 2⋅<br />

⎜ +<br />

E1<br />

E ⎟<br />

⎝<br />

2 ⎠<br />

r<br />

1,<br />

2<br />

r1⋅<br />

r2<br />

=<br />

r + r<br />

1<br />

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10.10.2012<br />

2<br />

⎛ 1<br />

= ⎜ +<br />

⎝ r1<br />

1<br />

r<br />

2<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

−1<br />

−1<br />

=<br />

≡<br />

E<br />

2 ( 1−ν<br />

)<br />

r<br />

2<br />

379<br />

Bild 6.5: Elastische Abplattung<br />

von Kugeln:<br />

Voraussetzungen:<br />

� homogene isotrope Körper,<br />

� glatte Oberfläche,<br />

� lineare Elastizität,<br />

� nur Normalspannungen<br />

in der Druckfläche,<br />

� vergleichsweise kleine<br />

Fläche der Abplattung<br />

ra/r1


380<br />

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10.10.2012<br />

2 ( 1−ν<br />

)<br />

*<br />

1/<br />

3<br />

1/<br />

3<br />

3 FN<br />

r 3 FN<br />

d<br />

ra *<br />

⎟ ⎛ ⋅ ⋅ ⎞ ⎛ ⋅ ⋅ ⋅ ⎞<br />

⎟ = ⎜<br />

⎜ 2 E ⎟ ⎜<br />

⎠ ⎝ 8 ⋅ E ⎠<br />

⎜ = ( 6.40)<br />

⎝ ⋅<br />

und mit einer äußeren Druckspannung ( ) 2<br />

verhältnis der Abplattung:<br />

2<br />

1/<br />

3<br />

2<br />

( 1−<br />

ν ) F ⎞ ⎛ 3⋅<br />

( 1−<br />

ν )<br />

σ = 1− ε / ε ⋅ F wird das Größen-<br />

1/<br />

3<br />

N / d<br />

d ⎛ a 3⋅<br />

N<br />

ε ⎞<br />

= 2<br />

d ⎜ ⋅<br />

⎟<br />

8 E d ⎟ = ⎜ ⋅ ⋅ σ<br />

8 E 1 ⎟ , ( 6.41)<br />

⎝ ⋅ ⎠ ⎝ ⋅ − ε ⎠<br />

z.B. Kalksteinpulver d ≈ 10 µm, E ≈ 50 kN/mm 2 , ν ≈ 0,28, σ ≈ 100 kPa<br />

1/<br />

3<br />

da 3<br />

=<br />

=<br />

2<br />

5<br />

⎛ 3⋅<br />

( 1−0,<br />

28 ) ⋅ 0,<br />

5⋅10<br />

Pa ⎞<br />

=<br />

9<br />

d ⎜<br />

8 5010<br />

Pa 0,<br />

5 ⎟<br />

⎝ ⋅ ⋅ ⎠<br />

−9<br />

1/<br />

( 691,<br />

2⋅10<br />

) 0,<br />

00884<br />

bzw. da = 88,4 nm. Mit der Abplattungshöhe ha,1 einer Kugelkappe:<br />

2<br />

2<br />

( r − h a,<br />

1)<br />

= 2⋅<br />

r⋅<br />

h a,<br />

1−<br />

h a,<br />

1≈<br />

2⋅<br />

r⋅<br />

h a = d h a,<br />

1<br />

2 2<br />

ra r −<br />

⋅<br />

= ( 6.42)<br />

gilt der Zusammenhang zwischen Abplattungsradius ra und Abplattungshöhe ha<br />

(Änderung der Mittelpunktsentfernung) beider Kontaktpartner 1 und 2:<br />

h<br />

a<br />

2 2<br />

2<br />

ra<br />

, 1 ra<br />

, 2 ra<br />

2<br />

= h a,<br />

1 + h a,<br />

2 = + = 2 ⋅ = ra<br />

/ r<br />

( 6.43)<br />

d d d<br />

1<br />

2<br />

und das Verhältnis der Abplattung zur Partikelgröße ( ) 2<br />

2 ( 1−<br />

ν )<br />

1/<br />

3<br />

h / d = 2 ⋅ r / d<br />

2<br />

1/<br />

3<br />

2 2<br />

9 FN<br />

9 F ⎞<br />

N<br />

h<br />

⎟<br />

a * * 2<br />

2<br />

4r<br />

E ⎜ d E ⎟<br />

⎠<br />

⎜<br />

⎛ ⋅ ⎞ ⎛ ⋅ ⋅<br />

= ⎜<br />

⎟ =<br />

, ( 6.44)<br />

⎝ ⋅ ⎠ ⎝<br />

⋅<br />

2<br />

= = ⋅ bzw. ha ≈ 0,4 nm.<br />

−5<br />

z.B. ( )<br />

h<br />

a<br />

/ d<br />

0,<br />

00884<br />

/ 2<br />

3,<br />

91<br />

10<br />

Diese Abplattungshöhe liegt in der Größenordnung eines Moleküldurchmessers<br />

und ist damit sehr klein! Die größte Druckspannung ist 50% größer als der<br />

mittlere Kontaktdruck p<br />

3⋅<br />

FN<br />

6 ⋅ FN<br />

3<br />

= = = ⋅ p<br />

( 6.45)<br />

2<br />

2 ⋅ π ⋅ r π⋅<br />

d 2<br />

pmax 2<br />

a<br />

a<br />

und bewirkt beim Erreichen des Fließdruckes pmax= pf eine plastische Kontaktdeformation,<br />

Gl.( 6.54):<br />

3<br />

3<br />

3⋅<br />

F<br />

2<br />

N,<br />

el−pl<br />

3⋅<br />

2 ⋅ E * ⋅ra<br />

, el−pl<br />

E * ⋅ra<br />

, el−pl<br />

ra<br />

, el−<br />

pl = =<br />

=<br />

2 ⋅ π ⋅ p 2 ⋅ π ⋅ p ⋅ 3⋅<br />

r π ⋅ p ⋅ r<br />

r<br />

a,<br />

el<br />

f<br />

f<br />

1,<br />

2<br />

2 ( 1−<br />

ν )<br />

π ⋅ pf<br />

⋅ r1,<br />

2 π ⋅ pf<br />

⋅ ⋅ d<br />

− pl = =<br />

. ( 6.46)<br />

E * 4 ⋅ E<br />

f<br />

1,<br />

2<br />

a<br />

a


Die größte Zugspannung am Umfang des Druckkreises 4 bewirkt ein Biegemo-<br />

ment in Meridianrichtung und ggf. Rissbildung in Umfangsrichtung:<br />

MVT_e_6neu <strong>Mechanische</strong> <strong>Verfahrenstechnik</strong> - Partikeltechnologie Schüttgutspeicherung Prof. Dr. J. Tomas,<br />

10.10.2012<br />

( 1−<br />

2 ⋅ υ )<br />

pmax<br />

σ Z,<br />

max =<br />

1oder2<br />

⋅ . ( 6.47)<br />

3<br />

Die Schubspannung 5 ist wesentlich für duktile Werkstoffe<br />

−1<br />

τ( z)<br />

z ν z ra<br />

= + arctan<br />

p max ra<br />

ra<br />

z<br />

⎛ ⎡ ⎞ ⎤<br />

⎢ ⎜ ⎟ ⎥ −<br />

⎣⎢<br />

⎝ ⎠<br />

⎦⎥<br />

+<br />

3<br />

⎡<br />

⎤<br />

⎢ − ⎥<br />

4 ⎣<br />

⎦<br />

1<br />

2<br />

1<br />

1<br />

2<br />

und wird in der Tiefe von etwa z ≈ ra/2 am größten:<br />

max<br />

max<br />

( 6.48)<br />

τ ≈ 0, 31⋅<br />

p , wenn ν ≈ 0,3. ( 6.49)<br />

Rein elastische Abplattungen unter der Einwirkung äußerer Kräfte sind für die<br />

Haftkraftverstärkung verhältnismäßig bedeutungslos, da diese Verformungen<br />

nach Wegfall der äußeren Kräfte völlig verschwinden. Nur bei vergleichsweise<br />

weichen Stoffen, wie z.B. Gummi, hat diese verbleibende Haftung eine gewisse<br />

Bedeutung erlangt – siehe dazu das sog. JKR-Modell6. Wesentlich für die Haftkraftverstärkung ist deshalb eine kombinierte elastisch-plastische<br />

Verformung des Partikelkontaktbereiches7 zu einem<br />

nanoskaligen bis mikroskopisch kleinen Platte-Platte-Kontakt aufgrund des<br />

Einwirkens der Haftkraft FH0 nach Gl.( 6.21) selbst und einer zusätzlichen äußeren<br />

Normalkraft FN. Mit dem Kräftegleichgewicht des weichen Kontaktes<br />

zweier steifer Partikeln<br />

∑ F = 0 = FH<br />

0 + pVdW<br />

⋅ ( Ael<br />

+ A pl ) + FN<br />

− FW<br />

, el − pf<br />

⋅ A pl ( 6.50)<br />

folgt für die gesamte Haftkraft FH nach einigen Umrechnungen (siehe<br />

../../../Forschung/FLIESSEN/B_Theorie_FliessKW/Schüttec_3_Kontakt_Theor<br />

ie.doc#FHA_ges):<br />

H<br />

H0<br />

N<br />

H0<br />

( F F )<br />

F = ( 1+<br />

κ)<br />

⋅ F + κ ⋅ F = F + κ ⋅ + . ( 6.51)<br />

H0<br />

Der dimensionslose Geradenanstieg κ wird als elastisch-plastischer Kontaktverfestigungskoeffizient<br />

bezeichnet8 :<br />

© Dr .- Ing.habil. J. Tomas 1992<br />

4 Huber, M.T., Zur Theorie der Berührung fester elastischer Körper, Annalen der Physik 14<br />

(1904) 153-163<br />

5 Ziegler, F., Technische Mechanik der festen und flüssigen Körper, Springer Verlag, Wien<br />

1985.<br />

6 Johnson, K.L., Kendall, K. and Roberts, A.D. Surface energy and the contact of elastic solids,<br />

Proceedings of Royal Society, A 324 (1971) 301-313<br />

7 Schubert, H., Sommer, K., Rumpf, H., Plastisches Verformen des Kontaktbereiches bei der<br />

Partikelhaftung. Chemie Ingenieur Technik, 48 (1976) 716.<br />

8 Tomas, J., Produkteigenschaften ultrafeiner Partikel - Mikromechanik, Fließ- und Kompressionsverhalten<br />

kohäsiver Pulver, Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften<br />

zu Leipzig, Technikwissenschaftliche Klasse, Bnd 1, Heft 3 (2009) 1-46<br />

N<br />

381


382<br />

κ =<br />

κ<br />

κp<br />

− κ<br />

( 6.52)<br />

A<br />

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10.10.2012<br />

p<br />

Der elastisch-plastische Kontaktflächenkoeffizient κA kennzeichnet das Ver-<br />

hältnis aus plastisch deformierter Kontaktfläche zur gesamten Kontaktfläche<br />

AK = Ael + Apl und schließt einen gewissen elastischen Anteil der Kontaktabp-<br />

lattung ein:<br />

2 1 A pl<br />

κ A = + ⋅<br />

( 6.53)<br />

3 3 A<br />

K<br />

Der plastische Repulsionskoeffizient κp beschreibt das dimensionslose Ver-<br />

hältnis der van der Waals-Anziehung pVdW zur Repulsion aufgrund eines mik-<br />

roplastischen Fließdruckes pf (σsls ≈ 0.25 - 50 mJ/m 2 Oberflächenspannung<br />

solid-liquid-solid und folglich pVdW ≈ 3 - 600 MPa):<br />

p<br />

C<br />

4⋅<br />

σ<br />

VdW<br />

H,<br />

sls<br />

sls<br />

κ p = =<br />

=<br />

( 6.54)<br />

3<br />

pf<br />

6⋅<br />

π⋅<br />

a 0 ⋅p<br />

f a 0 ⋅p<br />

f<br />

Im kreisförmigen Kontaktzentrum wird ein begrenztes plastisches Feld erzeugt,<br />

wobei sich der äußere Ring elastisch verhält. Dadurch wird ein deutlich höherer<br />

p ≈ 3⋅<br />

σ als die Fließspannung σF bei makroskopischer<br />

Mikrofließdruck f F<br />

Zugbeanspruchung erwartet.<br />

Der elastisch-plastische Kontaktverfestigungskoeffizient κ kennzeichnet die<br />

momentane Kontaktsteifigkeit und den Anstieg der Haftkraft FH bei Einwirkung<br />

einer Vorverfestigungskraft FN, Gl.( 6.51). Ein geringer Anstieg κ bedeutet<br />

steifes Kontaktverhalten mit gering ausgeprägtem Haftvermögen FH ≈ FH0.<br />

Dagegen ist mit einem großen Anstieg ein nachgiebiger Kontakt mit großem<br />

Haftvermögen verbunden. Das ist typisch für das Verfestigungsverhalten eines<br />

trockenen kohäsiven Partikelsystems. Der Term κ ⋅FH<br />

0 kennzeichnet die zusätzliche<br />

momentane Kontaktverfestigung als Antwort einer bloßen Einwirkung<br />

der Haftkraft FH0 im unverfestigten Zustand. Dieser Effekt wurde schon<br />

vor etwa 40 Jahren von Krupp9 beschrieben.<br />

Eine aktuelle überschlägige Bewertung dieser Haftkraftverstärkung feiner bis<br />

nanoskaliger Partikel FH(FN) infolge einer Vorbelastung des Kontaktes mit der<br />

Normalkraft FN kann man der Tabelle 6.3 entnehmen10 :<br />

Physikalisches<br />

Wirkprinzip<br />

Partikeldurchme<br />

sser d in µm<br />

El.-pl. Kontaktverfestigungskoeffizient<br />

κ<br />

Bewertung<br />

© Dr .- Ing.habil. J. Tomas 1992<br />

9 Krupp, H., Particle adhesion – Theory and experiment. Advances Colloid Interface Science 1<br />

(1967) 111-239.<br />

10 Tomas, J., Mikromechanik ultrafeiner adhäsiver Partikel, Vortrag ProcessNet-Fachausschüsse<br />

Agglomerations- & Schüttguttechnik, und Trocknungstechnik, Hamburg 2011


MVT_e_6neu <strong>Mechanische</strong> <strong>Verfahrenstechnik</strong> - Partikeltechnologie Schüttgutspeicherung Prof. Dr. J. Tomas,<br />

10.10.2012<br />

1 - 100 0,1 - 0,3 weich<br />

0,1 - 1 0,3 - 0,8 sehr weich<br />

0,01 - 0,1 > 0,8 extrem weich<br />

Tabelle 6.3: Überschlägige Bewertung der Haftkraftverstärkung feiner bis<br />

nanoskaliger Partikel FH(FN) infolge Vorbelastung mit der Normalkraft FN<br />

Dieses bequeme lineare Modell der Haftkraftverstärkung, Gl.( 6.51), wird beispielsweise<br />

durch Zentrifugenversuche mit einer engen Partikelgrößenklasse<br />

(Kalkstein, mittlere Partikelgröße dmi = 60 µm, pf ≈ 500 MPa, CH,svs = 15⋅10 -20<br />

J) bestätigt11 . Die Partikel wurden auf ein poliertes Stahlplättchen so aufgebracht,<br />

dass die Zentrifugalkraft zunächst als Anpresskraft FN und anschließend<br />

nach Wenden als Abreißkraft FH wirkt. Bemerkenswert ist die lineare Zunahme<br />

der Haftkraft mit einer äußeren Normalkraft FN, die auf eine Verformung sehr<br />

kleiner Rauhigkeitserhebungen im nm-Bereich zurückzuführen ist. Bei stärkerer<br />

Anpressung werden auch größere Bereiche der Kontaktzone plastisch verformt.<br />

In diesem Fall ist die Zunahme der Haftkraft manchmal kleiner als im<br />

Anfangsteil.<br />

Für viele feine Pulver können wir zunächst annehmen, dass der elastischplastische<br />

Kontaktflächenkoeffizient κA ≈ const. ist. Für einen konstanten Mikrofließdruck<br />

pf ≈ const. ist auch der plastische Repulsionskoeffizient κp ≈ const.<br />

und somit folgt näherungsweise κ = const.<br />

- Partikelkontaktdeformation (Folie 6.11)<br />

- Messung der Haftkraft (Folie 6.12)<br />

- Messung der Haftkraft mittels PIA (Folie 6.13)<br />

6.1.1.4 Einfluss von Adsorptionsschichten<br />

Deren Wirkung kann sehr komplexer Natur sein /3.97/. Die Adsorptionsschichten<br />

können selbst einen maßgeblichen Beitrag zu den Wechselwirkungen leisten,<br />

falls sie eine genügende Schichtdicke aufweisen. Es hängt dann von der<br />

HAMAKER-Konstanten dieser Schichten und<br />

ihrem (molekularmechanischen) rheologischen<br />

Verhalten ab, ob eine verstärkende oder vermin-<br />

aA<br />

a<br />

© Dr .- Ing.habil. J. Tomas 1992<br />

11 Schütz, W. und H. Schubert, Chemie Ingenieur Technik 48 (1976) 567<br />

d<br />

383


384<br />

dernde Haftwirkung auftritt. So können z.B. Adsorptionsschichten grenz-<br />

flächenaktiver oder anderer organischer Stoffe durch ihre abstandserhöhende<br />

sterische Abschirmwirkung die Adhäsionskräfte deutlich herabsetzen, siehe<br />

dazu auch den Abschnitt 6.1.1.2.6.<br />

Bild 6.6: Partikelkontakt mit Adsorptionsschichten<br />

Ein weiterer Einfluss folgt daraus, dass Adsorptionsschichten die Kontaktgeometrie<br />

und somit auch die Partikelabstände a beeinflussen können, siehe Bild<br />

6.6. In diesem Zusammenhang sind Abhängigkeiten von der Dicke der Adsorptionsschicht,<br />

den stofflichen Eigenschaften, aber auch von der Oberflächenrauhigkeit<br />

festgestellt worden.<br />

Wenn sich die Adsorptionsschichten gegenseitig durchdringen (aA ≥ a/2), dann<br />

wirken in ihnen die entsprechenden Kohäsionskräfte (z.B. Wasserstoffbrückenbindungen<br />

in wässrigen Adsorptionsschichten aufgrund von Adsorption<br />

aus der Umgebungsatmosphäre) /3.98/ bis /3.100/:<br />

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10.10.2012<br />

= σ ⋅ π ⋅ d ⋅ ( a − a / 2)<br />

. ( 6.55)<br />

FH 0 Z,<br />

A<br />

A<br />

a Partikelabstand ohne Adsorptionsschichten<br />

Sie wird wesentlich von der idealen Zerreiß- oder Zugfestigkeit σZ,A einander<br />

"durchdringender" adsorbierter Schichten (aA ≥ a/2) beeinflusst, die sich aus<br />

der maximalen Anziehungskraft der molekularen Wechselwirkungspotentiale<br />

Fmax (siehe Folie 6.6, AT_RC_2_Sem.doc) abschätzen lässt:<br />

σ<br />

E<br />

Z,<br />

max<br />

F<br />

=<br />

d<br />

max<br />

2<br />

A ⋅<br />

n+<br />

1 2<br />

m−n<br />

n ⋅ A a F=<br />

0 d A 1<br />

= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅<br />

E m+<br />

1 a m − n n ⋅ A d<br />

n+<br />

1<br />

Fmax<br />

Mit dem Abstandsverhältnis<br />

a<br />

a<br />

F=<br />

0<br />

Fmax<br />

folgt<br />

σ<br />

E<br />

Z,<br />

max<br />

1<br />

m−n<br />

1<br />

m−n<br />

2<br />

A<br />

1 a<br />

= ⋅<br />

m + 1 a<br />

1<br />

m−n<br />

n+<br />

1<br />

F=<br />

0<br />

n+<br />

1<br />

Fmax<br />

. ( 6.56)<br />

n ( n 1)<br />

A m B n 1⎞<br />

m ( m 1)<br />

B n A<br />

⎜<br />

m 1<br />

⎟<br />

⎠<br />

⎜<br />

⎛ ⋅ + ⋅ ⎞ ⎛ ⋅ ⎞ ⎛ +<br />

= ⎜<br />

⎟ ⋅⎜<br />

⎟ =<br />

( 6.57)<br />

⎝ ⋅ + ⋅ ⎠ ⎝ ⋅ ⎠ ⎝ +<br />

1 ⎛ n + 1 ⎞<br />

= ⋅ ⎜ ⎟<br />

m + 1 ⎝ m + 1⎠<br />

n+<br />

1<br />

m−n<br />

, ( 6.58)<br />

2<br />

wobei für den auf die Dichte bezogenen molekularen E-Modul ( ≡ c Schallge-<br />

schwindigkeit) geschrieben werden kann:<br />

3<br />

( −U<br />

B ) N A ⋅d<br />

= n ⋅ m ⋅ ⋅ 3<br />

a M<br />

( −U<br />

B;<br />

= n ⋅ m ⋅<br />

M<br />

E M<br />

m<br />

ρ s<br />

F=<br />

0<br />

)<br />

. ( 6.59)<br />

S


U = N ⋅ U molare Bindungsenergie bei T = 0 K<br />

B;<br />

m<br />

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10.10.2012<br />

A<br />

B<br />

NA = 6,022⋅10 23 mol -1 AVOGADRO-Zahl<br />

M Molmasse<br />

Z.B. für die VAN-DER-WAALS-Kräfte polarer Wassermoleküle n = 6, m =<br />

12, UB,m ≈ 2,9 kJ/mol folgen<br />

( −U<br />

B;<br />

m )<br />

kg 2,<br />

9 kJ / mol<br />

2<br />

E = n ⋅ m ⋅ ρ s ⋅ = 6⋅12⋅1000<br />

⋅<br />

= 11,<br />

6 kN / mm ,<br />

3<br />

M<br />

m 18 g / mol<br />

σ<br />

Z , max<br />

W<br />

E ⎛ n + 1 ⎞<br />

= ⋅⎜<br />

⎟<br />

m + 1 ⎝ m + 1⎠<br />

n+<br />

1<br />

m−n<br />

=<br />

11,<br />

6 kN / mm<br />

12 + 1<br />

2<br />

⎛<br />

⋅⎜<br />

⎝<br />

7<br />

13<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

7<br />

6<br />

=<br />

433 MPa<br />

Dieser Idealwert ist erheblich höher als ein σZ,A ≈ 10 MPa, der für Wassermo-<br />

leküle manchmal angegeben wird. Der Adsorptionsabstand aA lässt sich mit der<br />

Monoschichtbelegung des Adsorbens (Partikel) mit Adsorpt (Wassermoleküle,<br />

siehe dazu Abschnitt 1.2.5.2, MVT_e_1neu.doc, MVT_e_1neu.pdf, S. 34)<br />

X<br />

m<br />

M<br />

⋅ A<br />

W,<br />

mono W S,<br />

m<br />

W,<br />

A,<br />

mono = =<br />

( 6.60)<br />

ms<br />

A W ⋅ N A<br />

auch mit dem Oberflächenbedeckungsgrad X / X A,<br />

mono der Partikeln aus-<br />

drücken:<br />

A<br />

M,<br />

W<br />

W,<br />

A<br />

W,<br />

A,<br />

mono<br />

W,<br />

A<br />

a = d ⋅ X / X . ( 6.61)<br />

AS,m massebezogene Oberfläche der Partikeln<br />

AW ≈ 0,106 nm 2 Platzbedarf eines Wassermoleküls<br />

dM,W<br />

≈ 0,326 nm Wassermoleküldurchmesser ≅ Gleichgewichtsabstand<br />

XW,A adsorbierter Wassergehalt (= mW/ms)<br />

XW,A,mono adsorbierter Wassergehalt bei Monoschichtbelegung<br />

Ab einer relativen Luftfeuchte pD/pDS ≈ 0,8 (Dampfdruck/Sattdampfdruck) tritt<br />

Kapillarkondensation an den Partikelkontakten ein. Das entspricht etwa XW =<br />

0.1...0,8 % je nach spezifischer Oberfläche eines Pulvers.<br />

6.1.1.5 Modellierung der Schüttgut- bzw. Agglomeratfestigkeit<br />

Physikalisch begründete Modelle sind bisher nur für die Zugfestigkeit entwickelt<br />

worden. Bei der Modellentwicklung muss eine Reihe - teilweise weitgehender<br />

- Vereinfachungen vorgenommen werden:<br />

� Vor allem ist von einer vollständigen Zufallsanordnung der Partikeln<br />

auszugehen. Damit stimmen Flächen- und Volumenporosität überein.<br />

� Bindekräfte werden nur an den Kontaktstellen der Partikeln übertragen.<br />

Hierbei liefert die Modellentwicklung für nahezu gleichgroße konvexe Partikeln<br />

für die Zugfestigkeit σZ zunächst /3.130/:<br />

W,<br />

.<br />

385


386<br />

H<br />

σ Z = ( 1−ε)<br />

⋅ k ⋅ . ( 6.62)<br />

AS,<br />

p<br />

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10.10.2012<br />

F<br />

AS,p Partikeloberfläche<br />

F H mittlere Haftkraft je Partikelkontakt<br />

k charakteristische Koordinationszahl (mittlere Kontaktanzahl/Partikel)<br />

Für monodisperse Kugeln folgt wegen AS,p = π⋅d 2<br />

1−<br />

ε FH<br />

σ Z = k . ( 6.63)<br />

2<br />

π d<br />

Schwierig sind Aussagen über die Koordinationszahl k, die für Zufallsanord-<br />

nungen nicht berechenbar ist. Hinzu kommt, dass in solchen Systemen nicht<br />

nur Berührungspunkte (a/d = 0), sondern auch Nahpunkte (a/d ≠ 0) zu berücksichtigen<br />

sind. Für die regulären Packungen gleich großer Kugeln gilt (s. Abschnitt<br />

1.3, MVT_e_1neu.doc, MVT_e_1neu.pdf, S. 43, Tabelle 6.4):<br />

Packungsart Koordinationszahl k Porosität ε k⋅ε<br />

kubisch<br />

hexagonal und ortho-rhombisch<br />

6 0,4764 2,86<br />

basisflächenzentriert,<br />

tetragonal raumzentriert<br />

8<br />

0,3954 3,16<br />

hexagonal dicht,<br />

kubisch flächenzentriert<br />

12 0,2595 3,114<br />

Tabelle 6.4: Packung, Koordinationszahl, Porosität und k⋅ε<br />

Davon ausgehend wurde auf empirischem Wege gefunden /3.131/:<br />

k ⋅ε ≈ 3,<br />

1 ≈ π . ( 6.64)<br />

Damit folgt selbst für unterschiedliche Packungsarten (s. RUMPF u.a.):<br />

1−ε<br />

FH<br />

σ Z = 2 . ( 6.65)<br />

ε d<br />

Mit dieser Gleichung ist folglich die Umrechnung von Haftkräften beliebiger<br />

Art zwischen den Partikeln und einer Zugspannung (Zugfestigkeit) eines<br />

Schüttgutes bzw. Agglomerates möglich. Dabei ist jedoch der Zusammenhang<br />

zwischen der dreiachsigen Zugspannung σZ und der nur einaxial messbaren<br />

Zugfestigkeit σZ,1 zu beachten, die sich aus dem zugehörigen MOHR-Kreis für<br />

einen linearen Fließort mit dem inneren Reibungswinkel ϕi ergibt (siehe auch<br />

Abschnitt 6.2.4):<br />

2sin<br />

ϕ<br />

i σ Z,<br />

1=<br />

⋅ σZ<br />

. ( 6.66)<br />

1+<br />

sin ϕi


Für die ebenfalls einfach messbare einaxiale Druckfestigkeit σc gilt entspre-<br />

chend:<br />

i σ c=<br />

⋅ σZ<br />

. ( 6.67)<br />

1−sin<br />

ϕi<br />

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10.10.2012<br />

2sin<br />

ϕ<br />

Gln. ( 6.66) und ( 6.67) konnte beispielsweise experimentell für Feuchtagg-<br />

lomerate mit Kraftübertragung durch Flüssigkeitsbrücken bestätigt werden<br />

/3.132/ (siehe auch folgender Abschnitt 6.1.2.1).<br />

6.1.2 Bindung mit Hilfe benetzender Flüssigkeiten<br />

6.1.2.1 Bindung durch Flüssigkeiten niedriger Viskosität<br />

Für die Bindung durch benetzende Flüssigkeiten kommen neben den in Folie<br />

6.8 dargestellten in Abhängigkeit von der (mit zunehmender Ziffer abnehmenden)<br />

Intensität der Bindung folgende Mechanismen in Betracht:<br />

1. Chemische Reaktionen mit der Flüssigkeit, Einbau in das Kristallgitter<br />

(Chemisorption, oder z.B. Hydratation mit H20, Kristallwasserbildung),<br />

2. physikalische Adsorptionsschichtbindung bis zur Kapillarkondensation<br />

(bei Wasserdampf ab etwa pD/pDS ≈ 60..85 %),<br />

3. Flüssigkeitsbrückenbindungen,<br />

4. Übergangsbereich zur Zwischenraumflüssigkeit mit koexistierenden<br />

Flüssigkeitsbrücken einschließlich Inner-(Fein-)kapillarflüssigkeit in den<br />

Partikeln ("innere Feuchtigkeit"),<br />

5. Grobkapillarflüssigkeit in den Partikelzwischenräumen.<br />

6.1.2.1.1 Kapillarkraftmodell<br />

Bei geringen Flüssigkeitsanteilen sind - abgesehen von den<br />

Adsorptionschichten - Flüssigkeitsbrücken (Zwickelkapillaren) zwischen benachbarten<br />

Partikeln vorhanden (Folie 6.14a). Die Bindung ist hier auf den<br />

kapillaren Unterdruck in der Flüssigkeitsbrücke und auf die Randkraft längs<br />

des Dreiphasenkontaktes zurückzuführen. Wenn die Zwischenräume völlig mit<br />

Flüssigkeit gefüllt, an der Oberfläche aber noch konkave Flüssigkeitsmenisken<br />

ausgebildet sind (Folie 6.14c), so wirkt nur ein entsprechender kapillarer Unterdruck.<br />

Beide Mikrovorgänge können nebeneinander an beispielsweise einer<br />

Agglomerationsbildung beteiligt sein, wenn Teile des Agglomerates schon<br />

vollständig mit Flüssigkeit gefüllt sind, in anderen dagegen nur Flüssigkeitsbrücken<br />

existieren (Folie 6.14b).<br />

387


388<br />

Der dritte mögliche Mikroprozess, bei dem feine Partikeln in Flüssigkeits-<br />

tropfen eingebettet sind, spielt zwar für die Nassentstaubung eine Rolle, soll<br />

aber an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden.<br />

In Folie 6.14 ist eine Flüssigkeitsbrücke zwischen zwei gleich großen Kugeln<br />

unter der vereinfachenden Annahme dargestellt, dass die Meridiankurven der<br />

Brücke einen Kreisbogen darstellen. Für den Beitrag der Randkraft FR zur<br />

Haftkraft FH gilt somit entsprechend der Ausbildung des Dreiphasenkontaktes –<br />

Kraftterm hier π / 2 ⋅ d ⋅ WA<br />

≡ π ⋅ d ⋅ σlg<br />

siehe Gl.( 6.1):<br />

= σ ⋅ cos(<br />

90°<br />

−α−θ)<br />

⋅ π ⋅d⋅<br />

sin α = π ⋅ d ⋅ σ ⋅ sin(<br />

α + θ)<br />

⋅ sin α . ( 6.68)<br />

FR lg<br />

lg<br />

α Benetzungswinkel (Brückenöffnungswinkel)<br />

θ Randwinkel<br />

Die Oberflächenspannung der Flüssigkeit gegen Gas σlg (svw. flächenbezogene<br />

Bindungsenergie) lässt sich gemäß Gln.( 6.6) und ( 6.54) auch in Abhängigkeit<br />

von den VAN-DER-WAALS-Anziehungskräften in der kondensierten Phase<br />

einer Flüssigkeitsoberfläche wie folgt ausdrücken:<br />

CH, lvl pVdW,<br />

lgl<br />

⋅ a F=<br />

0<br />

σ lg = =<br />

. ( 6.69)<br />

2<br />

24 ⋅ π ⋅ a 4<br />

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10.10.2012<br />

F=<br />

0<br />

Der Kapillardruck pK ist die Differenz der äußeren Drücke in zwei benachbar-<br />

ten Phasen, der durch die Grenzflächenspannung aufgenommen wird und sich<br />

mit einem mittleren Krümmungsradius gemäß Gl.( 6.38)<br />

r<br />

1,<br />

2<br />

−1<br />

⎛ 1 1 ⎞<br />

= ⎜ +<br />

r1<br />

r ⎟<br />

( 6.38)<br />

⎝ 2 ⎠<br />

nach LAPLACE berechnet:<br />

⎛ 1 1 ⎞<br />

p = σ ⋅ ⎜ + ⎟<br />

K lg<br />

. ( 6.70)<br />

⎝ R1<br />

R 2 ⎠<br />

R1, R2 Hauptkrümmungsradien der Flüssigkeitsoberfläche<br />

Eine Herleitung der beiden Hauptkrümmungsradien für die kreisförmig gekrümmten<br />

Menisken liefert für den Brückenradius R1 (siehe Sem.)<br />

R 1<br />

( 1−cos<br />

α)<br />

a + d ⋅<br />

= ( 6.71)<br />

2 ⋅ cos( α+<br />

θ)<br />

a Oberflächenabstand beider Kugeln<br />

und für den Kontaktkreisradius R2:<br />

d<br />

R 2 = ⋅ sin α − R1⋅<br />

[ 1−<br />

sin( α+<br />

θ)<br />

] . ( 6.72)<br />

2<br />

Die konkave Krümmung des Brückenradius R1 bewirkt einen kapillaren Unterdruck,<br />

die konvexe des Kontaktkreisradius R2 dagegen einen Überdruck. Im<br />

vorliegenden Fall eines positiv definierten Unterdruckes ∆pK besitzen folglich


die Hauptkrümmungsradien unterschiedliche Vorzeichen, und es existiert in<br />

der Flüssigkeitsbrücke solange ein Unterdruck - und somit ein positiver Beitrag<br />

Fp des Kapillardrucks zur Haftkraft FH -, solange 1 / R1<br />

> 1/<br />

R 2 ist. Dafür gilt:<br />

2<br />

2<br />

π ⋅ d 2 ⎛ 1 1 ⎞ π ⋅ d 2<br />

F = ⋅ ⋅ α = σ ⋅ ⎜ − ⎟<br />

p pK<br />

sin<br />

lg<br />

⋅ ⋅ sin α . ( 6.73)<br />

4<br />

⎝ R1<br />

R 2 ⎠ 4<br />

Somit ergibt sich die gesamte Haftkraft FH = FR + Fp zu:<br />

⎡<br />

d ⎛ 1 1 ⎞ ⎤ 2<br />

F ⎢ ( ) ⎜<br />

⎟<br />

H = π ⋅ d ⋅ σlg<br />

⋅ sin α ⋅ sin α + θ + ⋅ − ⋅ sin α⎥<br />

( 6.74)<br />

⎣<br />

4 ⎝ R1<br />

R 2 ⎠ ⎦<br />

bzw. für vollständige Benetzung θ ≈ 0<br />

⎡<br />

⎤<br />

2 d ⎛ 1 1 ⎞<br />

F = π ⋅ ⋅ σ ⋅ α ⋅ ⎢ + ⋅ ⎜ − ⎟<br />

H d lg sin 1<br />

⎥ . ( 6.75)<br />

⎣ 4 ⎝ R1<br />

R 2 ⎠⎦<br />

Da R1 und R2 von α, θ und a/d abhängen, so lässt sich schreiben:<br />

⎛ a ⎞<br />

H = σ ⋅d⋅f<br />

⎜α,<br />

θ,<br />

⎟ . ( 6.76)<br />

⎝ d ⎠<br />

F lg<br />

Diese Haftkraft sinkt mit steigendem Kontaktabstand (Folie 6.9a). Die maximale<br />

Haftkraft ergibt sich allerdings beim Oberflächenabstand a = 0:<br />

F = π ⋅ d ⋅ σ . ( 6.77)<br />

H,<br />

max<br />

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10.10.2012<br />

lg<br />

Für die Bindung in fließenden feuchten Schüttgütern wurde Gleichung ( 6.75)<br />

dahingehend vereinfacht, dass meist vollständige Benetzung vorliegt. Außerdem<br />

liegen dem Modell noch sich berührende gleich große Kugeln a = 0 zugrunde.<br />

Damit ergibt sich für das Flüssigkeitsvolumen in einer Brücke, wenn<br />

man hier auf die Berücksichtigung der Krümmung der beiden Menisken vereinfachend<br />

verzichtet /Diss.B/ (Folie 6.14):<br />

π<br />

3 4<br />

V l ≈ ⋅ 0,<br />

264 ⋅ d ⋅sin<br />

α . ( 6.78)<br />

4<br />

Damit lässt sich ein einfacher analytischer Zusammenhang zwischen dem Flüssigkeitsgehalt<br />

Xl in einem Schüttgut der Porosität ε und dem Benetzungswinkel<br />

α gewinnen (mittlere Koordinationszahl k = π / ε ):<br />

X<br />

m<br />

k<br />

V ⋅ρ<br />

l<br />

l l<br />

l = = ⋅<br />

m π ,<br />

s<br />

3<br />

2 ⋅ ⋅ d ⋅ρ<br />

s<br />

sin<br />

6<br />

ε ⋅ ρ<br />

( 6.79)<br />

2<br />

s<br />

α = 1,<br />

313⋅<br />

Xl<br />

. ( 6.80)<br />

ρl<br />

Für die mittlere Haftkraft FH in einer Partikelpackung mit idealer Zufallsanordnung<br />

gilt dann vereinfachend:<br />

389


390<br />

F<br />

F<br />

K<br />

s<br />

H ≈ 1,<br />

313⋅<br />

π ⋅ d ⋅ σlg<br />

⋅ ⎢1<br />

+ ⎥⋅<br />

Xl<br />

( 6.81)<br />

4 ⋅ σlg<br />

ρl<br />

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10.10.2012<br />

⎡<br />

⎢⎣<br />

⎡<br />

p<br />

1<br />

⋅ d ⎤<br />

1<br />

⎥⎦<br />

ε ⋅ ρ<br />

1<br />

⎞⎤<br />

ε ⋅ρ<br />

s<br />

H≈<br />

1,<br />

313⋅<br />

π ⋅ d ⋅ σlg<br />

⋅ ⎢1<br />

+ ⋅ ⎥⋅<br />

Xl<br />

4 ⎜ −<br />

R1<br />

R ⎟<br />

( 6.82)<br />

2 ρl<br />

⎣<br />

⎛<br />

⎝<br />

bzw. mit den Gln.( 6.71) und ( 6.72) für den Oberflächenabstand a = 0:<br />

F<br />

⎡<br />

1<br />

cos α<br />

⎠⎦<br />

cos α<br />

ε ⋅ ρ<br />

s<br />

H ≈ 1,<br />

313⋅<br />

π ⋅ d ⋅⋅σ<br />

lg ⋅⎢1<br />

+ ⋅<br />

⎥⋅<br />

Xl<br />

2<br />

⎜ +<br />

1 cos 1 cos sin<br />

⎟ . (6.83)<br />

− α − α − α ρl<br />

⎣<br />

⎛<br />

⎝<br />

Allerdings ist der Term in den runden Klammern wegen der unterschiedlichen<br />

Vorzeichen der Hauptkrümmungsradien bei praktischen Abschätzungen problematisch,<br />

⇒ liefert bei größeren Flüssigkeitsgehalten zu kleine Haftkräfte.<br />

Die Haftkräfte, die rotationssymmetrische Flüssigkeitsbrücken übertragen, sind<br />

für gleich sowie ungleich große Partnerkugeln und für andere Partnergeometrien<br />

sowohl unter der vereinfachenden Annahme kreisbogenförmiger Meridiankurven<br />

als auch für das exakte Profil berechnet worden /3.102/ bis /3.104/.<br />

Die Verformung der Flüssigkeitsbrücken unter Schwerkrafteinfluss und deren<br />

Auswirkung auf die Haftkraft ist für Partikeln d < 1 mm vernachlässigbar.<br />

Schließlich lassen sich auch Brücken zwischen unregelmäßigen Partikeln in<br />

guter Näherung als rotationssymmetrisch auffassen.<br />

Um die Intensität der Haftkräfte, die durch Flüssigkeitsbrücken hervorgebracht<br />

werden, im Vergleich zu anderen Wechselwirkungen zu kennzeichnen, sind<br />

diese in Folie 6.9a und b mit dargestellt. Danach ist festzustellen, dass diese<br />

nicht nur die intensivsten sind, sondern dass sie sich auch Rauhigkeiten gegenüber<br />

als wenig empfindlich erweisen /3.92/.<br />

6.1.2.1.2 Zerreißarbeit einer Flüssigkeitsbrücke<br />

Für den maximal möglichen Oberflächenbstand, bei dem das Zerreißen der<br />

Flüssigkeitsbrücke eintritt, hat sich folgender einfacher Zusammenhang ergeben<br />

(für Randwinkel θ ≤ 40°):<br />

V a ≈ . ( 6.84)<br />

1/<br />

3<br />

max l<br />

Mit dem mittleren Flüssigkeitsgehalt einer Brücke in einer Partikelpackung<br />

nach der Gl.( 6.79) ist auch (z. B. amax ≈ d für ρs = 2650 kg/m³, ε = 0.5, Xl =<br />

25%):<br />

max 3 ⎟ ⎛ ε ⋅ ρ ⎞ s a = d ⋅ ⎜ ⋅ ⋅ X l<br />

⎝ ρl<br />

⎠<br />

1/<br />

3<br />

⎞⎤<br />

⎠⎦<br />

. ( 6.85)


Falls sich im Anfangszustand die gleichgroßen Kugeln berührt hatten a = 0, ist<br />

eine Arbeit zum Zerreißen der Flüssigkeitsbrücke WZ aufzuwenden:<br />

amax<br />

2 ε ⋅ ρs<br />

WZ = ∫ FH<br />

( a)<br />

da ≈ 1,<br />

27 ⋅σ<br />

lg ⋅ d ⋅Vl<br />

= 2,<br />

2 ⋅σ<br />

lg ⋅ d ⋅ ⋅<br />

ρ<br />

0<br />

l<br />

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10.10.2012<br />

X<br />

l<br />

. (6.86)<br />

Diese Arbeit wird dissipiert. Die massebezogene Dissipationsarbeit des Abreißens<br />

der Flüssigkeitsbrücken in einer Partikelpackung Wm, Z = k ⋅ WZ<br />

/ mP<br />

ist<br />

damit (mittlere Koordinationszahl k = π / ε ):<br />

2,<br />

2<br />

13,<br />

2<br />

2<br />

⋅π<br />

⋅σ<br />

lg ⋅ d ε ⋅ ρ<br />

⋅σ<br />

s<br />

lg ρ s<br />

Wm, Z =<br />

⋅ ⋅ X l = ⋅ ⋅<br />

3<br />

ε ⋅π<br />

/ 6 ⋅ d ⋅ ρ s ρl<br />

ρ s ⋅ d ε ⋅ ρl<br />

X<br />

l<br />

. (6.87)<br />

Davon ausgehend, eine Energiebilanz der kinetischen Energie für das Auftreffen<br />

eines Partikels 1 auf andere mit einer Auftreffgeschwindigkeit v1 und einer<br />

möglichen Rückprallgeschwindigkeit v1R sowie der Dissipationsarbeit des Abreißens<br />

einer Flüssigkeitsbrücke WZ ergibt:<br />

m<br />

2<br />

p<br />

2 2 ( v1<br />

− v1R<br />

) = WZ<br />

⋅ . (6.88)<br />

Bei einer Rückprallgeschwindigkeit von v1R = 0 entspricht das einer kritischen<br />

Prallgeschwindigkeit auftreffender Partikel bei der gerade noch Haftung auftritt:<br />

v1H 2 m,<br />

Z<br />

= ⋅W<br />

/ k . (6.89)<br />

6.1.2.1.3 Viskose Bindekraft<br />

Für Kapillarzahlen Ca < 10 -3 (Verhältnis von viskoser Reibungskraft zur<br />

Oberflächenkraft)<br />

η ⋅ vZ<br />

Ca = (6.90)<br />

σ<br />

lg<br />

ist die kapillare Bindung dominant (siehe Gl.( 6.74)). Dagegen wird für Kapillarzahlen<br />

Ca > 1 die viskose Bindung bedeutsamer. Das heißt, bei ausreichend<br />

hohen Zerreißgeschwindigkeiten vZ ( vZ = d / 2 ⋅γ�<br />

) sollte man zusätzlich eine<br />

Bindekraft aufgrund der Viskosität der Brückenflüssigkeit berücksichtigen<br />

(Adams, Edmondson, 1987):<br />

F<br />

H , vis<br />

3⋅<br />

π d<br />

= ⋅<br />

8<br />

2<br />

⋅η<br />

⋅ v<br />

a<br />

Z<br />

. (6.91)<br />

Diese viskose Bindekraft wird für den direkten Kontakt a → aF=0 maximal.<br />

Die Energiedissipation beim Ablösen einer viskosen Bindung ist damit:<br />

391


392<br />

P<br />

H , vis<br />

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= F<br />

H , vis<br />

⋅ v<br />

Z<br />

2<br />

3⋅ π d ⋅η<br />

⋅ v<br />

= ⋅<br />

8 a<br />

2<br />

Z<br />

. (6.92)<br />

Bem.: Entsprechend der Definition der obigen Kapillarzahl Ca ist das Verhält-<br />

nis der maximalen Energiedissipation (Leistungseintrag) der Kapillarbindung<br />

zur viskosen Bindung von Partikeln in Flocken in einer Suspension („elastische<br />

Flocken“ nach dem JKR-Modell) während der Annäherung, Kollision, Defor-<br />

mation und Flockenwachstum (Adams, Edmondson, S. 163, 1987):<br />

P<br />

P<br />

H , vis<br />

H , JKR<br />

d ⋅η<br />

⋅ vZ<br />

=<br />

2 ⋅σ<br />

sl ⋅ aF<br />

=<br />

0<br />

. (6.93)<br />

Die gesamte Haftkraft der Flüssigkeitsbrücke FH,ges, die sich aus kapillarer<br />

und viskoser Bindung zusammensetzt, folgt mit den Gln.( 6.75) und (6.91) bei<br />

vollständiger Benetzung θ = 0:<br />

F<br />

H,<br />

ges<br />

⎡<br />

d<br />

1<br />

3⋅<br />

π<br />

⋅ η ⋅ v<br />

2<br />

2<br />

= π ⋅ d ⋅ σlg<br />

⋅ sin α ⋅ ⎢1<br />

+ ⋅<br />

4 ⎜ − ⎥ +<br />

R1(<br />

a max ) R 2(<br />

a max ) ⎟<br />

8<br />

⋅<br />

a max<br />

Z .<br />

6.1.2.1.4 Einaxiale Zugfestigkeit<br />

⎣<br />

⎛<br />

⎝<br />

1<br />

⎞⎤<br />

⎠⎦<br />

d<br />

( 6.94)<br />

Die einaxiale Zugfestigkeit im voll ausgebildeten Brückenbereich in einer<br />

Partikelpackung mit idealer Zufallsanordnung lässt sich mit den Gln.( 6.66)<br />

und ( 6.81) sowie mit dem Eintrittskapillardruck pK ≈ pK<br />

, E als charakteristischen<br />

Wert der Porendruckverteilung im Schüttgut Gl.( 6.100) direkt abschätzen<br />

(σlg =72⋅10 -3 J/m 2 für Wasser):<br />

8,<br />

25⋅<br />

( 1−<br />

ε)(<br />

2 − ε)<br />

⋅ σlg<br />

⋅<br />

ε ε ⋅ d ⋅ ( 1+<br />

sin ϕ )<br />

sin ϕ<br />

i s<br />

σ Z,<br />

1 =<br />

X W . ( 6.95)<br />

ρ<br />

i<br />

l<br />

ρ<br />

Dieses mehrfach überprüfte Modell (siehe Diss. B) ist gewöhnlich für Sättigungsgrade<br />

(Flüssigkeitsporenraumanteile Gl.( 6.99))<br />

ρs<br />

( 1−<br />

ε)<br />

⋅ X W<br />

S = < 0,<br />

3 gültig.<br />

ρ ⋅ε<br />

l<br />

6.1.2.2 Flüssigkeitsbindung in Partikelpackungen<br />

In einer Partikelschüttung ist ein Zwischenraumvolumen (äußere Porosität)<br />

vorhanden, das als verzweigtes, vielgestaltiges Kapillarsystem in Abhängigkeit<br />

von der Partikelgrößen- und Partikelformverteilung des Feststoffes sowie dessen<br />

Packungsstruktur vorliegt. Befindet sich eine solche Partikelschüttung im<br />

Kontakt und damit im Austausch mit umgebender Luft, so bilden sich zunächst<br />

Adsorptionsschichten von polaren Wassermolekülen, die sich z.B. mit der


BET-Isothermen (hier in linearisierter Form y = b + ax) im Gültigkeitsbereich<br />

von ϕ = pD/pDS < 0,35 modellhaft erfassen lassen (Folie 6.15):<br />

X<br />

W,<br />

A<br />

p<br />

⋅<br />

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10.10.2012<br />

/ p<br />

D DS<br />

W<br />

=<br />

+<br />

⋅ p / p<br />

D DS<br />

( 1−<br />

p / p ) X ⋅ k X ⋅ k<br />

D<br />

DS<br />

mit exp[<br />

E /( RT)<br />

]<br />

k W B<br />

1<br />

W,<br />

A,<br />

mono<br />

W<br />

k<br />

−1<br />

W,<br />

A,<br />

mono<br />

W<br />

( 6.96)<br />

= ( 6.97)<br />

kW stoffabhängige Konstante<br />

EB molare Bindungsenergie der Monoschicht<br />

XW,A,mono<br />

Monoschichtbelegung der Partikeloberfläche (s. Gl.( 6.60))<br />

und bei höheren relativen Luftfeuchten ϕ = pD/pDS (für Partikelschüttungen<br />

etwa im Bereich pD/pDS zwischen 0,6 und 0,85; pD Wasserdampfpartialdruck,<br />

pDS<br />

393<br />

Sattdampfdruck) Flüssigkeitsbrücken infolge Kapillarkondensation an<br />

den Kontaktstellen der Partikeln /3.133//3.134/. Eine derartige Flüssigkeitsbrü-<br />

cke ist stabil, wenn ihr Dampfdruck - resultierend aus der Flüssigkeitsbindung<br />

mittels Kapillardruck pK - dem Wasserdampfpartialdruck pD der feuchten Um-<br />

gebungsluft entspricht, d.h. wenn die KELVIN-Gleichung erfüllt ist:<br />

p ⎡ ⎤<br />

D M W ⋅ pK<br />

= exp⎢−<br />

⎥ . ( 6.98)<br />

pDS<br />

⎣ ρW<br />

⋅ RT<br />

⎦<br />

MW<br />

Molmasse des Wassers<br />

ρW Dichte des Wassers<br />

R = 8,3145 kJ/(kmol K) allgemeine Gaskonstante<br />

T absolute Temperatur<br />

Dementsprechend können mit steigender relativer Luftfeuchte Flüssigkeits-<br />

brücken zunächst nur dort entstehen, wo Gl.( 6.98) zuerst erfüllt ist, d.h. an den<br />

Kontaktstellen, an denen sich benachbarte Partikeln bzw. deren Adsorptions-<br />

schichten berühren. An Nahpunkten mit a > 0 können sich erst bei entspre-<br />

chend höherer relativer Luftfeuchte Flüssigkeitsbrücken bilden, oder diese sind<br />

aufgrund von Sorption allein zur Brückenbildung überhaupt nicht befähigt<br />

(Folie 6.15).<br />

Betrachtet man nun die Feuchte einer Partikelschüttung unabhängig davon, wie<br />

sie entstanden ist, so lässt sich ganz allgemein sagen, dass bei niedrigen<br />

Flüssigkeitssättigungsgraden S (S = Flüssigkeits-/Porenraumvolumen)<br />

V ( 1−ε)<br />

⋅ V ( 1−ε)<br />

⋅ ρ<br />

S = ⋅<br />

( 6.99)<br />

V<br />

l l<br />

s<br />

= = Xl<br />

Poren ε ⋅ Vs<br />

ε ⋅ ρl<br />

Adsorptionsschichten und Flüssigkeitsbrücken an den Kontaktstellen der Partikeln<br />

existieren können (Folie 6.14a). Im Vergleich zu den Adsorptionsschichten<br />

binden dabei die Flüssigkeitsbrücken wesentlich höhere Flüssigkeitsanteile.<br />

Mit weiterer Steigerung von S stellt sich zunächst ein Übergangsbereich ein


394<br />

(Folie 6.14b), in dem Flüssigkeitsbrücken und gefüllte Zwischenräume neben-<br />

einander vorliegen (S ≈ 0,25), bis alle Zwischenräume schließlich gefüllt sind<br />

(Folie 6.14c).<br />

Für die Bindung dieser Flüssigkeitsanteile ist der Kapillardruck maßgebend.<br />

Dieser hängt vom Flüssigkeitssättigungsgrad S nach einem Kurvenverlauf ab,<br />

wie er in Folie 6.15 schematisch dargestellt ist.<br />

Der Kurvenverlauf bei Befeuchtung weicht von dem bei Entfeuchtung ab (Kapillardruck-Hysterese).<br />

Dies ist einerseits durch wechselnde Porenquerschnitte,<br />

die ein- oder ausströmende Flüssigkeitsmenisken vorfinden, und andererseits<br />

durch die Randwinkel-Hysterese bedingt /3.102//3.137/.<br />

Um die Kapillardrücke in verschiedenen Partikelschüttungen und damit deren<br />

Flüssigkeitsbindevermögen vergleichen zu können, ist die Definition eines<br />

mittleren oder charakteristischen Wertes zweckmäßig. Vorwiegend wird dazu<br />

der Eintrittskapillardruck pK,E benutzt (Folie 6.15) /3.135/. Dafür ergab sich<br />

für gut benetzbare Stoffe:<br />

p<br />

K,<br />

E<br />

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10.10.2012<br />

1−ε<br />

σlg<br />

= k K ⋅ ⋅<br />

mit kK = 1,9 ... 14,5. ( 6.100)<br />

ε d<br />

ST<br />

Für kK werden bei Vorliegen einer engen Partikelgrößenverteilung Werte zwischen<br />

6 und 8 genannt /3.135/ /3.136/, für breitere Partikelgrößenverteilungen<br />

zwischen 1,9 und 14,5 /3.137/. In diesem Fall werden das Schüttgut bzw. die<br />

Agglomerate durch den Kapillardruck pK zusammengehalten. Im Bereich hoher<br />

Flüssigkeitssättigungsgrade S ist folglich die Zugfestigkeit σZ gegeben durch<br />

/3.102//3.132/:<br />

σ = S ⋅ p , ( 6.101)<br />

Z<br />

K<br />

wobei der Kapillardruck durch die Abhängigkeit pK = f(S) (Folie 6.15) gegeben<br />

ist und die Fälle Entfeuchtung und Befeuchtung entsprechend zu unterscheiden<br />

sind. Für den Fall der Entfeuchtung liefert der Eintrittskapillardruck pK,E gemäß<br />

Gl.( 6.100) einen Orientierungswert für die Zugfestigkeit.<br />

Abgesehen von den im vorstehenden erörterten Flüssigkeitsbindungsarten kann<br />

bei Vorliegen einer inneren Porosität innere Feuchtigkeit vorhanden sein, die<br />

wegen der Feinheit dieser Porenstruktur sehr fest gebunden ist.<br />

6.1.2.3 Bindung durch Flüssigkeiten hoher Viskosität<br />

Sind die Poren eines Agglomerates vollständig oder teilweise mit einem hochviskosen<br />

Bindemittel (z.B. Asphalt, Wachs, Leim) gefüllt, so wird die Bindung<br />

einerseits von der Kohäsion im Bindemittel und andererseits von der Adhäsion<br />

zwischen Bindemittel und Partikeln bestimmt. Wegen des innigen Kon-


taktes und der Oberflächenrauhigkeit darf man dabei vielfach davon ausgehen,<br />

dass die Adhäsion die Kohäsion überwiegt. Die hohe Viskosität verhindert<br />

die Ausbildung von Kapillarradien. Plastische Stoffe behalten eine beliebig<br />

vorgegebene Oberflächenform, weil die Verformungsenergie größer als der<br />

mögliche Gewinn an Grenzflächenenergie ist.<br />

Die Zugfestigkeit dürfte analog Gl.( 6.101) sich summarisch aus einem Viskositäts-<br />

und Kohäsionsanteil zusammensetzen:<br />

⎛ ηl<br />

⎞<br />

∝ S ⋅ ⎜ + σZ,<br />

⎟ . ( 6.102)<br />

⎝ t ⎠<br />

σZ l<br />

S Bindemittelanteil (-sättigungsgrad, siehe Gl.( 6.99))<br />

σZl Zugfestigkeit (Kohäsionsfestigkeit) des Bindemittels<br />

Viskosität<br />

ηl<br />

6.1.3 Bindung durch Festkörperbrücken<br />

Bei der Bindung durch Festkörperbrücken werden die Bindekräfte von festen,<br />

brückenartig ausgebildeten Verbindungen übertragen (Folie 6.16). Diese entstehen<br />

durch<br />

- das Kristallisieren gelöster Stoffe - Kristallisationsbrücken,<br />

- die verschiedenen Sintermechanismen - Sinterbrückenbindungen,<br />

- das Erhärten eines Bindemittels infolge chemischer Reaktionen - chemische<br />

Brückenbindungen,<br />

- und ggf. das Erhärten eines hochviskosen Bindemittels.<br />

6.1.3.1 Kristallisationsbrücken<br />

Enthält die Flüssigkeit eines feuchten Schüttgutes gelöste Stoffe, so kristallisieren<br />

diese beim Trocknen aus und bauen an den Berührungsstellen in Abhängigkeit<br />

von der Kristallisationszeit t Festkörperbrücken auf /3.128/ (Folie<br />

6.16). Der gelöste bzw. auskristallisierende Anteil kann aus dem gleichen oder<br />

einem anderen Stoff wie das zu agglomerierende Gut bestehen.<br />

Die Zug- oder hier besser Druckfestigkeit σct eines wasserlöslichen Materials<br />

(Salze, Zucker u.ä.) lässt sich dann wie folgt abschätzen /Diss. A/ (Folie 6.17):<br />

σ<br />

ct<br />

= σ<br />

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10.10.2012<br />

Ds<br />

⎡ ⎡ t ⎤⎤<br />

⋅ 1 − . ( 6.103)<br />

( − ε)<br />

⋅ cS<br />

⋅ ( X W0<br />

− X WE ) ⋅ ⎢1<br />

− exp⎢<br />

⎥⎥ ⎣ ⎣ t 63 ⎦⎦<br />

395


396<br />

σDs Druckfestigkeit des kristallisierenden Feststoffes (= 30 MPa für<br />

Sylvinit)<br />

cS = msl/mw Sättigungslöslichkeit (= 0,341 bei 20°C für Sylvinit)<br />

msl Masse gelöster Stoff<br />

mw Masse Wasser<br />

XW0 Anfangsfeuchte<br />

XWE End- bzw. Gleichgewichtsfeuchte<br />

t Lagerzeit<br />

t63 Stofftransportwiderstand des Wassers im Schüttgut<br />

Der Zeitparameter t63 erfasst die Kinetik des Mikro-Kristallisationsprozesses,<br />

d.h., nach t = t63 sind [ 1 − exp( −1)<br />

] = 0,<br />

632 oder t = 3⋅t63 [ 1 − exp( −3)<br />

] = 0,<br />

95 .<br />

63% bzw. 95% der Endfestigkeit erreicht. Er lässt sich auch theoretisch im ruhenden<br />

Schüttgut für den diffusionsgesteuerten Stofftransport bei Reihenschaltung<br />

der beiden beteiligten Phasen (der Flüssigphase: Index W = Wasser und<br />

Dampfphase: Index D) als Summe der Widerstände abschätzen:<br />

t = t + t . ( 6.104)<br />

63<br />

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63D<br />

63W<br />

Der Index 0 bedeutet den Bezug auf den Normalzustand bei T = T0 = 273 K.<br />

t<br />

63<br />

2<br />

1−<br />

ε k ϕ ⋅ ρs<br />

⋅ sD<br />

⋅ RT0<br />

⎛ T0<br />

⎞<br />

= ⋅<br />

⋅ ⎜ ⎟<br />

ε M ⋅ p ⋅ D ⎝ T ⎠<br />

W<br />

DS,<br />

0<br />

D,<br />

0<br />

16,<br />

6<br />

+<br />

β<br />

W,<br />

0<br />

⎛ X ⎞ T<br />

1,<br />

94 ⋅ exp ⎜<br />

⎜k<br />

T ⋅<br />

X ⎟<br />

⎝ Tm ⎠<br />

ρs<br />

⋅ ( 1+<br />

cS<br />

) ⋅ X<br />

⋅ AS,<br />

m ⋅<br />

ε ⋅ ρ<br />

l,<br />

0<br />

W<br />

⎛ T0<br />

⎞<br />

⋅ ⎜ ⎟<br />

⎝ T ⎠<br />

6,<br />

85+<br />

nl<br />

( 6.105)<br />

AS,m spezifische Oberfläche<br />

DD,0≈2,12⋅10 -5 m 2 /s Diffusionskoeffizient von Wasserdampf in Luft<br />

kT ≈ 0,7 Adsorptionsparameter oberflächenaktiver Substanzen<br />

∆X<br />

W<br />

k ϕ =<br />

∆(<br />

p / p )<br />

Anstieg der Sorptionsisothermen im unterkritischen Be-<br />

D<br />

DS<br />

reich (Folie 6.15)<br />

nl ≈ 4,0 Exponent der Temperaturabhängigkeiten der Stoffwerte:<br />

Löslichkeit, Flüssigkeitsdichte, Viskosität und Diffusionskoeffizient,<br />

z.B. für eine gesättigte KCL-Lösung (273<br />

K ≤ T ≤ 373 K)<br />

pDS,0 ≈ 735 Pa Sattdampfdruck<br />

sD<br />

maximale Diffusionsschichtdicke ≈ Schütthöhe<br />

βW,0≈0,08 kg/(m 2 ⋅h) Stoffübertragungskoeffizient des Wassers in einer gesättigten<br />

Salzlösung (hier reine KCL-Lösung)<br />

ρl,0 ≈ 1150 kg/m3 Lösungsdichte (KCL-Lösung)<br />

XT = mT/ms Beladung an oberflächenaktive Substanzen mit


X<br />

T,<br />

m<br />

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10.10.2012<br />

A<br />

S,<br />

m T<br />

= Monoschichtbeladung des Tensides<br />

A<br />

T<br />

⋅ M<br />

⋅ N<br />

A<br />

AT Platzbedarf des Tensidesmoleküles<br />

MT Molmasse des Tensides<br />

6.1.3.2 chemische Brückenbindungen<br />

Setzt man einem zu agglomerierenden feinen Produkt ein Bindemittel zu (z.B.<br />

Zement, Kalk, Wasserglas), so entstehen beim Erhärten zwischen den Partikeln<br />

Bindemittelbrücken durch chemische Reaktionen (Folie 6.17). Bei den mehr<br />

oder weniger trockenen Schüttgütern befinden sich die Restwassergehalte meist<br />

im Adsorptionsschichtbereich XWA ≈ 0,1 ... 0,4 %, falls nicht aus Umweltgründen<br />

zusätzlich Wasser zugegeben wurde, z.B. zur Staubbindung bei<br />

Kraftwerksaschen.<br />

Beispielsweise kann ein Stoff s durch Wasseraufnahme (νW stöchiometrischer<br />

Faktor) zu einem hydratisierten Feststoff hs reagieren (Hydratationsreaktion) 12 :<br />

s W 2<br />

+ ϑ ⋅ H O ⇔ hs<br />

( 6.106)<br />

Ms<br />

⋅ XWA<br />

k W ⋅ t<br />

σ ct = σDs<br />

⋅ ( 1−<br />

ε)<br />

⋅ ⋅<br />

( 6.107)<br />

M ⋅ϑ<br />

k ⋅ t + 1<br />

W<br />

W<br />

W<br />

σDs ≈ 35 MPa Bindemittel (Mörtel) aus Portlandzement PZ 1/35, ⇒<br />

gültig für spröde Materialien σct ↔ σDs<br />

Mw= 18 kg/kmol Molmasse des Wassers<br />

ρs ≈ 3100 kg/ m 3 Zement<br />

Ms ≈ 1634 kg/kmol Molmasse des hydratisierten Feststoffes (z.B. Ettringit<br />

CaO⋅3Al2O3⋅3CaSO4⋅32H2O)<br />

νw ≈ 32 stöchiometrischer Faktor der Reaktion,<br />

kw ≈ 97 d -1 Geschwindigkeitskonstante der Reaktion (hier z.B. Zement)<br />

k<br />

E<br />

⎛ A ⎞<br />

( AS,<br />

m ) ⋅ exp⎜−<br />

⎟<br />

⎝ R ⋅ T ⎠<br />

W = k W∞<br />

. ( 6.108)<br />

EA Aktivierungsenergie der Hydratation<br />

kw∞ = f(AS,m) Konstante für T → ∞, Anstieg der Zeitfunktion, ⇑ wenn AS<br />

© Dr .- Ing.habil. J. Tomas 1992<br />

12 Tomas, J.: Zum Verfestigungsprozeß von Schüttgütern - Mikroprozesse, Kinetikmodelle und<br />

Anwendungen (Übersichtsartikel), Chem.- Ing.- Technik 69 (1997) 4, 455-467<br />

397


398<br />

6.1.3.3 Sinterbrücken<br />

Vorrangig werden metallische (Pulvermetallurgie) und keramische Werkstoffe<br />

zu Fertigprodukten gesintert.<br />

Da beim Sintern (thermische Agglomeration) eine entsprechende diffusive,<br />

d.h. thermische Beweglichkeit der Atome und Moleküle der Haftpartner erforderlich<br />

ist, bedürfen Sinterprozesse meist der Wärmezufuhr. Dabei können<br />

chemische Reaktionen den Wärmehaushalt bzw. die Beweglichkeit der Atome<br />

und Moleküle begünstigen.<br />

Dem Sintern ist auch der Mikroprozess der Kontaktdeformation durch viskoses<br />

Fließen der Mikrorauhigkeiten bei Materialien geringen Schmelzpunktes<br />

(gegebenenfalls auch) bei Umgebungstemperatur zuzurechnen. Neben der Verstärkung<br />

der VAN-DER-WAALS-Kräfte analog der plastischen Deformation<br />

der Kontaktpunkte zu Kontaktflächen (siehe auch Gl.( 6.52)), entstehen Festkörperbrücken<br />

durch viskoses Ineinanderfließen des Feststoffes (= gerichtete<br />

Konvektionsströmung). Dem kann vereinfachend ein lineares Materialverhalten<br />

(„Stoffgesetz“) zwischen Beanspruchung und Deformation zugrunde gelegt<br />

werden, mit dem NEWTON-sches Fließgesetz:<br />

du ∆s<br />

τ<br />

t<br />

γ�<br />

= = = oder einfach γ = ⋅ τ . ( 6.109)<br />

dy ∆h⋅<br />

∆t<br />

η<br />

η<br />

h Schichthöhe<br />

s Scherweg<br />

u= ds dt Schergeschwindigkeit<br />

γ Verzerrung oder Verschiebung<br />

η dynamische Viskosität<br />

Man vergleiche auch das HOOK-sche Gesetz:<br />

dl ∆l<br />

σ FN<br />

ε d = = = =<br />

dx l E E⋅<br />

A<br />

oder<br />

τ FS<br />

γ = = .<br />

G G⋅<br />

A<br />

( 6.110)<br />

MVT_e_6neu <strong>Mechanische</strong> <strong>Verfahrenstechnik</strong> - Partikeltechnologie Schüttgutspeicherung Prof. Dr. J. Tomas,<br />

10.10.2012<br />

0<br />

εd Druck-Stauchung oder Zug-Dehnung<br />

E Elastizitätsmodul<br />

G Gleitmodul<br />

0 Index für Belastungsbeginn<br />

Die Haftung mittels viskoser Kontaktflächenbildung wird noch durch Ineinanderfließen<br />

des Materials aufgrund der Grenzflächenenergie σsgs (svw. Bindungsenergie<br />

pro Grenzfläche) und der Volumenphase (Schmelzhaftung,<br />

„Kaltverschweißen“) weiter verstärkt und führt zur Sinterhalsbildung. Solche<br />

Sinterbrückenbindungen können schon bei normalen Umgebungstemperaturen


ei (weichen) Plastpulvern, fett- und eiweißhaltigen Futter- und Lebensmitteln<br />

entstehen.<br />

Gewöhnlich beginnen Sinter-Mikroprozesse von VAN-DER-WAALS-Festkör-<br />

pern durch Oberflächen- oder Volumendiffusion schon bei<br />

T≈ ( 0,<br />

75...<br />

0,<br />

9)<br />

⋅ T , ( 6.111)<br />

Tm<br />

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10.10.2012<br />

m<br />

Schmelztemperatur, ⇑ Polymere → Metalle → Metalloxide<br />

wobei molekulare Platzwechselvorgänge sich an der Partikeloberfläche (hohe<br />

Häufigkeit struktureller Fehlordnungen, hohe Diffusionsaktivität) bei geringe-<br />

ren Temperaturen vollziehen als in der Partikelvolumenphase (geringere Fehl-<br />

ordnungshäufigkeit).<br />

Bei merklichem Dampfdruck an der Feststoffoberfläche tritt Verdampfung (=<br />

Sublimation) und bei geringerem Dampfdruck an den Rauhigkeitskontakten<br />

Kondensation (=Desublimation) am sich bildenden Sinterhals ein.<br />

Den Mikroprozesse des Sinterns (Polke, Rumpf, Sommer u.a.) ist eine ausge-<br />

prägte Zeitabhängigkeit t (Mikroprozesskinetik) und Temperaturabhängig-<br />

keit T (⇒ insbesondere der Stoffwerte) eigen (Tabelle 6.5):<br />

⎛<br />

⎜<br />

⎝<br />

dS<br />

n<br />

d S<br />

⎛ ⎞<br />

S ⎞<br />

E<br />

⎟ ∝f<br />

( t,<br />

T)<br />

⋅exp<br />

⎜<br />

⎜−<br />

⎟ . ( 6.112)<br />

d ⎠<br />

⎝ RT<br />

⎠<br />

Sinterhalsdurchmesser<br />

d Partikelgröße<br />

ES<br />

Aktivierungsenergie beim Sintern<br />

Mikroprozess N f(t, T) Materialverhalten<br />

viskose Kontaktabplattung 3 3 t 1 FN<br />

2<br />

32 G ⎟<br />

0 d<br />

⎟<br />

⎛ ⎞<br />

⎜ +<br />

⎝ η ⎠<br />

linear viskoelastisch<br />

*<br />

viskoses Fließen mit Sinterhalsbildung<br />

2 8 t ⎛ 2σsg<br />

1 FN<br />

⎞<br />

⎜ + ⎟ 2<br />

5η⎝<br />

d π d ⎠<br />

linear viskos<br />

Oberflächendiffusion 7<br />

4<br />

σsga<br />

ADS<br />

⋅ t<br />

4<br />

d k BT<br />

diffusiver Transport<br />

Volumendiffusion 5<br />

3<br />

σsga<br />

AD<br />

V<br />

⋅ t<br />

3<br />

d k T<br />

diffusiver Transport<br />

Verdampfung und Rekondensation<br />

3<br />

σ<br />

sg<br />

B<br />

3<br />

a Ap<br />

D / p0<br />

⋅ t<br />

dk<br />

T<br />

B<br />

399<br />

diffusiver Transport<br />

* Reihenschaltung von Feder- und Dämpfungselement (MAXWELL-Körper)<br />

Tabelle 6.5: Sinter-Mikroprozesse


400<br />

aA<br />

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Gitterabstand der Atome (z.B. ≈ 0,3 nm)<br />

DS ,DV Oberflächen- bzw. Volumendiffusionskoeffizient (stoffabhängig)<br />

kB<br />

pD<br />

p0<br />

Boltzmannkonstante = 1,38 10 -23 J/K<br />

Dampfdruck<br />

Sattdampfdruck<br />

Für die zeitabhängige Haftkraft FHt gilt hier analog zur Gl.( 6.51) die lineare<br />

Haftkraftzunahme mit der Haftkraft des Kugelkontaktes κt⋅FH0 plus einer von<br />

außen aufgeprägten Normalkraft κt⋅FN (Verfestigungskraft):<br />

Ht<br />

H0,<br />

t<br />

t<br />

N<br />

t<br />

H0<br />

t<br />

N<br />

t<br />

( F F )<br />

F = F + κ ⋅ F = κ ⋅ F + κ ⋅ F = κ ⋅ + mit ( 6.113)<br />

4 ⋅ π ⋅ d ⋅ σ ⋅ σ<br />

= ( 6.114)<br />

sg Zs<br />

FH 0,<br />

t<br />

⋅ t = κt<br />

⋅ 2 ⋅ π ⋅ d ⋅ σsg<br />

5⋅<br />

ηs<br />

σsg spezifisch freie Grenzflächenenergie (Grenzflächenspannung solid-gassolid<br />

sgs) ≈ 0,1 ... 11,4 J/m² (...Diamant; s. auch Gl.( 6.6))<br />

σZs Zugfestigkeit des sinternden Brückenmaterials<br />

mit dem viskosen Repulsionskoeffizienten<br />

2 ⋅ σZs<br />

κ t = ⋅ t<br />

( 6.115)<br />

5 ⋅ η ( T)<br />

s<br />

und einer Feststoffviskosität bzw. viskosen Partikelkontaktsteifigkeit<br />

( 10 Pa s<br />

13<br />

η > ⋅ ) sowie deren exponentieller Energieverteilung<br />

η<br />

s<br />

s<br />

= η<br />

s,<br />

min<br />

⎜ ⎛ E<br />

⋅ exp<br />

⎝ R ⋅<br />

γ�<br />

( ) ⎟⎟ T − T<br />

r<br />

H0<br />

⎞<br />

.<br />

⎠<br />

( 6.116)<br />

E γ� Aktivierungsenergie des thermisch aktivierten Sinterprozesses<br />

Tr Temperaturparameter, 0 K < Tr < Tg ≤ Tm= 200...400 K für Polymere<br />

Tg Glastemperatur (Gläser = metastabile unterkühlte Flüssigkeiten, d.h.<br />

Bildung amorpher („formloser“) Festkörperstrukturen; nur Nahordnung<br />

der Atom- und Molekülverbände)<br />

Tm Schmelz- oder Erstarrungstemperatur (Bildung makroskopisch regulärer,<br />

kristalliner Festkörperstruktur = Fern- oder Volumenordnung)<br />

σZs Zugfestigkeit des Sintermaterials = 10...60 N/mm 2 für Polymere<br />

ηs,min Viskositätsparameter = ηs,∞ für T → ∞<br />

Hier hat man es mit einem thermisch aktivierten Partikel-Mikrofusionsprozess<br />

zu tun. Unterhalb der sog. „Glastemperatur“ wird die Beweglichkeit (Elastizität)<br />

der Makromolekülketten von Polymeren stark eingeschränkt (Übergang<br />

von einer nichtlinearen „Gummi“-Elastizität in die lineare „Glas-“ oder Festkörper-Elastizität).<br />

Der E-Modul (= Steifigkeit) steigt dann von etwa ER =<br />

0,01...0,1 kN/mm 2 bis auf E ≈ 1000⋅ER.<br />

N


Für die zeitabhängige Zugfestigkeit der unverfestigten Kontakte gilt:<br />

0 H0,<br />

t<br />

0<br />

Zs sg<br />

σ 0t<br />

= ⋅ = ⋅<br />

= κ<br />

2<br />

t ⋅ σ0<br />

. ( 6.117)<br />

ε0<br />

d ε0<br />

5 ⋅ ηs<br />

⋅ d<br />

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1−<br />

ε<br />

F<br />

1−<br />

ε<br />

4 ⋅ π ⋅ σ<br />

6.1.4 Formschlüssige Bindungen<br />

⋅ σ<br />

Bei faserigen, plättchenförmigen und sperrigen Partikeln können formschlüssige<br />

Bindungen auftreten, indem sich diese ineinander verhaken oder verfilzen,<br />

Folie 6.8c. Dieser Mechanismus tritt z.B. beim Brikettieren von Metallspänen<br />

auf.<br />

6.2 Spannungszustand und Fließverhalten von Schüttgütern<br />

Eine Schüttung stellt eine ruhende oder sich bewegende ("fließende") Packung<br />

von Partikeln dar, deren Zwischenraumvolumen durch Gase und/oder Flüssigkeiten<br />

gefüllt ist. Trotz der daraus resultierenden Inhomogenitäten können<br />

Schüttgüter in mancher Hinsicht als Kontinuum aufgefasst werden. Ein<br />

fluidisiertes feines Pulver verhält sich ähnlich wie eine NEWTONsche Flüssigkeit,<br />

während ein locker gepacktes mit einem idealen plastischen Medium<br />

verglichen werden kann. Mit Zunahme der Packungsdichte nähern sich die<br />

Schüttguteigenschaften denen eines porösen elastisch-plastischen Festkörpers.<br />

In neuerer Zeit gewinnen aber zunehmend Arbeiten an Bedeutung, die das<br />

kontinuumsmechanische Verhalten von Schüttgütern auf die Wechselwirkungen<br />

zwischen den Partikeln zurückführen 8,12, 13 /3.147//3.148/.<br />

6.2.1 Ruhedruckbeiwert<br />

Für Druck und Kompression als wesentliche Beanspruchungen von<br />

Partikelsystemen wird das + Vorzeichen vereinbart. Aufgrund der Belastung<br />

eines Schüttgutes - im Allgemeinen durch sein Eigengewicht - oder äußere<br />

Kräfte FN können elastische, plastische oder viskose Verformungen im Kontinuum<br />

eintreten (siehe auch Abschnitt 6.1.1.3). Im zuerst genannten Fall ergibt<br />

sich bei vertikaler Druckbelastung und verhinderter seitlicher Ausdehnung (-∆<br />

l2 = -∆l3 = 0 und folglich 2 3 σ = σ ) für das Verhältnis der Normalspannungen<br />

(Hauptspannungen):<br />

© Dr .- Ing.habil. J. Tomas 1992<br />

13 Tomas, J.: Modellierung des Fließverhaltens von Schüttgütern auf der Grundlage der Wechselwirkungskräfte<br />

zwischen den Partikeln und Anwendung bei der Auslegung von Bunkeranlagen,<br />

Diss. B (Habilitation), TU Bergakademie Freiberg 1991<br />

⋅ t<br />

401


402<br />

σ<br />

2 λ 0 = ≈ 1− sin ϕi<br />

. ( 6.118)<br />

σ1<br />

λ0 wird in der Bodenmechanik als Ruhedruckbeiwert bezeichnet, nachdem<br />

sich experimentell ergeben hatte, dass Proportionalität zwischen den Normal-<br />

spannungen ( ϕi innerer Reibungswinkel) besteht, wenn nur Deformationen in<br />

vertikaler Richtung auftreten können /3.117/. λ0 hängt von den Materialeigen-<br />

schaften und auch von der Packungsdichte 1 - ε ab:<br />

λ0 = 0 steifer oder starrer Festkörper,<br />

λ0 = 0,4...0,5 Schüttgüter, Böden (aktiver Spannungszustand),<br />

λ0 = 1 Flüssigkeiten und<br />

λ(∆l1=0, ∆l2=∆l3) > 1 Schüttgüter, Böden (passiver Spannungszustand).<br />

Die Aufstellung eines Kräftegleichgewichtes (die Schubspannungspaare sind<br />

momentenfrei!) in vertikaler y-Achse und horizontaler x-Achse an einem solchen<br />

Volumenelement dV = dx⋅dy⋅dz lässt sich formal zu einer einzigen Darstellung<br />

mit m = 0, Formfaktor des ebenen Spannungszustandes, dz ><br />

(3...6)⋅dx, und m = 1 (Formfaktor des axialsymmetrischen Spannungszustandes)<br />

gemäß Folie 6.18 zusammenfassen.<br />

Beide Differentialgleichungen bilden zusammen mit der für die Lösung (mindestens<br />

3 Unbekannte!) notwendigen Beschreibung des Materialverhaltens die<br />

Grundlage für eine umfassende Modellierung der mehrachsigen Spannungsfelder<br />

(⇒ s. auch Charakteristiken- und FEM-Lösungsmethoden).<br />

Betrachtet man nunmehr ein horizontal mit dz ausgedehntes Schüttgut-Prisma<br />

gemäß Folie 6.18, dessen Querschnitt genügend klein ist, d.h.<br />

dx ≈ (25...100)⋅d, ( 6.119)<br />

damit sein Gewicht vernachlässigt werden kann, so gilt das Kräftegleichgewicht<br />

in Folie 6.19.<br />

6.2.2 Herleitung des MOHRschen Spannungskreises<br />

Kräftegleichgewicht am prismatischer Körper der Länge dz in σα- bzw. τα-<br />

Richtung:<br />

∑ Fσ = 0 α<br />

�<br />

σx<br />

+ σy<br />

σx<br />

− σy<br />

σα = + ⋅ cos 2α<br />

+ τxy<br />

⋅sin<br />

2α<br />

( 6.120)<br />

2 2<br />

∑ Fτ = 0 α<br />

�<br />

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10.10.2012<br />

τ α<br />

σ<br />

= −<br />

x<br />

− σ<br />

2<br />

y<br />

⋅sin<br />

2α<br />

+ τ<br />

xy<br />

⋅ cos 2α<br />

. (6.121)<br />

Eliminiert man aus diesen Gleichungen den Winkel α durch Quadrieren und<br />

Addition beider Gln., so folgt in allgemeiner Form der MOHRsche Spannungskreis:


2<br />

2<br />

σx<br />

+ y ⎞ 2 ⎛ σx<br />

− σy<br />

⎞ 2<br />

σα − ⎟ + τα<br />

= ⎜ ⎟ + τxy<br />

. ( 6.122)<br />

⎛ σ<br />

⎜<br />

⎝ 2<br />

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⎟<br />

⎠<br />

⎜<br />

⎝<br />

2<br />

⎟<br />

⎠<br />

Es ist nun von Interesse, wo die Spannung σα Extremwerte annimmt, d.h.<br />

∂σα<br />

1) Für = 0 ≡ τα<br />

∂α<br />

2 ⋅ τxy<br />

⎛ π ⎞<br />

tan 2α0<br />

= − = tan 2⎜<br />

+ α0<br />

⎟<br />

( 6.123)<br />

σ − σ ⎝ 2 ⎠<br />

σ<br />

x<br />

+ σ<br />

y<br />

x y x y<br />

σα → σ1<br />

= + ⋅ cos 2α0<br />

+ τxy<br />

⋅sin<br />

2α0<br />

( 6.124)<br />

σ<br />

+ σ<br />

2<br />

σ<br />

− σ<br />

2<br />

x y x y<br />

→ σ2<br />

= − ⋅ cos 2α0<br />

− τxy<br />

⋅sin<br />

2α0<br />

. ( 6.125)<br />

2<br />

σ<br />

− σ<br />

2<br />

Da auf der Fläche ds⋅dz τα = 0 sein kann, liefert dies die sog. größte Haupt-<br />

spannung σ1 und die kleinste Hauptspannung σ2.<br />

π<br />

2) Für τ xy = τyx<br />

= 0 folgen zwei im Winkel α 1,<br />

2 = α0<br />

± senkrecht aufei-<br />

4<br />

nander stehende Normalspannungen σx ⇒ σ1 und σy ⇒ σ2 sowie die Nor-<br />

mal- und Scherspannung σα ⇒ σ und τα ⇒ τ<br />

σ<br />

σ 1 + σ2<br />

σ1<br />

− σ2<br />

α M<br />

R mit σ M = und σ R = . ( 6.126)<br />

2<br />

2<br />

2 2 2<br />

( − σ ) + τ = σ<br />

Das ist die Gleichung eines Kreises (Folie 6.20). Im Koordinatensystem τ = f(σ<br />

) liegt dessen<br />

- Mittelpunkt bei σM = (σ1 + σ2)/2,<br />

- der Radius beträgt σR = (σ1 - σ2)/2.<br />

Für jede um α geneigte Fläche (im Gegenuhrzeigersinn aufgetragen!) lassen<br />

sich die Spannungen in einer Darstellung<br />

τ = f(σ) ⇔ in σR = f(σM) ⇔ in σ2 = f(σ1) ( 6.127)<br />

mit Hilfe dieses MOHRschen Spannungskreises umwandeln.<br />

In dreidimensionaler Darstellung beachte man: Spannungen (= Kraftvektoren<br />

auf geneigte Flächen mit Normalenvektor) sind Tensoren:<br />

⎛ σ<br />

⎜<br />

⎜τ<br />

⎜<br />

⎝ τ<br />

x<br />

xy<br />

xz<br />

τ<br />

σ<br />

τ<br />

yx<br />

y<br />

yz<br />

τ<br />

τ<br />

σ<br />

zx<br />

zy<br />

z<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎟ . ( 6.128)<br />

⎟<br />

⎠<br />

Im Falle eines Bruches stellt die o.g. Fläche eine Gleitfläche (Gleitebene) dar,<br />

wobei die Neigung der Hauptspannungen abgelesen werden kann (Folie 6.20).<br />

Aus der Darstellung in Folie 6.20 ist zu erkennen, dass die Koordinaten des<br />

Punktes P die Beträge von σ und τ auf der Fläche mit der Neigung α liefern.<br />

403


404<br />

Dabei ist zu beachten, dass Druckspannungen mit positivem, Zugspannungen<br />

mit negativem Vorzeichen aufgetragen werden. Gewöhnlich liegen für die in<br />

Schüttgütern anzutreffenden Spannungszustände die Mittelpunkte der MOHR-<br />

Kreise auf der positiven σ-Achse und ihr Radius ist von null verschieden (d.h.<br />

σ 1 > 0; σ2<br />

> 0 ).<br />

Bei einem einachsigen (einaxialen) Spannungszustand (einachsiger Zug oder<br />

Druck) ist nur eine Hauptspannung von null verschieden und der Kreis berührt<br />

die Ordinate. Sind die Hauptspannungen gleich groß (σ1 = σ2; isostatischer<br />

oder hydrostatischer Spannungszustand), dann schrumpft der Kreis zu einem<br />

Punkt, siehe dazu auch die zweiachsigen Spannungszustände einer gescherten<br />

Partikelpackung: Folie 6.21, Folie 6.22 und Folie 6.23.<br />

6.2.3 Bruchhypothesen und Fließkriterien<br />

Für die Schüttgutmechanik ist von wesentlichem Interesse, bei welchem Spannungszustand<br />

das Fließen, d.h., der Bruch bzw. das Versagen des Schüttgutes<br />

eintritt. Ein Fließkriterium bzw. eine Bruchhypothese muss folglich eine Aussage<br />

über die Spannung machen, die zum Bruch, Fließen oder zu einer irreversible<br />

plastische Verformung führt. Dazu sind nur Zug- oder Schubspannung<br />

und keine Druckspannungen in der Lage.<br />

1) HUBER-MIESES-HENCKY:<br />

� Bruch nach Erreichen maximaler Gestaltänderungsarbeit,<br />

� für Metalle,<br />

� Vergleichsnormalspannung σV ≤ σzul als maximal aufnehmbare Normalspannung<br />

bzw. zulässige Zugspannung gegen Zugbruch:<br />

2 2<br />

2<br />

σ V = σ1<br />

= σx<br />

+ σy<br />

− σxσ<br />

y + 3⋅ τxy<br />

≤ σzul<br />

. ( 6.129)<br />

Für eine große Anzahl von Stoffen reicht diese kontinuumsmechanische Bruchhypothese<br />

nicht mehr aus, da das Versagen des Werkstoffes schon durch ge-<br />

ringere Schubspannungen τzul < σzul verursacht wird. Der Zusammenhang<br />

einer Schubspannung als Funktion der Normalspannung τ = f(σ) (hier werden<br />

Druckspannungen positiv dargestellt) wird für ein gegebenes Material durch<br />

die Einhüllende aller MOHR-Kreise dargestellt, die den Bruchzustand charakterisieren:<br />

2) Von TRESCA:<br />

� Bruch durch maximale Schubspannung τmax,<br />

� Bruch- oder Scherfläche um den sog. Gleitwinkel von α = π/4 = 45°<br />

zur Richtung der beiden Hauptspannungen geneigt,<br />

� für zähe Werkstoffe zweckmäßig,<br />

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10.10.2012


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10.10.2012<br />

� Vergleichsnormalspannung ist:<br />

V<br />

max<br />

2 2<br />

( σx<br />

− σy<br />

) + 4 ⋅ τxy<br />

≤ zul<br />

σ = 2 ⋅ τ =<br />

σ . ( 6.130)<br />

3) COULOMB-MOHR:<br />

� Festkörperreibung (sog. COULOMB-Reibung) eingeführt mittels inne-<br />

ren Reibungswinkel ϕi,<br />

� Verhältnis aus Scherkraft zur Normalkraft = Reibungskoeffizient<br />

F / F = µ = tan ϕ<br />

( 6.131)<br />

S<br />

N<br />

i<br />

i<br />

� Druckfestigkeit (im Inneren jedoch Zug- oder Scherbrüche!) wesentlich<br />

größer als Zugfestigkeit,<br />

� Für "bindige" bzw. "kohäsive" Böden, spröde Werkstoffe,<br />

� Scherfläche um den Gleitwinkel<br />

/ 4 i / 2 ϕ + π = α<br />

σ2<br />

α<br />

τ ( 6.132)<br />

zur Richtung der kleinsten Hauptspannung geneigt,<br />

Grenzspannungsfunktion bzw. Fließort (Folie 6.23):<br />

max<br />

i<br />

c<br />

i<br />

( σ + )<br />

τ = τ = tan ϕ ⋅ σ + τ = tan ϕ ⋅ σ<br />

( 6.133)<br />

σ<br />

− σ<br />

2<br />

( σ + σ )<br />

1 2<br />

σ R = = sin ϕi<br />

⋅ M Z mit<br />

σZ<br />

τc<br />

Z<br />

σ1<br />

+ σ2<br />

σ M = . ( 6.134)<br />

2<br />

(dreiachsige) Zugfestigkeit im negativen σ-Bereich,<br />

Kohäsion, d.h. Scherfestigkeit für σ = 0,<br />

Spannungszustände, die durch Kreise gekennzeichnet sind, die die Umhüllende<br />

schneiden, können nicht existieren, weil das Fließen schon bei niedrigeren<br />

Spannungen eingetreten wäre. Andererseits charakterisieren MOHR-Kreise<br />

innerhalb der Umhüllenden Spannungszustände, die noch kein Fließen, sondern<br />

nur elastische Deformation herbeiführen.<br />

4) JENIKE (1961):<br />

� Grenzspannungsfunktion hat Endpunkt E und<br />

� ist von der Schüttgutdichte ρb bzw. Porosität ε abhängig.<br />

� Unterscheidung in beginnendes (instationäres) und<br />

� stationäres kohäsionslosen Fließens von Schüttgütern bei σ < 100<br />

kPa, d.h. effektiver Fließort (Folie 6.30):<br />

σR<br />

σ1<br />

− σ2<br />

= = sin ϕe<br />

. ( 6.135)<br />

σ σ + σ<br />

M<br />

1<br />

2<br />

ϕe effektiver (oder wirksamer innerer) Reibungswinkel<br />

5) Gemäß MOLERUS (1978):<br />

� Erstmalige Einführung partikelmechanischer Haftkraftmodelle zur<br />

physikalisch begründeten Erklärung bisher nur kontinuumsmechanisch<br />

zugänglicher Stoffgesetze.<br />

405


406<br />

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10.10.2012<br />

� Grenzspannungsfunktion ist von der Wirkung der Haftkräfte zwischen<br />

den Partikeln abhängig.<br />

� Nur irreversible, rein plastische Partikelkontaktdeformation Apl betrachtet<br />

(- Vorzeichen = Haftung, + Vorzeichen = Repulsion):<br />

∑ F = 0 = −FH<br />

0 − pVdW<br />

⋅ A pl − FN<br />

+ pf<br />

⋅ A pl . ( 6.136)<br />

� Diese mittleren mikroskopischen Kontaktkräfte FT und FN und die resultierenden<br />

Spannungen im Kontinuum τ und σ lassen sich unter bestimmten<br />

Voraussetzungen analytisch ineinander umrechnen (1-ε<br />

Packungsdichte):<br />

1−<br />

ε FT<br />

, FN<br />

τ , σ = ⋅<br />

( 6.137)<br />

2<br />

ε d<br />

� Einführung des kohäsiven stationären Fließens kohäsiver Schüttgüter<br />

bei σ < 100 kPa, s. Gln.( 6.51) und ( 6.52).<br />

� Physikalischer begründeter Zusammenhang zwischen dem stationären<br />

ϕst und dem inneren ϕi Reibungswinkel:<br />

ϕ = ( 1+<br />

κ ) ⋅ tan ϕ = const.<br />

( 6.138)<br />

tan st<br />

p<br />

i<br />

� 3 physikalisch begründete Fließkennwerte plus der Einfluss eines charakteristischen<br />

mittleren Druckes σM,st Folie 6.23:<br />

(1) ϕi innere Festkörperreibung (Gleitreibung) versagender Partikelkontakte,<br />

(2) ϕst stationäre Partikelreibung, charakterisiert Zunahme der<br />

Haftkräfte (Reibung) infolge verfestigender äußerer Kräfte,<br />

(3) σ0 dreiachsige Zugfestigkeit des unverfestigten Schüttgutes<br />

und<br />

(4) σM,st Einfluss der mechanischen Beanspruchungsvorgeschichte,<br />

svw. mittlerer Vorverfestigungsdruck, im Schüttgutkontinuum;<br />

unmittelbarer Zusammenhang zur Schüttgutdichte ρb =<br />

f(σM,st) Gl.( 6.164).<br />

� stationärer Fließort:<br />

σM,st Mittelpunktsspannung bei stationärem Fließen<br />

σR,st Radiusspannung bei stationärem Fließen (= Vorverfestigung)<br />

σ R,<br />

st = f ( σM,<br />

st )<br />

( 6.139)<br />

τ = f ( σ)<br />

. ( 6.140)<br />

� Momentanfließort (beginnendes Fließen):<br />

σ R = f [ σM<br />

]<br />

( 6.141)<br />

τ = f σ . ( 6.142)<br />

[ ]


6) NEU! (TOMAS 1987/99): Wesentliche Erweiterung bisheriger partikel-<br />

und kontinuumsmechanischer Bruchhypothesen durch Einführung neu-<br />

er, physikalisch begründeter Modelle der<br />

� Momentanfließorte, stationären Fließorte und Verfestigungsorte für<br />

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10.10.2012<br />

407<br />

elastisch-plastische Kontaktdeformationen und reibungsbehaftetem<br />

Kontaktgleiten mit lastabhängiger Haftkraft sowie der<br />

� Zeitfließorte mit viskoplastischer Kontaktdeformation (Anfang 1987<br />

siehe Diss. B 1991, CET 2003siehe Diss. B 1991, CET 2003):<br />

� Grenzspannungsfunktion ist von der Summe der elastischen Ael, irre-<br />

∑<br />

versibel plastischen Apl und zeitabhängigen viskoplastischen (svw.<br />

viskosen) Avis Partikelkontaktdeformationen abhängig:<br />

H0<br />

VdW<br />

( Ael<br />

+ A pl + A vis ) − FN<br />

+ FW<br />

, el + pf<br />

⋅ A pl + ηs<br />

/ t A vis<br />

F = 0 = −F<br />

− p ⋅<br />

⋅<br />

( 6.143)<br />

� Es werden sowohl geringe elastische Ael als auch plastische Kontaktab-<br />

plattungen Apl mit dem Kontaktflächenverhältnis κA (siehe Gl. (<br />

6.53)) berücksichtigt.<br />

� Verallgemeinert ist die gesamte Haftkraft somit:<br />

H,<br />

ges<br />

H<br />

Ht<br />

( 1+<br />

κ + κ ) ⋅ F + ( κ + κ ) FN<br />

F = F + F =<br />

⋅ . ( 6.144)<br />

t<br />

H0<br />

� Einführung einer zusätzlichen viskoplastischen Kontaktrepulsion<br />

bzw. Kontaktverfestigung κt bei σ < 100 kPa (σa ≡ pVdW Kontaktfes-<br />

tigkeit, siehe auch Gln.( 6.113) und ( 6.115)):<br />

κ<br />

t<br />

σa<br />

=<br />

η ⋅ ε�<br />

V<br />

V<br />

pVdW<br />

≈ ⋅ t . ( 6.145)<br />

η ( T)<br />

s<br />

ηV Volumenviskosität (viskoplastische Steifigkeit),<br />

ε� Kontaktdeformationsgeschwindigkeitsgradient<br />

V<br />

� Damit folgt der Zusammenhang zwischen innerer Partikelreibung und<br />

viskoplastischer zeitabhängiger Kontaktdeformation<br />

ϕ = ( 1+<br />

κ + κ ) ⋅ tan ϕ ≠ f ( t)<br />

= const.<br />

( 6.146)<br />

tan st<br />

t<br />

it<br />

� oder umgerechnet für den Reibungswinkel (Anstiegswinkel eines Zeitfließortes):<br />

tan ϕi<br />

tan ϕ it =<br />

. ( 6.147)<br />

tan ϕi<br />

⋅ pVdW<br />

⋅ t<br />

1+<br />

tan ϕ ⋅ η<br />

st<br />

s<br />

( T)<br />

� Zusätzlich zu den 3 Kennwerten ϕi, ϕst, σ0 in der Gl.( 6.151), 2 neue<br />

physikalisch begründete Fließkennwerte:<br />

(5) ϕit innere Festkörperreibung versagender Partikelkontakte<br />

und<br />

t


408<br />

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10.10.2012<br />

(6) 0t<br />

= κt<br />

⋅ σ0<br />

σ dreiachsige Zugfestigkeit des Schüttgutes.<br />

� Erheblich einfachere Gleichung (als MOLERUS) für den stationärer<br />

Fließort, siehe Folie 6.23, erhalten. Mit dem linearen Stoffgesetz der<br />

lastabhängigen Haftkraft FH(FN), Gl.( 6.51),<br />

H<br />

( 1+<br />

κ)<br />

⋅FH<br />

0 + κ FN<br />

F = ⋅ , ( 6.51)<br />

der Grenzbedingung der Tangentialkraft im adhäsiven Partikelkontakt<br />

(Coulomb-Reibung)<br />

T,<br />

C,<br />

H<br />

i<br />

( 1+<br />

κ)<br />

⋅(<br />

F F )<br />

F = µ ⋅ + , ( 6.148)<br />

H0<br />

N<br />

sowie mit einem näherungsweise konstantem elastisch-plastischen Kontaktverfestigungskoeffizienten<br />

κ ≈ const., siehe Gl.( 6.52), und mit dem<br />

Mikro-Makro-Übergang der Kontaktkräfte in Spannungen, Gl.(<br />

6.137), folgt eine bequeme lineare Gleichung des stationären Fließortes<br />

(Index st für stationäres Fließen)<br />

i<br />

( 1+<br />

κ)<br />

⋅ ( σ + σ ) = tan ϕ ⋅ ( σ + )<br />

τ = tan ϕ ⋅<br />

σ<br />

0<br />

und als Radius-Mittelpunkt-Funktion σR,st = f(σM,st):<br />

σ<br />

( σ + )<br />

R, st = sin ϕst<br />

⋅ M,<br />

st σ0<br />

st<br />

0<br />

( 6.149)<br />

( 6.150)<br />

� Momentanfließort für beginnendes Fließen nach elastisch-plastischer<br />

Partikelkontaktverfestigung, Gl.( 6.50) und Folie 6.23:<br />

⎡<br />

⎞ ϕ ⎤<br />

⎢ ⎜ ⎟ ⋅ σ + ⋅ σ ⎥<br />

⎣<br />

⎠ ϕ ⎦<br />

⎜<br />

⎛ sin ϕst<br />

sin st<br />

σR = sin ϕi<br />

⋅ σM<br />

+ −1<br />

M,<br />

st<br />

0 ( 6.151)<br />

⎝ sin ϕi<br />

sin i<br />

oder vereinfacht mit der Gl.( 6.150) des stationären Fließortes:<br />

σ R = sin ϕi<br />

⋅(<br />

σM<br />

− σM<br />

, st ) + σR<br />

, st<br />

( 6.152)<br />

Der Fließort hat einen positiven Anstieg (+ Vorzeichen vor σM bzw. σ),<br />

beginnt links im Punkt der isostatischen Zugfestigkeit σZ und endet<br />

rechts im Mohrkreis des stationären Fließens σM = σM,st:<br />

σR<br />

, st<br />

σ Z =<br />

sinϕ<br />

i<br />

⎛ sinϕ<br />

⎞ st<br />

sinϕst<br />

− σM,<br />

st = ⎜ −1⎟<br />

⋅ σM,<br />

st + ⋅ σ0<br />

⎝ sinϕ<br />

i ⎠ sinϕ<br />

i<br />

( 6.153)<br />

Dementsprechend ist im τ = f(σ) – Diagramm:<br />

⎡ ⎛ sin ϕ ⎞<br />

⎤<br />

st<br />

sin ϕst<br />

τ = tan ϕ ⎢ ⎜<br />

⎟<br />

i ⋅ σ + −1<br />

⋅ σM,<br />

st + ⋅ σ0<br />

⎥<br />

⎣ ⎝ sin ϕi<br />

⎠ sin ϕi<br />

⎦<br />

( 6.154)<br />

⎡ σR<br />

, st<br />

τ = tan ϕi<br />

⋅ ⎢σ<br />

+<br />

⎣ sin ϕi<br />

⎤<br />

− σM,<br />

st ⎥ .<br />

⎦<br />

( 6.155)<br />

� Verfestigungsort als Grenzspannungsfunktion, der alle Spannungszustände<br />

beschreibt, die zu einer Vorverfestigung - also Vorverdichtung<br />

und Konsolidierung - eines kohäsiven Schüttgutes führen Folie 6.23:<br />

R<br />

i<br />

( − σM<br />

+ σiso<br />

) = sinϕ<br />

i ⋅ ( − σM<br />

+ σM,<br />

st ) + R,<br />

st<br />

σ = sinϕ ⋅<br />

σ ( 6.156)


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⎡ ⎛ sinϕ<br />

⎞<br />

⎤<br />

st<br />

sinϕst<br />

= sin ϕi<br />

⋅ ⎢−<br />

σM<br />

+ ⎜ + 1⎟<br />

⋅ σM,<br />

st + ⋅ σ ⎥ ( 6.157)<br />

⎣ ⎝ sinϕ<br />

i ⎠ sinϕ<br />

i ⎦<br />

σR 0<br />

409<br />

Dieser Verfestigungsort hat einen negativen Anstieg (- Vorzeichen vor<br />

σM bzw. σ), beginnt links im Mohrkreis des stationären Fließens σM =<br />

σM,st und endet rechts im Punkt des isostatischen Druckes σiso:<br />

σ<br />

⎛ sinϕ<br />

⎜<br />

⎝<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

sinϕ<br />

R,<br />

st<br />

st<br />

st<br />

σ iso = + σM,<br />

st = + 1 ⋅ σM,<br />

st + ⋅ σ0<br />

( 6.158)<br />

sinϕ<br />

i sinϕ<br />

i<br />

sinϕ<br />

i<br />

Die Funktion τ = f(σ) ist:<br />

⎡ ⎛ sinϕ<br />

⎞<br />

⎤<br />

st<br />

sinϕst<br />

τ = tan ϕi<br />

⋅ ⎢−<br />

σ + ⎜ + 1⎟<br />

⋅ σM,<br />

st + ⋅ σ0⎥<br />

⎣ ⎝ sinϕ<br />

i ⎠ sinϕ<br />

i ⎦<br />

( 6.159)<br />

⎡ σR<br />

, st<br />

τ = tan ϕi<br />

⋅ ⎢−<br />

σ +<br />

⎣ sinϕ<br />

i<br />

⎤<br />

+ σM,<br />

st ⎥ .<br />

⎦<br />

( 6.160)<br />

Mikroskopische Ursache dieser typischen makroskopischen Schüttgutverfestigung<br />

sind die sich entwickelnden elastisch-plastischen<br />

Partikelkontaktverfestigungen gemäß Gl.( 6.50).<br />

� Zeitfließort, d.h. beginnendes Fließen nach zusätzlicher viskoplastischer<br />

Kontaktverfestigung, Gln. ( 6.143) und ( 6.144):<br />

⎡ σR<br />

, st ⎤<br />

σRt = sin ϕit<br />

⋅ ⎢σMt<br />

+ − σM,<br />

st ⎥<br />

( 6.161)<br />

⎣ sin ϕit<br />

⎦<br />

und im τ = f(σ) – Diagramm ist:<br />

⎡ σR<br />

, st ⎤<br />

τt = tan ϕit<br />

⋅ ⎢σt<br />

+ − σM,<br />

st ⎥ . ( 6.162)<br />

⎣ sin ϕit<br />

⎦<br />

Der Verlauf o.g. Grenzspannungsfunktionen hängt folglich ab von<br />

• den granulometrischen Eigenschaften,<br />

• den Bedingungen und Stoffgesetzen der Kontaktverfestigung oder Haftkraftverstärkung<br />

der Partikel im Schüttgut und vor allem<br />

• von den Vorverfestigungsspannung σM,st sowie<br />

• von der Packungsdichte (Porosität).<br />

6.2.4 Fließkennwerte von Schüttgütern<br />

6.2.4.1 Fließfunktion<br />

Vergleicht man ϕi bzw. ϕe mit dem vielfach zur Beurteilung der Fließfähigkeit<br />

von Schüttgütern herangezogenen Böschungswinkel ϕB, so gilt nur für kohäsionslose<br />

Güter ϕi ≈ ϕe ≈ ϕB Folie 6.24. Letzterer lässt sich durch Ausmessen<br />

eines aufgeschütteten Schüttkegels gut reproduzierbar ermitteln /3.145./.


410<br />

Für die Kennzeichnung der Festigkeitseigenschaften eines kohäsiven Schütt-<br />

gutes ist vor allem die einaxiale (einachsige) Druckfestigkeit σc bedeutsam,<br />

die vom Gut als Folge einer Verfestigungsspannung (größte Hauptspannung<br />

beim Verfestigen) σ1 aufgebracht wird (Folie 6.23). Den Betrag von σc erhält<br />

man aus dem zugehörigen Fließort, indem man einen MOHR-Kreis zeichnet,<br />

der durch den Koordinatenursprung (σ2 = 0) verläuft und den Fließort tangiert.<br />

Die einaxiale Druckfestigkeit σc entspricht somit der Spannung, die in einem<br />

Schüttgutzylinder, der mit σ1 verfestigt wurde, bei einachsigem Druck zum<br />

Bruch bzw. Fließen führt. Folglich fließt ein Schüttgut umso leichter, je gerin-<br />

ger σc bei vorhandener Verfestigungsspannung σ1 ist. Für die Charakterisie-<br />

rung der Fließfähigkeit kohäsiver Schüttgüter eignet sich deshalb besonders<br />

der Quotient aus der größten Hauptspannung σ1 und der einaxialen Druckfes-<br />

tigkeit σc, der als Fließfunktion ffc (im Sinne einer dimensionslosen Kennzahl)<br />

bezeichnet wird:<br />

ffc<br />

σ<br />

σ<br />

1 = oder<br />

c<br />

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10.10.2012<br />

ffct<br />

σ<br />

σ<br />

1 = . ( 6.163)<br />

ct<br />

Die von JENIKE /3.143/ vorgeschlagene Einteilung der Schüttgüter soll hier<br />

mit einer Ergänzung bezüglich verhärteten Gutes angeführt werden, Tabelle<br />

6.6 /3.144/.<br />

Bei kohäsionslosem Gut (τc = 0, Fließort geht durch den Koordinatenursprung)<br />

ist keine Druckfestigkeit vorhanden (σc = 0), so dass die Fließfunktion gegen<br />

unendlich geht. Die Klasse "verhärtet" wird dadurch abgegrenzt, dass hier die<br />

einaxiale Druckfestigkeit σct größer als die Verfestigungsspannung σ1 ist, Ta-<br />

belle 6.6:<br />

ffc Kennzeichnung Beispiele<br />

10 ≤ ffc freifließend (rieselfähig) trockener Sand<br />

4 ≤ ffc < 10 leichtfließend feuchter Sand<br />

2 ≤ ffc < 4 kohäsiv trockener Zement<br />

1 ≤ ffc < 2 sehr kohäsiv feuchte Pulver<br />

ffc, < 1 nicht fließend, verhärtet mit<br />

Festkörpereigenschaften<br />

gealterter Zement<br />

ffct<br />

Tabelle 6.6: Fließfunktion von Schüttgütern<br />

Dies kann nach einer Verfestigung des Schüttgutes in zeitlicher Ruhelage als<br />

sog. Zeitverfestigung auftreten und entsteht einerseits als Ergebnis von Festkörperbrückenbindungen<br />

(Gln.( 6.103) oder ( 6.107)). Die sind wiederum über<br />

sog. Zeitfließorte (Folie 6.30) mit den zugehörigen Kenngrößen wie Zugfes-<br />

tigkeit σZt, Kohäsion τct und innere Reibungswinkel ϕit beschreibbar.


Andererseits, wenn ein Pulver längere Zeit unter dem Verfestigungsdruck σ1 in<br />

Ruhe lagert, so wird sich ebenfalls die einaxiale Druckfestigkeit σct erhöhen<br />

und der ffct-Wert verringern (Folie 6.30). Ursache ist hier die zunehmende vis-<br />

kose Abplattung der Partikelkontakte (siehe Abschnitt 6.1.1.3, Gl.( 6.115)).<br />

6.2.4.2 Kompressionsfunktion<br />

Die Kompressibilität bei Schüttgütern entspricht der Druckabhängigkeit der<br />

Packungsdichte und wird beeinflusst von folgenden Mikrovorgängen:<br />

(1) Umlagerung steifer Partikeln mit steifen Kontakten zu einer dichteren Zufallspackung,<br />

(2) Deformation weicher Kontakte von harten (mineralischen) Partikeln und<br />

(3) Deformation weicher Partikeln (z.B. Biozellen).<br />

Siehe Folie 6.25, die typische Verdichtbarkeit oder Kompressibilität, d.h. die<br />

Druckabhängigkeit der Schüttgutdichte kohäsiver Pulver ist durch folgende<br />

Gleichungen beschreibbar (Herleitung siehe Kapitel 7 MVT_e_7neu-<br />

.doc#Schüttgutdichte_Sigma_Mst):<br />

n<br />

M,<br />

st<br />

b b,<br />

0 1 ⎟<br />

0<br />

⎟<br />

⎛ σ ⎞<br />

= ρ ⋅ ⎜ +<br />

σ<br />

ρ ( 6.164)<br />

⎝ ⎠<br />

Hierbei ist ρb0 ist die Schüttgutdichte der lockeren unverfestigten Packung beim<br />

mittleren Druck σM,st = 0.<br />

Diese Verdichtungs- oder Kompressionsfunktion, Gl.( 6.164), lässt sich auch<br />

durch Ersetzen von σM,st mittels der größten Hauptspannung σ1 berechnen:<br />

Die größte Hauptspannung σ1 ist am MOHR-Kreis des stationären Fließens:<br />

σ1<br />

− σ2<br />

σ1<br />

+ σ2<br />

σ 1 = + = σR<br />

, st<br />

2 2<br />

+ σM,<br />

st<br />

(6.165)<br />

Ersetzen der Radiusspannung σR,st mit Hilfe der Gl.( 6.150) des stationären<br />

Fließortes<br />

σ R = sin ϕ ⋅(<br />

σ + σ )<br />

( 6.150)<br />

, st<br />

st M,<br />

st 0<br />

und es folgt Umrechnung σ1 = f(σM,st):<br />

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( σM,<br />

st + σ0<br />

) + M,<br />

st<br />

σ (6.166)<br />

1 = sin ϕst<br />

⋅<br />

σ<br />

1<br />

M,<br />

st<br />

( 1+ sin ϕst<br />

) + sin ϕst<br />

⋅σ<br />

0<br />

σ = σ ⋅<br />

(6.167)<br />

Addieren von σ0 auf beiden Seiten der Gleichung liefert:<br />

σ1<br />

+ σ0<br />

= σM,<br />

st ⋅ 1+ sinϕst<br />

+ sinϕst<br />

⋅ σ0<br />

+ σ0<br />

= σM,<br />

st ⋅ 1+<br />

sinϕst<br />

+ σ0<br />

⋅ 1+<br />

sinϕ<br />

σ + σ = 1+ sinϕ<br />

⋅ σ + σ<br />

1<br />

0<br />

411<br />

( ) ( ) ( st )<br />

( ) ( )<br />

st<br />

σ + σ<br />

M,<br />

st<br />

0<br />

1 0<br />

σ M,<br />

st + σ0<br />

=<br />

(6.168)<br />

1+ sin ϕst


412<br />

Einsetzen von Gl.(6.168) in Gl.( 6.164) liefert die Verdichtungsfunktion als<br />

Funktion ρb = f(σ1), wie sie für die Trichterauslegung benutzt wird:<br />

ρ<br />

ρ<br />

b 1 0<br />

1<br />

b,<br />

0<br />

ρ<br />

ρ<br />

b,<br />

0<br />

⎛<br />

=<br />

⎜<br />

⎝<br />

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( 1+<br />

sin ϕ )<br />

n<br />

1<br />

⎜<br />

st 0 1 sin<br />

⎜<br />

σ + σ ⎞ ⎛<br />

⎟ =<br />

⋅σ<br />

⎠ ⎝ + ϕ<br />

⎛ 1<br />

⎜<br />

⎝1+<br />

sin ϕ<br />

b =<br />

⋅ 1<br />

st<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

n<br />

⎛<br />

⎜<br />

⎝<br />

σ<br />

+<br />

σ<br />

1<br />

0<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

n<br />

st<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

n<br />

⎛<br />

⋅<br />

⎜<br />

⎝<br />

σ<br />

+<br />

σ<br />

1<br />

0<br />

n<br />

⎟ ⎞<br />

⎠<br />

(6.169)<br />

Dies kann man auch mit einer modifizierten Schüttgutdichte der lockeren un-<br />

verfestigten Packung ρb,0* ausdrücken:<br />

n<br />

* ⎛ 1 ⎞<br />

ρ b,<br />

0 = ρb,<br />

0 ⋅ ⎜<br />

1 sin ⎟<br />

(6.170)<br />

⎝ + ϕst<br />

⎠<br />

n<br />

*<br />

1<br />

b b,<br />

0 1 ⎟<br />

0<br />

⎟<br />

⎛ σ ⎞<br />

= ρ ⋅ ⎜ +<br />

σ<br />

ρ . ( 6.171)<br />

⎝ ⎠<br />

Der Exponent n lässt sich als Kompressibilitätsindex physikalisch sinnvoll<br />

interpretieren. Kohäsive Pulver haben bei geringen Verfestigungsspannungen σ<br />

1 < 100 kPa meist Werte um n ≈ 0,1 (siehe Tabelle 6.7).<br />

Kompressibilitätsindex Bewertung Beispiele<br />

0 ≤ n < 0,01 inkompressibel trockener Sand<br />

0,01 ≤ n < 0,05 wenig kompressibel feuchter Sand<br />

0,05 ≤ n < 0,1 kompressibel kohäsive Pulver<br />

0,1 ≤ n < 1 sehr kompressibel sehr kohäsive Pulver<br />

Tabelle 6.7: Charakterisierung der Kompressibilität von Schüttgütern<br />

Die Packungsdichte kohäsionsloser Schüttgüter sollte wegen σ0 → 0 durch<br />

folgende halbempirische Formel beschrieben werden:<br />

n<br />

1 1<br />

1 ⎟ ⎛ σ ⎞<br />

⎜<br />

− ε =<br />

2⎜<br />

. ( 6.172)<br />

⎝ σ1/<br />

50 ⎠<br />

Für 1 1/<br />

50 σ =<br />

σ ist 5 , 0 1 = ε − , d.h., es wird annähernd die Packungsdichte einer<br />

kubischen Packung erreicht 1 − ε = π = 0,<br />

5236 .<br />

6<br />

Für die praktische Charakterisierung des Verdichtungsverhaltens von Pulvern<br />

bei nicht zu großen Drücken hat sich diese Vorgehensweise sehr bewährt.<br />

Wenn ein Schüttgut entlang einer Wand gleitet, dann kann die Wandreibung<br />

mittels eines Wandfließortes gekennzeichnet werden (Folie 6.30). Der wichtigste<br />

Parameter ist hierbei der Wandreibungswinkel ϕW, der wie folgt definiert<br />

ist /3.143/:


W<br />

ϕ W = arctan . ( 6.173)<br />

σW<br />

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10.10.2012<br />

τ<br />

ϕW hängt vor allem vom Wandmaterial und dessen Rauhigkeit sowie von den<br />

Fließeigenschaften des Schüttgutes (Feuchte, Partikelgröße u.a.) ab.<br />

6.2.5 Messung der Fließeigenschaften von Schüttgütern<br />

Die Fließeigenschaften kohäsiver Schüttgüter sind überschlägig mit Hilfe sog.<br />

Schnelltests Folie 6.26 und, physikalisch begründet, mittels der Ergebnisse von<br />

Schertests charakterisierbar /3.143.//3.146./ (Folie 6.27).<br />

Ein Translationsschergerät (Folie 6.27a) besteht aus einem oberen linear verschiebbaren<br />

Ring, einem unteren bodenseitig geschlossenen Ring und einem<br />

Deckel. Der Innenraum wird mit der Schüttgutprobe gefüllt und durch Aufbringen<br />

einer Normalspannung σ = Normalkraft FN/Querschnittsfläche A auf<br />

eine bestimmte Porosität ε verdichtet. Durch Verschieben des oberen gegen den<br />

unteren Ring wird die Probe bei einer festgelegten Anschernormalspannung σA,<br />

die auf den Deckel aufgebracht wird, mittels der erforderlichen Schubspannung<br />

τ = FS/A angeschert (Folie 6.29). Dabei muss die Probe gemäß der Grenzbedingung<br />

ideal-plastischer Deformation unter Volumenkonstanz, d.h. dV = 0,<br />

bzw. ε = const. oder ρb = const., und damit auch stationär, d.h. mit zeitlich konstanter<br />

Schubspannung fließen.<br />

- Unter-, Überverfestigung und kritische Verfestigung beim Scherversuch<br />

(Folie 6.28)<br />

- beginnendes und stationäres Fließen (Folie 6.29)<br />

Wird die Probe dann unter schrittweise verminderter Normalspannung σ =<br />

FN/A abgeschert, so erhält man mit der jeweils zugehörigen Schubspannung τ =<br />

FS/A Wertepaare, die das beginnende Fließen (bei Auflockerung bzw. Porositätszunahme)<br />

auf dem Fließort charakterisieren (Folie 6.29).<br />

Wird das Schüttgut zwischen dem An- und Abschervorgang einer Lagerzeit<br />

unter Belastung mit einer Normalspannung σ ausgesetzt, so erhält man den<br />

entsprechenden Zeitfließort, siehe Folie 6.30 links.<br />

Mit Hilfe der in Folie 6.27b dargestellten Anordnung ist die Ermittlung von<br />

Wandfließorten möglich.<br />

Neben der Translationsscherzelle haben sich auch andere Geräte, wie die Torsionsscherzelle<br />

(Folie 6.27c) und die Ringscherzelle (Folie 6.27d), eingeführt,<br />

die auf dem Prinzip der Scherung mittels Drehbewegung - das Drehmoment Mt<br />

wird gemessen - beruhen.<br />

Mit einem Triaxialgerät (Folie 6.27e) sind die Hauptspannungen σ1 und σ2<br />

direkt messbar, wobei sich dann die zugehörigen Normalspannungen σ und<br />

Scherspannungen τ als innere Spannungen an den Gleit- bzw. Scherebenen<br />

entsprechend der Fließbedingung einstellen.<br />

413


414<br />

• Gesamtdarstellung momentaner und stationärer Fließorte, Zeit- und<br />

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10.10.2012<br />

Wandfließort Folie 6.30<br />

Die einaxiale Druckfestigkeit σc von kohäsiven Schüttgütern kann auch direkt<br />

mit der in Folie 6.27f dargestellten Anordnung gemessen werden. Sie besteht<br />

aus einer zylindrischen Form, in die die Schüttgutprobe eingebracht und mit<br />

der größten Hauptspannung σ1 weitestgehend wandreibungsfrei verdichtet<br />

wird. Danach wird die Form entfernt und die stabile Probe auf Druck bis zum<br />

Bruch belastet und den σc-Wert liefert.<br />

Der Zusammenhang zwischen σc = f(σ1) wird Verfestigungsfunktion genannt<br />

und wird in der Folie 6.31 beispielhaft für ein ultrafeines bis nanoskaliges, sehr<br />

kohäsive TiO2-Pulver gezeigt.<br />

Das steife bis nachgiebige Partikelkontaktverhalten und das daraus resultierende<br />

freifließende bis sehr kohäsive Pulverfließverhalten sowie das inkompressible<br />

bis sehr kompressible Verdichtungsverhalten feinkörniger (d < 100<br />

µm), ultrafeiner (d < 10 µm) bis nanoskaliger (d < 0,1 µm) kohäsiver Pulver<br />

wird in der Folie 6.32 zusammengefasst dargestellt.<br />

6.3 Lagerung von Schüttgütern<br />

Verfahrenstechnische Aufgaben einer Speicheranlage (Folie 6.33)<br />

6.3.1 Verfahrenstechnische Probleme mit Silos und Bunkern<br />

Schacht- und Brückenbildung (Folie 6.34)<br />

Schüttgutfluss in Bunkern, Massen- und Kernfluss (Folie 6.35)<br />

Entmischungen (Folie 6.34)<br />

ungünstige Verweilzeitverteilungen (Folie 6.36)<br />

Überlastungen und Havariegefahr (Folie 6.37)<br />

6.3.2 Auslegung von Silos und Bunker<br />

6.3.2.1 Auslegungsschritte einer Speicheranlage<br />

wirtschaftliche Zielstellung (Folie 6.38)<br />

Auslegung Schaft und Trichter (Folie 6.39)


Hilfs- und Nebenanlagen (Folie 6.40)<br />

Verfahrenstechnische Bunkerauslegung:<br />

- Der Speicherbedarf hat übergeordnete Bedeutung für die Gesamtkosten<br />

der Anlage, z. B. in T€/m 3 Lagervolumen, ⇒ z.B. Haus ≈ 400 €/m 3<br />

umbauter Raum.<br />

- Gewöhnlich Auslegung für den ungünstigsten Fall, d.h.,<br />

+ Häufung der Anfuhr und Verzögerung der Abfuhr oder<br />

+ Häufung der Abfuhr ohne Anfuhr.<br />

- Ermittlung mit den Massebilanzen verfahrenstechnischer Prozesse:<br />

E d m m<br />

dm<br />

= � − �<br />

( 6.174)<br />

dt<br />

m gespeicherte Masse<br />

m� d , m� E Auslaufmassestrom (discharge), Einlaufmassestrom (Aufgabe)<br />

∫<br />

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∫<br />

∫<br />

= m�<br />

dt − m�<br />

dt . ( 6.175)<br />

dm E<br />

d<br />

→ Für den Stillstand des Einlaufes, m� E = 0 , ergibt sich die notwendige<br />

Speichermasse)<br />

m = m�<br />

⋅ ∆t<br />

. ( 6.176)<br />

Füll,<br />

1<br />

∆tE,max<br />

d<br />

E,<br />

max<br />

maximales Zeitintervall des Stillstandes des Einlaufstromes,<br />

d.h. der Austrag muss nachgeschaltete Prozesse versorgen<br />

→ Für den Stillstand des Auslaufes, m� d = 0 , muss der Speicher noch<br />

aufnahmebereit sein, d.h.<br />

m = m�<br />

⋅ ∆t<br />

. ( 6.177)<br />

Füll,<br />

2<br />

∆td,max<br />

E<br />

d,<br />

max<br />

maximales Stillstandszeitintervall des Austrages<br />

→ Es muss der ungünstigste beider Fälle, d.h. die maximal notwendige Füllmenge,<br />

ermittelt werden:<br />

m = k ⋅ m�<br />

⋅ ∆t<br />

. ( 6.178)<br />

Füll<br />

V<br />

max<br />

mFüll gesamte notwendige Füllmenge<br />

kv = 1,2...1,3 sog. Vorratskoeffizient zur Sicherheit<br />

6.3.2.2 Auslegung eines Massenflusstrichters<br />

415


416<br />

- fließgerechte Auslegung der Apparatehauptabmessungen des Trichters für<br />

Massenfluss zur Vermeidung von Schacht- und Brückenbildung Folie 6.41,<br />

- Neigungswinkel Θmax, (Folie 6.42, Folie 6.43)<br />

- entscheidend für das gewünschte Massenflussprofil ist die fließgerecht gestal-<br />

tete Trichterform, (Folie 6.44, Folie 6.45)<br />

daher nur Spannungen in Auslaufnähe betrachtet, siehe Folie 6.46.<br />

� unabhängig von den Bedingungen des Schüttgutfüllniveaus<br />

� aber typische Abhängigkeit der wesentlichen Fließkennwerte der Schüttgü-<br />

ter von der Verfestigungsspannung σ1, siehe Folie 6.47<br />

� Es wird ein radiales Spannungsfeld als einfacher Modellansatz angenom-<br />

men:<br />

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10.10.2012<br />

• Polarkoordinaten r und θ<br />

• in der Trichterspitze r = 0 sind alle Spannungen σr = 0<br />

� Kräftegleichgewicht am Schlitzauslauf:<br />

Σ F ↓ = 0 = dFG - dFV dFT = dFF = 0 vernachlässigt<br />

Mit der wirksamen Hauptspannung an der Trichterwand σ1‘ oder Auflager-<br />

spannung ist:<br />

ρ ⋅g⋅b⋅<br />

l⋅<br />

dh<br />

b<br />

' ρb<br />

⋅g⋅b<br />

σ1<br />

=<br />

sin2δ<br />

B<br />

oder Kreisöffnung:<br />

π 2<br />

ρb<br />

⋅g⋅<br />

⋅ b ⋅ dh<br />

4<br />

' ρb<br />

⋅g⋅b<br />

σ1=<br />

2⋅<br />

sin 2δ<br />

'<br />

= σ ⋅2<br />

⋅ l⋅<br />

dh<br />

B<br />

1<br />

'<br />

= σ<br />

1<br />

⋅π<br />

⋅<br />

oder zusammengefasst:<br />

B<br />

⋅ sinδ⋅cosδ<br />

b⋅<br />

dh<br />

B<br />

⋅ sinδ⋅cosδ<br />

( 6.179)<br />

( 6.180)<br />

' ρb<br />

⋅g⋅b<br />

σ1<br />

=<br />

. ( 6.181)<br />

( 1+<br />

m)<br />

⋅ sin2δ<br />

m = 0 keilförmiger Trichter<br />

m = 1 konischer Trichter<br />

→ vergleiche auch in der Folie 6.18 die Differentialgleichungen des ebenen<br />

und axialsymmetrischen Spannungsfeldes<br />

b oder D = 2⋅r⋅sinθ eingesetzt in Gl.( 6.181) (in der Trichterspitze sei voraus-<br />

setzungsgemäß σ1 = σ ' 1 = 0, d.h., Hauptspannung und wirksame Hauptspan-<br />

nung an der Wand sind gleich)<br />

⇒ wegen des linearen Verlaufes des radialen Spannungsfeldes gilt dann (δ = θ<br />

+ ϕw)


σ1<br />

r ⋅ g ⋅ ρb<br />

⋅1<br />

+ sin ϕe<br />

) ⋅ s(<br />

θ*)<br />

⋅ ( m + 1)<br />

⋅ sin 2δ<br />

= ff =<br />

( 6.182)<br />

'<br />

σ<br />

2 ⋅ r ⋅ g ⋅ ρ ⋅ sin θ<br />

1<br />

bzw.<br />

ff<br />

=<br />

( 1<br />

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+<br />

b<br />

( 1+<br />

sin ϕw<br />

)<br />

m)<br />

⋅ sin 2(<br />

θ + ϕw<br />

) ⋅ s(<br />

θ*)<br />

⋅<br />

( 6.183)<br />

2 ⋅ sin θ<br />

in dimensionsloser Darstellung von JENIKE gelöst; dabei ist die Funktion<br />

s(θ*) = f(θ, ϕw, ϕe), dafür<br />

� Aufstellung von 2 gewöhnlichen nichtlinearen Differentialgleichungen erster<br />

Ordnung und deren Lösung notwendig,<br />

� Lösungsgrenzen, d.h., Randbedingung ob an der Wand Fließen oder nicht<br />

eintritt ergibt die folgenden Massenfluss/Kernflussgrenzen (Folie 6.42, Folie<br />

6.43),<br />

� entsprechend Gl.( 6.183) ist ebenfalls ff = f (θ, ϕw, ϕe) Folie 6.48,<br />

� komplett s. alte Umdrucke der BAF bzw. JENIKE’s Bull. 123 (1964).<br />

Kriterium der Brückenbildung, siehe Folie 6.46:<br />

σc > σ'1 Brückenbildung!<br />

σc < σ'1 keine Brückenbildung!<br />

Aus der Gl.( 6.181) folgt für den kritischen Punkt<br />

σc = σ ' 1<br />

die minimale Öffnungsweite zur Vermeidung von Brücken (Folie 6.41):<br />

b<br />

min<br />

( m + 1)<br />

⋅σckrit⋅sin2(<br />

θ + ϕw<br />

)<br />

= . ( 6.184)<br />

ρ ⋅g<br />

b<br />

Die ausgeführte Öffnungsweite zur Vermeidung von Brückenbildung muss<br />

b ≥ bmin sein!<br />

Gelingt dies nicht, muss an dieser Stelle die Austraghilfe angesetzt werden!<br />

Als Grundlage einer numerischen Berechnung ist mit der neuen allgemeinen<br />

Fließortgleichung ( 6.151) die charakteristische, physikalische begründete<br />

Materialeigenschaftsfunktion, siehe Folie 6.47, anzusetzen (siehe auch 6.1):<br />

c<br />

2 ⋅ ( sin ϕst<br />

− sin ϕi<br />

)<br />

( 1+<br />

sin ϕ ) ⋅ ( 1−<br />

sin ϕ )<br />

st<br />

i<br />

1<br />

2 ⋅sin<br />

ϕst<br />

⋅ ( 1+<br />

sin ϕi<br />

)<br />

⋅ σ0<br />

( 1+<br />

sin ϕ ) ⋅ ( 1−<br />

sin ϕ )<br />

σ =<br />

⋅ σ +<br />

( 6.185)<br />

und dazu analog für Zeitverfestigungen mit der neuen allgemeinen Gleichung<br />

für Zeitfließorte ( 6.162):<br />

ct<br />

2 ⋅ ( sin ϕst<br />

− sin ϕit<br />

)<br />

( 1+<br />

sin ϕ ) ⋅ ( 1−<br />

sin ϕ )<br />

st<br />

it<br />

1<br />

st<br />

2 ⋅ sin ϕst<br />

⋅ ( 1+<br />

sin ϕit<br />

)<br />

⋅ σ0t<br />

( 1+<br />

sin ϕ ) ⋅ ( 1−<br />

sin ϕ )<br />

σ =<br />

⋅ σ +<br />

. ( 6.186)<br />

Diese linearen Funktionen, wie sie auch durch lineare Regression der Messergebnisse<br />

der Scherversuche gewonnen werden können, sind folgenden Typs:<br />

st<br />

i<br />

it<br />

417


418<br />

σ c = a1⋅ σ1<br />

+ σc,<br />

0<br />

( 6.187)<br />

a1<br />

σc,0<br />

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10.10.2012<br />

Anstieg der Eigenschaftsfunktion<br />

Ordinatenabschnitt der Druckfestigkeitsfunktion für σ1 = 0<br />

Mit den beiden Gln.( 6.182) und ( 6.187) lässt sich die kritische Druckfestigkeit<br />

'<br />

σ = a ⋅σ<br />

⋅ff<br />

+ σ<br />

im Schnittpunkt beider Funktionen ermitteln σc = σ1’: c 1 1 c,<br />

0<br />

σc,<br />

0<br />

σ c,<br />

krit =<br />

( 6.188)<br />

− a ⋅ff<br />

1 1<br />

und eingesetzt in Gl.( 6.184) folgt:<br />

b<br />

min<br />

( m + 1)<br />

⋅σ<br />

c,<br />

0⋅sin2(<br />

θ+<br />

ϕw<br />

)<br />

= . ( 6.189)<br />

ρ ⋅g⋅(<br />

1−a<br />

⋅ff<br />

)<br />

b<br />

1<br />

6.3.2.3 Auslegung eines Kernflusstrichters<br />

� Ermittlung der Mindestauslaufweite bmin zur Vermeidung einer stabilen<br />

Schachtbildung! (Folie 6.49)<br />

� da gewöhnlich bmin Schacht > bmin Brücke, hier keine Berücksichtigung der Brü-<br />

ckenbildung notwendig!<br />

� Nichtsdestotrotz in mangelhaft ausgelegten Kernflussbunkern kann natür-<br />

Daher:<br />

lich Brückenbildung auftreten, z. B. → Baustellensilos für Zement.<br />

� Abschätzung des maximalen Verfestigungsdruckes σ1, d.h. des wirksamen<br />

Vertikaldruckes pv ≈ σ1 in einem möglichen Schacht mit Hilfe der Schei-<br />

ben-Element-Methode (Folie 6.50)<br />

� Funktion G(ϕi) als „Sicherheitsbeiwert“ (Folie 6.51)<br />

6.3.2.4 Austraggeräte und Austraghilfen<br />

Anforderungen an Austraggeräte, Förderer und Dosierer:<br />

Schüttgutförderer, sind im Allgemeinen einfache - daher auch oft unterschätzte<br />

- allerdings sehr wesentliche Strukturelemente von Haupt-, Hilfs- und Nebenanlagen<br />

verschiedener Zweige einer stoffwandelnden Industrie oder Stoffwirtschaft.<br />

Ihre auf die Gewährleistung der Qualität des Fördergutes bezogenen<br />

und somit verfahrenstechnischen Hauptaufgaben sind:<br />

• Vermeidung von<br />

∗ Materialflussstörungen,<br />

∗ Betriebsstörungen,<br />

zur Gewährleistung der Funktion und Verfügbarkeit der Gesamtanlage;


• Gewährleistung einer hohen Konstanz der Schüttgutmengenströme und<br />

Qualitätskenngrößen hinsichtlich<br />

∗ Momentangenauigkeit bei Messzeitintervallen ∆t = 1 s für Messzeiten tm<br />

= 1 min,<br />

∗ Kurzzeitgenauigkeit bei Messzeitintervallen ∆t = 1 min für Messzeiten tm<br />

= 1 h,<br />

∗ Langzeitgenauigkeit bei Messzeitintervallen ∆t = 1 min für Messzeiten tm<br />

> 10 d;<br />

• dem entsprechend Vermeidung von Schwankungen der<br />

∗ Feststofffüllvolumenanteile oder -beladungen,<br />

∗ Partikelgrößenverteilungen und Dichten,<br />

∗ chemisch-mineralogischen oder biologischen Zusammensetzungen,<br />

∗ Vermeidung von Stoffumwandlungen während des Förderns,<br />

∗ Vermeidung von Staubbildung, Stör- oder Schadstoffemissionen,<br />

∗ Vermeidung von Anbackungen oder Bildung von Agglomeraten,<br />

∗ Vermeidung von Verunreinigungen durch Abrieb oder Verschleiß,<br />

zwecks Gewährleistung der Fördergutqualitäten;<br />

• Ausreichende Flexibilität beim Verwenden verschiedener Produkte und<br />

Mengenströme.<br />

Leider werden Schüttgutförderer ihrer eigentlichen Aufgabenstellung oftmals<br />

nicht gerecht und bringen darüber hinaus noch zusätzliche funktionelle Probleme<br />

durch Fließstörungen infolge Anbackungen, schwankende Mengenströme,<br />

Entmischungen, breite Verweilzeitverteilungen verbunden mit der Gefahr von<br />

Zeitverfestigungen, Stoffumwandlungen, Explosionsgefahr, Verderbgefahr,<br />

mangelhafte Mengenstrom- bzw. Qualitätskontrolle sowie Havariegefahr durch<br />

Überlastungen der Bauwerke und Fördertechnik und letztlich mangelhafte Verfügbarkeit<br />

des Verfahrens bzw. der gesamten Anlage.<br />

� Austraggeräte für Massenfluss (Folie 6.52, Folie 6.53)<br />

� Druck auf Austraggeräte (Folie 6.54)<br />

6.4 Verweilzeitverhalten bei stationärem Partikeltransport<br />

6.4.1 Verweilzeitverteilungsfunktion und –verteilungsdichte<br />

In der <strong>Verfahrenstechnik</strong> strebt man kontinuierliche Prozesse an - Fließprozessketten,<br />

z.B. bestehend aus: Rohstofflagerung, Dosieren, Fördern, Vorklassieren,<br />

Zerkleinern, Nachklassieren, Zwischenlagern, Dosieren, Fördern, Sortieren,<br />

Lösen, Sedimentieren, Filtrieren, Trocknen, Produktlagerung. Deshalb<br />

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10.10.2012<br />

419


420<br />

werden kontinuierlich arbeitende Apparate und Maschinen bevorzugt (Durch-<br />

flussapparate und -maschinen).<br />

Dann unterscheidet sich im Allgemeinen die Aufenthaltszeit der einzelnen Par-<br />

tikelvolumenelemente im Prozessraum. Was ist die Folge?<br />

Im Allgemeinen genügt es für die Prozessführung nicht, nur die mittlere Ver-<br />

weilzeit zu kennen, während der sich die Partikeln im Prozessraum aufhalten:<br />

dm<br />

dt<br />

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1<br />

m<br />

= m�<br />

→ ∫ dm = ∫ dt → τm<br />

= . ( 6.190)<br />

m�<br />

m�<br />

Die Verweilzeitverteilungsfunktion F(τ) liefert eine Aussage darüber, wel-<br />

cher Anteil der zu einem Zeitpunkt τ = 0 in den Prozessraum eingetretenen<br />

Partikelmasseelemente nach der Zeit τ wieder ausgetreten ist - auf den Index r<br />

= 3, d.h. Mengenart Masse, kann hier deshalb verzichtet werden, da ohnehin<br />

masse- oder volumenbezogene Partikelkonzentrationen verwendet werden. Die<br />

Verweilzeitverteilungsdichte f(τ) - auch Verweilzeitspektrum genannt - ist<br />

nach<br />

dF(<br />

τ)<br />

f ( τ)<br />

= F�<br />

( τ)<br />

=<br />

( 6.191)<br />

dτ<br />

mit der Verweilzeitverteilungsfunktion verknüpft. Sie vermittelt folglich eine<br />

Aussage über die Verteilung der austretenden Partikelvolumenelemente auf<br />

die verschiedenen Verweilzeiten.<br />

Bei einem diskontinuierlichen Prozess sind alle Partikelvolumenelemente die<br />

gleiche Zeit τR den Wirkungen des Prozesses unterworfen. Die Verweilzeitverteilungsfunktion<br />

F(τ) entspricht folglich der gewählten Verweildauer t = τR<br />

im Prozessraum (Θ-Funktion, Folie 6.55.1):<br />

⎩ ⎨⎧<br />

0 für τ<<br />

τR<br />

F ( τ)<br />

= Θ(<br />

τ)<br />

=<br />

( 6.192)<br />

1 für τ≥τ<br />

R<br />

und die Verweilzeitverteilungsdichte f(τ) der Dirac-schen δ-Funktion (δ - Impuls):<br />

⎧0<br />

für τ≠τ<br />

R<br />

f ( τ)<br />

= F�<br />

( τ)<br />

= δ(<br />

τ)<br />

= ⎨ . ( 6.193)<br />

⎩∞<br />

für τ=<br />

τR<br />

Bei kontinuierlichen Prozessen wird die Verweilzeit der<br />

Partikelvolumenelemente meist unterschiedlich sein. Dabei kann sich weiterhin<br />

die Verweilzeitverteilung des dispersen (körnigen) Stoffes von der kontinuierlichen<br />

Phase (Dispersionsmittel Fluid) unterscheiden. Man kann weiterhin sagen,<br />

dass sich vielfach sogar das Verweilzeitverhalten der einzelnen<br />

Partikelgrößenklassen unterscheiden wird.<br />

Will man nun die Verweilzeitverteilung ermitteln, so geht man wie folgt vor:


Zunächst ist es erforderlich, eine Probe des zu verarbeitenden Stoffes so zu<br />

markieren (z.B. farblich), dass sich Anteile dieser Probe im gesamten Mengenstrom<br />

mit genügender Genauigkeit erfassen lassen. Dann setzt man diese Probe<br />

stoßartig dem Aufgabemengenstrom zu, ohne diesen wesentlich zu stören, und<br />

verfolgt den Austritt der markierten Probe aus dem Prozessraum als Funktion<br />

*<br />

der Zeit. Bezeichnet man mit m� A = m�<br />

0 den bei τ = 0 zugesetzten Indikator-<br />

*<br />

mengenstrom (Aufgabe) und mit m�<br />

d = m�<br />

( τ)<br />

die nach der Zeit τ insgesamt aus<br />

*<br />

dem Prozessraum austretenden Teilmengenstrom (Austrag) von m� 0 , so erhält<br />

man die Verweilzeitverteilungsfunktion nach:<br />

*<br />

*<br />

m�<br />

( τ)<br />

m ( τ)<br />

F(<br />

τ)<br />

= = . ( 6.194)<br />

m�<br />

m<br />

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10.10.2012<br />

*<br />

0<br />

*<br />

0<br />

Für die Verweilzeitverteilungsdichte folgt:<br />

dF(<br />

τ)<br />

1 dm *<br />

( τ)<br />

= = . ( 6.195)<br />

dτ<br />

m dτ<br />

f *<br />

0<br />

Da man die Messung im Austragsmengenstrom meist diskretisiert nach den<br />

Zeiten τi (i = 1, 2, 3 ...) vornehmen wird, so folgt aus der letzten Gleichung (<br />

6.195):<br />

f ( τ<br />

i−1<br />

F(<br />

τi<br />

) −F(<br />

τ<br />

... τi<br />

) =<br />

τ −τ<br />

i<br />

i−1<br />

i−1<br />

*<br />

mτ<br />

m i − *<br />

) m0<br />

m<br />

=<br />

τ −τ<br />

i<br />

*<br />

τi−1<br />

*<br />

0<br />

i−1<br />

1<br />

=<br />

m<br />

*<br />

0<br />

∆m<br />

∆τ<br />

*<br />

i<br />

i<br />

. ( 6.196)<br />

Mit den zuletzt errechneten Werten erhält man für die Verweilzeitverteilungsdichte<br />

zunächst ein Histogramm, das sich durch Flächenausgleich in eine stetige<br />

Kurve überführen lässt.<br />

Einerseits liefert das erste vollständige Anfangsmoment der Verweilzeitverteilungsfunktion<br />

(siehe auch Gl.(1.27) im Abschnitt 1.2.2.2 (MVT_e_1neu.doc#mittlere_Partikelgröße)<br />

die Schätzung des Erwartungswertes und damit<br />

die mittlere Verweilzeit τm<br />

∞<br />

∫<br />

0<br />

1<br />

M = τ = τ ⋅ f ( τ)<br />

dτ<br />

( 6.197)<br />

1,<br />

3<br />

m<br />

mit der Gl. ( 6.195)<br />

*<br />

∞<br />

dm�<br />

1<br />

m�<br />

*<br />

0<br />

τm = ∫ τ ⋅ ⋅ dτ<br />

= dm�<br />

*<br />

* ∫ τ ⋅<br />

dτ<br />

m�<br />

0<br />

0 0<br />

( 6.198)<br />

und wiederum für die numerische Auswertung diskretisiert ergibt sich:<br />

τ<br />

m<br />

1<br />

≈<br />

m�<br />

*<br />

0<br />

⋅<br />

N<br />

∑<br />

i=<br />

1<br />

τ<br />

m,<br />

i<br />

⋅<br />

N<br />

* * 1<br />

( m�<br />

i − m�<br />

i−1<br />

) = ⋅∑<br />

τm,<br />

i ⋅ ( cs,<br />

i − cs,<br />

i−1<br />

)<br />

c<br />

s,<br />

0<br />

i=<br />

1<br />

. ( 6.199)<br />

τm,i Mittelwerte der Verweilzeitklassen i = 1, 2, 3 ... N<br />

421


422<br />

c<br />

*<br />

= m�<br />

/ V gemessene Partikelkonzentration der Verweilzeitklasse i<br />

s,<br />

i<br />

i<br />

Andererseits gilt aber auch unter Beachtung, dass das dV� τ das Füllvolumen<br />

VFüll bzw. ∫ dm� τ die Füllmasse mFüll darstellt:<br />

mFüll VFüll<br />

τ m = = . ( 6.200)<br />

m�<br />

V�<br />

Von Bedeutung ist weiterhin das zweite zentrale Moment. Es bezieht sich auf<br />

die Abweichungen von der mittleren Verweilzeit und stellt die Varianz der<br />

Verweilzeitverteilung dar:<br />

τm<br />

s<br />

2<br />

2 1<br />

2<br />

M 2,<br />

3=<br />

σ ( τ)<br />

= ∫ ( τ−τ<br />

m ) ⋅ f ( τ)<br />

dτ<br />

= ⋅ ∫ ( τ−τ<br />

m ) dcs<br />

. ( 6.201)<br />

c<br />

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10.10.2012<br />

∞<br />

0<br />

Wiederum für die numerische Auswertung diskretisiert, ergibt sich:<br />

s,<br />

0<br />

c<br />

cs<br />

, 0<br />

2 1<br />

σ ( τ ) ≈ ⋅<br />

�<br />

τ<br />

�<br />

N<br />

N<br />

2 * * 1<br />

2<br />

∑ ( τ m,<br />

i −τ<br />

m ) ⋅ ( m�<br />

i − mi−1<br />

) = ⋅∑<br />

( τ m,<br />

i − m ) ⋅ ( cs,<br />

i − cs,<br />

i−1<br />

)<br />

*<br />

m0 i=<br />

1<br />

cs,<br />

0 i=<br />

1<br />

∫<br />

( 6.202)<br />

6.4.2 Charakteristische Prozessmodelle des Verweilzeitverhaltens<br />

Bei der Kennzeichnung des Verweilzeitverhaltens kontinuierlicher Prozesse<br />

lassen sich typische Idealmodelle abgrenzen (Folie 6.55.2) und zwar<br />

- das ideale Strömungsrohr (Pfropfenströmung Folie 6.55.2a),<br />

- der ideale Durchlaufmischer (Folie 6.55.2b) und<br />

- die ideale Mischerkaskade, Reihenschaltung ideal. Mischer<br />

(Folie 6.55.2c).<br />

Das ideale Strömungsrohr entspricht hinsichtlich des Charakters der<br />

Verweiltzeitverteilung einem diskontinuierlichen Prozess.<br />

Beim idealen Durchlaufmischer erfasst die Mischwirkung das gesamte Volumen,<br />

und sie ist so intensiv, dass jedes neu eintretende Partikelvolumenelement<br />

sofort gleichmäßig über das Gesamtvolumen des Prozessraumes verteilt wird<br />

und somit die stoffliche Zusammensetzung des Austragsmengenstromes der<br />

momentanen Füllung des Prozessraumes entspricht.<br />

Zur Ableitung der Verweilzeitverteilung für den idealen Durchlaufmischer<br />

verhelfen folgende Überlegungen. Während eines differentiellen Zeitelementes<br />

dτ verlässt das Partikelvolumenelement Vdτ � den Prozessraum, und somit beträgt<br />

die äquivalente Änderung der gespeicherten und markierten Probemenge<br />

dmp* im Prozessraum mit deren Massenanteil µP* in Form einer Komponentenbilanz<br />

geschrieben:


dm<br />

*<br />

p<br />

dτ<br />

dm<br />

m<br />

*<br />

p<br />

*<br />

p<br />

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10.10.2012<br />

= −m�<br />

A,<br />

p<br />

= −m�<br />

A<br />

*<br />

mp<br />

( τ)<br />

⋅ = −m�<br />

m<br />

Füll<br />

A<br />

⋅ µ<br />

*<br />

p<br />

bzw.<br />

m�<br />

A 1<br />

= − ⋅ dτ<br />

= − ⋅ dτ<br />

. ( 6.203)<br />

m τ<br />

Füll<br />

m<br />

mp* zur Zeit τ noch im Prozessraum vorhandene markierte Probemenge<br />

Die Integration in den Grenzen von τ = 0 und mP * = m 0 * bis τ liefert dann die<br />

nach τ noch im Prozessraum verbliebene Restmenge bzw. -konzentration an<br />

markierter Probe:<br />

*<br />

* ⎡ τ ⎤<br />

m p(<br />

τ)<br />

= m0<br />

exp⎢−<br />

⎥ . ( 6.204)<br />

⎣ τm<br />

⎦<br />

Die Verweilzeitverteilungsfunktion F(τ) (Folie 6.56.5) macht demgegenüber<br />

eine Aussage über den nach der Zeit τ bereits aus dem Prozessraum ausgetra-<br />

genen Anteil der markierten Probe, also:<br />

*<br />

*<br />

m ( τ)<br />

mp<br />

⎡ τ ⎤<br />

F ( τ)<br />

= = 1−<br />

= 1−exp⎢−<br />

*<br />

*<br />

⎥ bzw. ( 6.205)<br />

m0<br />

m0<br />

⎣ τm<br />

⎦<br />

1 ⎡ τ ⎤<br />

f ( τ)<br />

= exp⎢−<br />

⎥ . ( 6.206)<br />

τm<br />

⎣ τm<br />

⎦<br />

τ ⋅f<br />

( τ)<br />

bezeichnet man als normierte Verweilzeitverteilungsdichte. Sie ist für<br />

m<br />

den idealen Durchlaufmischer in Folie 6.56.4 mit dargestellt (n = 1).<br />

Dem ungünstigen Verweilzeitspektrum eines idealen Durchlaufmischers - sog.<br />

Kurzschlussströmung, da meist eine bestimmte Verweildauer gefordert wird -<br />

kann man durch Hintereinanderschalten mehrerer Durchlaufmischer zu einer<br />

Kaskade idealer Mischer begegnen (Folie 6.55.2). Für deren Verweilzeitver-<br />

teilungsfunktion ergibt sich:<br />

n 1 ⎛<br />

F(<br />

τ)<br />

= 1−<br />

∑ ⋅⎜<br />

⎜<br />

i = 1 ( i −1)!<br />

⎝<br />

τ<br />

τ<br />

m<br />

, n<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

i−1<br />

⎡ τ<br />

⋅exp⎢−<br />

⎢⎣<br />

τm<br />

i = 1, 2, 3, ... n Stufenzahl<br />

Vn V τm<br />

τm,<br />

n = = = mittlere Verweilzeit in einer Stufe<br />

V�<br />

n ⋅ V�<br />

n<br />

und die normierte Verweilzeitverteilungsdichte<br />

τ<br />

m<br />

n−1<br />

, n<br />

⎤<br />

⎥ ⎥ ⎦<br />

( 6.207)<br />

n ⎛ ⎞ ⎡ ⎤<br />

⎜<br />

τ<br />

τ<br />

⋅f<br />

( τ)<br />

= ⋅ ⎟<br />

⎜ ⎟<br />

⋅ exp⎢−<br />

⎥ . ( 6.208)<br />

( n −1)!<br />

⎝ τm,<br />

n ⎠ ⎢⎣<br />

τm,<br />

n ⎥⎦<br />

In Folie 6.56.4 sind die normierten Verweilzeitverteilungsdichten von<br />

Mischerkaskaden als Funktion der dimensionslosen Verweilzeit τ/τm mit ver-<br />

schiedener Stufenzahl n dargestellt, wobei vorausgesetzt wurde, dass der Ge-<br />

423


424<br />

samtinhalt der Kaskade und damit ihre mittlere Gesamtverweilzeit τm = n⋅τm,n<br />

konstant bleibt. Man erkennt deutlich, dass sich mit wachsender Stufenzahl die<br />

Verweilzeitspektren immer mehr an die mittlere Verweilzeit anschmiegen.<br />

Eine Mischerkaskade mit n → ∞ ist dem idealen Strömungsrohr gleichwertig.<br />

Muss man für einen Prozess eine genügend enge Verweilzeitverteilung reali-<br />

sieren, so ist bei gleich bleibendem Gesamtprozessraumvolumen eine ausreichende<br />

Stufenzahl vorzusehen, z.B. für:<br />

* mechanische und thermische Stofftrennprozesse,<br />

* chemische Reaktionen.<br />

Sowohl der ideale Durchlaufmischer als auch die reine Pfropfenströmung sind<br />

in der Praxis kaum verwirklicht. Vielfach überlagern sich beide. In diesem Sinne<br />

lässt sich das Strömungsrohr mit axialer Vermischung (Rückvermischung<br />

durch Turbulenz) abgrenzen (Folie 6.56.6), das für eine Reihe von mechanischen<br />

Prozessen typisch ist (z.B. Mahlen in Trommelmühlen).<br />

In diesem Zusammenhang ist eine dimensionslose Kenngröße von Bedeutung,<br />

die das Verhältnis aus gerichtetem konvektiven Partikeltransport v⋅L (L -<br />

Länge des Prozessraumes, v - Partikelgeschwindigkeit) zum zufälligen<br />

diffusiven Partikeltransport DP (= axialer Diffusionskoeffizient, z.B. Dt im<br />

Falle der Turbulenz) charakterisiert und BODENSTEIN-Zahl Bo genannt<br />

wird:<br />

v ⋅ L<br />

Bo = . ( 6.209)<br />

D<br />

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10.10.2012<br />

P<br />

Sie kennzeichnet den Mischungszustand eines strömenden Partikelkollektives;<br />

und zwar gilt<br />

• Bo → 0: D → ∞ großer Diffusionskoeffizient, ideale Mischung,<br />

• Bo → ∞: D → 0 ideale Verdrängung (Pfropfenströmung).<br />

Deshalb kann man auch die Frage aufwerfen, ob sich ein gegebener kontinuierlicher<br />

Prozess nicht angenähert mit einer Mischerkaskade von n Stufen vergleichen<br />

lässt. Dadurch gelangt man zur äquivalenten Rührstufenzahl näq:<br />

n<br />

äq<br />

2 ( 1+<br />

Bo + 1)<br />

1<br />

= ⋅<br />

. ( 6.210)<br />

2<br />

• näq =1: Bo → 0, D → ∞, ideale Mischung,<br />

• näq → ∞: Bo → ∞, D → 0, ideale Pfropfenströmung.<br />

Praktisch lässt sich die BODENSTEIN-Zahl über ein Modell des diffusionsgesteuerten<br />

axialen Partikeltransportes in einem Apparat gewinnen:<br />

Dem konvektiven axialen Partikeltransport durch den Prozessraum ist eine diffusionsgesteuerte<br />

axiale Partikelvermischung überlagert. Konzentrations- und<br />

Geschwindigkeitsunterschiede quer oder radial dazu werden vernachlässigt.


6.4.3 Lösung der zweiten KOLMOGOROFF-Differentialgleichung<br />

Einerseits lässt sich dieses vereinfachte eindimensionale<br />

Partikeldispersionsmodell aus dem allgemeinen Modell mechanischer Prozesse<br />

Gl.(2.82) im Abschnitt 2.4 MVT_e_2.doc gewinnen. Andererseits kann man es<br />

auch aus einer integralen Modellgleichung für den Transport oder die „Verschiebung“<br />

molekularer Fluidteilchen ableiten - FOKKER-PLANCK-<br />

Gleichung der statistischen Physik – (siehe Abschnitt 4.3.1<br />

MVT_e_4neu.doc#Fokker_planck, Gl. (4.153)):<br />

2<br />

3<br />

∂q(<br />

x,<br />

t)<br />

u ( x)<br />

∂q(<br />

x,<br />

t)<br />

u 2(<br />

x)<br />

∂ q(<br />

x,<br />

t)<br />

1 ∂<br />

= − ⋅ + ⋅ − ⋅<br />

2<br />

∂t<br />

1!<br />

∂x<br />

2!<br />

∂x<br />

3!<br />

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10.10.2012<br />

[ q(<br />

x,<br />

t)<br />

⋅ u ( x)<br />

]<br />

1 3 +<br />

3<br />

∂x<br />

...<br />

( 6.211)<br />

Dabei wird vorausgesetzt, dass sich der dem Fluidteilchentransport zugrunde<br />

liegende physikalische Grundvorgang bei jedem Schritt δx nicht ändert und nur<br />

vom Zustand des Stoffsystems zum Zeitpunkt t abhängt. Ein derartiger stochastischer<br />

Prozess wird in der statistischen Physik stetiger MARKOFF-Prozess<br />

genannt. Höhere Ordnungen werden gewöhnlich u n><br />

2(<br />

x)<br />

≈0<br />

gesetzt und man<br />

erhält die sog. zweite KOLMOGOROFF-Differentialgleichung für die<br />

Wahrscheinlichkeit q( x,<br />

t)<br />

⋅ dx dafür<br />

∂q(<br />

x,<br />

t)<br />

∂<br />

= −<br />

∂t<br />

2<br />

[ u ( x)<br />

⋅ q(<br />

x,<br />

t)<br />

] 1 ∂ [ D(<br />

x)<br />

⋅ q(<br />

x,<br />

t)<br />

]<br />

1<br />

∂x<br />

+ ⋅<br />

2<br />

∂x<br />

2<br />

, ( 6.212)<br />

dass sich das betrachtete Fluidteilchen zum Zeitpunkt t im Intervall x bis x + dx<br />

befindet ( D( x)<br />

≡ 2 ⋅ D * ). Mit der Partikelkonzentration c(x, t) und der<br />

Partikelgeschwindigkeitsverteilung v(x, t) lautet Gl.( 6.212) nunmehr in<br />

normierter Schreibweise:<br />

∂C(<br />

X,<br />

θ)<br />

∂C(<br />

X,<br />

θ)<br />

= − +<br />

∂θ ∂X<br />

0<br />

1<br />

Bo<br />

ax<br />

2<br />

∂ C(<br />

X,<br />

θ)<br />

⋅ . ( 6.213)<br />

2<br />

∂X<br />

C ( X,<br />

θ ) = c(<br />

x,<br />

t)<br />

/ c normierte Partikelkonzentration ( 6.214)<br />

X = x / L<br />

normierte Apparateaxialkoordinate ( 6.215)<br />

θ = τ / τm<br />

normierte Verweilzeit ( 6.216)<br />

Boax = v ⋅ L / Dax<br />

axiale BODENSTEIN-Zahl ( 6.217)<br />

v = L / τ<br />

mittlere Partikeltransportgeschwindigkeit ( 6.218)<br />

m<br />

Dax axialer Partikeldispersionskoeffizient<br />

Diese Differentialgleichung lässt sich mit den Randbedingungen<br />

1) an der Partikelaufgabe bei x < 0 findet keine „Rückdiffusion“ aus dem<br />

Bilanzraum 0 ≤ x ≤ L heraus statt, d.h. für x = 0 und t > 0 ist:<br />

425


426<br />

∂C(<br />

0,<br />

θ)<br />

∂C(<br />

0,<br />

θ)<br />

= 0=<br />

− +<br />

∂θ<br />

∂X<br />

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10.10.2012<br />

1<br />

Bo<br />

ax<br />

2<br />

∂ C(<br />

0,<br />

θ)<br />

⋅ , ( 6.219)<br />

2<br />

∂X<br />

2) am Partikelaustrag bei x = L findet keine „Rückdiffusion“ in den Bilanz-<br />

raum 0 ≤ x ≤ L hinein statt:<br />

2<br />

∂ C(<br />

L,<br />

θ)<br />

0 = , ( 6.220)<br />

2<br />

∂X<br />

analytisch durch die Berechnung des axialen Dispersionskoeffizienten Dax<br />

(Partikeltransportkoeffizient) mit Hilfe des zweiten zentralen Momentes einer<br />

gemessenen Verweilzeitverteilung gemäß Gl.( 6.201) berechnen<br />

⎪⎧<br />

⎡<br />

⎤⎪⎫<br />

2 2 ⋅ D<br />

⎛ ⎞<br />

ax Dax<br />

v ⋅ L<br />

σ ( τ,<br />

L)<br />

= ⋅ ⎨L<br />

− ⋅ ⎢1−exp<br />

⎜<br />

⎜−<br />

⎟<br />

3<br />

⎥⎬<br />

( 6.221)<br />

v ⎪⎩<br />

v ⎣ ⎝ Dax<br />

⎠⎦⎪⎭<br />

oder mit der BODENSTEIN-Zahlen Boax = v ⋅ L / Dax<br />

und der mittleren Strö-<br />

v = L / τ nach Gl.( 6.218)<br />

mungsgeschwindigkeit m<br />

[ ( ) ] ⎬<br />

⎭ ⎫<br />

2<br />

2 ⋅ τ ⎧ m 1<br />

( τ,<br />

L)<br />

= ⋅ ⎨1<br />

− ⋅ 1−<br />

exp − Bo . ( 6.222)<br />

Boax<br />

⎩ Boax<br />

2<br />

σ ax<br />

2<br />

Dax gewinnt man iterativ mit Hilfe der numerisch berechneten Varianz σ ( τ,<br />

L)<br />

gemäß Gl.( 6.202) zweckmäßig durch quadratische Auflösung:<br />

⎪⎧ 2 2<br />

v ⋅ L<br />

2 ⋅ v ⋅ σ ( τ,<br />

L)<br />

⎪⎫<br />

D ax = ⋅ ⎨1<br />

− 1−<br />

⋅ [ 1−<br />

exp(<br />

−Boax<br />

) ] 2<br />

⎬ .<br />

2 ⋅ [ 1−<br />

exp(<br />

−Boax<br />

) ] ⎪⎩<br />

L<br />

⎪⎭<br />

Für große 3<br />

Boax > ist der Term 1 exp(<br />

− Boax<br />

) = 0,<br />

95 ≈ 1<br />

( 6.223)<br />

− vernachlässigbar<br />

und es folgt vereinfachend:<br />

v ⋅ L ⎪⎧<br />

D ax ≈ ⋅ ⎨1<br />

−<br />

2 ⎪⎩<br />

2<br />

⎪⎫<br />

2<br />

2 ⋅ v 2 L<br />

1−<br />

⋅ σ ( τ,<br />

L)<br />

⎬ =<br />

2<br />

L ⎪⎭<br />

2 ⋅ τm<br />

⎪⎧<br />

⋅ ⎨1<br />

−<br />

⎪⎩<br />

2<br />

σ ( τ,<br />

L)<br />

⎪⎫<br />

1−<br />

2 ⋅ 2 ⎬ .<br />

τm<br />

⎪⎭<br />

( 6.224)<br />

Der letzte Term unter der Wurzel stellt eine auf den geschätzten Erwartungs-<br />

wert bezogene Varianz σ 2 (τ, L) oder Standardabweichung σ(τ, L) dar. Dies<br />

lässt sich somit auch als eine dimensionslose statistische Kennzahl - sog. Va-<br />

riationskoeffizient der Verweilzeitverteilung vvk - aufschreiben:<br />

v<br />

vk<br />

σ(<br />

τ,<br />

L)<br />

( τ , L)<br />

= . ( 6.225)<br />

τ<br />

m<br />

Daraus gewinnt man nun die Beziehungen der dimensionslosen Kennzahlen<br />

und zwar aus der Gl.( 6.222)<br />

[ ( ) ] ⎬<br />

⎭ ⎫<br />

2 2 ⎧ 1<br />

v vk ( τ, L)<br />

= ⋅ ⎨1<br />

− ⋅ 1−<br />

exp −Boax<br />

( 6.226)<br />

Boax<br />

⎩ Boax


und angenähert für die BODENSTEIN-Zahl<br />

Bo<br />

ax<br />

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10.10.2012<br />

2<br />

≈ . ( 6.227)<br />

2<br />

1−<br />

1−<br />

2 ⋅ v ( τ,<br />

L)<br />

vk<br />

Betrachtet man darüber hinaus in Gl.( 6.226) vereinfachend nur den ersten<br />

Term vor der geschweiften Klammer, erhält man den unmittelbare Zusammenhang<br />

zwischen der BODENSTEIN-Zahl und dem Variationskoeffizienten der<br />

Verweilzeitverteilung:<br />

2<br />

= . ( 6.228)<br />

v ( τ,<br />

L)<br />

Boax 2<br />

vk<br />

Der axiale Partikeldispersionskoeffizient Dax ist folglich:<br />

D<br />

ax<br />

2<br />

3 2<br />

2 2<br />

σ ( τ,<br />

L)<br />

⋅ v σ ( τ,<br />

L)<br />

⋅ L vvk<br />

( τ,<br />

L)<br />

≈ =<br />

= ⋅ ( v ⋅ L)<br />

3<br />

. ( 6.229)<br />

2 ⋅ L 2 ⋅ τ 2<br />

m<br />

Mit Hilfe der Gln.( 6.228) und (6.92) wird auch der in der statistischen Analogiebetrachtung<br />

der turbulenten Diffusion im Abschnitt 4.2.2.1 MVT_e_4neu-<br />

.doc#Diffusionskoeffizient_turb benutzte Zusammenhänge zwischen dem turbulenten<br />

Diffusionskoeffizienten Dt, einer mittleren Partikelgeschwindigkeit<br />

und charakteristischen Fluidgeschwindigkeit 0 u v ≈ sowie einer für den Partikeltransport<br />

längs des Weges L wesentlichen Apparateabmessung 0 D L ≈<br />

deutlich:<br />

D ≈ D ∝ v ⋅ L ≈ u ⋅ D . ( 6.230)<br />

t<br />

ax<br />

0<br />

0<br />

Neben der idealen Mischung und Verdrängung können zusätzliche Beeinflussungen<br />

des Verweilzeitverhaltens durch<br />

- Toträume (d.h. Bereiche, die sich der Mischwirkung entziehen ⇒lange<br />

Verweildauer, sehr flaches F(τ)),<br />

- Kurzschlüsse zwischen Aufgabe- und Austragöffnung ⇒ sehr kurze Verweildauer<br />

("Schnelldurchläufer", großer Anstieg von F(τ)) sowie<br />

- Rückvermischen<br />

bei mehrstufigen Anordnungen eintreten. Diese Einflüsse wirken sich auch in<br />

charakteristischer Weise auf die Kurvenverläufe aus und lassen sich angenähert<br />

durch Korrekturglieder erfassen. So kann man für die Verweilzeitverteilungsfunktion<br />

F(τ) einer Rührstufe setzen:<br />

⎡ ( τ−τ<br />

⎤ ε )<br />

F ( τ)<br />

= 1−<br />

exp⎢−<br />

η ⋅ ⎥ mit F(τ) ≥ 0. ( 6.231)<br />

⎣ τm<br />

⎦<br />

Der Parameter η macht folglich eine Aussage über die Vollkommenheit, d.h.<br />

den Wirkungsgrad der Mischung. Bei vollständiger Mischung ist η = 1; mit<br />

427


428<br />

positiven oder negativen Abweichungen. Der Parameter τε ist ein Maß für die<br />

Phasenverschiebungen im System (Tabelle 6.8)<br />

* τε/τm > 0 Pfropfenströmung;<br />

* τε/τm < 0 Kurzschluss.<br />

Problematisch ist jedoch die praktische Handhabbarkeit dieses Models.<br />

η τε/τm<br />

Vollständige Vermischung 1 0<br />

Pfropfenströmung > 1 > 0<br />

Totraum vorhanden > 1 0<br />

Kurzschluss vorhanden < 1 < 0<br />

Beispiele:<br />

MVT_e_6neu <strong>Mechanische</strong> <strong>Verfahrenstechnik</strong> - Partikeltechnologie Schüttgutspeicherung Prof. Dr. J. Tomas,<br />

10.10.2012<br />

Tabelle 6.8: Physikalische Bedeutung von η und τε<br />

- Massenflussbunker (Folie 6.35)<br />

* Pfropfenströmung dicht gepackten Schüttgutes<br />

- Kernflussbunker (Folie 6.35) und Probleme damit (Folie 6.34)<br />

* Totzonen an den Wänden<br />

Zeitverfestigung von empfindlichen Materialien ⇒ Tendenz zu Festkörperbrückenbindungen<br />

(Folie 6.36)<br />

* Kurzschlüsse im fließenden Kern (Folie 6.36)<br />

mangelhafte Entgasung pneumatisch geförderter Güter<br />

6.5 Schwerpunkte und Kompetenzen<br />

Anhand dieser Schwerpunkte können Sie Ihr Wissen und Ihre verfahrenstechnischen<br />

Kompetenzen überprüfen:<br />

• Mikromechanische Grundlagen der Partikelhaftung und Makromechanik<br />

des Fließens kohäsiver Pulver:<br />

Haftkräfte zwischen feinen Partikeln, Fliessorte und Fließkennwerte<br />

kohäsiver Schüttgüter anhand eines τ=f(σ)-Diagramms,<br />

• Produktbewertung:<br />

Fließfähigkeit und Kompressibilität kohäsiver Pulver, Wirkprinzipien<br />

der Schergeräte, Methodik eines Scherversuches;<br />

• Prozessauslegung:<br />

Verfahrenstechnische Probleme, Vor- und Nachteile der Kern- und<br />

Massenflussbunker, Methodik der fließgerechten Auslegung eines Massenflussbunkers<br />

(Verfestigungsfunktionen und Auslegungsdiagramme);

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