Graubunden Exclusiv – Sommer 2017
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der am meisten bewanderten Alpenregionen der Schweiz. Im<br />
Supersommer 2003 hätte er in zehn Tagen 1400 Leute kennengelernt,<br />
hat mir Toni Trummer, der Hüttenwart der Terrihütte,<br />
einst verraten. Ob diese menschliche Überflutung<br />
dem Mythos Greina nicht auch schadet? Mag sein. Andererseits<br />
blieb die unverdorbene Gebirgslandschaft in ihrer ganzen<br />
Schönheit und mit ihren ungeahnten Weiten dank der<br />
Aufnahme 1996 ins Bundesinventar der Landschaften und<br />
Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) dem<br />
Wanderer erhalten.<br />
Vielleicht lohnt es sich dennoch, eine Beschreibung dieser<br />
Greina. Im Buch «Die Greina <strong>–</strong> ein Symbol» von Herbert<br />
Maeder lesen wir: «Über die kahlen, grasdurchsetzten Schuttund<br />
Felsflächen des Passes Diesrut streicht ein kühler Westwind.<br />
Stunden sind wir von Vrin, dem höchstgelegenen Dorf<br />
der Val Lumnezia, über Alpweiden zum 2428 Meter hohen<br />
Pass aufgestiegen, voller Neugierde, die Greina-Landschaft<br />
kennenzulernen. Was wir hier sehen, ist eher enttäuschend:<br />
Bergspitzen wie überall, in der Nähe der Piz Ner und der Piz<br />
Stgir, im Westen der Piz da Stiarls, der Piz Vial, der Piz Gaglianera,<br />
gesäumt von Gletscherflächen, die noch vor fünfzig<br />
Jahren eine ganz andere Ausdehnung hatten. Aber das ist ja<br />
noch gar nicht die Greina. Nach nur wenigen Hundert Metern,<br />
dort wo der steile Abstieg zum Rein da Sumvitg und zur<br />
Terrihütte beginnt, geht unvermittelt ein Vorhang auf, und<br />
wir stehen vor einem Bild, das wir nicht mehr vergessen werden:<br />
Plaun la Greina. So lesen wir es in rätoromanischer Sprache<br />
auf dem Blatt Greina 1:25 000 der Landestopografie. Zu<br />
unseren Füssen eine für den hochalpinen Raum einzigartig<br />
weite, grüne Ebene, durch die, vom Pass Crap herkommend,<br />
der junge Rein da Sumvitg in sanften Kurven fliesst. Rechts<br />
und links nimmt er Seitenbäche auf. Wenn die Sonnenstrahlen<br />
die Wolkendecke durchbrechen, leuchtet ein silbernes<br />
Geäder auf. Im Süden begrenzt das flache Dreieck des Pizzo<br />
Coroi die Ebene. Über seinen Rücken verläuft nicht nur die<br />
Grenze zwischen den Kantonen Graubünden und Tessin,<br />
sondern auch die Grenze zwischen der Alpennord- und der<br />
Alpensüdseite.» Schön gesagt!<br />
Im Herbst, wenn die Nächte in der Höhe kalt und die Tage<br />
mild werden, die Luft klar ist und die Farben der Gräser, des<br />
Wassers, der Felsen intensiv werden, vielleicht schon eine<br />
glitzernde Eisschicht die Wasseroberfläche bedeckt und die<br />
Halmen der Gräser sich im Wind bewegen, dann ist es hier<br />
oben am schönsten.<br />
Der Weg nach Süden, hinunter zur Motterasciohütte <strong>–</strong> liebevoll<br />
nach einem ihrer grossen Förderer «Michela» genannt <strong>–</strong>,<br />
führt an einem wundersamen Platz mit vielen Dutzenden<br />
kleiner und grosser Steinmännchen <strong>–</strong> auf «Valserisch» werden<br />
sie Steinhirten genannt <strong>–</strong> vorbei. Es lohnt sich, hier ein<br />
paar Minuten zu verweilen und durch die vielfältigen Steingebilde<br />
zu streifen. Die Hütte selbst liegt auf einer Aussichtsterrasse<br />
unter der Westflanke des markanten Piz Terri <strong>–</strong> mit<br />
prächtigem Blick auf den smaragdgrünen bis königsblauen<br />
Luzzone-Stausee hinunter, an dessen fjordähnlichem<br />
Nordarm wir morgen entlangwandern werden, und auf die<br />
elegante Pyramide des Sosto. Seit ihrem modernen Ausbau<br />
2006 ist die Hütte ein richtiges Bijou, wo es einem wohl ist,<br />
toll geführt von Ornella und Emilio Schneidt, die mit einer<br />
ausgezeichneten Küche und herrlichen Kuchen punkten. Am<br />
Abend geniessen wir einen perfekten Gemüserisotto mit<br />
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