KulturFenster Nr. 03/2016 - Juni 2016
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Schätze des Blasmusik-Repertoires<br />
2 – „Bacchus on Blue Ridge“<br />
von Joseph Horovitz<br />
Zum 90. Geburtstag des Komponisten mit Wiener Wurzeln<br />
In dieser Reihe stellt unser Mitarbeiter Joachim<br />
Buch Werke vor, die trotz ihres ansprechenden<br />
musikalischen Niveaus zwischenzeitlich<br />
in Vergessenheit geraten sind. Teil<br />
2 widmet sich dem Stück „Bacchus on Blue<br />
Ridge“ von Joseph Horovitz, der am 26. Mai<br />
seinen 90. Geburtstag feierte.<br />
Der gebürtige Wiener musste 1938 nach<br />
dem „Anschluss“ Österreichs ans Deutsche<br />
Reich als Jude seine Heimat verlassen.<br />
Nach Studien in Oxford, London und<br />
Paris begann er seine musikalische Laufbahn<br />
als Direktor der Bristol Old Vic Company.<br />
Seit den sechziger Jahren widmete er<br />
sich verstärkt dem Komponieren, im Laufe<br />
der Zeit auch für Blasorchester und Brassband.<br />
Der tänzerische Charakter vieler seiner<br />
Werke hat unzweifelhaft damit zu tun,<br />
dass er lange Jahre auch als Ballettdirigent<br />
unterwegs war. Mitte der achtziger Jahre<br />
wurde Horovitz mit der hier näher vorgestellten<br />
dreisätzigen Suite „Bacchus on<br />
Blue Ridge“ erstmals auch in Kontinental-<br />
Europa einem größeren Publikum bekannt.<br />
Horovitz‘ „Bacchus“<br />
Joseph Horovitz hat sich auch als Komponist für Blasorchester einen Namen<br />
gemacht, sein Werk „Bacchus on Blue Ridge“ ist ein im wahrsten Sinn des Wortes<br />
klingendes Beispiel dafür. (Foto: Wolfgang Jud)<br />
Horovitz‘ „Bacchus“ hat eine lange Entstehungsgeschichte.<br />
Die Erstfassung für<br />
Sinfonieorchester entstand 1974. Im Umfeld<br />
der Gründungskonferenz des Weltverbandes<br />
der sinfonischen Blasorchester<br />
(WASBE) 1981 in Manchester entschloss<br />
er sich, den „Bacchus“ neu zu instrumentieren.<br />
„Das war für mich ein schöner Lerneffekt:<br />
zu sehen, welch unterschiedliche<br />
Funktionen die gleichen Instrumente im<br />
Sinfonie- und im Blasorchester haben.“<br />
Die Uraufführung der Neufassung fand im<br />
Herbst 1984 in Manchester statt und im<br />
Jahr darauf wurde es auch bei der zweiten<br />
Weltkonferenz im belgischen Kortrijk<br />
gespielt.<br />
Der Titel entstand aufgrund eines Gedankenspiels<br />
des Komponisten. Bacchus,<br />
der Gott von Wein, Weib und Gesang, kehrt<br />
dem Olymp immer wieder einmal den Rücken<br />
und verbringt ein Wochenende in<br />
den Blue Ridge Mountains an der Südseite<br />
der Appalachen, einer Bergkette im<br />
Südosten der USA. Die Musik dieser Region,<br />
die schon Aaron Copland (und in der<br />
Blasmusik auch James Barnes) inspirierte,<br />
steht stellenweise auch hier Pate.<br />
Zu Beginn des ersten Satzes erlebt man<br />
Bacchus in einer niedergeschlagenen Stimmung,<br />
dargestellt durch ein Fagott (später<br />
kommt noch ein zweites hinzu) und<br />
zwei trottende Tuben im Wechsel (s. Notenbeispiel<br />
1, ab Takt 5). Sein Leben erscheint<br />
ihm etwas eintönig und er träumt<br />
von einem Wochenende, das er irgendwo<br />
anders verbringen kann. Horovitz stellt<br />
allerdings klar, dass trotz der hier erzählten<br />
musikalischen Geschichte das Stück<br />
keine Programmmusik ist. Der zweite Satz<br />
mit der Vortragsbezeichnung „Blues“ zeigt<br />
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