Wo das Chaos die Ordnung ist - Literaturmachen
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Seite 16 Bulletin N– o 03 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus Stuttgart und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Stuttgart – Schuljahr 2008/2009 Bulletin N– o 03 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus Stuttgart und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Stuttgart – Schuljahr 2008/2009 Seite 17<br />
Fortsetzung von Seite 15<br />
Darüber hinaus gibt es noch „Quarterpipes“,<br />
„Hipp Jumps“ und alle möglichen Kreationen<br />
der Park-Erbauer.<br />
Solch ein Park <strong>ist</strong> auch auf dem Gletscher im<br />
Kaunertal zu finden. Dieser Gletscher <strong>ist</strong> cirka<br />
370 Kilometer von Stuttgart entfernt, liegt<br />
in Österreich und auf 2700 Metern Höhe. Das<br />
Skigebiet besteht aus einem Sessellift, drei<br />
Schleppliften, einer Gondel und einem schönen<br />
Funpark. Also kein großes Skigebiet, dafür<br />
kann man hier <strong>das</strong> ganze Jahr über Snowboard<br />
oder Ski fahren.<br />
Der nächste Ort <strong>ist</strong> 22 Kilometer von <strong>die</strong>sem<br />
Gletscher entfernt und heißt Feichten. Ein<br />
300-Seelen-Dorf. Hier versammelt sich immer<br />
wieder <strong>die</strong> Snowboard-Szene während der<br />
„Spring Classics“, <strong>die</strong> <strong>die</strong>ses Jahr vom 18. April<br />
bis zum 1. Juni stattfanden. Das <strong>ist</strong> eine Veranstaltung<br />
mit Contests, Shredden (fahren) mit<br />
Kumpels und einfach nur Chillen. Das Besondere<br />
daran <strong>ist</strong>, <strong>das</strong>s es sehr warm <strong>ist</strong> und man<br />
Luise Wittwer<br />
ein Dorf voller<br />
Menschlichkeit<br />
In der Dorfgemeinschaft Tennental leben und<br />
arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung<br />
es <strong>ist</strong> noch sehr ruhig an <strong>die</strong>sem frühen Morgen<br />
in der Dorfgemeinschaft tennental, wo<br />
seit 1990 Behinderte nach chr<strong>ist</strong>lichen und<br />
anthroposophischen grundlagen betreut<br />
werden. Dunst hängt über den Ländereien,<br />
<strong>die</strong> man hinter den bunten Häusern entdecken<br />
kann. einzig <strong>die</strong> einmachküche und<br />
<strong>das</strong> B<strong>ist</strong>ro haben schon geöffnet. Die einen<br />
zum Putzen der weißen Plastikschuhe, <strong>die</strong><br />
zur Arbeit verwendet werden; <strong>die</strong> anderen,<br />
um den wenigen frühmorgendlichen Besuchern<br />
schon etwas anzubieten. Dass es so ruhig<br />
<strong>ist</strong>, liegt daran, <strong>das</strong>s an <strong>die</strong>sem Samstag<br />
im tennental ein gottes<strong>die</strong>nst stattfindet,<br />
an dem sowohl Betreute als auch Betreuende<br />
teilnehmen.<br />
In den bunten Häusern sind <strong>die</strong> Behinderten in<br />
so genannten „Familien“ untergebracht, <strong>die</strong> in<br />
aller Regel aus drei ausgebildeten Heil- und Sozialpädagogen<br />
und etwa neun Betreuten bestehen.<br />
Elf davon gibt es im Tennental. In <strong>die</strong>sen<br />
Familien wird den Betreuten ein Schutzraum<br />
geboten, aber dort sollen sie auch lernen, Verantwortung<br />
zu übernehmen. Und sei es nur <strong>das</strong><br />
Müslirichten am Morgen oder <strong>das</strong> Tischabwischen<br />
nach dem Essen.<br />
Außerdem besteht <strong>das</strong> Dorf noch aus den dreizehn<br />
unterschiedlichen Werkstätten. Jeder Betreute,<br />
der in der Dorfgemeinschaft lebt, gehört<br />
zu einer, <strong>die</strong> er sich zu Beginn seines Lebens-<br />
ohne Probleme im T- Shirt fahren kann, obwohl<br />
man fast 2 Meter Schnee und eine dicke Eisdecke<br />
unter sich hat. Im Tal kann man dann <strong>die</strong><br />
grünen Wiesen mit blühenden Pflanzen sehen.<br />
Dort waren meine Freunde und ich für ein <strong>Wo</strong>chenende,<br />
bei strahlender Sonne und babyblauem<br />
Himmel inklusive Sonnenbrand.<br />
Es <strong>ist</strong> eine tolle Angelegenheit, mit solch einer<br />
schönen Kulisse bei solch einer Wärme Snowboard<br />
zu fahren. Ein einziges Problem trübt den<br />
Spaß: Mittags wird durch <strong>die</strong> Wärme der Schnee<br />
sehr sulzig, und dann wird Boarden sehr anstrengend.<br />
Der Funpark im Kaunertal <strong>ist</strong> zwar nicht groß,<br />
wie <strong>das</strong> Skigebiet auch, aber er hat wirklich<br />
alles zu bieten – für Anfänger wie für Profis.<br />
Im Sommer <strong>ist</strong> <strong>die</strong>ser Ort zusammen mit Les<br />
deux Alpes <strong>die</strong> Anlaufstelle für alle Boarder aus<br />
Deutschland und Umgebung, <strong>die</strong> <strong>das</strong> Freestylen<br />
im Sommer nicht lassen wollen oder können.<br />
Snowboard-fahren <strong>ist</strong> keine normale Sportart<br />
wie Joggen oder Wandern. Beim Snowboard-<br />
abschnittes im Tennental aussucht. In <strong>die</strong>sen<br />
Betrieben ver<strong>die</strong>nen alle Geld, <strong>das</strong> gleich wieder<br />
in ihren Lebensunterhalt fließt. Im Dorfladen<br />
werden Waren verkauft, <strong>die</strong> zu großen Teilen<br />
aus den dorfeigenen Betrieben stammen, aber<br />
auch von anderen, streng biologisch geführten<br />
Betrieben. Im benachbarten B<strong>ist</strong>ro werden aus<br />
<strong>die</strong>sen Waren kleine Gerichte für <strong>die</strong> Bewohner<br />
der Dorfgemeinschaft, aber natürlich auch für<br />
Auswärtige, gekocht.<br />
Hergestellt werden <strong>die</strong> me<strong>ist</strong>en <strong>die</strong>ser Produkte<br />
in Gärtnerei, Landwirtschaft, Bäckerei,<br />
Einmachküche oder Käserei. Echte Männerarbeiten<br />
gibt es im Tennental aber auch.<br />
In Metallwerkstatt und Schreinerei werden<br />
hochwertige Alltagsgegenstände hergestellt.<br />
Und dann <strong>ist</strong> da noch <strong>die</strong> Astholzwerkstatt.<br />
Hier werden aus ganz normalen, knorrigen, verqueren<br />
Ästen Zwerge, Burgmauern, Bauklötze,<br />
Osterhasen und noch viel mehr gefertigt.<br />
Dieter Ha<strong>das</strong>ch <strong>ist</strong> der Chef der Werkstatt. Die<br />
Kommunikation zwischen behinderten und<br />
nicht behinderten Menschen sieht er nach wie<br />
vor als gestört an. Die Erzeugnisse seiner Werkstatt<br />
sollen helfen, <strong>die</strong>ses Problem zu schmälern:<br />
„Diese Kunstwerke werden in <strong>die</strong> Gesellschaft<br />
– also nach ‚draußen’ – gebracht, durch<br />
Kinder und Erwachsene, und verbinden so vielleicht<br />
Menschen mit dem so genannten Problem<br />
unserer Gesellschaft, vor dem man so gerne <strong>die</strong><br />
Augen verschließt.“<br />
Nämlich mit den Behinderten, vor denen man<br />
auf <strong>die</strong> andere Straßenseite flüchtet, <strong>die</strong> man<br />
nicht anschaut, wenn man nicht umhin kann,<br />
an ihnen vorbei zu gehen. Schlichtweg mit den<br />
Menschen, mit denen mancher, der nicht mit einer<br />
Behinderung lebt, nichts zu tun haben will.<br />
Sie werden uns vielleicht manchmal fremd erscheinen<br />
oder unverständlich oder unsereins<br />
schlicht überfordern. Aber nur, wenn man sich<br />
nicht auf <strong>die</strong>se besonderen Menschen einlässt<br />
und versucht, zwischen ihren Ticks sie selbst<br />
fahren geht es nicht nur um <strong>das</strong> Ausüben an<br />
sich, sondern es geht auch um <strong>die</strong> Klamotten,<br />
den Mut eines jeden und den Style einer<br />
ganzen Person. Man kann mit seinen Jungs in<br />
dem Park machen, was man will, und es sind<br />
kaum Grenzen gesetzt – <strong>die</strong> Grenze setzt man<br />
selbst. Man sollte aber stets auf seine eigenen<br />
Grenzen achten und sie nicht überstrapazieren,<br />
da sonst <strong>das</strong> passiert, was <strong>die</strong> me<strong>ist</strong>en Eltern<br />
bei solch einer Extremsportart immer befürchten.<br />
Schnell hat man sich etwas gebrochen, wie<br />
Arme, Schultern, Beine. Aber auch schlimmere<br />
Verletzungen, zum Beispiel am Rücken, kommen<br />
immer wieder vor.<br />
Diese Sportart <strong>ist</strong> eher bei Jugendlichen beliebt.<br />
Leute, <strong>die</strong> älter als 40 sind, bleiben sowieso lieber<br />
außerhalb der Funparks, weil dort auch <strong>die</strong><br />
Stimmung oft sehr high <strong>ist</strong>. Der älteste mir bekannte<br />
Freestyle-Boarder <strong>ist</strong> 37 Jahre alt. Aber<br />
ab so einem Alter <strong>ist</strong> <strong>das</strong> Verletzungsrisiko noch<br />
größer als sowieso schon, und daher <strong>ist</strong> es eine<br />
typische Jugendsportart.<br />
zu entdecken. Denn eigentlich sind <strong>die</strong> Menschen<br />
im Tennental gar kein „Problem“.<br />
Wir sollten uns eher alle etwas abgucken von ihnen.<br />
Wer von uns bringt schon <strong>die</strong> Geduld mit,<br />
etwas wieder und wieder zu versuchen, auch<br />
wenn es ein aussichtsloser Kampf <strong>ist</strong>? Und wer<br />
von uns vermag, sich über ein kleines Gänseblümchen<br />
so zu freuen, wie über Weihnachten?<br />
„Wir müssen uns einmal bewusst machen,<br />
schon ein kleiner Autounfall oder Fehler kann<br />
uns selbst in eine solche Lage bringen.“ Dies<br />
sagt mir einer der zwei Maschinenbauer, <strong>die</strong><br />
ab und zu mal in <strong>die</strong> Astholzwerkstatt kommen<br />
und <strong>die</strong> zahlreichen Maschinen reparieren<br />
und warten. „Und man kann unglaublich viel<br />
lernen“, sagt der andere, der einen roten BMW-<br />
Maschinenbaueranzug trägt.<br />
Dazu gibt es nicht nur <strong>das</strong> Seminar im Tennental,<br />
in dem junge Leute drei Jahre lang zu Heilpädagogen<br />
ausgebildet werden, sondern auch<br />
als Besucher kann man schon etwas lernen.<br />
Über Zwischenmenschliches. Dieses beginnt bei<br />
dem reinen Zusammensein mit den Betreuten.<br />
Und <strong>ist</strong> endlos fortzusetzen.<br />
Peer, der sich in der Astholzwerkstatt „sehr<br />
wohl fühlt, ja, sehr wohl, ja“, kann zum Beispiel<br />
gar nicht genug lernen. Er kommt zu Dieter<br />
Ha<strong>das</strong>ch und fragt: „Was kann ich noch tun?“<br />
In den Werkstätten werden unter anderem<br />
Kunstobjekte und Spielzeuge produziert<br />
und anschließend im Hofladen verkauft.<br />
Die Antwort kommt wie aus der P<strong>ist</strong>ole geschossen:<br />
„Saubermachen. Wirst schon was finden.“<br />
Dieter Ha<strong>das</strong>ch <strong>ist</strong> in seiner wortkargen, tatkräftigen<br />
Art hier stellvertretend für <strong>die</strong> Art<br />
der Betreuenden im Tennental, mit den ihnen<br />
Anvertrauten umzugehen. Denn obwohl sie niemals<br />
<strong>die</strong> Achtung vor den Bewohnern des Tennentals<br />
verlieren würden, sind sie ohne <strong>Wo</strong>rte<br />
dominierend und verlieren sich nicht etwa in<br />
Babysprache oder Ähnlichem im Umgang mit<br />
den Betreuten.<br />
Für Dieter Ha<strong>das</strong>ch <strong>ist</strong> <strong>das</strong> Holz allein <strong>die</strong> Therapie<br />
für <strong>die</strong> Bewohner des Tennentals. Wenn<br />
durch <strong>die</strong> Arbeit damit ihre Sinne angeregt werden,<br />
wenn sie hören, wie <strong>die</strong> Maschinen brummen,<br />
wenn sie fühlen, wie aus knorrigen Ästen<br />
weiche, sanfte Kunstobjekte und Spielzeuge<br />
werden, dann werden eventuell Regungen wieder<br />
freigelegt, <strong>die</strong> bis dahin als fehlend oder<br />
Julius Bittermann<br />
Der trend geht<br />
in richtung<br />
Verkleinerung<br />
Im Handwerk sind <strong>die</strong> Auswirkungen<br />
der Krise auch für kleine und mittelständische<br />
Unternehmen besonders stark zu spüren.<br />
In Zeiten der Wirtschaftskrise, <strong>die</strong> alle mittelständischen<br />
Unternehmen direkt oder indirekt<br />
trifft, <strong>ist</strong> es interessant zu wissen, welche Perspektiven<br />
sich in unmittelbarer und mittelbarer<br />
Zukunft abzeichnen werden. Zu <strong>die</strong>sen<br />
Betrieben gehören selbstverständlich auch <strong>die</strong><br />
Handwerksbetriebe in unterschiedlichen Betriebsgrößen.<br />
Wenn <strong>das</strong> Handwerk früher einen<br />
goldenen Boden hatte, so geht es heute einer<br />
ungewissen, unsicheren Zukunft entgegen.<br />
Drohender Arbeitsplatzverlust und Kurzarbeit<br />
in den Industriebetrieben wirken sich negativ<br />
auf <strong>die</strong> Kaufkraft aus. Das gleiche gilt auch<br />
für <strong>die</strong> Inanspruchnahme von Le<strong>ist</strong>ungen der<br />
Handwerksbetriebe.<br />
Die Veränderungen in unserer Arbeitswelt werden<br />
immer kurzfr<strong>ist</strong>iger, verbunden mit wirtschaftlichen<br />
und strukturellen Konsequenzen<br />
im Handwerk. Innovation <strong>ist</strong> im Handwerk Vorraussetzung.<br />
Jeder neue Auftrag bedeutet individuelle<br />
Lösungen.<br />
Vorraussetzungen sind Disziplin, Flexibilität,<br />
ein enormes Fachwissen und andauernde Weiterbildung.<br />
Die modernen Handwerksme<strong>ist</strong>er<br />
müssen sehr vielseitig sein. Neben technischen<br />
müssen sie betriebswirtschaftliche, kaufmännische<br />
und rechtliche Kenntnisse in hohem<br />
Maß haben. Sie müssen sich Marketingstrategien<br />
ausdenken und sich mit Personalfragen<br />
mangelhaft ausgebildet galten. „Jeder noch so<br />
kleine Schritt in <strong>die</strong>se Richtung <strong>ist</strong> Therapie<br />
genug“, so Ha<strong>das</strong>ch.<br />
„Am schönsten <strong>ist</strong> es, wenn wir feiern im Tennental…“<br />
Das sagt einer der Bewohner des Tennentals.<br />
Auch <strong>die</strong> Feste sind Therapie. Hier <strong>ist</strong><br />
man gesellig beieinander und tauscht sich aus.<br />
Gesellschaftlicher Austausch findet auch in<br />
den vielen kulturellen Veranstaltungen im Tennental<br />
statt, wo sich wieder Menschen mit und<br />
ohne Behinderung mischen. Dazu gibt es im<br />
Tennental eine eigene Theatergruppe, <strong>die</strong> regelmäßig<br />
auftritt, zuletzt mit „Ein Engel kommt<br />
nach Babylon“ von Friedrich Dürrenmatt.<br />
Inzwischen sind <strong>die</strong> anderen Werkstätten auch<br />
erwacht. In der Astholzwerkstatt wird fleißig<br />
Holz sortiert, aus der Metallwerkstatt dringen<br />
laute Fräsgeräusche, im Dorfladen gehen Menschen<br />
aus und ein und eine Gruppe „Tennen-<br />
auseinandersetzen. Bürokratie und zuweilen<br />
fragwürdige Verordnungen des Gesetzgebers<br />
nehmen viel Zeit in Anspruch.<br />
Dass handwerkliche Tradition und technische<br />
Innovation keine Gegensätze sein müssen,<br />
sondern sich ergänzen, stellt <strong>die</strong> Firma Huber<br />
(Name geändert) immer wieder unter Beweis.<br />
Das Unternehmen wird in zweiter Generation<br />
geführt und bietet Lösungen rund um <strong>die</strong><br />
Haustechnik an. Die Befragung des Firmeninhabers<br />
ergab eine differenzierte Analyse des<br />
Ist-Zustandes, sowie eine Zukunftsprognose<br />
seines Handwerks. Über 30 Mitarbeiter stehen<br />
tagtäglich vor neuen Herausforderungen. Die<br />
Ausbildung junger Menschen <strong>ist</strong> dem Firmeninhaber<br />
sehr wichtig. „In meinem Unternehmen<br />
werden Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs-<br />
und Klimatechnik ausgebildet“, erzählt<br />
Herr Huber stolz.<br />
Trotz vieler Schulabgänger, <strong>die</strong> auf der Suche<br />
nach einem Ausbildungsplatz sind, <strong>ist</strong> es<br />
heutzutage jedoch schwer, Bewerber mit ausreichender<br />
Qualifikation für <strong>die</strong> zur Verfügung<br />
stehenden Ausbildungsplätze zu finden. Keine<br />
oder nur sehr schlechte Abschlusszeugnisse<br />
und fehlende Sozialkompetenz wirken hier erschwerend.<br />
Das Ansehen der Handwerksberufe <strong>ist</strong> nicht<br />
mehr so, wie es einmal war. Nicht zuletzt durch<br />
<strong>die</strong> hohen Kosten bei Inanspruchnahme einer<br />
Le<strong>ist</strong>ung. Nicht jeder weiß, <strong>das</strong>s Stundenverrechnungssatz<br />
nicht gleich Stundenver<strong>die</strong>nst<br />
<strong>ist</strong>. Der Gewinn an einer Arbeitsstunde <strong>ist</strong>, bei<br />
den hohen Lohnnebenkosten, oft verschwindend<br />
gering. Hohe Sozialversicherungsabgaben<br />
und Steuerlasten fressen <strong>die</strong> Betriebe auf. Kredite<br />
sind bei Banken nur noch erschwert zu bekommen,<br />
wenn doch, dann nur gegen immense<br />
Sicherheiten. Auf der anderen Seite sind <strong>die</strong> Betriebe<br />
selbst oft auch noch Bank. Die Zahlungsmoral<br />
der Kundschaft <strong>ist</strong> häufig schleppend bis<br />
ganz schlecht. Dadurch können Liquiditätsschwächen<br />
entstehen. Sie stellen jedoch nach<br />
täler“ steht auf dem Dorfplatz und unterhält<br />
sich. Daneben schaukeln Kinder, Windspiele<br />
drehen sich und <strong>die</strong> Sonne durchbricht <strong>die</strong> <strong>Wo</strong>lken.<br />
Es scheint wie im Para<strong>die</strong>s. Einzig <strong>die</strong> weißen<br />
Plastikschuhe stören.<br />
In den bunten Häusern des Dorfes<br />
leben jeweils neun Behinderte mit ihren<br />
Betreuern in so genannten „Familien“<br />
wie vor viele Ausbildungsplätze zur Verfügung.<br />
Garantierte Fertigstellungstermine, Festpreise,<br />
Qualitätsstandards und Qualitätszertifikate<br />
sind heute so normal wie eine fun<strong>die</strong>rte Beratung,<br />
Servicele<strong>ist</strong>ungen und Problemlösungen.<br />
Fast jeder Kunde verhandelt wegen Preisnachlässen<br />
oder versucht, durch Einbehalte und<br />
durch Reklamationen Preisnachlässe zu erzielen.<br />
Einen Auftrag zu erhalten und einen Kunden<br />
längerfr<strong>ist</strong>ig an einen Handwerksbetrieb<br />
zu binden, <strong>ist</strong> sehr schwer geworden. Gewisse<br />
Chancen auf eine erfolgreiche Zukunft werden<br />
aber vorsichtig geäußert.<br />
Der Bedarf an Dienstle<strong>ist</strong>ungen war bis zur Finanzkrise<br />
leicht steigend. Herr Huber <strong>ist</strong> der<br />
Meinung, <strong>das</strong>s sich <strong>das</strong> Handwerk den veränderten<br />
Erwartungen und Wünschen seiner<br />
Kundschaft vermehrt anpassen muss. Aber darin<br />
liegt auch eine Chance. Der Kunde erwartet,<br />
<strong>das</strong>s seine komplexen Aufgabenstellungen<br />
souverän und kompetent gelöst werden, dann<br />
<strong>ist</strong> er auch bereit, wieder einen Handwerker zu<br />
beauftragen und <strong>die</strong> erbrachte Le<strong>ist</strong>ung auch<br />
zu bezahlen, statt vieles im Do-it-yourself-Verfahren<br />
zu machen.<br />
Um komplexe Aufträge übernehmen zu können,<br />
müssen mehrere Gewerke unter einer Federführung<br />
zusammengefasst werden. Dies kann<br />
entweder innerbetrieblich oder durch Zusammenschluss<br />
von Handwerksbetrieben unterschiedlicher<br />
Gewerke erfolgen. Beide Alternativen<br />
bringen eine Vielzahl von Problemen mit<br />
sich, so z.B. Finanzierung, Haftung und Koordination<br />
der Gewerke. Zudem wäre eine Verabschiedung<br />
alter Strukturen notwendig. Nicht<br />
mehr der Handwerksme<strong>ist</strong>er als Einzelkämpfer<br />
wäre gefragt, sondern eine teamfähige Gemeinschaft<br />
von Handwerksbetrieben. Dies <strong>ist</strong> aber<br />
nicht von heute auf morgen zu erreichen. Ob<br />
<strong>die</strong> dazu erforderlichen Aufbauphasen mit der<br />
rasanten wirtschaftlichen Entwicklung Schritt<br />
halten können, <strong>ist</strong> im voraus schwer abzusehen.<br />
Fortsetzung auf Seite 18