Wo das Chaos die Ordnung ist - Literaturmachen
Wo das Chaos die Ordnung ist - Literaturmachen
Wo das Chaos die Ordnung ist - Literaturmachen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Seite 8 Bulletin N– o 03 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus Stuttgart und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Stuttgart – Schuljahr 2008/2009 Bulletin N– o 03 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus Stuttgart und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Stuttgart – Schuljahr 2008/2009 Seite 9<br />
Auch noch im hohen Alter gesund durchs Leben<br />
zu gehen, wird heutzutage zum Ziel vieler<br />
Menschen. Dafür <strong>ist</strong> man auch bereit, sich auf<br />
Fitnessgeräten zu quälen oder den täglichen<br />
Versuchungen beim Essen und Trinken zu widerstehen.<br />
Deshalb sind vor allem Diäten und<br />
Ernährungstipps groß in Mode. Eine der ältesten<br />
Entschlackungs- und Reduktionsdiäten<br />
<strong>ist</strong> <strong>das</strong> Heilfasten. Schon Hippokrates (460-370<br />
v.Chr.) schwor auf <strong>das</strong> Fasten als Heilmittel:<br />
„Wer stark, gesund und jung bleiben will,<br />
sei mäßig, übe den Körper, atme reine Luft<br />
und heile sein Weh eher durch Fasten<br />
als durch Medikamente.“<br />
Doch wer kann sich schon vorstellen, fünf Tage<br />
lang rund um <strong>die</strong> Uhr nichts zu essen? Ist es<br />
schwierig, eine solche Heilfastenwoche auszuhalten?<br />
Macht Fasten tatsächlich fit?<br />
Um <strong>die</strong>se Fragen zu beantworten, entschloss<br />
ich mich, in den Faschingsferien eine solche<br />
Fastenwoche durchzuführen. Wie es mir dabei<br />
erging, hielt ich protokollarisch fest und verfasste<br />
<strong>die</strong>sen Artikel.<br />
Am Anfang einer Fastenkur steht <strong>die</strong> ausführliche<br />
Information über eventuelle Risiken und<br />
ob <strong>die</strong> eigene körperliche Verfassung <strong>das</strong> Fasten<br />
zulässt. Da ich keine besonderen Krankheiten<br />
oder Beeinträchtigungen habe und deswegen<br />
auch keine Medikamente einnehmen muss,<br />
konnte ich mit dem Fasten beginnen. Der erste<br />
Schritt war <strong>die</strong> Ausarbeitung meines Fastenprogramms<br />
nach Buchinger und Lützner (siehe<br />
Tabelle).<br />
Während der gesamten Fastenzeit durfte ich so<br />
viel stilles Mineralwasser und Tee trinken, wie<br />
ich wollte.<br />
entlastungstag: Sonntag, 22. Februar 2009.<br />
Heute beginne ich meine Fastenwoche. Um meinen<br />
Magen-Darm-Trakt auf <strong>die</strong> bevorstehende<br />
Nahrungskarenz vorzubereiten, darf ich den<br />
ganzen Tag nur ca. 250g gekochten Reis mit<br />
ein wenig ungesüßtem Apfelmus essen. Morgens<br />
bin ich noch stark und denke, es wird<br />
kein Problem, doch <strong>das</strong>s heute der Geburtstag<br />
meiner Schwester <strong>ist</strong>, macht es mir nicht grade<br />
leicht. Denn während meine Familie schon<br />
mittags anfängt, Kuchen zu schlemmen, hocke<br />
ich vor meiner Schüssel Reis. Doch mit ein wenig<br />
Überwindungskraft schaffe ich es gut durch<br />
den Tag. Allerdings gehe ich früh ins Bett, da<br />
meine Eltern mit meiner Schwester und ihrer<br />
Austauschschülerin aus Italien zur Feier des<br />
Tages in eines meiner Lieblingsrestaurants zum<br />
Essen gehen.<br />
Maximilian Kuhn<br />
Qual oder Bewusstseins-<br />
erweiterung?<br />
Heilfasten – ein Selbstversuch.<br />
fastentag 1: Der Sauerkrautsaft gleich nach<br />
dem Aufstehen trifft mich hart, und <strong>das</strong> auch<br />
noch in den Ferien! Doch er tut seine Wirkung<br />
und ich spüre allmählich den Drang, <strong>die</strong> Toilette<br />
aufzusuchen. Durch ein wenig Lesen und<br />
Internetsurfen versuche ich mich abzulenken<br />
und <strong>die</strong> Zeit zur nächsten Mahlzeit zu überbrücken.<br />
Diese besteht allerdings leider nur aus einer<br />
warmen Gemüsebrühe, welche nicht gerade<br />
besonders sättigend <strong>ist</strong>. Gegen Spätnachmittag<br />
<strong>ist</strong> meine Psyche von Müdigkeit, Langeweile<br />
und dem Knurren meines Magens beherrscht,<br />
jedoch finde ich keine Motivation, an <strong>die</strong> frische<br />
Luft zu gehen oder Freunde zu treffen, um<br />
mich abzulenken. Und so verbringe ich den Rest<br />
des Tages mit einem Buch im Bett. Abends gibt<br />
es noch mal eine Portion Gemüsebrühe und ein<br />
Glas Obstsaft – welche Gaumenfreude!<br />
fastentag 2: Vorsichtig öffne ich <strong>die</strong> Augen<br />
und denke mit Schrecken an <strong>die</strong> nächsten 12<br />
Stunden Hungern, <strong>die</strong> bis heute Abend noch vor<br />
mir liegen. Doch als ich aufstehe und mich ein<br />
wenig strecke, fühle ich mich erstaunlich wach<br />
und fit – fitter als an anderen Morgen ohne<br />
Hungern. Mein Speiseplan sieht heute nicht<br />
viel anders aus als gestern, doch wenigstens<br />
muss ich zum Frühstück nicht <strong>die</strong>sen furchtbaren<br />
Sauerkrautsaft hinunterwürgen. Meine<br />
Entlastungstag Re<strong>ist</strong>ag<br />
Motivation etwas zu unternehmen, <strong>ist</strong> aus unerfindlichen<br />
Gründen zurückgekehrt und ich<br />
beschließe, den Tag mit Freunden zu verbringen<br />
und nicht wieder von Morgens bis Abends<br />
in meinem Bett herumzuliegen. Als ich abends<br />
nach Hause komme, würde ich schon gerne etwas<br />
anderes essen als Gemüsebrühe, doch ich<br />
finde mich langsam mit der Situation ab.<br />
fastentag 3: Auf dem Fastenplan steht wieder<br />
Sauerkrautsaft zum Frühstück. Dieser tut wiederum<br />
prompt seine Wirkung, obwohl mir nicht<br />
klar <strong>ist</strong>, wie da noch etwas abgeführt werden<br />
kann. Jetzt geht es mir wirklich gut. Ich bin<br />
gut gelaunt und unternehmungslustig. Doch<br />
tagsüber <strong>ist</strong> nichts los und ich entscheide mich<br />
dazu, abends ein wenig mit Freunden auszugehen.<br />
Nach meiner allabendlichen Gemüsebrühe<br />
fahre ich also los in <strong>die</strong> Stadt, um mich dort mit<br />
ihnen zu treffen. Als wir eine Kneipe gefunden<br />
haben, kann ich jedoch nur ein stilles Wasser<br />
bestellen und muss natürlich sofort erklären,<br />
was mit mir los <strong>ist</strong> und ob ich gesund bin.<br />
fastentag 4: Ich bin fit und habe keinen Hunger,<br />
allerdings möchte ich mir ständig <strong>die</strong> Zähne<br />
putzen, da ich ständig einen komischen Geschmack<br />
im Mund habe.<br />
fastentag 5: Schon wieder Sauerkrautsaft, aber<br />
morgen <strong>ist</strong> der erste Aufbautag!<br />
Aufbautag 1: Nach dem morgendlichen Anis-<br />
Fenchel-Kümmeltee, welcher mich immer an<br />
Krankheitstage in meiner Kindheit erinnert,<br />
darf ich einen Apfel essen. Ein solches Erlebnis<br />
war es noch nie vorher für mich gewesen, einen<br />
Apfel zu essen. Wie saftig, knackig und frisch<br />
der Geschmack sich auf meiner Zunge entfaltet!<br />
Als ich mittags dann auch noch eine richtige<br />
Morgens Mittags Abends<br />
Fastentag 1 Darmentleerung Gemüsebrühe Obstsaft<br />
mit Sauerkrautsaft Gemüsebrühe<br />
Anis-Fenchel-Kümmeltee<br />
Fastentag 2 Anis-Fenchel-Kümmeltee Warmer Gemüsesaft Obstsaft<br />
Gemüsebrühe<br />
Fastentag 3 Darmentleerung Gemüsebrühe Gemüsebrühe<br />
mit Sauerkrautsaft Anis-Fenchel-Kümmeltee<br />
Anis-Fenchel-Kümmeltee<br />
Fastentag 4 Anis-Fenchel-Kümmeltee Gemüsebrühe Gemüsebrühe<br />
Anis-Fenchel-Kümmeltee<br />
Fastentag 5 Darmentleerung Warmer Gemüsesaft Obstsaft<br />
mit Sauerkrautsaft Gemüsebrühe<br />
Anis-Fenchel-Kümmeltee<br />
Aufbautag 1 Anis-Fenchel-Kümmeltee Gemüsesuppe Gemüsesuppe<br />
Vormittags: 1 Apfel mit Nudeln Knäckebrot, Joghurt<br />
Nachmittags: 1 Apfel Anis-Fenchel-Kümmeltee<br />
Aufbautag 2 Anis-Fenchel-Kümmeltee Salat, Kartoffeln Knäckebrot<br />
Sauerkrautsaft, Karottengemüse Kräuterquark, Tomate<br />
Trinkmolke Joghurt Anis-Fenchel-Kümmeltee<br />
Vormittags: 1 Apfel<br />
Gemüsesuppe mit Nudeln essen darf, bin ich<br />
schon sehr zufrieden und ausgesprochen satt.<br />
Das hätte ich nie gedacht, sonst <strong>ist</strong> eine solche<br />
Portion Suppe eher eine Vorspeise für mich. Das<br />
Knäckebrot, <strong>die</strong> restliche Gemüsesuppe und der<br />
Joghurt am Abend sind schon fast zu viel für<br />
mich. Doch den Rest des Abends verbringe ich<br />
wieder in der Stadt mit ein paar Freunden.<br />
Wer benutzt <strong>die</strong> eigentlich? Diese silbernen<br />
fahrräder mit dem roten „Deutsche Bahn“-<br />
Zeichen auf dem rahmen, von denen etwa<br />
zehn Stück an einer Station stehen? An über<br />
60 Stationen allein in Stuttgart und der näheren<br />
umgebung kann man sie ausleihen,<br />
aber wie oft sieht man denn jemanden damit<br />
herumfahren?<br />
Nun... Allein im letzten Jahr gab es 3700 aktive<br />
Nutzer <strong>die</strong>ses Call a Bike-Systems. Und es<br />
werden immer mehr. Angefangen hat alles mit<br />
einem Versuch vor sechs Jahren in Frankfurt.<br />
Inzwischen ex<strong>ist</strong>iert ein komplettes Netz der<br />
Fahrräder auch in Berlin, München, Köln, Stuttgart<br />
und Karlsruhe. Bis zum Ende des Jahres<br />
<strong>ist</strong> geplant, in 100 deutschen Städten jeweils<br />
mindestens eine kleine Radstation am Bahnhof<br />
zu errichten.<br />
Nicht nur Stadttour<strong>ist</strong>en, sondern auch gerade<br />
<strong>die</strong> städtischen Anwohner kommen momentan<br />
auf den Geschmack, spontan <strong>das</strong> Fahrrad anstatt<br />
den Bus zu nehmen. Miriam H. <strong>ist</strong> Architekturstudentin<br />
in Stuttgart und benutzt <strong>die</strong><br />
Räder seit etwa einem Jahr: „Im Winter fahr<br />
ich dann doch lieber Bus und Bahn, aber gerade<br />
jetzt im Frühling hab ich es wiederentdeckt.“<br />
Ihr altes Fahrrad wurde geklaut, und so kam sie<br />
auf <strong>die</strong> Idee, sich bei „Call a Bike“ anzumelden.<br />
Das sollte „eigentlich nur eine vorübergehende<br />
Lösung“ sein, aber inzwischen besitzt sie kein<br />
eigenes Rad mehr.<br />
Von 2007 bis 2008 gab es einen Zuwachs von<br />
83 Prozent an Nutzern <strong>die</strong>ses Fahrradverleihs.<br />
DB-Rent, ein Tochterunternehmen der Deutschen<br />
Bahn mit insgesamt 200 Mitarbeitern,<br />
hat <strong>das</strong> Projekt Call a Bike ins Leben gerufen.<br />
Das System <strong>ist</strong> ganz einfach: Im Internet kann<br />
man sich als Nutzer reg<strong>ist</strong>rieren lassen. Dabei<br />
gibt man nur in einem kleinen Informationsfeld<br />
seine Daten an und zahlt 5 Euro. Diese 5<br />
Euro stehen einem danach wieder als Call a Bike-Fahrtguthaben<br />
zur Verfügung. Um sich ein<br />
Fahrrad auszuleihen, wählt man mit dem Mobiltelefon<br />
kostenlos eine Nummer, <strong>die</strong> auf den<br />
Marvin Marquardt<br />
Aufbautag 2: Endgültig <strong>das</strong> letzte Mal Sauerkrautsaft<br />
und dazu noch Molke! Wie eklig!<br />
Doch der Apfel macht es wieder gut und mittags<br />
kann ich schon fast eine richtige Mahl-<br />
zeit zu mir nehmen: Salat, Kartoffeln, Karottengemüse<br />
und als Nachtisch noch Joghurt.<br />
Immer noch erstaunlich, wie schnell ich satt<br />
bin! Nach meinem leckeren Abendessen mit<br />
„Das Auto bleibt inzwischen<br />
me<strong>ist</strong>ens stehen“<br />
Call a Bike – Die Leihfahrräder der Deutschen Bahn erfreuen sich immer größerer Beliebtheit.<br />
Fahrrädern steht, und kurz darauf wird einem<br />
der PIN-Code, mit dem <strong>das</strong> Fahrrad entsichert<br />
wird, per SMS zugesendet und man hat darauf<br />
Zugriff. Man kann nun so lange mit einem erstklassigen,<br />
voll verkehrstauglichen Fahrrad mit<br />
acht Gängen umherfahren, wie <strong>das</strong> Guthaben<br />
reicht. Wenn man genug vom Fahrradfahren hat<br />
und am Ziel oder wieder an der Ausgangsstation<br />
<strong>ist</strong>, wird <strong>das</strong> Fahrrad einfach wieder angekettet<br />
und wartet dort auf den nächsten Nutzer.<br />
Wer beim Fahrradfahren mal ein Päuschen<br />
braucht oder schnell in einen Laden oder etwas<br />
besichtigen will, kann sein Vehikel auch an Ort<br />
und Stelle verriegeln. Die Weiterfahrt kann danach<br />
erfolgen, ohne Angst haben zu müssen,<br />
<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Fahrrad geklaut wird. Leider läuft <strong>die</strong><br />
Uhr während <strong>die</strong>ser Sperre weiter.<br />
Da <strong>die</strong> Stadt <strong>die</strong>ses System unterstützt und der<br />
Deutschen Bahn einen Zuschuss zahlt, <strong>ist</strong> es<br />
nur hier in Stuttgart möglich, <strong>die</strong> erste halbe<br />
Stunde umsonst zu fahren. Jede folgende Minute<br />
kostet 8 Cent. Die Deutsche Bahn wirbt mit<br />
Sätzen wie „Mobiler durch <strong>die</strong> City“ – doch <strong>ist</strong><br />
man <strong>das</strong> auch?<br />
Matthias T. stimmt dem eindeutig zu. Er <strong>ist</strong> 32<br />
Jahre alt, und seit er in seiner Freizeit mit Call a<br />
Bike unterwegs <strong>ist</strong>, „steht <strong>das</strong> Auto mehr, als es<br />
gefahren wird. Innerhalb der Stadt benutze ich<br />
es fast gar nicht mehr.“ Inzwischen kennt er<br />
fast alle Stuttgarter Ausleihstationen. Dass er<br />
ein Fahrrad abgeben wollte und es keine Stellplätze<br />
mehr gab oder <strong>das</strong>s keine Räder mehr<br />
zur Verfügung standen, <strong>ist</strong> ihm bisher noch nie<br />
passiert. Der Service <strong>ist</strong> seiner Meinung nach<br />
„erste Sahne“. Aufmerksam auf Call a Bike <strong>ist</strong> er<br />
durch einen Bekannten geworden, und er würde<br />
es auch „jedem Stuttgarter ohne zu zögern<br />
weiterempfehlen“.<br />
Einen kleinen Nachteil hat <strong>die</strong>ses so praktische<br />
System aber auch: Ohne Handy funktioniert<br />
es einfach nicht. Doch wer erst einmal <strong>die</strong>se<br />
(heutzutage kleine) Hürde genommen hat, dem<br />
wird beim Benutzen <strong>die</strong>ser Leihfahrräder nichts<br />
mehr im Weg stehen.<br />
Kräuterquark, Knäckebrot und Tomate gehe ich<br />
guter Laune zum Tanzen.<br />
fazit: 3 kg Gewichtsabnahme, gute Laune,<br />
besondere Geschmacksempfindung und spürbare<br />
körperliche wie auch ge<strong>ist</strong>ige Fitness<br />
sind es wert, <strong>die</strong>se Erfahrung einmal zu machen.<br />
Abholbereit: An den zahlreichen Stationen in<br />
Stuttgart warten <strong>die</strong> rot-silbernen Drahtesel<br />
auf Kundschaft.<br />
© Tilman Rau<br />
Das Schloss der Fahrräder wird mit einem<br />
PIN-Code entriegelt, den man sich<br />
per SMS aufs Handy schicken lassen kann.<br />
© Tilman Rau<br />
Weitere Informationen<br />
und Reg<strong>ist</strong>rierung im Internet:<br />
www.callabike.de