Wo das Chaos die Ordnung ist - Literaturmachen
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Seite 6 Bulletin N– o 03 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus Stuttgart und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Stuttgart – Schuljahr 2008/2009 Bulletin N– o 03 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus Stuttgart und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Stuttgart – Schuljahr 2008/2009 Seite 7<br />
Veronika Sinnig<br />
Menschenretter<br />
mit gutem<br />
Spürsinn und<br />
vier Beinen<br />
Auf dem Parkplatz neben dem Waldfriedhof<br />
stechen <strong>die</strong> grell orange leuchtenden einsatzfahrzeuge<br />
des roten Kreuzes aus dem<br />
mit Schnee bedeckten Wald heraus. es <strong>ist</strong><br />
kalt, doch <strong>das</strong> hindert weder <strong>die</strong> menschlichen<br />
noch <strong>die</strong> vierbeinigen Mitglieder der<br />
rettungshundestaffel Stuttgart daran, zum<br />
vereinbarten trainingsgelände zu kommen.<br />
Während <strong>die</strong> Hunde noch in ihren Boxen warten,<br />
wird <strong>die</strong> erste Suche organisiert. Dafür<br />
werden zwei Versteckpersonen, Figuranten<br />
genannt, benötigt, sowie eine Person, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
geeigneten Verstecke auswählt und dann <strong>das</strong><br />
Startsignal zur Suche geben kann. Diese Aufgabe<br />
übernehmen normalerweise <strong>die</strong> Ausbilder,<br />
doch heute macht <strong>das</strong> Annika Rösner, um für<br />
<strong>die</strong> im April anstehende Prüfung gewappnet<br />
zu sein. Mit ihren 22 Jahren <strong>ist</strong> sie eines der<br />
jüngsten Mitglieder. Der etwas stämmige Ilhan<br />
Ayaydin (32) und Gisela Becker (48) haben sich<br />
bereit erklärt, <strong>die</strong> ersten Figuranten zu sein.<br />
Ausgerüstet mit zwei dunkelgrünen Schlafsäcken<br />
und Isomatten laufen sie gutgelaunt mit<br />
Annika Rösner zusammen in den Wald.<br />
Die Anderen müssen bei den Fahrzeugen warten,<br />
damit sie <strong>die</strong> Verstecke nicht kennen. Doch<br />
Annika bleibt mit ihnen über Funk in Kontakt.<br />
So kann ein echter Einsatz möglichst real nachgestellt<br />
werden. Nach ca. 100 Metern schickt<br />
Annika Rösner Gisela Becker rechts neben den<br />
Weg ins Gestrüpp. Dort steigt sie in den Schlafsack<br />
und kauert sich hinter ein paar Baumstämme.<br />
200 Meter weiter wird auch Ilhan Ayaydin<br />
ins Gestrüpp geschickt. Das Einsteigen in den<br />
Schlafsack <strong>ist</strong> gar nicht so einfach. Geschafft.<br />
Dann gibt Annika per Funk <strong>das</strong> Signal, <strong>das</strong>s<br />
sich <strong>das</strong> erste Team, bestehend aus einem Rettungshundeführer<br />
und einem Rettungshund,<br />
auf den Weg zur Schranke machen kann, <strong>die</strong> als<br />
Startpunkt vorher ausgewählt wurde.<br />
Tina Hauser (49), eine zierliche Brünette mit<br />
Brille und einem freundlichen Lächeln, macht<br />
mit ihrer schon neunjährigen blonden Labradorhündin<br />
Aika den Anfang. „Ein Pärchen wird<br />
vermisst. Spaziergänger haben beobachtet, wie<br />
es sich gestritten hat, und dort unten an der<br />
Wegkreuzung haben sie sich getrennt. Auf der<br />
linken Seite des Weges wird <strong>das</strong> Suchgebiet vom<br />
Friedhofszaun eingegrenzt.“<br />
Das sind <strong>die</strong> einzigen Informationen, <strong>die</strong> Tina<br />
Hauser für <strong>die</strong> Suche von Annika Rösner erhält.<br />
Jetzt legt sie Aika, <strong>die</strong> schon aufgeregt<br />
mit dem Schwanz wedelt, ein Ledergeschirr an,<br />
woran ein kleines Glöckchen befestigt wurde:<br />
„Damit wir <strong>die</strong> Hunde auch nachts hören können.“<br />
Das Anlegen des Geschirrs <strong>ist</strong> <strong>das</strong> Signal<br />
für den Hund: Gleich beginnt <strong>die</strong> Suche. Doch<br />
bevor Tina Hauser Aika los schickt, lässt sie <strong>die</strong><br />
Hündin in Richtung Suchgelände Sitz machen,<br />
beugt sich runter und zeigt in <strong>die</strong> Richtung, in<br />
der Aika suchen soll.<br />
Dann leint sie Aika ab und spricht <strong>das</strong> erlösende<br />
„Such Aika“. Sofort rennt <strong>die</strong> Hündin<br />
los, aber nicht geradeaus, sondern nach rechts.<br />
Von den Rufen ihres Frauchens unbeeindruckt,<br />
bahnt Aika sich den Weg durchs Gestrüpp, <strong>das</strong><br />
klingelnde Glöckchen begleitet sie. Schon nach<br />
wenigen Sekunden ertönt ein lautes Bellen.<br />
Tina rennt in <strong>die</strong>se Richtung und findet Gisela<br />
Becker, <strong>die</strong> nun Aika ihre Bestätigung gibt:<br />
Wurststückchen aus einer kleinen Tupperbox.<br />
Dann spielt Gisela ein wildes Zerrspiel mit Aika.<br />
„Es <strong>ist</strong> ganz wichtig, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Figuranten <strong>die</strong><br />
Hunde richtig belohnen, damit <strong>die</strong> Hunde lernen,<br />
<strong>das</strong>s es sich lohnt, nach Menschen zu suchen.<br />
Auch nach jedem echten Einsatz wird für<br />
<strong>die</strong> Hunde eine kurze Erfolgssuche mit unseren<br />
Figuranten gemacht. So bleibt <strong>die</strong> Motivation<br />
bei den Hunden hoch.“ Das erklärt Tina Hauser.<br />
„Aika <strong>ist</strong> schon sehr erfahren und arbeitet<br />
ziemlich selbstständig. Der Wind hat Giselas<br />
Geruch in unsere Richtung getragen, deshalb<br />
wusste Aika genau, wohin sie rennen musste,<br />
schon bevor ich sie los geschickt hatte. Manchmal<br />
<strong>ist</strong> sie aber auch zu selbstständig. Einmal<br />
<strong>ist</strong> sie auf ihrer Suche so weit von mir weggerannt,<br />
<strong>das</strong>s ich ihr Bellen gar nicht mehr hören<br />
konnte.“<br />
Jetzt geht <strong>die</strong> Suche aber noch weiter, denn<br />
<strong>die</strong> zweite Person muss auch gefunden werden.<br />
Kein Problem für Aika, auch Ilhan Ayadin findet<br />
sie nach kurzer Zeit. Per Funk muss jetzt nach<br />
dem Fund der „Vermissten“ der Staffelleitung<br />
Bescheid gegeben werden. Auch meldet Annika,<br />
<strong>das</strong>s sich <strong>das</strong> nächste Team zur Schranke<br />
aufmachen kann. Auf dem Weg zurück trottet<br />
Aika langsam hinterher. „Man darf <strong>das</strong> nicht<br />
unterschätzen. Für uns war <strong>das</strong> gerade ein kleiner<br />
Spaziergang, aber der Hund <strong>ist</strong> <strong>die</strong> ganze<br />
Zeit gerannt und hat konzentriert gesucht. Das<br />
<strong>ist</strong> sowohl körperlich als auch ge<strong>ist</strong>ig anstrengend“,<br />
bemerkt Annika.<br />
Als nächstes sind Jörg Ulmer (39) und seine<br />
vitale, vierjährige, schwarze Labradorhündin<br />
Leyha mit der Suche an der Reihe. Der Unterschied<br />
zu Aikas Suchverhalten <strong>ist</strong> deutlich erkennbar:<br />
Leyha schaut immer wieder zu Jörg<br />
und läuft zu ihm zurück, woraufhin Jörg sie<br />
wieder zum Suchen schickt. Als Leyha dann<br />
Ilhan findet, bellt sie kurz, läuft aber wieder<br />
zu Jörg zurück. „Leyhas größtes Problem <strong>ist</strong>,<br />
<strong>das</strong>s sie nicht beim Figuranten bleibt“, meint<br />
Annika Rösner. Nach der dritten Suche wird<br />
Ilhan in seinem Versteck abgelöst, damit er<br />
auch mit seiner Hündin trainieren kann.<br />
Ein Besuch beim Training<br />
der Rettungshundestaffel Stuttgart Bei manchen Einsätzen <strong>ist</strong> <strong>die</strong> psychische<br />
Belastung für <strong>die</strong> ehrenamtlichen Helfer<br />
extrem hoch, trotzdem opfern sie gern<br />
ihre Freizeit, um Anderen zu helfen.<br />
Auf dem Weg zu den Fahrzeugen erzählt er:<br />
„Alle Rettungshundeführer arbeiten ehrenamtlich,<br />
aber es <strong>ist</strong> schon mehr als nur ein Hobby.<br />
Erstmal <strong>ist</strong> der Zeitaufwand für <strong>das</strong> Training<br />
sehr groß. Wir trainieren jeden Mittwoch und<br />
Samstag. Dann muss jeder Hundeführer eine<br />
Ausbildung zum Rettungssanitäter machen, und<br />
<strong>die</strong> Rettungshundeprüfung muss alle 18 Monate<br />
wiederholt werden. Außerdem kann man eben<br />
nicht planen, wann ein Einsatz stattfindet. Da<br />
kommt es öfters vor, <strong>das</strong>s man sich zum Beispiel<br />
am <strong>Wo</strong>chenende von der Arbeit entspannen<br />
will, und plötzlich wird man mit einer SMS<br />
zu einem Einsatz gerufen.“<br />
Auch <strong>Wo</strong>lfgang Straub (54), Gründer und Leiter<br />
der Hundestaffel Stuttgart, weiß, <strong>das</strong>s sich<br />
nicht jeder für <strong>die</strong>se Tätigkeit eignet: „Die<br />
emotionale Belastung <strong>ist</strong> oft sehr hoch. Als ein<br />
ehemaliger Hundeführer mit seinem Hund einen<br />
Toten aufgefunden hatte, nahm ihn <strong>die</strong>ses<br />
Erlebnis psychisch so mit, <strong>das</strong>s er <strong>die</strong> Arbeit in<br />
der Rettungshundestaffel nicht mehr weiterführen<br />
konnte. Die häufigsten Einsätze aber<br />
sind vermisste, ältere Menschen, dann auch<br />
Jogger, Mountainbiker oder Reiter, <strong>die</strong> wir im<br />
Wald suchen müssen. Doch <strong>das</strong> Tolle an <strong>die</strong>ser<br />
Arbeit <strong>ist</strong> nicht nur eine sinnvolle Beschäftigung<br />
mit dem Hund, sondern auch, <strong>das</strong>s man<br />
nette Menschen kennen lernt.“<br />
Mittlerweile sind schon fünf Stunden vergangen,<br />
und <strong>das</strong> letzte Team hat seine Suche<br />
absolviert. Bei manchen frieren schon <strong>die</strong> Füße,<br />
doch um <strong>die</strong> Prüfung in zwei Monaten bestehen<br />
zu können, <strong>ist</strong> regelmäßiges Training notwendig,<br />
egal bei welchem Wetter.<br />
Erfahrene Retterin: Aika <strong>ist</strong> darauf trainiert,<br />
Menschen aufzuspüren, <strong>die</strong> vermisst werden.<br />
Es herrscht eine vertraute Atmosphäre in der<br />
Schule. Jeder scheint hier jeden zu kennen.<br />
Auch <strong>die</strong> Lehrer kennen nicht nur <strong>die</strong>jenigen<br />
Schüler, <strong>die</strong> sie unterrichten. Zurzeit gibt es<br />
hier 90 Schülerinnen und Schüler von den Klassen<br />
eins bis neun, sowie 16 Lehrerinnen und<br />
Lehrer.<br />
In <strong>die</strong> <strong>die</strong>sjährige 6. Klasse gehen 10 Kinder im<br />
Alter von 11 bis 14 Jahren aus insgesamt sieben<br />
verschiedenen Nationen, zwei von ihnen sind<br />
Deutsche. Jeder Schüler sitzt alleine an einem<br />
Tisch. An den Wänden hängen bunte Bilder,<br />
größtenteils von den Kindern selbst gemalt,<br />
sowie eine Deutschlandkarte. Die me<strong>ist</strong>en<br />
Schüler kommen aus sozial schwachen Familien,<br />
nur wenige Eltern kümmern sich richtig<br />
um sie. Die Berger Schule <strong>ist</strong> eine Förderschule<br />
für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten.<br />
Als sich <strong>die</strong> Sechstklässler mit ihrer Klassenlehrerin<br />
Karin Reichert noch über <strong>das</strong> <strong>Wo</strong>chenende<br />
unterhalten, geht <strong>die</strong> Türe auf und <strong>die</strong><br />
Klassensprecher Kevin, Ronza und Ben kommen<br />
herein. Denn gerade war Schülersprecherwahl.<br />
Die 14-jährige Ronza verkündet <strong>das</strong> Ergebnis:<br />
„Erster Schulsprecher <strong>ist</strong> Hassan, Zweite <strong>ist</strong><br />
Dilek und Dritter <strong>ist</strong> Abdullah.“ Allgemeines<br />
Gemurmel geht durch <strong>die</strong> Klasse. Die 13-jährige<br />
Sefkije meint: „Dilek <strong>ist</strong> OK, aber Hassan<br />
und Abdullah schlagen immer!“ Auch <strong>die</strong> anderen<br />
Schüler sind wenig bege<strong>ist</strong>ert von dem<br />
Wahlergebnis. Doch Karin Reichert möchte erst<br />
einmal den Begriff SMV klären. Das gab es nämlich<br />
bisher noch nicht an der Berger Schule. Die<br />
Schüler raten: „Schulgemeinschaft“, „Schul…“<br />
– Nachdem Frau Reichert ein bisschen auf <strong>die</strong><br />
Sprünge hilft, kommt Vildan schließlich auf<br />
„Schülermitverantwortung!“ Das erste, was <strong>die</strong><br />
Schüler sich von der SMV versprechen <strong>ist</strong>: „Länger<br />
Pause!“ Sie sehen jedoch schnell ein, <strong>das</strong>s<br />
<strong>das</strong> gar nicht so toll <strong>ist</strong>, da sie dann länger in<br />
der Schule bleiben müssten.<br />
Nachdem der Begriff SMV ausführlich geklärt<br />
wurde, geht es mit dem Deutschunterricht weiter.<br />
Edita soll <strong>die</strong> Lesemappen austeilen. In den<br />
Schnellheftern <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Geschichte vom Erfinder<br />
der Blindenschrift, Louis Braille, abgeheftet.<br />
Jedes Kind soll einen Abschnitt daraus vorlesen.<br />
Die Me<strong>ist</strong>en lesen etwas stockend, und<br />
manchmal fragt jemand dazwischen: „<strong>Wo</strong> sind<br />
wir?“ Jedes für <strong>die</strong> Kinder schwierige <strong>Wo</strong>rt, wie<br />
zum Beispiel Schüttelfrost, Tuberkulose oder<br />
Organ<strong>ist</strong> wird von Karin Reichert ausführlich<br />
erklärt. Dadurch wird öfter vom eigentlichen<br />
Thema abgeschweift. Sefkije erzählt dann zum<br />
Beispiel, <strong>das</strong>s sie auch mal Fieber und Schüttelfrost<br />
hatte, und Vildan möchte auch etwas erzählen,<br />
hört damit aber überhaupt nicht mehr<br />
auf. Am Ende weiß sie wahrscheinlich selbst<br />
nicht mehr, was sie sagen wollte und <strong>die</strong> anderen<br />
haben auch nichts verstanden. Trotzdem<br />
hört <strong>die</strong> Lehrerin zu, nickt und bricht Vildans<br />
Redeschwall schließlich höflich ab: „Aha, gut,<br />
dann lesen wir jetzt mal weiter.“ Nachdem jedes<br />
Kind einen Abschnitt gelesen hat, <strong>ist</strong> große<br />
Pause.<br />
Kathrin Österle<br />
Jedes Kind hat<br />
seine Stärken<br />
und Schwächen<br />
In der Berger Schule in Stuttgart läuft der<br />
Unterricht anders ab als an anderen Schulen<br />
Danach geht es mit Mathe weiter. Karin Reichert<br />
ruft ein paar Schüler auf, <strong>die</strong> eine Reihe<br />
aus dem kleinen Einmaleins aufsagen müssen.<br />
Bei den Einen klappt <strong>das</strong> schon ganz gut, Andere<br />
haben noch Schwierigkeiten. Deshalb betont<br />
<strong>die</strong> Lehrerin, <strong>das</strong>s jedes Kind seine Stärken und<br />
Schwächen habe: „Ben <strong>ist</strong> gut in Mathe, kann<br />
aber nicht gut lesen, Vildan dagegen kann gut<br />
schreiben, wunderbar malen, <strong>ist</strong> aber schlecht<br />
in Mathe.“<br />
Dann teilt Karin Reichert ein Blatt mit Übungen<br />
zum kleinen Einmaleins aus. Alle machen konzentriert<br />
ihre Aufgaben. Manchmal flüstert jemand<br />
oder spickt ein bisschen bei den Anderen.<br />
„Kein Geschmotze bitte, schön muss es aussehen“,<br />
mahnt <strong>die</strong> Lehrerin. Außerdem verlangt<br />
sie, <strong>das</strong>s nächstes Jahr, in der 7. Klasse, alle <strong>das</strong><br />
kleine Einmaleins beherrschen, Plus und Minus<br />
rechnen, und außerdem gut lesen können. Wer<br />
in der Stunde nicht mit dem Blatt fertig wurde,<br />
muss es als Hausaufgabe machen.<br />
Das nächste Fach <strong>ist</strong> WZG (Welt-Zeit-Gesellschaft).<br />
Es geht um eine Reise von Sylt nach<br />
Garmisch. Derya soll an <strong>die</strong> Tafel kommen und<br />
auf der Karte zeigen, wo Sylt liegt. Etwas verunsichert<br />
zeigt sie auf <strong>die</strong> Nordsee, rutscht<br />
ein bisschen mit dem Finger herum und findet<br />
schließlich Sylt. Danach soll Kevin noch etwas<br />
vorlesen. Da es jedoch sehr unruhig in der Klasse<br />
wird und <strong>die</strong> Konzentration nachlässt, beendet<br />
<strong>die</strong> Klassenlehrerin heute etwas früher als<br />
sonst den Unterricht.<br />
Nach dem Unterricht möchte <strong>die</strong> 13-jährige Vildan<br />
ihr noch <strong>die</strong> Bilder zeigen, <strong>die</strong> sie in der<br />
Kunst-AG gemalt hat. Sie geht dort jeden Don-<br />
nerstag nach der Schule mit großer Bege<strong>ist</strong>erung<br />
hin. Im Schulhaus wurden einige ihrer<br />
Kunstwerke aufgehängt, und sie <strong>ist</strong> sehr stolz<br />
darauf.<br />
An drei Tagen der <strong>Wo</strong>che wird in der Berger<br />
Schule ein preiswertes Mittagessen angeboten,<br />
welches Martina Höschele, Hauswirtschafts-,<br />
TW-, und Sportlehrerin, mit Schülern der 9.<br />
Klasse kocht. Fast alle aus der Klasse essen dort<br />
und es schmeckt ihnen. An zwei Tagen der <strong>Wo</strong>che<br />
werden <strong>die</strong> Schüler außerhalb der Schule<br />
auch nachmittags betreut. Bis zur fünften Klasse<br />
gehen <strong>die</strong> Kinder dann nach der Schule ins<br />
Spielhaus, <strong>die</strong> Sechst- und Siebtklässler gehen<br />
ins Jugendhaus-Ost, und <strong>die</strong> Acht- und Neuntklässler<br />
gehen ins Werkstatthaus. Außerdem<br />
wird von Schülern des Heidehof-Gymnasiums<br />
Hausaufgabenbetreuung und Englischnachhilfe<br />
angeboten.<br />
Bis zur neunten Klasse kann man <strong>die</strong> Berger<br />
Schule besuchen. Anschließend kann ein Berufsvorbereitungsjahr<br />
an der Max-Eyth-Schule<br />
folgen. Ziel <strong>ist</strong> es, dort den Hauptschulabschluss<br />
zu schaffen. Vildan will später mal<br />
Krankenschwester oder Lehrerin werden „aber<br />
<strong>das</strong> ändert sich vielleicht noch, wenn ich älter<br />
bin“. Sefkije will Kassiererin oder Frisörin werden,<br />
Serhan Frisör. Die Anderen wissen es noch<br />
nicht.<br />
Karin Reichert <strong>ist</strong> 56 Jahre alt und unterrichtet<br />
seit 1999 an der Berger Schule. Sie hat sechs<br />
Semester Grund- und Hauptschullehrerin an der<br />
PH stu<strong>die</strong>rt und anschließend 4 Semester ein<br />
Zusatzstudium, welches sie zur Sonderschullehrerin<br />
ausbildete. Heute müsste man gleich Sonderpädagogik<br />
stu<strong>die</strong>ren, erklärt sie. Ihren Beruf<br />
mache sie gerne, „es <strong>ist</strong> immer sehr kurzweilig<br />
und macht sehr viel Spaß“. Aber anstrengend<br />
findet sie es trotzdem. „Mir <strong>ist</strong> wichtig, <strong>das</strong>s<br />
<strong>die</strong> Kinder mit Eifer und Spaß lernen und ihre<br />
eigene Le<strong>ist</strong>ung wertschätzen. Und <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Eltern<br />
sehen, <strong>das</strong>s sich <strong>das</strong> Kind anstrengt, auch<br />
wenn <strong>die</strong> Geschw<strong>ist</strong>er an Regelschulen sind“,<br />
meint sie.<br />
Die Schüler der 6. Klasse sind alle motiviert<br />
und geben ihr Bestes, <strong>das</strong> erkennt Karin Reichert<br />
sehr an und sie <strong>ist</strong> zuversichtlich, <strong>das</strong>s<br />
jeder von ihnen einmal einen Beruf ausüben<br />
wird.<br />
In der 6. Klasse der Berger Schule sind insgesamt sieben Nationalitäten vertreten.