Griaß di' Allgäu Sommer 2016
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ALLGÄU | Dahoim<br />
Auf der Steinbocktour (Foto links) kommt der Wanderer unter anderem an der Mindelheimer Hütte (rechts) vorbei.<br />
mergebirge, bei Bayerischzell und an der Benediktenwand<br />
in Oberbayern sowie in den Berchtesgadener Alpen. Wie viele<br />
Steinböcke im Naturschutzgebiet <strong>Allgäu</strong>er Hochalpen heute leben,<br />
weiß niemand genau. Die Zahl wird auf über 200 geschätzt.<br />
Der Bereich Oberstdorf/Kleinwalsertal gilt aber als Gebiet mit<br />
größter Steinbock-Population in den bayerischen Alpen.<br />
Die Tiere würden im <strong>Allgäu</strong> nicht gejagt und deshalb sehen sie<br />
den Menschen auch nicht als Feind, erklärt Henning Werth, Betreuer<br />
des Naturschutzgebiets <strong>Allgäu</strong>er Hochalpen. Zur Freude<br />
der vielen Wanderer. Wer will nicht gleich während der Tour ein<br />
Bild vom Bock nach Hause posten?<br />
„Ich habe sie sogar schon auf unserer Terrasse gesehen, ganz<br />
zahm, einfach fantastisch“, erzählt Jochen Krupinski, Wirt der<br />
Mindelheimer Hütte. Ein einzigartiges Schaupiel können Kletterer<br />
rund um die Hütte im Frühsommer erleben: Die Geißen<br />
lehren die Jungen das Klettern im steilen Fels. Das sei eine regelrechte<br />
Kletterschule, berichtet der mit vielen internationalen<br />
Preisen ausgezeichnete Berg- und Dokumentarfilmer Gerhard<br />
Baur aus dem Oberallgäuer Sulzberg. Immer wieder ermuntern<br />
die Muttertiere ihre Jungen, die Felsen hinauf- und hinabzusteigen.<br />
Baur hat ein Jahr lang die Tiere beobachtet und für eine<br />
Fernseh-Dokumentation gefilmt. Eine Frage hat er sich immer<br />
wieder gestellt: Was macht das Steinwild im Hochgebirge, wenn<br />
Schneestürme oft wochenlang toben? Zumal es in den Hochlagen<br />
kaum Unterschlupfmöglichkeiten gibt.<br />
Stundenlang an einem Ort<br />
Der Dokumentarfilmer hat es herausgefunden: Die Tiere ziehen<br />
sich oft wochenlang in Felswände zurück, wo sie geschützt sind<br />
und auch noch Nahrung finden. Oder sie lassen sich tagelang einschneien.<br />
„Damit die Steinböcke sich an meine Arbeit gewöhnen,<br />
bin ich oft stundenlang an einem Ort geblieben“, erzählt Baur.<br />
„Du musst wahnsinnige Geduld haben.“ Einmal ist er beim Warten<br />
tatsächlich eingeschlafen und erst nach einer halben Stunde<br />
wieder aufgewacht. „Da lag neben mir ein riesiger Steinbock.“<br />
Im <strong>Allgäu</strong> hat der Steinbock in 50 Jahren eine erstaunliche<br />
Karriere gemacht. Früher hieß die klassische Tour von Hütte zu<br />
Hütte durch die <strong>Allgäu</strong>er Hochalpen schlicht und ergreifend und<br />
wohl ein bisschen lieblos <strong>Allgäu</strong>-Durchquerung. Heute nennt<br />
man sie – schon wesentlich sympathischer – Steinbock-Tour. Auf<br />
der Kemptner Hütte kann sich der Wanderer ein T-Shirt aus der<br />
„Bock-stark“-Kollektion mit prachtvoll geschwungenen Hörnern<br />
kaufen, eine Jacke mit Steinbock-Emblem oder eine Kaffeetasse.<br />
Und die Oberstdorf-Werbung verspricht: „Dass man auf<br />
der Tour Steinböcke zu sehen bekommt oder auf Tuchfühlung<br />
mit ihnen kommt, ist so gut wie garantiert“.<br />
Nachdem die Sonne hinter der Mädelegabel verschwunden ist,<br />
erhebt sich der Bock von seinem Felsen. Noch einmal schaut er<br />
in die Runde. Wenig später überholt er uns mit einigen seiner<br />
Artgenossen an diesem Spätsommertag – auf dem Weg hinunter<br />
zum Mädelejoch. Jungtiere sind darunter, die über Felsen und<br />
Schrofen spielerisch hinunterspringen und auch ältere Tiere, die<br />
gemächlich schreiten. Was für ein Bild: Servus, macht‘s gut, Ihr<br />
seid prächtige Kerle!<br />
Der Steinbock<br />
GEWICHT UND ALTER Alpensteinböcke gehören zur Art der Ziegen.<br />
Die Geißen sind etwa 40 Kilogramm schwer. Die Böcke wiegen zum<br />
Teil über 100 Kilogramm. Steinböcke können über 20 Jahre alt werden.<br />
BART UND GEHÖRN Der Bock trägt einen Ziegenbart, hat ein imposantes,<br />
bis zu einem Meter langes und gebogenes Gehörn. Böcke haben<br />
im <strong>Sommer</strong> ein dunkelbraunes, die Geißen ein rötlich-goldbraunes Fell.<br />
Im Winter wird das Fell beider Geschlechter gräulich. Der Fellwechsel<br />
ist im Frühsommer.<br />
HERDE UND FORTPFLANZUNG Eine Steinbockherde besteht aus<br />
zehn bis 20 Weibchen mit ihren Jungtieren. Zudem gibt es Junggesellenherden.<br />
Zur Fortpflanzungszeit<br />
im Dezember und<br />
Januar kämpfen die Böcke<br />
um die Hoheit in den Revieren.<br />
Nach einer Tragzeit<br />
von fünf bis sechs Monaten<br />
bringt ein Weibchen ein, in<br />
seltenen Fällen auch zwei<br />
Jungtiere zur Welt.<br />
10 | <strong>Griaß</strong> di’ <strong>Allgäu</strong>