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Griaß di' Allgäu Sommer 2016

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ALLGÄU ANDÄCHTIG | Schlossführung<br />

Ort mit 1000 Kostbarkeiten: Zimmer im „Abthaus“, in dem einst der Chef der Reichsabtei residierte.<br />

sanften Stimme und der randlosen Brille ist das freilich egal.<br />

Friedrich Hechelmann, 68, hatte in seinem Leben schon etliche<br />

Höhen und Tiefen zu durchschreiten. Eine der größten Prüfungen<br />

musste er vor neun Jahren bestehen, als sein Lebensgefährte<br />

und Manager Joseph Baschnegger starb. Jahrelang hatten sie auf<br />

einem idyllisch gelegenen Bauernhof zwischen Weitnau und Isny<br />

gelebt und gearbeitet.<br />

Vor neun Jahren zogen die beiden ins Schloss Isny – in jene<br />

Stadt, in der Hechelmann aufgewachsen ist. Vom obersten Stock<br />

kann er hinüber auf die Altstadt schauen. „Dort“, sagt er und<br />

zeigt auf einen roten Giebel, „steht mein Elternhaus“. Die Hechelmanns<br />

waren Kaufleute, die zu Geld kamen. Kunst und Musik<br />

waren ihnen aber ebenso wichtig.<br />

Das Isnyer Schloss, 1096 als Benediktinerkloster gegründet,<br />

hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. 1999 kauften Bürger<br />

das marode Gebäude und führten es in eine Stiftung über.<br />

Hechelmann und Baschnegger mieteten sich ein, renovierten das<br />

geschichtsträchtige Gebäude und machten daraus eine Kunsthalle<br />

mit Ausstellungsräumen und einem Laden. Im ersten Stock richtete<br />

Hechelmann sein Atelier ein – ein großer Raum mit vielen<br />

Fenstern und großen Musikboxen; Bach, Schubert oder Wagner<br />

begleiten ihn bei der kreativen Arbeit.<br />

Ein Stockwerk höher wohnt er. Dort oben liegt auch eine Wohnung<br />

mit mehreren Zimmern, die staunen lässt. „Abthaus“ wird<br />

sie genannt, weil dort einst der Chef der Reichsabtei residierte.<br />

Man betritt sie durch eine verspiegelte Tür am Ende eines langen<br />

Flures. Hier hat Hechelmann in mehrjähriger Arbeit ein wundersames,<br />

zauberhaftes Refugium geschaffen mit einer Fülle an alten<br />

Möbeln, Gemälden, Lüstern und Öfen. Wer über das knarzende<br />

Parkett wandelt, dem gehen schier die Augen über angesichts der<br />

opulenten Reminiszenz an großbürgerliche Zeiten.<br />

Visuelles Bad in Blautönen<br />

Immer mehr Menschen wollen diesen Hort der 1000 Kostbarkeiten<br />

kennen lernen. Die Führungen sind für gewöhnlich rasch<br />

ausgebucht. Besonderes Schmuckstück ist das Mignon-Zimmer,<br />

das Besuchern ein visuelles Bad in Blautönen bereitet. Die Tapeten<br />

hat Hechelmann selbst bemalt; inspirieren ließ er sich von<br />

Goethes Mignon-Gedicht. Und gleich rezitiert er: „Kennst du<br />

das Land, wo die Zitronen blüh‘n ...“.<br />

Jahrzehnte lang hat Friedrich Hechelmann gemalt und gezeichnet.<br />

Unermüdlich. Vor zwei Jahren aber ging plötzlich<br />

nichts mehr. Hechelmann mochte keinen Pinsel, keinen Stift<br />

mehr in die Hand nehmen. Er wollte sich nicht mehr an den Maltisch<br />

setzen, um Farben auf Papier und Holztafeln aufzutragen.<br />

Wer ihn nach Gründen für diese Blockade fragt, erhält ausweichende<br />

Antworten. Sie hatte etwas mit seiner Gesundheit zu tun,<br />

sagt er. Im Rückblick bezeichnet er das Ereignis, das ihn aus der<br />

künstlerischen Spur warf, als Schicksal. In seiner Not entschied<br />

er sich für einen radikalen Schnitt: Er wechselte das Arbeitsfeld.<br />

Der erfolgreiche Maler, der leidenschaftlich, fantasievoll und mit<br />

136 | <strong>Griaß</strong> di’ <strong>Allgäu</strong>

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