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HISTORY<br />

angewiesen. Wochenlang ist er mit ihnen in<br />

Witzwil allein. Er ist Verwalter, Aufseher,<br />

Gutsverwalter und praktizierender Landwirt<br />

in Personalunion. Nur ab und zu kommt<br />

Pfarrer Wyss aus Ins vorbei.<br />

Oben: Bau des<br />

Verpflegungsgebäudes<br />

Witzwil 1918. Das<br />

Haus des Direktors<br />

von Witzwil, um<br />

1895 (unten).<br />

ZUGOCHSEN STATT MILCHKÜHE<br />

Von grosser Bedeutung ist natürlich, dass<br />

billige Arbeitskräfte in grosser Zahl für den<br />

landwirtschaftlichen Betrieb und die Bodenverbesserung<br />

zur Verfügung stehen. Der<br />

Kanton macht es sich einfach. Geld wird<br />

nicht investiert. Von Direktor Otto Kellerhals<br />

wird erwartet, dass er die Strafanstalt aus<br />

dem Erträgen der Landwirtschaft finanziert.<br />

Das Kunststück gelingt ihm.<br />

Das in Halle erworbene Wissen kommt<br />

ihm jetzt zu Gute. Zu Beginn der 1900er-<br />

Jahre beginnt der Betrieb zu rocken. Aus<br />

dem einstigen sauren Moorboden ist nun<br />

Gras-, Weide- und Ackerland geworden. Otto<br />

Kellerhals ergänzt den Ackerbau mit Viehzucht.<br />

Er kommt zur Überzeugung, dass für<br />

den riesigen Betrieb die Aufzucht von Zugochsen<br />

rentabler ist als Milchwirtschaft. Jahr<br />

für Jahr werden nur 60 Kuhkälber aufgezogen,<br />

die ausschliesslich der Ergänzung des<br />

Milchviehbestandes der Anstalt und damit<br />

der Eigenversorgung dienen. Daneben werden<br />

60 bis 80 männliche Tiere als Zugtiere<br />

für den eigenen Betrieb oder zum Verkauf<br />

im Alter von zwei bis drei Jahren aufgezogen.<br />

Was heute der «John Deer» dem Bauer,<br />

das ist zu Beginn des letzten Jahrhunderts<br />

der Zugochse. Die Tiere können, da so viel<br />

Land zur Verfügung steht, billig aufgezogen<br />

werden. Über Jahre ist die Nachfrage nach<br />

den legendären Witzwiler Zugochsen enorm<br />

– und sie gewinnen erst recht in der Zeit des<br />

1. Weltkrieges (1914–1918) an Wert, als die<br />

Armee alle Pferde einzieht. Die Milchwirtschaft<br />

in einer eigenen Käserei spielt hingegen<br />

keine grosse Rolle – und bald wird auf<br />

Butterfabrikation umgestellt.<br />

Direktion mit Aufsehern Witzwil, 1913.<br />

GÜNSTIGE ARBEITSKRÄFTE<br />

In geringem Umfang werden auch Kartoffeln<br />

angebaut, aber vom Brennen von Kartoffelschnaps<br />

kommt Otto Kellerhals nicht nur aus<br />

wirtschaftlichen, sondern auch aus erzieherischen<br />

Gründen bald wieder ab. Er hätte die<br />

Schnapsbestände wohl rund um die Uhr<br />

bewachen müssen. Und es kann ja nicht sein,<br />

dass man Sträflinge Schnaps brennen lässt.<br />

Er setzt darum auf den Anbau von Zuckerrüben.<br />

Und auch das funktioniert in Zusammenarbeit<br />

mit dem Aufbau einer Zuckerfabrik<br />

in Aarberg. Der gesamte Viehbestand<br />

beträgt im Jahr 1903 460 Stück Rindvieh,<br />

38 Pferde und Fohlen sowie 151 Schweine.<br />

Zu dieser Zeit beaufsichtigt Otto Kellerhals<br />

zwischen 110 und 150 Gefangene. 40 bis 50<br />

Angestellte sowie vier bis sechs Arbeiter-<br />

Fotos: Staatsarchiv des Kantons Bern<br />

24 s’Positive 9 / <strong>2017</strong>

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