EDUCATION 5.17

Thema | Dossier
Lehrplan 21
Hausaufgaben: attraktiv,
reichhaltig – und viel weniger
Interview mit Maria Marti und Erwin Sommer: Iris Frey
Fotos: Pia Neuenschwander
EDUCATION: Haben Sie in der
Schule gerne Hausaufgaben
gemacht?
Maria Marti An den Mathaufgaben
hatte ich definitiv mehr Freude als an
Französisch: «Franzwörtli» lernen
war mir so zuwider, dass ich Strategien
entwickeln musste, um mich
weniger zu langweilen …
Welche?
Maria Marti Ich schrieb alle Wörter
ab und markierte jene, die ich mir
nicht merken konnte. Das brauchte
zwar viel Zeit, lenkte aber vom Lernen
ab. Überhaupt war ich beim Lernen
von «Franzwörtli» froh für jede
Ablenkung.
Erwin Sommer Französisch lernte
ich leider erst in der Politik und in der
Erziehungsdirektion (lacht)!
Im Ernst: Ich habe immer möglichst
vieles schon in der Schule erledigt.
«Hausaufgaben» machen musste
ich erst in der Ausbildung zum Lehrer.
Da ich weder Aufzug noch Bauchwelle
beherrschte, übte ich über den
Mittag, bis ich Blasen an den Händen
hatte. Mit Erfolg: Ich bestand mit
Bravour.
Mit dem Lehrplan 21 sollen die
Hausauf gaben reduziert werden,
bei einer 7. Klasse von heute
maximal 4 Stunden auf 90 Minuten
wöchentlich. Wer ist die Referenz –
ein langsamer oder ein schneller
Schüler?
Erwin Sommer Diese Zeit sollte für
alle als Obergrenze gelten. Wir sind
der Meinung, dass auch langsamere
Schülerinnen und Schüler ein Recht
auf Freizeit haben, für Sport, Freundschaften,
Peers und Erholung. Weil
wir mit dem Lehrplan 21 die Lektionenzahlen
erhöhen werden – in Mathematik,
Deutsch, Medien und Informatik
sowie für die individuelle
Vertiefung und Erweiterung (IVE) – ist
es logisch, dass im Gegenzug eine
Kürzung bei den Hausaufgaben erfolgen
muss. Dieses Anliegen wurde
uns an den vielen «Hearings» zum
Lehrplan 21 von unzähligen Lehrpersonen
entgegengebracht.
Maria Marti Ich beziehe diese Maximalzeit
auf die 60 bis 80 Prozent
der Schülerinnen und Schüler im Mittelfeld
einer Klasse. Wenn ein Schüler
unbefriedigende Aufgaben abliefert,
fällt das Nachbessern selbstverständlich
nicht in diesen Zeitrahmen.
Schülerinnen und Schüler, die
rascher arbeiten, machen Aufgaben
zu den erweiterten Anforderungen,
langsamere beschäftigen sich lediglich
mit solchen zu den Grundanforderungen.
Das ist in meinem Unterricht
heute schon so und hat zur
Folge, dass alle etwa gleich viel Aufgaben
haben.
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