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EDUCATION 5.17

Hauptthema: Lehrplan 21

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Porträt | Portrait<br />

Simon Gneist<br />

«Ich bin total analog»<br />

Tina Uhlmann<br />

Foto: Pia Neuenschwander<br />

Er hat Flugzeuge gebaut, Boote und Instrumente, war als Lehrer mit dem Zirkus Nock unterwegs<br />

und kreiert heute Massivholzmöbel vom Entwurf bis zum Feinschliff. Handfertigkeit<br />

und das Glück, etwas von A bis Z selber zu gestalten, möchte Simon Gneist auch den Jugendlichen<br />

seiner Werkklassen mitgeben.<br />

«Riecht mal!», ruft der Mann in der staubigen Arbeitskluft<br />

und eilt aus dem kleinen Büro herbei, eine Kaffeemühle<br />

mit Kurbel in der Hand. Aus dem hölzernen Schublädchen,<br />

das er uns hinhält, steigt der Duft frisch gemahlener<br />

Kaffeebohnen und verzaubert den Morgen in seiner Burgdorfer<br />

Werkstatt. «Simon Gneist – Holz in Form und Funktion»<br />

steht draussen am Gebäude, das einst Büros und<br />

Werkhallen der Emmentalbahn, heute BLS, beherbergte.<br />

Und schon steht der Espresso auf der ausklappbaren<br />

Kirschbaumtischplatte, die im schräg einfallenden Sonnenlicht<br />

mit ihrer prächtigen Maserung prunkt. Zwei<br />

Vintage-Sessel dazu, die der Möbelbauer vor der Entsorgung<br />

durch seine Vorgänger gerettet hat, einer seiner eigenen<br />

Stühle – 2005 ausgezeichnet mit dem Bern Design<br />

Award – und fertig ist die schicke Sitzecke.<br />

Segelflugzeug und Fliegenklatschen<br />

Auch die Geschichten, die es zum Kaffee gibt, sind prächtig,<br />

denn der Werdegang des Meisters war kurvenreich,<br />

seine Umwege abenteuerlich. Die berufliche Basis mit<br />

dem «Semer» war zwar noch ganz «vernünftig» – doch der<br />

Spross einer Lehrerfamilie wählte die Ausbildung zum Pädagogen<br />

vor allem deshalb, weil sie versprach, «die musischen<br />

Fächer gleich stark zu gewichten wie den Rest». In<br />

der Praxis war das dann etwas anders, und fertig ausgebildet<br />

ging Simon Gneist erst einmal nach Frankreich, wo<br />

er mithalf, ein Kanalschiff umzubauen. Handwerkliches<br />

Know-how hatte er sich schon als 16-Jähriger erworben,<br />

als er mit seinem 13-jährigen Bruder zusammen ein Segelflugzeug<br />

baute. Zum Erstaunen der Erwachsenen<br />

hoben die beiden Buben dann auch wirklich ab – ihr Konstrukt<br />

flog!<br />

«Meine Schüler wissen zum Teil nicht einmal, wie<br />

man einen Besen in die Hand nimmt», stellt Gneist fest,<br />

während er verkehrt herum auf seinem Stuhl sitzt, die<br />

schlanke Lehne fest im Griff. Ihm ist es wichtig, dass die<br />

Jugendlichen der 8. und 9. Klasse, die er in Lotzwil im<br />

Fach Werken unterrichtet, ihre Hände zu gebrauchen lernen.<br />

Im Kellerwerkraum des Schulhauses Kirchenfeld<br />

gebe es kein WLAN, wohl sehr zur Enttäuschung der<br />

Schülerinnen und Schüler – aber auch zu ihrem Vorteil.<br />

«Sie haben zwei Lektionen Werken pro Woche», rechnet<br />

Gneist vor, «abzüglich Aufgabenstellung, Erklärungen und<br />

Aufräumen am Schluss bleibt faktisch eine Stunde pro<br />

«Kinder müssen mit<br />

Erwachsenen sehr viel<br />

Nachsicht haben.»<br />

Woche, in der sie produktiv sein können. Da lasse ich den<br />

Computer, an dem sie sonst schon den ganzen Tag arbeiten,<br />

gerne weg.» Zurzeit stellen seine Klassen eine Fliegenklatsche<br />

aus Holz und Leder her sowie eine Ölleuchte<br />

aus Metall für den Garten oder Balkon.<br />

Fahrender Lehrer und Lehrling am See<br />

Auch in dem kleinen Büro, wo wir unsere ausgetrunkenen<br />

Kaffeetassen hinstellen, gibt es keinen Computer. Zuhause<br />

habe er schon einen, meint der Möbelbauer, der<br />

auch witzige E-Mails schreibt – «aber im Grunde bin ich<br />

total analog.» Die Entwürfe für seine Möbel zeichnet er auf<br />

Papier, die Hölzer führt er von Hand durch die Maschinen.<br />

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